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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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erwiesen, werden kann, darf wenigstens erst dann als
historisch, ohne ausführlichen Beweis, erscheinen
wenn es schon einmal allgemeine Aufnahme, und Be-
stätigung durch vielfach übereinstimmende Ueberzeu-
gung gewonnen hat, welche allerdings so gut wie
neue Beweisstellen eine verstärkte Beglaubigung ist.
Bis dahin dürfen die Untersuchungen ihre furchtsa-
mere Gestalt nicht ändern.

Auch diese werden Verschiedene verschieden be-
handeln: eben so eines Andern Arbeit und Verfah-
ren beurtheilen. Manchen mag es nothwendig schei-
nen sich auf Sammlungen der verstümmelten Frag-
mente alter Nachrichten zu beschränken, ohne eine
Auflösung ihrer Räthsel zu versuchen: dem Trieb zu
widerstehen durch Anstrengung des Blicks die Form
des Ganzen zu errathen dem sie angehörten. Eine
solche leblose Zusammenstellung ist aber ganz nutzlos:
und doch hätte nur der welcher sich völlig bey ihr be-
ruhigt ein Recht den Versuch zu tadeln Sinn und
Zusammenhang zu entdecken wo er unfehlbar einst
war, und vielleicht aus einzelnen Spuren entdeckt
werden kann, wenn auch der Erfolg der Bestre-
bung zweifelhaft scheint: jeder Andre kann nicht
fordern daß die Gränze welche er sich selbst zieht
oder für sich gelten läßt, allgemein verbindlich seyn
solle.


erwieſen, werden kann, darf wenigſtens erſt dann als
hiſtoriſch, ohne ausfuͤhrlichen Beweis, erſcheinen
wenn es ſchon einmal allgemeine Aufnahme, und Be-
ſtaͤtigung durch vielfach uͤbereinſtimmende Ueberzeu-
gung gewonnen hat, welche allerdings ſo gut wie
neue Beweisſtellen eine verſtaͤrkte Beglaubigung iſt.
Bis dahin duͤrfen die Unterſuchungen ihre furchtſa-
mere Geſtalt nicht aͤndern.

Auch dieſe werden Verſchiedene verſchieden be-
handeln: eben ſo eines Andern Arbeit und Verfah-
ren beurtheilen. Manchen mag es nothwendig ſchei-
nen ſich auf Sammlungen der verſtuͤmmelten Frag-
mente alter Nachrichten zu beſchraͤnken, ohne eine
Aufloͤſung ihrer Raͤthſel zu verſuchen: dem Trieb zu
widerſtehen durch Anſtrengung des Blicks die Form
des Ganzen zu errathen dem ſie angehoͤrten. Eine
ſolche lebloſe Zuſammenſtellung iſt aber ganz nutzlos:
und doch haͤtte nur der welcher ſich voͤllig bey ihr be-
ruhigt ein Recht den Verſuch zu tadeln Sinn und
Zuſammenhang zu entdecken wo er unfehlbar einſt
war, und vielleicht aus einzelnen Spuren entdeckt
werden kann, wenn auch der Erfolg der Beſtre-
bung zweifelhaft ſcheint: jeder Andre kann nicht
fordern daß die Graͤnze welche er ſich ſelbſt zieht
oder fuͤr ſich gelten laͤßt, allgemein verbindlich ſeyn
ſolle.


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[XI/0017] erwieſen, werden kann, darf wenigſtens erſt dann als hiſtoriſch, ohne ausfuͤhrlichen Beweis, erſcheinen wenn es ſchon einmal allgemeine Aufnahme, und Be- ſtaͤtigung durch vielfach uͤbereinſtimmende Ueberzeu- gung gewonnen hat, welche allerdings ſo gut wie neue Beweisſtellen eine verſtaͤrkte Beglaubigung iſt. Bis dahin duͤrfen die Unterſuchungen ihre furchtſa- mere Geſtalt nicht aͤndern. Auch dieſe werden Verſchiedene verſchieden be- handeln: eben ſo eines Andern Arbeit und Verfah- ren beurtheilen. Manchen mag es nothwendig ſchei- nen ſich auf Sammlungen der verſtuͤmmelten Frag- mente alter Nachrichten zu beſchraͤnken, ohne eine Aufloͤſung ihrer Raͤthſel zu verſuchen: dem Trieb zu widerſtehen durch Anſtrengung des Blicks die Form des Ganzen zu errathen dem ſie angehoͤrten. Eine ſolche lebloſe Zuſammenſtellung iſt aber ganz nutzlos: und doch haͤtte nur der welcher ſich voͤllig bey ihr be- ruhigt ein Recht den Verſuch zu tadeln Sinn und Zuſammenhang zu entdecken wo er unfehlbar einſt war, und vielleicht aus einzelnen Spuren entdeckt werden kann, wenn auch der Erfolg der Beſtre- bung zweifelhaft ſcheint: jeder Andre kann nicht fordern daß die Graͤnze welche er ſich ſelbſt zieht oder fuͤr ſich gelten laͤßt, allgemein verbindlich ſeyn ſolle.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/17>, abgerufen am 27.04.2024.