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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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weltlichen Jünglinge, einen frommen Ehemann zu
machen, ziemlich nahe zu seyn.

Jndessen, da sie, mit stillem Herzklopfen, einer zärt-
lichen Erklärung entgegen sahe, ließ sich Säugling,
weit gefehlt, daß er seiner einzig geliebten Marians
nur einen Augenblick hätte untreu werden sollen,
durch ihre anmuthige Vertraulichkeit zu nichts be-
wegen, als daß er einige von seinen Lieblingsliedern,
über die Freuden des Lebens, aus der Tasche
nahm, die er sich bisher noch nicht getrauet hatte,
ihr vorzulesen. Sie hörte sie, mit völliger Ergebung
in ihr Schicksal, an. Bey feinen Gedanken, die
sie nicht verstand, sahe sie freylich ein wenig dämisch
aus, aber dieß ward durch das sanfte Lächein vergü-
tet, welches zugleich diente ihre schönen Zähne, und
die Grübchen in ihren runden Wangen zu zeigen.
Bey verliebten Stellen erröthete sie nicht gleich, wie
sonst, sondern hob die Augen seitwärts, mit einem
Blicke zwischen Verschämtheit und Sehnsucht, in die
Höhe, und erst, wenn, im Herabsinken, ihre Augen,
Säuglings auf ihren Beyfall gierigem Blicke, be-
gegneten, stieg ein sanftes Roth auf ihre vollen
Wangen, indem ihre Augen nochmals furchtsam
aufblinzten.

Unter-



weltlichen Juͤnglinge, einen frommen Ehemann zu
machen, ziemlich nahe zu ſeyn.

Jndeſſen, da ſie, mit ſtillem Herzklopfen, einer zaͤrt-
lichen Erklaͤrung entgegen ſahe, ließ ſich Saͤugling,
weit gefehlt, daß er ſeiner einzig geliebten Marians
nur einen Augenblick haͤtte untreu werden ſollen,
durch ihre anmuthige Vertraulichkeit zu nichts be-
wegen, als daß er einige von ſeinen Lieblingsliedern,
uͤber die Freuden des Lebens, aus der Taſche
nahm, die er ſich bisher noch nicht getrauet hatte,
ihr vorzuleſen. Sie hoͤrte ſie, mit voͤlliger Ergebung
in ihr Schickſal, an. Bey feinen Gedanken, die
ſie nicht verſtand, ſahe ſie freylich ein wenig daͤmiſch
aus, aber dieß ward durch das ſanfte Laͤchein verguͤ-
tet, welches zugleich diente ihre ſchoͤnen Zaͤhne, und
die Gruͤbchen in ihren runden Wangen zu zeigen.
Bey verliebten Stellen erroͤthete ſie nicht gleich, wie
ſonſt, ſondern hob die Augen ſeitwaͤrts, mit einem
Blicke zwiſchen Verſchaͤmtheit und Sehnſucht, in die
Hoͤhe, und erſt, wenn, im Herabſinken, ihre Augen,
Saͤuglings auf ihren Beyfall gierigem Blicke, be-
gegneten, ſtieg ein ſanftes Roth auf ihre vollen
Wangen, indem ihre Augen nochmals furchtſam
aufblinzten.

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[121[120]/0131] weltlichen Juͤnglinge, einen frommen Ehemann zu machen, ziemlich nahe zu ſeyn. Jndeſſen, da ſie, mit ſtillem Herzklopfen, einer zaͤrt- lichen Erklaͤrung entgegen ſahe, ließ ſich Saͤugling, weit gefehlt, daß er ſeiner einzig geliebten Marians nur einen Augenblick haͤtte untreu werden ſollen, durch ihre anmuthige Vertraulichkeit zu nichts be- wegen, als daß er einige von ſeinen Lieblingsliedern, uͤber die Freuden des Lebens, aus der Taſche nahm, die er ſich bisher noch nicht getrauet hatte, ihr vorzuleſen. Sie hoͤrte ſie, mit voͤlliger Ergebung in ihr Schickſal, an. Bey feinen Gedanken, die ſie nicht verſtand, ſahe ſie freylich ein wenig daͤmiſch aus, aber dieß ward durch das ſanfte Laͤchein verguͤ- tet, welches zugleich diente ihre ſchoͤnen Zaͤhne, und die Gruͤbchen in ihren runden Wangen zu zeigen. Bey verliebten Stellen erroͤthete ſie nicht gleich, wie ſonſt, ſondern hob die Augen ſeitwaͤrts, mit einem Blicke zwiſchen Verſchaͤmtheit und Sehnſucht, in die Hoͤhe, und erſt, wenn, im Herabſinken, ihre Augen, Saͤuglings auf ihren Beyfall gierigem Blicke, be- gegneten, ſtieg ein ſanftes Roth auf ihre vollen Wangen, indem ihre Augen nochmals furchtſam aufblinzten. Unter-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 121[120]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/131>, abgerufen am 29.04.2024.