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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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mistokles 75), ihre innere Kraft war sehr verschieden.
Die römischen Bauern, freye Eigenthümer ihrer Hufen,
waren unbegreiflich zahlreich: in den etruskischen Staa-
ten herrschte strenge Aristokratie, und ihre Heere be-
standen aus den Erbunterthänigen des Adels 76), wie
ihre Städte, gleich den griechischen, mit Sklaven ange-
füllt waren. Veji blühte durch die Künste des Frie-
dens, Gewerbe und Handel, Rom erhielt sich durch
Krieg; jenes suchte keinen andern Vortheil von der Macht
die ihm Reichthum im Nothfall zu Gebot stellte als sich
Ruhe mit Rom durch wiederhohlte Waffenstillstände für
eine lange Reihe von Jahren zu sichern: Rom war seit
der Abschaffung der Monarchie zu sehr geschwächt um nicht
Krieg gegen andre Feinde, den die verbündeten Latiner
theilten, dem gegen das nur drittehalb Meilen ent-
fernte 77), stark befestigte Veji vorzuziehen, dessen ganze
Last es vielleicht allein tragen mußte, und wodurch ganz
Etrurien erregt werden konnte.

Doch war Veji wohl noch im Besitz der Rom ent-
rissenen Landschaft; und war eine Möglichkeit erschienen
diese wieder zu gewinnen, so entstand vermuthlich dar-
aus im Jahr 272 ein Krieg, der zu den unglücklichsten
gehört welche in diesem traurigen Zeitraum Roms Da-
seyn in Gefahr brachten. Im zweyten Jahr desselben
führte Cäso Fabius, der als Blutrichter den Altconsul
Sp. Cassius verurtheilt hatte, als Consul das römische

75) Dionysius II. c. 51. IV. c. 13.
76) Dionysius IV. c. 5.
77) Hundert Stadien. Dionysius II. c. 51.

miſtokles 75), ihre innere Kraft war ſehr verſchieden.
Die roͤmiſchen Bauern, freye Eigenthuͤmer ihrer Hufen,
waren unbegreiflich zahlreich: in den etruskiſchen Staa-
ten herrſchte ſtrenge Ariſtokratie, und ihre Heere be-
ſtanden aus den Erbunterthaͤnigen des Adels 76), wie
ihre Staͤdte, gleich den griechiſchen, mit Sklaven ange-
fuͤllt waren. Veji bluͤhte durch die Kuͤnſte des Frie-
dens, Gewerbe und Handel, Rom erhielt ſich durch
Krieg; jenes ſuchte keinen andern Vortheil von der Macht
die ihm Reichthum im Nothfall zu Gebot ſtellte als ſich
Ruhe mit Rom durch wiederhohlte Waffenſtillſtaͤnde fuͤr
eine lange Reihe von Jahren zu ſichern: Rom war ſeit
der Abſchaffung der Monarchie zu ſehr geſchwaͤcht um nicht
Krieg gegen andre Feinde, den die verbuͤndeten Latiner
theilten, dem gegen das nur drittehalb Meilen ent-
fernte 77), ſtark befeſtigte Veji vorzuziehen, deſſen ganze
Laſt es vielleicht allein tragen mußte, und wodurch ganz
Etrurien erregt werden konnte.

Doch war Veji wohl noch im Beſitz der Rom ent-
riſſenen Landſchaft; und war eine Moͤglichkeit erſchienen
dieſe wieder zu gewinnen, ſo entſtand vermuthlich dar-
aus im Jahr 272 ein Krieg, der zu den ungluͤcklichſten
gehoͤrt welche in dieſem traurigen Zeitraum Roms Da-
ſeyn in Gefahr brachten. Im zweyten Jahr deſſelben
fuͤhrte Caͤſo Fabius, der als Blutrichter den Altconſul
Sp. Caſſius verurtheilt hatte, als Conſul das roͤmiſche

75) Dionyſius II. c. 51. IV. c. 13.
76) Dionyſius IV. c. 5.
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[73/0089] miſtokles 75), ihre innere Kraft war ſehr verſchieden. Die roͤmiſchen Bauern, freye Eigenthuͤmer ihrer Hufen, waren unbegreiflich zahlreich: in den etruskiſchen Staa- ten herrſchte ſtrenge Ariſtokratie, und ihre Heere be- ſtanden aus den Erbunterthaͤnigen des Adels 76), wie ihre Staͤdte, gleich den griechiſchen, mit Sklaven ange- fuͤllt waren. Veji bluͤhte durch die Kuͤnſte des Frie- dens, Gewerbe und Handel, Rom erhielt ſich durch Krieg; jenes ſuchte keinen andern Vortheil von der Macht die ihm Reichthum im Nothfall zu Gebot ſtellte als ſich Ruhe mit Rom durch wiederhohlte Waffenſtillſtaͤnde fuͤr eine lange Reihe von Jahren zu ſichern: Rom war ſeit der Abſchaffung der Monarchie zu ſehr geſchwaͤcht um nicht Krieg gegen andre Feinde, den die verbuͤndeten Latiner theilten, dem gegen das nur drittehalb Meilen ent- fernte 77), ſtark befeſtigte Veji vorzuziehen, deſſen ganze Laſt es vielleicht allein tragen mußte, und wodurch ganz Etrurien erregt werden konnte. Doch war Veji wohl noch im Beſitz der Rom ent- riſſenen Landſchaft; und war eine Moͤglichkeit erſchienen dieſe wieder zu gewinnen, ſo entſtand vermuthlich dar- aus im Jahr 272 ein Krieg, der zu den ungluͤcklichſten gehoͤrt welche in dieſem traurigen Zeitraum Roms Da- ſeyn in Gefahr brachten. Im zweyten Jahr deſſelben fuͤhrte Caͤſo Fabius, der als Blutrichter den Altconſul Sp. Caſſius verurtheilt hatte, als Conſul das roͤmiſche 75) Dionyſius II. c. 51. IV. c. 13. 76) Dionyſius IV. c. 5. 77) Hundert Stadien. Dionyſius II. c. 51.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/89>, abgerufen am 29.03.2024.