Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.2. "Wir sind wieder fromm geworden" -- so bekennen Denen sehe ich in's Auge, -- denen sage ich es Es ist aber eine Schmach, zu beten! Nicht für Du weisst es wohl: dein feiger Teufel in dir, der Damit aber gehörst du zur lichtscheuen Art, Und wahrlich, du wähltest die Stunde gut: denn Ich höre und rieche es: es kam ihre Stunde für -- für eine Jagd auf seelenvolle Duckmäuser: alle 2. „Wir sind wieder fromm geworden“ — so bekennen Denen sehe ich in's Auge, — denen sage ich es Es ist aber eine Schmach, zu beten! Nicht für Du weisst es wohl: dein feiger Teufel in dir, der Damit aber gehörst du zur lichtscheuen Art, Und wahrlich, du wähltest die Stunde gut: denn Ich höre und rieche es: es kam ihre Stunde für — für eine Jagd auf seelenvolle Duckmäuser: alle <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0053" n="43"/> <div n="2"> <head>2.<lb/></head> <p>„Wir sind wieder fromm geworden“ — so bekennen<lb/> diese Abtrünnigen; und Manche von ihnen sind noch<lb/> zu feige, also zu bekennen.</p><lb/> <p>Denen sehe ich in's Auge, — denen sage ich es<lb/> in's Gesicht und in die Röthe ihrer Wangen: ihr seid<lb/> Solche, welche wieder <hi rendition="#g">beten</hi>!</p><lb/> <p>Es ist aber eine Schmach, zu beten! Nicht für<lb/> Alle, aber für dich und mich und wer auch im Kopfe<lb/> sein Gewissen hat. Für <hi rendition="#g">dich</hi> ist es eine Schmach,<lb/> zu beten!</p><lb/> <p>Du weisst es wohl: dein feiger Teufel in dir, der<lb/> gerne Hände-falten und Hände-in-den-Schooss-legen<lb/> und es bequemer haben möchte: — dieser feige Teufel<lb/> redet dir zu „es <hi rendition="#g">giebt</hi> einen Gott!“</p><lb/> <p>Damit aber gehörst du zur lichtscheuen Art,<lb/> denen Licht nimmer Ruhe lässt; nun musst du täglich<lb/> deinen Kopf tiefer in Nacht und Dunst stecken!</p><lb/> <p>Und wahrlich, du wähltest die Stunde gut: denn<lb/> eben wieder fliegen die Nachtvögel aus. Die Stunde<lb/> kam allem lichtscheuen Volke, die Abend- und Feier¬<lb/> stunde, wo es nicht — „feiert.“</p><lb/> <p>Ich höre und rieche es: es kam ihre Stunde für<lb/> Jagd und Umzug, nicht zwar für eine wilde Jagd,<lb/> sondern für eine zahme lahme schnüffelnde Leisetreter-<lb/> und Leisebeter-Jagd, —</p><lb/> <p>— für eine Jagd auf seelenvolle Duckmäuser: alle<lb/> Herzens-Mausefallen sind jetzt wieder aufgestellt! Und<lb/> wo ich einen Vorhang aufhebe, da kommt ein Nacht¬<lb/> falterchen herausgestürzt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0053]
2.
„Wir sind wieder fromm geworden“ — so bekennen
diese Abtrünnigen; und Manche von ihnen sind noch
zu feige, also zu bekennen.
Denen sehe ich in's Auge, — denen sage ich es
in's Gesicht und in die Röthe ihrer Wangen: ihr seid
Solche, welche wieder beten!
Es ist aber eine Schmach, zu beten! Nicht für
Alle, aber für dich und mich und wer auch im Kopfe
sein Gewissen hat. Für dich ist es eine Schmach,
zu beten!
Du weisst es wohl: dein feiger Teufel in dir, der
gerne Hände-falten und Hände-in-den-Schooss-legen
und es bequemer haben möchte: — dieser feige Teufel
redet dir zu „es giebt einen Gott!“
Damit aber gehörst du zur lichtscheuen Art,
denen Licht nimmer Ruhe lässt; nun musst du täglich
deinen Kopf tiefer in Nacht und Dunst stecken!
Und wahrlich, du wähltest die Stunde gut: denn
eben wieder fliegen die Nachtvögel aus. Die Stunde
kam allem lichtscheuen Volke, die Abend- und Feier¬
stunde, wo es nicht — „feiert.“
Ich höre und rieche es: es kam ihre Stunde für
Jagd und Umzug, nicht zwar für eine wilde Jagd,
sondern für eine zahme lahme schnüffelnde Leisetreter-
und Leisebeter-Jagd, —
— für eine Jagd auf seelenvolle Duckmäuser: alle
Herzens-Mausefallen sind jetzt wieder aufgestellt! Und
wo ich einen Vorhang aufhebe, da kommt ein Nacht¬
falterchen herausgestürzt.
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/53>, abgerufen am 03.12.2023. |