Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

ist. Auch kann es dem Sinn nach nicht unrichtig
heissen wenn Livius die Gesetzgebung für das Staats-
recht nur auf das Consulat bezieht. Nicht sowohl durch
den Senat litt das Volk, als durch die unmäßige und
tyrannisch mißbrauchte consularische Gewalt. Wirklich
ward diese wenige Jahre nach der Decemviralgesetzge-
bung wesentlich vermindert und eingeschränkt: und es
kann wohl nicht füglich bestritten werden, daß es we-
nigstens eben solche Beschränkungen waren welche die Tri-
bunen forderten, auch nicht wegen der alten Geschicht-
schreiber Stillschweigen behauptet diese Veränderungen
wären nicht schon durch die zwölf Tafeln wenigstens ana-
logisch verordnet worden, wenn gleich sie erst mehrere
Jahre später zur Wirklichkeit kamen. Diese Schrift-
steller konnten freylich die zwölf Tafeln lesen, und hat-
ten sie auch wohl einmal gelesen, aber für die Geschichte
versäumten sie es sie zu benutzen. Nun ist es sehr mög-
lich daß allerdings ein großer Theil des darin auf-
gestellten Staatsrechts etwas ganz anderes anordnete
als die consularische Verfassung unter diesem Nahmen
und dieser Gestalt, und dies würde es erklären warum
so gar kein Gebrauch davon für die Geschichte gemacht
ist. Endlich können wir auch wohl nicht einräumen daß
die Plebejer, wenn sie durch diese Rogationen Isegorie
forderten, sich begnügt hätten, Milderung der consulari-
schen Gewalt in der Patricier Händen zu bezwecken, und
nicht schon nach der Theilung mit ihrem Stande getrach-
tet, in der Form der bisherigen Verfassung oder in einer
anderen weniger monarchischen.


iſt. Auch kann es dem Sinn nach nicht unrichtig
heiſſen wenn Livius die Geſetzgebung fuͤr das Staats-
recht nur auf das Conſulat bezieht. Nicht ſowohl durch
den Senat litt das Volk, als durch die unmaͤßige und
tyranniſch mißbrauchte conſulariſche Gewalt. Wirklich
ward dieſe wenige Jahre nach der Decemviralgeſetzge-
bung weſentlich vermindert und eingeſchraͤnkt: und es
kann wohl nicht fuͤglich beſtritten werden, daß es we-
nigſtens eben ſolche Beſchraͤnkungen waren welche die Tri-
bunen forderten, auch nicht wegen der alten Geſchicht-
ſchreiber Stillſchweigen behauptet dieſe Veraͤnderungen
waͤren nicht ſchon durch die zwoͤlf Tafeln wenigſtens ana-
logiſch verordnet worden, wenn gleich ſie erſt mehrere
Jahre ſpaͤter zur Wirklichkeit kamen. Dieſe Schrift-
ſteller konnten freylich die zwoͤlf Tafeln leſen, und hat-
ten ſie auch wohl einmal geleſen, aber fuͤr die Geſchichte
verſaͤumten ſie es ſie zu benutzen. Nun iſt es ſehr moͤg-
lich daß allerdings ein großer Theil des darin auf-
geſtellten Staatsrechts etwas ganz anderes anordnete
als die conſulariſche Verfaſſung unter dieſem Nahmen
und dieſer Geſtalt, und dies wuͤrde es erklaͤren warum
ſo gar kein Gebrauch davon fuͤr die Geſchichte gemacht
iſt. Endlich koͤnnen wir auch wohl nicht einraͤumen daß
die Plebejer, wenn ſie durch dieſe Rogationen Iſegorie
forderten, ſich begnuͤgt haͤtten, Milderung der conſulari-
ſchen Gewalt in der Patricier Haͤnden zu bezwecken, und
nicht ſchon nach der Theilung mit ihrem Stande getrach-
tet, in der Form der bisherigen Verfaſſung oder in einer
anderen weniger monarchiſchen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="50"/>
i&#x017F;t. Auch kann es dem Sinn nach nicht unrichtig<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en wenn Livius die Ge&#x017F;etzgebung fu&#x0364;r das Staats-<lb/>
recht nur auf das Con&#x017F;ulat bezieht. Nicht &#x017F;owohl durch<lb/>
den Senat litt das Volk, als durch die unma&#x0364;ßige und<lb/>
tyranni&#x017F;ch mißbrauchte con&#x017F;ulari&#x017F;che Gewalt. Wirklich<lb/>
ward die&#x017F;e wenige Jahre nach der Decemviralge&#x017F;etzge-<lb/>
bung we&#x017F;entlich vermindert und einge&#x017F;chra&#x0364;nkt: und es<lb/>
kann wohl nicht fu&#x0364;glich be&#x017F;tritten werden, daß es we-<lb/>
nig&#x017F;tens eben &#x017F;olche Be&#x017F;chra&#x0364;nkungen waren welche die Tri-<lb/>
bunen forderten, auch nicht wegen der alten Ge&#x017F;chicht-<lb/>
&#x017F;chreiber Still&#x017F;chweigen behauptet die&#x017F;e Vera&#x0364;nderungen<lb/>
wa&#x0364;ren nicht &#x017F;chon durch die zwo&#x0364;lf Tafeln wenig&#x017F;tens ana-<lb/>
logi&#x017F;ch verordnet worden, wenn gleich &#x017F;ie er&#x017F;t mehrere<lb/>
Jahre &#x017F;pa&#x0364;ter zur Wirklichkeit kamen. Die&#x017F;e Schrift-<lb/>
&#x017F;teller konnten freylich die zwo&#x0364;lf Tafeln le&#x017F;en, und hat-<lb/>
ten &#x017F;ie auch wohl einmal gele&#x017F;en, aber fu&#x0364;r die Ge&#x017F;chichte<lb/>
ver&#x017F;a&#x0364;umten &#x017F;ie es &#x017F;ie zu benutzen. Nun i&#x017F;t es &#x017F;ehr mo&#x0364;g-<lb/>
lich daß allerdings ein großer Theil des darin auf-<lb/>
ge&#x017F;tellten Staatsrechts etwas ganz anderes anordnete<lb/>
als die con&#x017F;ulari&#x017F;che Verfa&#x017F;&#x017F;ung unter die&#x017F;em Nahmen<lb/>
und die&#x017F;er Ge&#x017F;talt, und dies wu&#x0364;rde es erkla&#x0364;ren warum<lb/>
&#x017F;o gar kein Gebrauch davon fu&#x0364;r die Ge&#x017F;chichte gemacht<lb/>
i&#x017F;t. Endlich ko&#x0364;nnen wir auch wohl nicht einra&#x0364;umen daß<lb/>
die Plebejer, wenn &#x017F;ie durch die&#x017F;e Rogationen I&#x017F;egorie<lb/>
forderten, &#x017F;ich begnu&#x0364;gt ha&#x0364;tten, Milderung der con&#x017F;ulari-<lb/>
&#x017F;chen Gewalt in der Patricier Ha&#x0364;nden zu bezwecken, und<lb/>
nicht &#x017F;chon nach der Theilung mit ihrem Stande getrach-<lb/>
tet, in der Form der bisherigen Verfa&#x017F;&#x017F;ung oder in einer<lb/>
anderen weniger monarchi&#x017F;chen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0066] iſt. Auch kann es dem Sinn nach nicht unrichtig heiſſen wenn Livius die Geſetzgebung fuͤr das Staats- recht nur auf das Conſulat bezieht. Nicht ſowohl durch den Senat litt das Volk, als durch die unmaͤßige und tyranniſch mißbrauchte conſulariſche Gewalt. Wirklich ward dieſe wenige Jahre nach der Decemviralgeſetzge- bung weſentlich vermindert und eingeſchraͤnkt: und es kann wohl nicht fuͤglich beſtritten werden, daß es we- nigſtens eben ſolche Beſchraͤnkungen waren welche die Tri- bunen forderten, auch nicht wegen der alten Geſchicht- ſchreiber Stillſchweigen behauptet dieſe Veraͤnderungen waͤren nicht ſchon durch die zwoͤlf Tafeln wenigſtens ana- logiſch verordnet worden, wenn gleich ſie erſt mehrere Jahre ſpaͤter zur Wirklichkeit kamen. Dieſe Schrift- ſteller konnten freylich die zwoͤlf Tafeln leſen, und hat- ten ſie auch wohl einmal geleſen, aber fuͤr die Geſchichte verſaͤumten ſie es ſie zu benutzen. Nun iſt es ſehr moͤg- lich daß allerdings ein großer Theil des darin auf- geſtellten Staatsrechts etwas ganz anderes anordnete als die conſulariſche Verfaſſung unter dieſem Nahmen und dieſer Geſtalt, und dies wuͤrde es erklaͤren warum ſo gar kein Gebrauch davon fuͤr die Geſchichte gemacht iſt. Endlich koͤnnen wir auch wohl nicht einraͤumen daß die Plebejer, wenn ſie durch dieſe Rogationen Iſegorie forderten, ſich begnuͤgt haͤtten, Milderung der conſulari- ſchen Gewalt in der Patricier Haͤnden zu bezwecken, und nicht ſchon nach der Theilung mit ihrem Stande getrach- tet, in der Form der bisherigen Verfaſſung oder in einer anderen weniger monarchiſchen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/66
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/66>, abgerufen am 30.04.2024.