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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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straße entführt wurde?) zugezogen hatte, reichlich be-
zahlt zu machen. Anstatt also Marianens Aufent-
halt dem Freyherrn von D *** zu melden, so meldete
er denselben lieber dem Obersten, und benennte ihm
zugleich den Preis, um welchen er sie an einen ihm
beliebigen Ort bringen wollte. Er gieng hiebey des-
halb so offenherzig zu Werke, weil er im Laufe der
Welt gefunden hatte, daß selbst vornehmere Leute, als
er, die er, um seine Zwecke zu erlangen, zu bestechen
nöthig gehabt hatte, wenn es wirklich ihr Ernst ge-
wesen Wort zu halten, lieber vorher um den Preis
ihrer Protektion gehandelt, als sich auf eine unge-
wisse Freygebigkeit verlassen hatten.

Der Oberste, der sich das Glück nicht hatte träumen
lassen, Marianen sobald wieder zu sehen, noch we-
niger, sie in seiner Gewalt zu haben, gieng alle Be-
dingungen ein. Der Verwalter reisete also mit ihr
fort, unter dem Vorwande, sie zu dem Hrn. von
D *** zu bringen, und nahm ein Nachtlager auf
einem der Güter des Obersten. Jn der Schenke war
schon bestellt, daß sie nicht aufgenommen werden
könnten, weil alles schon besetzt wäre. Der Ver-
walter fuhr also nach dem herrschaftlichen Hause, wo
er den Aufseher zu kennen vorgab. Sie traten ab.
Hier verließ er des Nachts heimlich Marianen, und

den



ſtraße entfuͤhrt wurde?) zugezogen hatte, reichlich be-
zahlt zu machen. Anſtatt alſo Marianens Aufent-
halt dem Freyherrn von D *** zu melden, ſo meldete
er denſelben lieber dem Oberſten, und benennte ihm
zugleich den Preis, um welchen er ſie an einen ihm
beliebigen Ort bringen wollte. Er gieng hiebey des-
halb ſo offenherzig zu Werke, weil er im Laufe der
Welt gefunden hatte, daß ſelbſt vornehmere Leute, als
er, die er, um ſeine Zwecke zu erlangen, zu beſtechen
noͤthig gehabt hatte, wenn es wirklich ihr Ernſt ge-
weſen Wort zu halten, lieber vorher um den Preis
ihrer Protektion gehandelt, als ſich auf eine unge-
wiſſe Freygebigkeit verlaſſen hatten.

Der Oberſte, der ſich das Gluͤck nicht hatte traͤumen
laſſen, Marianen ſobald wieder zu ſehen, noch we-
niger, ſie in ſeiner Gewalt zu haben, gieng alle Be-
dingungen ein. Der Verwalter reiſete alſo mit ihr
fort, unter dem Vorwande, ſie zu dem Hrn. von
D *** zu bringen, und nahm ein Nachtlager auf
einem der Guͤter des Oberſten. Jn der Schenke war
ſchon beſtellt, daß ſie nicht aufgenommen werden
koͤnnten, weil alles ſchon beſetzt waͤre. Der Ver-
walter fuhr alſo nach dem herrſchaftlichen Hauſe, wo
er den Aufſeher zu kennen vorgab. Sie traten ab.
Hier verließ er des Nachts heimlich Marianen, und

den
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[198/0210] ſtraße entfuͤhrt wurde?) zugezogen hatte, reichlich be- zahlt zu machen. Anſtatt alſo Marianens Aufent- halt dem Freyherrn von D *** zu melden, ſo meldete er denſelben lieber dem Oberſten, und benennte ihm zugleich den Preis, um welchen er ſie an einen ihm beliebigen Ort bringen wollte. Er gieng hiebey des- halb ſo offenherzig zu Werke, weil er im Laufe der Welt gefunden hatte, daß ſelbſt vornehmere Leute, als er, die er, um ſeine Zwecke zu erlangen, zu beſtechen noͤthig gehabt hatte, wenn es wirklich ihr Ernſt ge- weſen Wort zu halten, lieber vorher um den Preis ihrer Protektion gehandelt, als ſich auf eine unge- wiſſe Freygebigkeit verlaſſen hatten. Der Oberſte, der ſich das Gluͤck nicht hatte traͤumen laſſen, Marianen ſobald wieder zu ſehen, noch we- niger, ſie in ſeiner Gewalt zu haben, gieng alle Be- dingungen ein. Der Verwalter reiſete alſo mit ihr fort, unter dem Vorwande, ſie zu dem Hrn. von D *** zu bringen, und nahm ein Nachtlager auf einem der Guͤter des Oberſten. Jn der Schenke war ſchon beſtellt, daß ſie nicht aufgenommen werden koͤnnten, weil alles ſchon beſetzt waͤre. Der Ver- walter fuhr alſo nach dem herrſchaftlichen Hauſe, wo er den Aufſeher zu kennen vorgab. Sie traten ab. Hier verließ er des Nachts heimlich Marianen, und den

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/210>, abgerufen am 29.04.2024.