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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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derten die schon verlohrne Schlacht zu erneuern, er fällt
mit der größten Zahl der Seinigen. Die Römischen Rit-
ter hatten zu Fuß gefochten, jetzt wurden ihre Pferde her-
beygeführt, und sie verfolgten den fliehenden Feind: das
latinische Lager ward in der ersten Verwirrung erobert.
In dieser Schlacht hatte der Dictator den Dioskuren einen
Tempel gelobt: und man sah zwey Riesenjünglinge auf
weißen Rossen in den ersten Reihen der Römer kämpfen,
in denen Römer und Latiner übermenschliche Wesen er-
kannten. Noch war die Verfolgung nicht geendigt, als
die Heroen mit Staub und Blut bedeckt zu Rom erschie-
nen; sie wuschen sich und ihre Waffen in einem Quell am
Tempel der Vesta, und verkündigten dem versammelten
Volk die Geschichte des Tags.

Nach dieser Schlacht begab sich Tarquinius, jetzt ein
hochbetagter Greis, seiner Kinder und aller Hoffnungen
beraubt, nach Kuma zu dem Tyrannen Aristodemus 26).
In dieser Freystätte starb er schon im folgenden Jahr,
259. Aristodemus, dessen Nahme selbst unter denen der
griechischen Tyrannen wegen größerer Frevelhaftigkeit ver-
rufen ist, war sein Erbe, und machte Ansprüche auf das
Privatvermögen der Tarquinischen Familie einige Jahre
später gegen die Republik geltend, als diese in seiner

26) Die kumäische Geschichte dieses Zeitraums ist nicht we-
niger mythisch gewesen als die von Rom, und Dionysius
Auszug ist vorzüglich dadurch merkwürdig daß dieses dar-
aus so sichtbar hervorgeht. VII. c. 3. ff. Aber die per-
sischen Kriege Altgriechenlands sind nicht weniger dichte-
risch als Kumas Siege über die zahllosen italischen Bar-
baren.

derten die ſchon verlohrne Schlacht zu erneuern, er faͤllt
mit der groͤßten Zahl der Seinigen. Die Roͤmiſchen Rit-
ter hatten zu Fuß gefochten, jetzt wurden ihre Pferde her-
beygefuͤhrt, und ſie verfolgten den fliehenden Feind: das
latiniſche Lager ward in der erſten Verwirrung erobert.
In dieſer Schlacht hatte der Dictator den Dioſkuren einen
Tempel gelobt: und man ſah zwey Rieſenjuͤnglinge auf
weißen Roſſen in den erſten Reihen der Roͤmer kaͤmpfen,
in denen Roͤmer und Latiner uͤbermenſchliche Weſen er-
kannten. Noch war die Verfolgung nicht geendigt, als
die Heroen mit Staub und Blut bedeckt zu Rom erſchie-
nen; ſie wuſchen ſich und ihre Waffen in einem Quell am
Tempel der Veſta, und verkuͤndigten dem verſammelten
Volk die Geſchichte des Tags.

Nach dieſer Schlacht begab ſich Tarquinius, jetzt ein
hochbetagter Greis, ſeiner Kinder und aller Hoffnungen
beraubt, nach Kuma zu dem Tyrannen Ariſtodemus 26).
In dieſer Freyſtaͤtte ſtarb er ſchon im folgenden Jahr,
259. Ariſtodemus, deſſen Nahme ſelbſt unter denen der
griechiſchen Tyrannen wegen groͤßerer Frevelhaftigkeit ver-
rufen iſt, war ſein Erbe, und machte Anſpruͤche auf das
Privatvermoͤgen der Tarquiniſchen Familie einige Jahre
ſpaͤter gegen die Republik geltend, als dieſe in ſeiner

26) Die kumaͤiſche Geſchichte dieſes Zeitraums iſt nicht we-
niger mythiſch geweſen als die von Rom, und Dionyſius
Auszug iſt vorzuͤglich dadurch merkwuͤrdig daß dieſes dar-
aus ſo ſichtbar hervorgeht. VII. c. 3. ff. Aber die per-
ſiſchen Kriege Altgriechenlands ſind nicht weniger dichte-
riſch als Kumas Siege uͤber die zahlloſen italiſchen Bar-
baren.
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[366/0388] derten die ſchon verlohrne Schlacht zu erneuern, er faͤllt mit der groͤßten Zahl der Seinigen. Die Roͤmiſchen Rit- ter hatten zu Fuß gefochten, jetzt wurden ihre Pferde her- beygefuͤhrt, und ſie verfolgten den fliehenden Feind: das latiniſche Lager ward in der erſten Verwirrung erobert. In dieſer Schlacht hatte der Dictator den Dioſkuren einen Tempel gelobt: und man ſah zwey Rieſenjuͤnglinge auf weißen Roſſen in den erſten Reihen der Roͤmer kaͤmpfen, in denen Roͤmer und Latiner uͤbermenſchliche Weſen er- kannten. Noch war die Verfolgung nicht geendigt, als die Heroen mit Staub und Blut bedeckt zu Rom erſchie- nen; ſie wuſchen ſich und ihre Waffen in einem Quell am Tempel der Veſta, und verkuͤndigten dem verſammelten Volk die Geſchichte des Tags. Nach dieſer Schlacht begab ſich Tarquinius, jetzt ein hochbetagter Greis, ſeiner Kinder und aller Hoffnungen beraubt, nach Kuma zu dem Tyrannen Ariſtodemus 26). In dieſer Freyſtaͤtte ſtarb er ſchon im folgenden Jahr, 259. Ariſtodemus, deſſen Nahme ſelbſt unter denen der griechiſchen Tyrannen wegen groͤßerer Frevelhaftigkeit ver- rufen iſt, war ſein Erbe, und machte Anſpruͤche auf das Privatvermoͤgen der Tarquiniſchen Familie einige Jahre ſpaͤter gegen die Republik geltend, als dieſe in ſeiner 26) Die kumaͤiſche Geſchichte dieſes Zeitraums iſt nicht we- niger mythiſch geweſen als die von Rom, und Dionyſius Auszug iſt vorzuͤglich dadurch merkwuͤrdig daß dieſes dar- aus ſo ſichtbar hervorgeht. VII. c. 3. ff. Aber die per- ſiſchen Kriege Altgriechenlands ſind nicht weniger dichte- riſch als Kumas Siege uͤber die zahlloſen italiſchen Bar- baren.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/388>, abgerufen am 29.04.2024.