"Aber wollten ihm doch nicht durch einen andern "hinterrücks einen Dolch in die Seite stoßen laßen?--
"Herr! Herr! -- Wofür sieht er mich an? das "Weiße im Auge sehe ich selbst meinem Feinde, und "laß ihn denn sich vertheidigen wenn er kann."
"Mein Feind, Herr Major, kann sich nicht ver- "theidigen. Jst es Jhnen anständig, einem verthei- "digungslosen Manne den Dolch ins Herz zu stoßen? "Würde es mir anständig seyn? Mein Stand verbie- "tet mir, Unrecht mit dem Schwerdte zu rächen, "meine Religion gebietet mir, es zu vergeben und "Böses mit Gutem zu vergelten. Jch wäre nicht werth "Friede und Versöhnung gepredigt zu haben, wenn "ich durch Sie, an meinem Feinde, der ohne Verthei- "digung in Jhrer Gewalt ist, mich rächen, wenn "ich diese schreckliche Rache, bis auf einen unschuldi- "gen Jüngling erstrecken wolte, der mich nie beleidigt "hat, noch mehr, der mein Gastfreund ist, der in "meiner elenden Schlafstelle Schutz und Zuflucht ge- "sucht hat. -- Nein Herr Major erniedrigen Sie "mich nicht so sehr -- Lassen Sie den jungen Menschen "frey. Lassen Sie mich an dem Vater eine viel edlere "Rache nehmen, die Rache, zu empfinden daß der, den "er beleidigt hat, sein wahrer Freund ist. Seine Be- "strafung überlassen Sie seinem eigenen Gewissen,
"das
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„Aber wollten ihm doch nicht durch einen andern „hinterruͤcks einen Dolch in die Seite ſtoßen laßen?—
„Herr! Herr! — Wofuͤr ſieht er mich an? das „Weiße im Auge ſehe ich ſelbſt meinem Feinde, und „laß ihn denn ſich vertheidigen wenn er kann.‟
„Mein Feind, Herr Major, kann ſich nicht ver- „theidigen. Jſt es Jhnen anſtaͤndig, einem verthei- „digungsloſen Manne den Dolch ins Herz zu ſtoßen? „Wuͤrde es mir anſtaͤndig ſeyn? Mein Stand verbie- „tet mir, Unrecht mit dem Schwerdte zu raͤchen, „meine Religion gebietet mir, es zu vergeben und „Boͤſes mit Gutem zu vergelten. Jch waͤre nicht werth „Friede und Verſoͤhnung gepredigt zu haben, wenn „ich durch Sie, an meinem Feinde, der ohne Verthei- „digung in Jhrer Gewalt iſt, mich raͤchen, wenn „ich dieſe ſchreckliche Rache, bis auf einen unſchuldi- „gen Juͤngling erſtrecken wolte, der mich nie beleidigt „hat, noch mehr, der mein Gaſtfreund iſt, der in „meiner elenden Schlafſtelle Schutz und Zuflucht ge- „ſucht hat. — Nein Herr Major erniedrigen Sie „mich nicht ſo ſehr — Laſſen Sie den jungen Menſchen „frey. Laſſen Sie mich an dem Vater eine viel edlere „Rache nehmen, die Rache, zu empfinden daß der, den „er beleidigt hat, ſein wahrer Freund iſt. Seine Be- „ſtrafung uͤberlaſſen Sie ſeinem eigenen Gewiſſen,
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„Aber wollten ihm doch nicht durch einen andern
„hinterruͤcks einen Dolch in die Seite ſtoßen laßen?—
„Herr! Herr! — Wofuͤr ſieht er mich an? das
„Weiße im Auge ſehe ich ſelbſt meinem Feinde, und
„laß ihn denn ſich vertheidigen wenn er kann.‟
„Mein Feind, Herr Major, kann ſich nicht ver-
„theidigen. Jſt es Jhnen anſtaͤndig, einem verthei-
„digungsloſen Manne den Dolch ins Herz zu ſtoßen?
„Wuͤrde es mir anſtaͤndig ſeyn? Mein Stand verbie-
„tet mir, Unrecht mit dem Schwerdte zu raͤchen,
„meine Religion gebietet mir, es zu vergeben und
„Boͤſes mit Gutem zu vergelten. Jch waͤre nicht werth
„Friede und Verſoͤhnung gepredigt zu haben, wenn
„ich durch Sie, an meinem Feinde, der ohne Verthei-
„digung in Jhrer Gewalt iſt, mich raͤchen, wenn
„ich dieſe ſchreckliche Rache, bis auf einen unſchuldi-
„gen Juͤngling erſtrecken wolte, der mich nie beleidigt
„hat, noch mehr, der mein Gaſtfreund iſt, der in
„meiner elenden Schlafſtelle Schutz und Zuflucht ge-
„ſucht hat. — Nein Herr Major erniedrigen Sie
„mich nicht ſo ſehr — Laſſen Sie den jungen Menſchen
„frey. Laſſen Sie mich an dem Vater eine viel edlere
„Rache nehmen, die Rache, zu empfinden daß der, den
„er beleidigt hat, ſein wahrer Freund iſt. Seine Be-
„ſtrafung uͤberlaſſen Sie ſeinem eigenen Gewiſſen,
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/175>, abgerufen am 17.06.2024.
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