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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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bat er alle, ihn nur heute ruhig zu laßen, denn
er könne nun kein Wort weiter sagen.

Der Abend nahte nun heran, und die ganze
Hausgenossenschaft gieng bey Zeiten zu Bette, aber
niemand schlief ruhig, als der Herr von Haber-
wald,
welcher, im Dunste des lüttichschen Bur-
gunders, nach Herzenslust schnarchte.

Der alte Säugling schlief nicht, weil ihm der
Querstrich mit der Jungfer Anastasia im Kopfe lag
und weil er gar nicht absehen konnte, wie er sei-
nen Sohn zufrieden stellen sollte, den er sehr
liebte. Er konnte leicht erachten, daß derselbe von
seiner Liebe nicht so leicht abgehen werde, und er
konnte sich doch auch nicht entschließen, in die
Heurath seines einzigen Erben, mit einem armen
Mädchen, zu willigen. Nach langem Hin- und
Hersinnen wollte ihm nichts bessers beyfallen, als
daß er seine väterliche Autorität zusammennehmen,
und seinem Sohne rund heraussagen müßte: Aus
der Sache würde nichts. Nachdem er diesen Ent-
schluß genommen hatte, ward er etwas ruhiger,
und schlief endlich ein.

Sebaldus konnte nicht einschlafen, weil ihm
Marianens mißlicher Zustand am Herzen lag.
Doch war an seiner Unruhe auch nicht wenig

Schuld,
K 3



bat er alle, ihn nur heute ruhig zu laßen, denn
er koͤnne nun kein Wort weiter ſagen.

Der Abend nahte nun heran, und die ganze
Hausgenoſſenſchaft gieng bey Zeiten zu Bette, aber
niemand ſchlief ruhig, als der Herr von Haber-
wald,
welcher, im Dunſte des luͤttichſchen Bur-
gunders, nach Herzensluſt ſchnarchte.

Der alte Saͤugling ſchlief nicht, weil ihm der
Querſtrich mit der Jungfer Anaſtaſia im Kopfe lag
und weil er gar nicht abſehen konnte, wie er ſei-
nen Sohn zufrieden ſtellen ſollte, den er ſehr
liebte. Er konnte leicht erachten, daß derſelbe von
ſeiner Liebe nicht ſo leicht abgehen werde, und er
konnte ſich doch auch nicht entſchließen, in die
Heurath ſeines einzigen Erben, mit einem armen
Maͤdchen, zu willigen. Nach langem Hin- und
Herſinnen wollte ihm nichts beſſers beyfallen, als
daß er ſeine vaͤterliche Autoritaͤt zuſammennehmen,
und ſeinem Sohne rund herausſagen muͤßte: Aus
der Sache wuͤrde nichts. Nachdem er dieſen Ent-
ſchluß genommen hatte, ward er etwas ruhiger,
und ſchlief endlich ein.

Sebaldus konnte nicht einſchlafen, weil ihm
Marianens mißlicher Zuſtand am Herzen lag.
Doch war an ſeiner Unruhe auch nicht wenig

Schuld,
K 3
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[147[146]/0161] bat er alle, ihn nur heute ruhig zu laßen, denn er koͤnne nun kein Wort weiter ſagen. Der Abend nahte nun heran, und die ganze Hausgenoſſenſchaft gieng bey Zeiten zu Bette, aber niemand ſchlief ruhig, als der Herr von Haber- wald, welcher, im Dunſte des luͤttichſchen Bur- gunders, nach Herzensluſt ſchnarchte. Der alte Saͤugling ſchlief nicht, weil ihm der Querſtrich mit der Jungfer Anaſtaſia im Kopfe lag und weil er gar nicht abſehen konnte, wie er ſei- nen Sohn zufrieden ſtellen ſollte, den er ſehr liebte. Er konnte leicht erachten, daß derſelbe von ſeiner Liebe nicht ſo leicht abgehen werde, und er konnte ſich doch auch nicht entſchließen, in die Heurath ſeines einzigen Erben, mit einem armen Maͤdchen, zu willigen. Nach langem Hin- und Herſinnen wollte ihm nichts beſſers beyfallen, als daß er ſeine vaͤterliche Autoritaͤt zuſammennehmen, und ſeinem Sohne rund herausſagen muͤßte: Aus der Sache wuͤrde nichts. Nachdem er dieſen Ent- ſchluß genommen hatte, ward er etwas ruhiger, und ſchlief endlich ein. Sebaldus konnte nicht einſchlafen, weil ihm Marianens mißlicher Zuſtand am Herzen lag. Doch war an ſeiner Unruhe auch nicht wenig Schuld, K 3

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 147[146]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/161>, abgerufen am 26.04.2024.