wäre, der Fräulein wegen, die Gnade haben solte an die hochadeliche Tafel gezogen zu werden, wenn aber Gesellschaft da wäre, so würde sie sich selbst bescheiden, mit den übrigen Domestiken höhern Raugs zu essen.
Dies waren sämtlich Personen, die nützliche Ta- lente besaßen, feine Sitten hatten, und die Welt kannten. Sie bestanden in dem französischen Fri- seur der gnädigen Frau, in dem Gerichtsactuar, der zu gleicher Zeit das Amt eines Tafelde- ckers wahrnahm, in der Kammerjungfer der gnä- digen Frau, die in den Kohlgärten vor Leipzig in der Schule der artigen Lebensart gewesen war, in der Ausgeberin, die bey einem Hauptmanne, dem sie drey Campagnen durch als Köchin gefolgt war, die Oekonomie gelernet hatte, in einem ausgedienten Fahnenschmiede, der im Hause ehrenhalber der Stall- meister des gnädigen Herrn titulirt ward, und in einem armen vater- und mutterlosen Verwandten, welcher von einem Regimente, unter das man ihn als Fahnjunker gebracht, bloß deswegen war weggejagt worden, weil er in der Schlacht bey Roßbach zuerst sich umgekehrt hatte. Freilich war diesem löblichen Beyspiele hernach das ganze Regiment gefolgt, doch ohne seine Schuld, indem er in der That schon über funfzig Schritte entfernt war, als es geschahe.
Dieser
waͤre, der Fraͤulein wegen, die Gnade haben ſolte an die hochadeliche Tafel gezogen zu werden, wenn aber Geſellſchaft da waͤre, ſo wuͤrde ſie ſich ſelbſt beſcheiden, mit den uͤbrigen Domeſtiken hoͤhern Raugs zu eſſen.
Dies waren ſaͤmtlich Perſonen, die nuͤtzliche Ta- lente beſaßen, feine Sitten hatten, und die Welt kannten. Sie beſtanden in dem franzoͤſiſchen Fri- ſeur der gnaͤdigen Frau, in dem Gerichtsactuar, der zu gleicher Zeit das Amt eines Tafelde- ckers wahrnahm, in der Kammerjungfer der gnaͤ- digen Frau, die in den Kohlgaͤrten vor Leipzig in der Schule der artigen Lebensart geweſen war, in der Ausgeberin, die bey einem Hauptmanne, dem ſie drey Campagnen durch als Koͤchin gefolgt war, die Oekonomie gelernet hatte, in einem ausgedienten Fahnenſchmiede, der im Hauſe ehrenhalber der Stall- meiſter des gnaͤdigen Herrn titulirt ward, und in einem armen vater- und mutterloſen Verwandten, welcher von einem Regimente, unter das man ihn als Fahnjunker gebracht, bloß deswegen war weggejagt worden, weil er in der Schlacht bey Roßbach zuerſt ſich umgekehrt hatte. Freilich war dieſem loͤblichen Beyſpiele hernach das ganze Regiment gefolgt, doch ohne ſeine Schuld, indem er in der That ſchon uͤber funfzig Schritte entfernt war, als es geſchahe.
Dieſer
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waͤre, der Fraͤulein wegen, die Gnade haben ſolte
an die hochadeliche Tafel gezogen zu werden, wenn aber
Geſellſchaft da waͤre, ſo wuͤrde ſie ſich ſelbſt beſcheiden,
mit den uͤbrigen Domeſtiken hoͤhern Raugs zu eſſen.
Dies waren ſaͤmtlich Perſonen, die nuͤtzliche Ta-
lente beſaßen, feine Sitten hatten, und die Welt
kannten. Sie beſtanden in dem franzoͤſiſchen Fri-
ſeur der gnaͤdigen Frau, in dem Gerichtsactuar,
der zu gleicher Zeit das Amt eines Tafelde-
ckers wahrnahm, in der Kammerjungfer der gnaͤ-
digen Frau, die in den Kohlgaͤrten vor Leipzig in der
Schule der artigen Lebensart geweſen war, in der
Ausgeberin, die bey einem Hauptmanne, dem ſie
drey Campagnen durch als Koͤchin gefolgt war, die
Oekonomie gelernet hatte, in einem ausgedienten
Fahnenſchmiede, der im Hauſe ehrenhalber der Stall-
meiſter des gnaͤdigen Herrn titulirt ward, und in
einem armen vater- und mutterloſen Verwandten,
welcher von einem Regimente, unter das man ihn als
Fahnjunker gebracht, bloß deswegen war weggejagt
worden, weil er in der Schlacht bey Roßbach zuerſt
ſich umgekehrt hatte. Freilich war dieſem loͤblichen
Beyſpiele hernach das ganze Regiment gefolgt, doch
ohne ſeine Schuld, indem er in der That ſchon uͤber
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/196>, abgerufen am 17.06.2024.
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