so dachte doch niemand mehr daran, den Sebaldus vorzuschlagen.
Endlich ward nach ein paar Monaten eine Pre- digerstelle in einem benachbarten kleinen Städtchen offen, die Sebaldus unter andern deshalb gern ge- habt hätte, weil Hieronymus den dasigen Vieh- markt zu besuchen pflegte, und er sich ein großes Ver- gnügen dabey vorstellte, seinen einzigen Freund jährlich zweymahl zu sehen, und in seinem Hause aufzuneh- men. Er wagte es also, dem Generalsuperintendenten abermals aufzuwarten, und zum erstenmahle sich selbst um diese Stelle zu melden.
Stauzius warf die Sache nicht ganz weg; aber nach einigem Ha und Hem, fieng er an dem Sebal- dus vorzustellen: "Wie er selbst einsehen würde wie "nöthig es wäre, wenn von seiner wirklichen Beför- "derung die Rede seyn solte, daß er das gegebene Aer- "gerniß höbe, vor dem Consistorium seine irrige Mei- "nungen, besonders von der Ewigkeit der Höllenstra- "fen widerriefe, auch wegen der höchstwichtigen Lehre "von der Genungthung, dem Sinne der reinen symboli- "schen Bücher gemäß, sich erkläre; indem er sich mit "Betrübniß erinnere, in Leipzig darüber von ihm eine "höchstbedenkliche Aeusserung gehört zu haben."
Seb-
ſo dachte doch niemand mehr daran, den Sebaldus vorzuſchlagen.
Endlich ward nach ein paar Monaten eine Pre- digerſtelle in einem benachbarten kleinen Staͤdtchen offen, die Sebaldus unter andern deshalb gern ge- habt haͤtte, weil Hieronymus den daſigen Vieh- markt zu beſuchen pflegte, und er ſich ein großes Ver- gnuͤgen dabey vorſtellte, ſeinen einzigen Freund jaͤhrlich zweymahl zu ſehen, und in ſeinem Hauſe aufzuneh- men. Er wagte es alſo, dem Generalſuperintendenten abermals aufzuwarten, und zum erſtenmahle ſich ſelbſt um dieſe Stelle zu melden.
Stauzius warf die Sache nicht ganz weg; aber nach einigem Ha und Hem, fieng er an dem Sebal- dus vorzuſtellen: „Wie er ſelbſt einſehen wuͤrde wie „noͤthig es waͤre, wenn von ſeiner wirklichen Befoͤr- „derung die Rede ſeyn ſolte, daß er das gegebene Aer- „gerniß hoͤbe, vor dem Conſiſtorium ſeine irrige Mei- „nungen, beſonders von der Ewigkeit der Hoͤllenſtra- „fen widerriefe, auch wegen der hoͤchſtwichtigen Lehre „von der Genungthung, dem Sinne der reinen ſymboli- „ſchen Buͤcher gemaͤß, ſich erklaͤre; indem er ſich mit „Betruͤbniß erinnere, in Leipzig daruͤber von ihm eine „hoͤchſtbedenkliche Aeuſſerung gehoͤrt zu haben.‟
Seb-
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ſo dachte doch niemand mehr daran, den Sebaldus
vorzuſchlagen.
Endlich ward nach ein paar Monaten eine Pre-
digerſtelle in einem benachbarten kleinen Staͤdtchen
offen, die Sebaldus unter andern deshalb gern ge-
habt haͤtte, weil Hieronymus den daſigen Vieh-
markt zu beſuchen pflegte, und er ſich ein großes Ver-
gnuͤgen dabey vorſtellte, ſeinen einzigen Freund jaͤhrlich
zweymahl zu ſehen, und in ſeinem Hauſe aufzuneh-
men. Er wagte es alſo, dem Generalſuperintendenten
abermals aufzuwarten, und zum erſtenmahle ſich ſelbſt
um dieſe Stelle zu melden.
Stauzius warf die Sache nicht ganz weg; aber
nach einigem Ha und Hem, fieng er an dem Sebal-
dus vorzuſtellen: „Wie er ſelbſt einſehen wuͤrde wie
„noͤthig es waͤre, wenn von ſeiner wirklichen Befoͤr-
„derung die Rede ſeyn ſolte, daß er das gegebene Aer-
„gerniß hoͤbe, vor dem Conſiſtorium ſeine irrige Mei-
„nungen, beſonders von der Ewigkeit der Hoͤllenſtra-
„fen widerriefe, auch wegen der hoͤchſtwichtigen Lehre
„von der Genungthung, dem Sinne der reinen ſymboli-
„ſchen Buͤcher gemaͤß, ſich erklaͤre; indem er ſich mit
„Betruͤbniß erinnere, in Leipzig daruͤber von ihm eine
„hoͤchſtbedenkliche Aeuſſerung gehoͤrt zu haben.‟
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/186>, abgerufen am 16.06.2024.
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