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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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sollten wenn es die alte Dichtung nicht gebot, oder gar
eine Annäherung zeigte, ist gar nicht denkbar. Wohl
aber mußten spätere Prosaiker so verfahren, welche, rech-
nend, der unermeßlichen Kluft inne wurden die Roms
Gründung nach den Fasten, von Trojas Zerstörung nach
den griechischen Chronologen, trennte.

Amulius muß nach dieser Sage dem Geschlecht des
Aeneas fremd, oder sein Sohn gewesen seyn: wahrschein-
licher jenes. Ilia redet in dem Ennianischen Fragment
von einer Schwester, die allen übrigen Erzählungen unbe-
kannt ist: man möchte auch mit Bestimmtheit vermuthen
daß sie dort nicht Vestalin war, welches nur in der Ge-
schichte von Amulius und Numitor wesentlich ist. Daß
Fabius Pictor diese aus einer fremden Bearbeitung der
vaterländischen Sage entlehnte, möchte ich jetzt nicht
läugnen, so gewiß auch der Grieche, wer er gewesen seyn
mag, Mars den Erzeuger, die unglückliche Mutter und
die säugende Wölfin aus altrömischer Dichtung empfing.

2.
Die Urstadt.

Nach Briefen aus Rom sind bey dem Aufräumen der
Arena des Colosseum, unter deren ehemalige Fläche man
gegraben hat, auch Reste einer cyklopischen Mauer an das
Licht gekommen. Ihre Richtung ist leider nicht angege-
ben, vermuthlich wird es sich zeigen daß sie der Roma
quadrata
angehörte, obgleich es sonderbar scheint daß
sie hier im tiefen Thal gezogen war. Diese Bauart
zeugt für ein Alter der Stadt weit über unsere Zeit-

ſollten wenn es die alte Dichtung nicht gebot, oder gar
eine Annaͤherung zeigte, iſt gar nicht denkbar. Wohl
aber mußten ſpaͤtere Proſaiker ſo verfahren, welche, rech-
nend, der unermeßlichen Kluft inne wurden die Roms
Gruͤndung nach den Faſten, von Trojas Zerſtoͤrung nach
den griechiſchen Chronologen, trennte.

Amulius muß nach dieſer Sage dem Geſchlecht des
Aeneas fremd, oder ſein Sohn geweſen ſeyn: wahrſchein-
licher jenes. Ilia redet in dem Ennianiſchen Fragment
von einer Schweſter, die allen uͤbrigen Erzaͤhlungen unbe-
kannt iſt: man moͤchte auch mit Beſtimmtheit vermuthen
daß ſie dort nicht Veſtalin war, welches nur in der Ge-
ſchichte von Amulius und Numitor weſentlich iſt. Daß
Fabius Pictor dieſe aus einer fremden Bearbeitung der
vaterlaͤndiſchen Sage entlehnte, moͤchte ich jetzt nicht
laͤugnen, ſo gewiß auch der Grieche, wer er geweſen ſeyn
mag, Mars den Erzeuger, die ungluͤckliche Mutter und
die ſaͤugende Woͤlfin aus altroͤmiſcher Dichtung empfing.

2.
Die Urſtadt.

Nach Briefen aus Rom ſind bey dem Aufraͤumen der
Arena des Coloſſeum, unter deren ehemalige Flaͤche man
gegraben hat, auch Reſte einer cyklopiſchen Mauer an das
Licht gekommen. Ihre Richtung iſt leider nicht angege-
ben, vermuthlich wird es ſich zeigen daß ſie der Roma
quadrata
angehoͤrte, obgleich es ſonderbar ſcheint daß
ſie hier im tiefen Thal gezogen war. Dieſe Bauart
zeugt fuͤr ein Alter der Stadt weit uͤber unſere Zeit-

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[527/0543] ſollten wenn es die alte Dichtung nicht gebot, oder gar eine Annaͤherung zeigte, iſt gar nicht denkbar. Wohl aber mußten ſpaͤtere Proſaiker ſo verfahren, welche, rech- nend, der unermeßlichen Kluft inne wurden die Roms Gruͤndung nach den Faſten, von Trojas Zerſtoͤrung nach den griechiſchen Chronologen, trennte. Amulius muß nach dieſer Sage dem Geſchlecht des Aeneas fremd, oder ſein Sohn geweſen ſeyn: wahrſchein- licher jenes. Ilia redet in dem Ennianiſchen Fragment von einer Schweſter, die allen uͤbrigen Erzaͤhlungen unbe- kannt iſt: man moͤchte auch mit Beſtimmtheit vermuthen daß ſie dort nicht Veſtalin war, welches nur in der Ge- ſchichte von Amulius und Numitor weſentlich iſt. Daß Fabius Pictor dieſe aus einer fremden Bearbeitung der vaterlaͤndiſchen Sage entlehnte, moͤchte ich jetzt nicht laͤugnen, ſo gewiß auch der Grieche, wer er geweſen ſeyn mag, Mars den Erzeuger, die ungluͤckliche Mutter und die ſaͤugende Woͤlfin aus altroͤmiſcher Dichtung empfing. 2. Die Urſtadt. Nach Briefen aus Rom ſind bey dem Aufraͤumen der Arena des Coloſſeum, unter deren ehemalige Flaͤche man gegraben hat, auch Reſte einer cyklopiſchen Mauer an das Licht gekommen. Ihre Richtung iſt leider nicht angege- ben, vermuthlich wird es ſich zeigen daß ſie der Roma quadrata angehoͤrte, obgleich es ſonderbar ſcheint daß ſie hier im tiefen Thal gezogen war. Dieſe Bauart zeugt fuͤr ein Alter der Stadt weit uͤber unſere Zeit-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/543>, abgerufen am 19.04.2024.