Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich liebe Den, welcher seinen Gott züchtigt, weil
er seinen Gott liebt: denn er muss am Zorne seines
Gottes zu Grunde gehen.

Ich liebe Den, dessen Seele tief ist auch in der
Verwundung, und der an einem kleinen Erlebnisse zu
Grunde gehen kann: so geht er gerne über die Brücke.

Ich liebe Den, dessen Seele übervoll ist, so dass
er sich selber vergisst, und alle Dinge in ihm sind:
so werden alle Dinge sein Untergang.

Ich liebe Den, der freien Geistes und freien Herzens
ist: so ist sein Kopf nur das Eingeweide seines Herzens,
sein Herz aber treibt ihn zum Untergang.

Ich liebe alle Die, welche wie schwere Tropfen
sind, einzeln fallend aus der dunklen Wolke, die über
den Menschen hängt: sie verkündigen, dass der Blitz
kommt, und gehn als Verkündiger zu Grunde.

Seht, ich bin ein Verkündiger des Blitzes und ein
schwerer Tropfen aus der Wolke: dieser Blitz aber
heisst Übermensch. --


5.

Als Zarathustra diese Worte gesprochen hatte,
sahe er wieder das Volk an und schwieg. "Da stehen
sie", sprach er zu seinem Herzen, "da lachen sie: sie
verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese
Ohren.

Muss man ihnen erst die Ohren zerschlagen, dass
sie lernen, mit den Augen hören? Muss man rasseln
gleich Pauken und Busspredigern? Oder glauben sie
nur dem Stammelnden?

Ich liebe Den, welcher seinen Gott züchtigt, weil
er seinen Gott liebt: denn er muss am Zorne seines
Gottes zu Grunde gehen.

Ich liebe Den, dessen Seele tief ist auch in der
Verwundung, und der an einem kleinen Erlebnisse zu
Grunde gehen kann: so geht er gerne über die Brücke.

Ich liebe Den, dessen Seele übervoll ist, so dass
er sich selber vergisst, und alle Dinge in ihm sind:
so werden alle Dinge sein Untergang.

Ich liebe Den, der freien Geistes und freien Herzens
ist: so ist sein Kopf nur das Eingeweide seines Herzens,
sein Herz aber treibt ihn zum Untergang.

Ich liebe alle Die, welche wie schwere Tropfen
sind, einzeln fallend aus der dunklen Wolke, die über
den Menschen hängt: sie verkündigen, dass der Blitz
kommt, und gehn als Verkündiger zu Grunde.

Seht, ich bin ein Verkündiger des Blitzes und ein
schwerer Tropfen aus der Wolke: dieser Blitz aber
heisst Übermensch. —


5.

Als Zarathustra diese Worte gesprochen hatte,
sahe er wieder das Volk an und schwieg. „Da stehen
sie“, sprach er zu seinem Herzen, „da lachen sie: sie
verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese
Ohren.

Muss man ihnen erst die Ohren zerschlagen, dass
sie lernen, mit den Augen hören? Muss man rasseln
gleich Pauken und Busspredigern? Oder glauben sie
nur dem Stammelnden?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0020" n="14"/>
          <p>Ich liebe Den, welcher seinen Gott züchtigt, weil<lb/>
er seinen Gott liebt: denn er muss am Zorne seines<lb/>
Gottes zu Grunde gehen.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, dessen Seele tief ist auch in der<lb/>
Verwundung, und der an einem kleinen Erlebnisse zu<lb/>
Grunde gehen kann: so geht er gerne über die Brücke.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, dessen Seele übervoll ist, so dass<lb/>
er sich selber vergisst, und alle Dinge in ihm sind:<lb/>
so werden alle Dinge sein Untergang.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, der freien Geistes und freien Herzens<lb/>
ist: so ist sein Kopf nur das Eingeweide seines Herzens,<lb/>
sein Herz aber treibt ihn zum Untergang.</p><lb/>
          <p>Ich liebe alle Die, welche wie schwere Tropfen<lb/>
sind, einzeln fallend aus der dunklen Wolke, die über<lb/>
den Menschen hängt: sie verkündigen, dass der Blitz<lb/>
kommt, und gehn als Verkündiger zu Grunde.</p><lb/>
          <p>Seht, ich bin ein Verkündiger des Blitzes und ein<lb/>
schwerer Tropfen aus der Wolke: dieser Blitz aber<lb/>
heisst Übermensch. &#x2014;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>5.<lb/></head>
          <p>Als Zarathustra diese Worte gesprochen hatte,<lb/>
sahe er wieder das Volk an und schwieg. &#x201E;Da stehen<lb/>
sie&#x201C;, sprach er zu seinem Herzen, &#x201E;da lachen sie: sie<lb/>
verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese<lb/>
Ohren.</p><lb/>
          <p>Muss man ihnen erst die Ohren zerschlagen, dass<lb/>
sie lernen, mit den Augen hören? Muss man rasseln<lb/>
gleich Pauken und Busspredigern? Oder glauben sie<lb/>
nur dem Stammelnden?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0020] Ich liebe Den, welcher seinen Gott züchtigt, weil er seinen Gott liebt: denn er muss am Zorne seines Gottes zu Grunde gehen. Ich liebe Den, dessen Seele tief ist auch in der Verwundung, und der an einem kleinen Erlebnisse zu Grunde gehen kann: so geht er gerne über die Brücke. Ich liebe Den, dessen Seele übervoll ist, so dass er sich selber vergisst, und alle Dinge in ihm sind: so werden alle Dinge sein Untergang. Ich liebe Den, der freien Geistes und freien Herzens ist: so ist sein Kopf nur das Eingeweide seines Herzens, sein Herz aber treibt ihn zum Untergang. Ich liebe alle Die, welche wie schwere Tropfen sind, einzeln fallend aus der dunklen Wolke, die über den Menschen hängt: sie verkündigen, dass der Blitz kommt, und gehn als Verkündiger zu Grunde. Seht, ich bin ein Verkündiger des Blitzes und ein schwerer Tropfen aus der Wolke: dieser Blitz aber heisst Übermensch. — 5. Als Zarathustra diese Worte gesprochen hatte, sahe er wieder das Volk an und schwieg. „Da stehen sie“, sprach er zu seinem Herzen, „da lachen sie: sie verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese Ohren. Muss man ihnen erst die Ohren zerschlagen, dass sie lernen, mit den Augen hören? Muss man rasseln gleich Pauken und Busspredigern? Oder glauben sie nur dem Stammelnden?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/20
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/20>, abgerufen am 09.10.2024.