Als es unter den Schiffsleuten ruchbar wurde, dass Zarathustra auf dem Schiffe sei, -- denn es war ein Mann zugleich mit ihm an Bord gegangen, der von den glückseligen Inseln kam -- da entstand eine grosse Neugierde und Erwartung. Aber Zarathustra schwieg zwei Tage und war kalt und taub vor Traurig¬ keit, also, dass er weder auf Blicke noch auf Fragen antwortete. Am Abende aber des zweiten Tages that er seine Ohren wieder auf, ob er gleich noch schwieg: denn es gab viel Seltsames und Gefährliches auf diesem Schiffe anzuhören, welches weither kam und noch weiterhin wollte. Zarathustra aber war ein Freund aller Solchen, die weite Reisen thun und nicht ohne Gefahr leben mögen. Und siehe! zuletzt wurde ihm im Zuhören die eigne Zunge gelöst, und das Eis seines Herzens brach: -- da begann er also zu reden:
Euch, den kühnen Suchern, Versuchern, und wer je sich mit listigen Segeln auf furchtbare Meere einschiffte, --
euch, den Räthsel-Trunkenen, den Zwielicht- Frohen, deren Seele mit Flöten zu jedem Irr-Schlunde gelockt wird:
Vom Gesicht und Räthsel.
I.
Als es unter den Schiffsleuten ruchbar wurde, dass Zarathustra auf dem Schiffe sei, — denn es war ein Mann zugleich mit ihm an Bord gegangen, der von den glückseligen Inseln kam — da entstand eine grosse Neugierde und Erwartung. Aber Zarathustra schwieg zwei Tage und war kalt und taub vor Traurig¬ keit, also, dass er weder auf Blicke noch auf Fragen antwortete. Am Abende aber des zweiten Tages that er seine Ohren wieder auf, ob er gleich noch schwieg: denn es gab viel Seltsames und Gefährliches auf diesem Schiffe anzuhören, welches weither kam und noch weiterhin wollte. Zarathustra aber war ein Freund aller Solchen, die weite Reisen thun und nicht ohne Gefahr leben mögen. Und siehe! zuletzt wurde ihm im Zuhören die eigne Zunge gelöst, und das Eis seines Herzens brach: — da begann er also zu reden:
Euch, den kühnen Suchern, Versuchern, und wer je sich mit listigen Segeln auf furchtbare Meere einschiffte, —
euch, den Räthsel-Trunkenen, den Zwielicht- Frohen, deren Seele mit Flöten zu jedem Irr-Schlunde gelockt wird:
<TEI><text><body><pbfacs="#f0016"n="6"/><divn="1"><head>Vom Gesicht und Räthsel.<lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head>I.<lb/></head><p>Als es unter den Schiffsleuten ruchbar wurde,<lb/>
dass Zarathustra auf dem Schiffe sei, — denn es war<lb/>
ein Mann zugleich mit ihm an Bord gegangen, der<lb/>
von den glückseligen Inseln kam — da entstand eine<lb/>
grosse Neugierde und Erwartung. Aber Zarathustra<lb/>
schwieg zwei Tage und war kalt und taub vor Traurig¬<lb/>
keit, also, dass er weder auf Blicke noch auf Fragen<lb/>
antwortete. Am Abende aber des zweiten Tages that<lb/>
er seine Ohren wieder auf, ob er gleich noch schwieg:<lb/>
denn es gab viel Seltsames und Gefährliches auf<lb/>
diesem Schiffe anzuhören, welches weither kam und<lb/>
noch weiterhin wollte. Zarathustra aber war ein<lb/>
Freund aller Solchen, die weite Reisen thun und<lb/>
nicht ohne Gefahr leben mögen. Und siehe! zuletzt<lb/>
wurde ihm im Zuhören die eigne Zunge gelöst, und<lb/>
das Eis seines Herzens brach: — da begann er also<lb/>
zu reden:</p><lb/><spacedim="vertical"/><p>Euch, den kühnen Suchern, Versuchern, und wer<lb/>
je sich mit listigen Segeln auf furchtbare Meere<lb/>
einschiffte, —</p><lb/><p>euch, den Räthsel-Trunkenen, den Zwielicht-<lb/>
Frohen, deren Seele mit Flöten zu jedem Irr-Schlunde<lb/>
gelockt wird:<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[6/0016]
Vom Gesicht und Räthsel.
I.
Als es unter den Schiffsleuten ruchbar wurde,
dass Zarathustra auf dem Schiffe sei, — denn es war
ein Mann zugleich mit ihm an Bord gegangen, der
von den glückseligen Inseln kam — da entstand eine
grosse Neugierde und Erwartung. Aber Zarathustra
schwieg zwei Tage und war kalt und taub vor Traurig¬
keit, also, dass er weder auf Blicke noch auf Fragen
antwortete. Am Abende aber des zweiten Tages that
er seine Ohren wieder auf, ob er gleich noch schwieg:
denn es gab viel Seltsames und Gefährliches auf
diesem Schiffe anzuhören, welches weither kam und
noch weiterhin wollte. Zarathustra aber war ein
Freund aller Solchen, die weite Reisen thun und
nicht ohne Gefahr leben mögen. Und siehe! zuletzt
wurde ihm im Zuhören die eigne Zunge gelöst, und
das Eis seines Herzens brach: — da begann er also
zu reden:
Euch, den kühnen Suchern, Versuchern, und wer
je sich mit listigen Segeln auf furchtbare Meere
einschiffte, —
euch, den Räthsel-Trunkenen, den Zwielicht-
Frohen, deren Seele mit Flöten zu jedem Irr-Schlunde
gelockt wird:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/16>, abgerufen am 03.12.2023.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2023. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.