Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite



wöhnlichen Kleidern geschlummert. Sie öffnete die
Thür, voll Entsetzen, und da sie Rauch und Flam-
men zu Thür und Fenstern hereinschlagen sahe, er-
griff sie nur ihre Tasche und Uhr, und folgte dem
Obersten, der seine Beute, durch Dampf und Fun-
ken, in den Garten bis zu einem abgelegenen Gar-
tenhause schleppte, wo sich Mariane athemlos
niedersetzte. Der Oberste wollte ihre erste Bestür-
zung nützen, fiel ihr zu Füßen, wiederholte seine
Liebeserklärung feuriger als jemals, und ward in
kurzem so unbescheiden, daß ihn Mariane mit bei-
den Händen so heftig von sich stieß, daß das Männ-
chen, welches, wie schon bemerkt, zwar in Worten,
aber nicht an Kräften ein Herkules war, rücklings
zu Boden fiel. Ehe er noch, vom Falle betäubt,
aufstehen konnte, sprang Mariane in den Garten.
Dieser war von dem daran stoßenden weitläufigen
Park, durch eine hohe grüne Hecke gesondert, die
an einer einzigen verdorrten Stelle niedriger war.
Diese Stelle hatte sich Mariane bey ihren Spa-
ziergängen schon längst genau bemerkt. Sie schaffte

sich
O



woͤhnlichen Kleidern geſchlummert. Sie oͤffnete die
Thuͤr, voll Entſetzen, und da ſie Rauch und Flam-
men zu Thuͤr und Fenſtern hereinſchlagen ſahe, er-
griff ſie nur ihre Taſche und Uhr, und folgte dem
Oberſten, der ſeine Beute, durch Dampf und Fun-
ken, in den Garten bis zu einem abgelegenen Gar-
tenhauſe ſchleppte, wo ſich Mariane athemlos
niederſetzte. Der Oberſte wollte ihre erſte Beſtuͤr-
zung nuͤtzen, fiel ihr zu Fuͤßen, wiederholte ſeine
Liebeserklaͤrung feuriger als jemals, und ward in
kurzem ſo unbeſcheiden, daß ihn Mariane mit bei-
den Haͤnden ſo heftig von ſich ſtieß, daß das Maͤnn-
chen, welches, wie ſchon bemerkt, zwar in Worten,
aber nicht an Kraͤften ein Herkules war, ruͤcklings
zu Boden fiel. Ehe er noch, vom Falle betaͤubt,
aufſtehen konnte, ſprang Mariane in den Garten.
Dieſer war von dem daran ſtoßenden weitlaͤufigen
Park, durch eine hohe gruͤne Hecke geſondert, die
an einer einzigen verdorrten Stelle niedriger war.
Dieſe Stelle hatte ſich Mariane bey ihren Spa-
ziergaͤngen ſchon laͤngſt genau bemerkt. Sie ſchaffte

ſich
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="205"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wo&#x0364;hnlichen Kleidern ge&#x017F;chlummert. Sie o&#x0364;ffnete die<lb/>
Thu&#x0364;r, voll Ent&#x017F;etzen, und da &#x017F;ie Rauch und Flam-<lb/>
men zu Thu&#x0364;r und Fen&#x017F;tern herein&#x017F;chlagen &#x017F;ahe, er-<lb/>
griff &#x017F;ie nur ihre Ta&#x017F;che und Uhr, und folgte dem<lb/>
Ober&#x017F;ten, der &#x017F;eine Beute, durch Dampf und Fun-<lb/>
ken, in den Garten bis zu einem abgelegenen Gar-<lb/>
tenhau&#x017F;e &#x017F;chleppte, wo &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Mariane</hi> athemlos<lb/>
nieder&#x017F;etzte. Der Ober&#x017F;te wollte ihre er&#x017F;te Be&#x017F;tu&#x0364;r-<lb/>
zung nu&#x0364;tzen, fiel ihr zu Fu&#x0364;ßen, wiederholte &#x017F;eine<lb/>
Liebeserkla&#x0364;rung feuriger als jemals, und ward in<lb/>
kurzem &#x017F;o unbe&#x017F;cheiden, daß ihn <hi rendition="#fr">Mariane</hi> mit bei-<lb/>
den Ha&#x0364;nden &#x017F;o heftig von &#x017F;ich &#x017F;tieß, daß das Ma&#x0364;nn-<lb/>
chen, welches, wie &#x017F;chon bemerkt, zwar in Worten,<lb/>
aber nicht an Kra&#x0364;ften ein Herkules war, ru&#x0364;cklings<lb/>
zu Boden fiel. Ehe er noch, vom Falle beta&#x0364;ubt,<lb/>
auf&#x017F;tehen konnte, &#x017F;prang <hi rendition="#fr">Mariane</hi> in den Garten.<lb/>
Die&#x017F;er war von dem daran &#x017F;toßenden weitla&#x0364;ufigen<lb/>
Park, durch eine hohe gru&#x0364;ne Hecke ge&#x017F;ondert, die<lb/>
an einer einzigen verdorrten Stelle niedriger war.<lb/>
Die&#x017F;e Stelle hatte &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Mariane</hi> bey ihren Spa-<lb/>
zierga&#x0364;ngen &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t genau bemerkt. Sie &#x017F;chaffte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0217] woͤhnlichen Kleidern geſchlummert. Sie oͤffnete die Thuͤr, voll Entſetzen, und da ſie Rauch und Flam- men zu Thuͤr und Fenſtern hereinſchlagen ſahe, er- griff ſie nur ihre Taſche und Uhr, und folgte dem Oberſten, der ſeine Beute, durch Dampf und Fun- ken, in den Garten bis zu einem abgelegenen Gar- tenhauſe ſchleppte, wo ſich Mariane athemlos niederſetzte. Der Oberſte wollte ihre erſte Beſtuͤr- zung nuͤtzen, fiel ihr zu Fuͤßen, wiederholte ſeine Liebeserklaͤrung feuriger als jemals, und ward in kurzem ſo unbeſcheiden, daß ihn Mariane mit bei- den Haͤnden ſo heftig von ſich ſtieß, daß das Maͤnn- chen, welches, wie ſchon bemerkt, zwar in Worten, aber nicht an Kraͤften ein Herkules war, ruͤcklings zu Boden fiel. Ehe er noch, vom Falle betaͤubt, aufſtehen konnte, ſprang Mariane in den Garten. Dieſer war von dem daran ſtoßenden weitlaͤufigen Park, durch eine hohe gruͤne Hecke geſondert, die an einer einzigen verdorrten Stelle niedriger war. Dieſe Stelle hatte ſich Mariane bey ihren Spa- ziergaͤngen ſchon laͤngſt genau bemerkt. Sie ſchaffte ſich O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/217
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/217>, abgerufen am 01.05.2024.