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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Regierung behaupteten, ihrer unfähig waren. Der ein-
zige unabhängige Tribun L. Trebonius, welcher dieses
arglistige Verfahren nicht zu hindern vermochte, wehrte
ihm doch für die Zukunft durch das Gesetz, daß die
Wahl der Tribunen fortgesetzt werden müsse bis die ge-
setzliche Zahl der Zehn vollständig sey: und so ergänzte sich
Roms Gesetzgebung beständig durch Wachsamkeit auf je-
den Vorfall welcher Mängel enthüllte.

Es fehlte viel daß die Gemüther versöhnt und beru-
higt gewesen wären. Nur allmählig befestigte sich der
erste und unmittelbare Vortheil der Decemviralgesetzge-
bung, gleiche Sicherheit für alle, und daher gleiche
Scheu andre zu verletzen: denn die Anwendung der Ge-
setze war im ausschließenden Besitz des einen Standes.
Das Volk litt unaufhörlich von frevelhaften Mißhand-
lungen der jungen Patricier 66): die Thäter wurden von
den Senatoren in Schutz genommen, und die Unmöglich-
keit vor dem Tribunal Recht zu erhalten, veranlaßte tri-
bunicische Anklagen 67). Das erzählt Livius, und mit

66) Der Senat und die Senatoren hatten ihren Nahmen
ohne Zweifel nicht so ohne Rücksicht auf des Worts Bedeu-
tung als untrr der Kaiser Herrschaft. Wie das fünf und
vierzigste Jahr unter den übrigen Bürgern die jüngeren von
den älteren schied, so auch ohne Zweifel bey den Patriciern:
und dies wäre der Unterschied zwischen den juniores patrum
(Livius III. c. 50. 65.) und den seniores (das. c. 63. 65.).
Es scheint glaublich daß der Senat ausschließlich aus den
letzten berufen ward, sicher enthielt er nicht alle: die jünge-
ren also waren nichtsenatorische Patricier.
67) Livius III. c. 65. 66.

Regierung behaupteten, ihrer unfaͤhig waren. Der ein-
zige unabhaͤngige Tribun L. Trebonius, welcher dieſes
argliſtige Verfahren nicht zu hindern vermochte, wehrte
ihm doch fuͤr die Zukunft durch das Geſetz, daß die
Wahl der Tribunen fortgeſetzt werden muͤſſe bis die ge-
ſetzliche Zahl der Zehn vollſtaͤndig ſey: und ſo ergaͤnzte ſich
Roms Geſetzgebung beſtaͤndig durch Wachſamkeit auf je-
den Vorfall welcher Maͤngel enthuͤllte.

Es fehlte viel daß die Gemuͤther verſoͤhnt und beru-
higt geweſen waͤren. Nur allmaͤhlig befeſtigte ſich der
erſte und unmittelbare Vortheil der Decemviralgeſetzge-
bung, gleiche Sicherheit fuͤr alle, und daher gleiche
Scheu andre zu verletzen: denn die Anwendung der Ge-
ſetze war im ausſchließenden Beſitz des einen Standes.
Das Volk litt unaufhoͤrlich von frevelhaften Mißhand-
lungen der jungen Patricier 66): die Thaͤter wurden von
den Senatoren in Schutz genommen, und die Unmoͤglich-
keit vor dem Tribunal Recht zu erhalten, veranlaßte tri-
buniciſche Anklagen 67). Das erzaͤhlt Livius, und mit

66) Der Senat und die Senatoren hatten ihren Nahmen
ohne Zweifel nicht ſo ohne Ruͤckſicht auf des Worts Bedeu-
tung als untrr der Kaiſer Herrſchaft. Wie das fuͤnf und
vierzigſte Jahr unter den uͤbrigen Buͤrgern die juͤngeren von
den aͤlteren ſchied, ſo auch ohne Zweifel bey den Patriciern:
und dies waͤre der Unterſchied zwiſchen den juniores patrum
(Livius III. c. 50. 65.) und den seniores (daſ. c. 63. 65.).
Es ſcheint glaublich daß der Senat ausſchließlich aus den
letzten berufen ward, ſicher enthielt er nicht alle: die juͤnge-
ren alſo waren nichtſenatoriſche Patricier.
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[164/0180] Regierung behaupteten, ihrer unfaͤhig waren. Der ein- zige unabhaͤngige Tribun L. Trebonius, welcher dieſes argliſtige Verfahren nicht zu hindern vermochte, wehrte ihm doch fuͤr die Zukunft durch das Geſetz, daß die Wahl der Tribunen fortgeſetzt werden muͤſſe bis die ge- ſetzliche Zahl der Zehn vollſtaͤndig ſey: und ſo ergaͤnzte ſich Roms Geſetzgebung beſtaͤndig durch Wachſamkeit auf je- den Vorfall welcher Maͤngel enthuͤllte. Es fehlte viel daß die Gemuͤther verſoͤhnt und beru- higt geweſen waͤren. Nur allmaͤhlig befeſtigte ſich der erſte und unmittelbare Vortheil der Decemviralgeſetzge- bung, gleiche Sicherheit fuͤr alle, und daher gleiche Scheu andre zu verletzen: denn die Anwendung der Ge- ſetze war im ausſchließenden Beſitz des einen Standes. Das Volk litt unaufhoͤrlich von frevelhaften Mißhand- lungen der jungen Patricier 66): die Thaͤter wurden von den Senatoren in Schutz genommen, und die Unmoͤglich- keit vor dem Tribunal Recht zu erhalten, veranlaßte tri- buniciſche Anklagen 67). Das erzaͤhlt Livius, und mit 66) Der Senat und die Senatoren hatten ihren Nahmen ohne Zweifel nicht ſo ohne Ruͤckſicht auf des Worts Bedeu- tung als untrr der Kaiſer Herrſchaft. Wie das fuͤnf und vierzigſte Jahr unter den uͤbrigen Buͤrgern die juͤngeren von den aͤlteren ſchied, ſo auch ohne Zweifel bey den Patriciern: und dies waͤre der Unterſchied zwiſchen den juniores patrum (Livius III. c. 50. 65.) und den seniores (daſ. c. 63. 65.). Es ſcheint glaublich daß der Senat ausſchließlich aus den letzten berufen ward, ſicher enthielt er nicht alle: die juͤnge- ren alſo waren nichtſenatoriſche Patricier. 67) Livius III. c. 65. 66.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/180>, abgerufen am 30.04.2024.