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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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lion Denare -- empfangen, Rom und das römische Ge-
biet zu verlassen. Damals geschah es daß, als das
Gold dargewogen werden sollte, falsche Gewichte ge-
braucht wurden; und da legte Brennus, als Q. Sul-
picius über das Unrecht klagte, Schwerdt und Wehr-
gehenke in die Wagschale: Ueberwundne müßten dulden.
So ward die Stadt geräumt um die Iden des Fe-
bruar, sieben Monate nach der Niederlage am Allia 57).

Schon längst hat wohl niemand mehr mit einigem
Glauben Livius Erzählung gelesen, wie der Dictator
Camillus, während die Zahlung geleistet ward, mit sei-
nem Heer in die Stadt gerückt sey: den Vertrag als
nichtig aufgehoben und die Gallier aus der Stadt ver-
trieben, dann über sie auf der Straße von Gabii einen
Sieg gewonnen habe, von dem auch kein Bote entron-
nen sey Nachricht anzusagen. Ein weit gültigerer und
älterer Zeuge, Polybius, der nie partheyisch wider die
Römer ist, und es für die Gallier nicht seyn konnte,
bewährt, daß die Sieger mit der Beute nach ihrer Hei-
math zurückgekehrt sind 58). Allgemein ist allerdings
bey den Römern die Erzählung das gezahlte Gold sey
wiedergewonnen worden; es soll bis zum Kirchenraub
des Crassus auf dem Capitol in Jupiters Heiligthum
niedergelegt gewesen seyn 59), durch Beute auf das
doppelte vermehrt. Doch selbst nach Livius 60) war
dieses capitolinische Gold kein Beweis, und vielmehr
aus den Schätzen verschiedener Tempel gesammelt, deren

57) Plutarch Camill. p. 144. B.
58) Polybius II. c. 18.
59) Plinius H. N. XXXIII. c. 5.
60) Livius V. c. 50.

lion Denare — empfangen, Rom und das roͤmiſche Ge-
biet zu verlaſſen. Damals geſchah es daß, als das
Gold dargewogen werden ſollte, falſche Gewichte ge-
braucht wurden; und da legte Brennus, als Q. Sul-
picius uͤber das Unrecht klagte, Schwerdt und Wehr-
gehenke in die Wagſchale: Ueberwundne muͤßten dulden.
So ward die Stadt geraͤumt um die Iden des Fe-
bruar, ſieben Monate nach der Niederlage am Allia 57).

Schon laͤngſt hat wohl niemand mehr mit einigem
Glauben Livius Erzaͤhlung geleſen, wie der Dictator
Camillus, waͤhrend die Zahlung geleiſtet ward, mit ſei-
nem Heer in die Stadt geruͤckt ſey: den Vertrag als
nichtig aufgehoben und die Gallier aus der Stadt ver-
trieben, dann uͤber ſie auf der Straße von Gabii einen
Sieg gewonnen habe, von dem auch kein Bote entron-
nen ſey Nachricht anzuſagen. Ein weit guͤltigerer und
aͤlterer Zeuge, Polybius, der nie partheyiſch wider die
Roͤmer iſt, und es fuͤr die Gallier nicht ſeyn konnte,
bewaͤhrt, daß die Sieger mit der Beute nach ihrer Hei-
math zuruͤckgekehrt ſind 58). Allgemein iſt allerdings
bey den Roͤmern die Erzaͤhlung das gezahlte Gold ſey
wiedergewonnen worden; es ſoll bis zum Kirchenraub
des Craſſus auf dem Capitol in Jupiters Heiligthum
niedergelegt geweſen ſeyn 59), durch Beute auf das
doppelte vermehrt. Doch ſelbſt nach Livius 60) war
dieſes capitoliniſche Gold kein Beweis, und vielmehr
aus den Schaͤtzen verſchiedener Tempel geſammelt, deren

57) Plutarch Camill. p. 144. B.
58) Polybius II. c. 18.
59) Plinius H. N. XXXIII. c. 5.
60) Livius V. c. 50.
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[279/0295] lion Denare — empfangen, Rom und das roͤmiſche Ge- biet zu verlaſſen. Damals geſchah es daß, als das Gold dargewogen werden ſollte, falſche Gewichte ge- braucht wurden; und da legte Brennus, als Q. Sul- picius uͤber das Unrecht klagte, Schwerdt und Wehr- gehenke in die Wagſchale: Ueberwundne muͤßten dulden. So ward die Stadt geraͤumt um die Iden des Fe- bruar, ſieben Monate nach der Niederlage am Allia 57). Schon laͤngſt hat wohl niemand mehr mit einigem Glauben Livius Erzaͤhlung geleſen, wie der Dictator Camillus, waͤhrend die Zahlung geleiſtet ward, mit ſei- nem Heer in die Stadt geruͤckt ſey: den Vertrag als nichtig aufgehoben und die Gallier aus der Stadt ver- trieben, dann uͤber ſie auf der Straße von Gabii einen Sieg gewonnen habe, von dem auch kein Bote entron- nen ſey Nachricht anzuſagen. Ein weit guͤltigerer und aͤlterer Zeuge, Polybius, der nie partheyiſch wider die Roͤmer iſt, und es fuͤr die Gallier nicht ſeyn konnte, bewaͤhrt, daß die Sieger mit der Beute nach ihrer Hei- math zuruͤckgekehrt ſind 58). Allgemein iſt allerdings bey den Roͤmern die Erzaͤhlung das gezahlte Gold ſey wiedergewonnen worden; es ſoll bis zum Kirchenraub des Craſſus auf dem Capitol in Jupiters Heiligthum niedergelegt geweſen ſeyn 59), durch Beute auf das doppelte vermehrt. Doch ſelbſt nach Livius 60) war dieſes capitoliniſche Gold kein Beweis, und vielmehr aus den Schaͤtzen verſchiedener Tempel geſammelt, deren 57) Plutarch Camill. p. 144. B. 58) Polybius II. c. 18. 59) Plinius H. N. XXXIII. c. 5. 60) Livius V. c. 50.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/295>, abgerufen am 01.05.2024.