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Allgemeine Zeitung, Nr. 2, 2. Januar 1830.

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Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Sonnabend Nro. 2. 2 Januar 1830.


Großbritannien. (Schreiben aus London.)
-- Frankreich. (Schreiben aus Paris.)
-- Niederlande. (Schreiben aus dem Haag.)
-- Italien.
--
Türkei. (Schreiben von der serbischen Gränze.)
-- Beilage Nro. 2. Brasilien.
-- Briefe aus München und Dresden.
-- Diamanten
in Rußland.
-- Ankündigungen.


[Spaltenumbruch]
Großbritannien.

Konsol. 3 Proz. 95; russische Fonds 1101/4;
brasilische 70; portugiesische 591/2; mericanische 26.

Am 22 Dec. ward der Prozeß gegen das Morning-Journal,
in den Personen der HH. Alexander, Gutch und Fisher, bei der
Kings Bench verhandelt. Die Jury erklärte, nach Anhörung der
sehr umständlichen Vertheidigung der obengenannten Herren und
der Replik des Kronanwalds, nach einer kurzen Berathung von
fünf Minuten die Angeklagten für schuldig.

Die vermehrten Vorschüsse, welche die
Bank von England seit einigen Tagen dem Handelsstande gemacht
hat, haben dazu beigetragen den Preis der Stoks in der früher
erreichten Höhe zu erhalten, wodurch die vom Staate beabsichtigte
Herabsezung des Zinsfußes, begünstigt wird. Die portugiesischen
Scheine sind um ein Prozent gestiegen; Einige meynen, weil die
Nachrichten von Lissabon, welche versichern, daß die Regierung
ohne Geld und die Truppen seit geraumer Zeit ohne Sold, und
folglich sehr unzufrieden seyen, eine baldige Veränderung in Por-
tugal erwarten ließen; während Andere darauf bauen, daß weder
Brasilien noch dessen Kaiser sich der Verbindlichkeit entziehen kön-
ne die Zinsen der portugiesischen Staatsschuld zu entrichten, die
sie nicht deswegen übernommen, weil das Mutterland darein wil-
ligte sich in Zukunft von des Kaisers Tochter beherrschen zu las-
sen, sondern weil dasselbe die gänzliche Unabhängigkeit Brasiliens
anerkannte. In den diplomatischen Cirkeln wird indessen versi-
chert, daß unser Kabinett noch vor dem Zusammentritte des Par-
laments den Don Miguel als König von Portugal anerkennen
werde, und zwar mit Zustimmung Don Pedro's, welcher keine
andere Aussicht haben kan, seinen Bruder vom Throne gestoßen zu
sehen, als durch eine Militairrevolution, und vielleicht durch einen
Bürgerkrieg. Man sagt, eine Macht des festen Landes werde uns
mit ihrem Beispiele vorangehen, und die Hauptbedingung der An-
erkennung werde eine vollkommene Amnestie für alle Portugiesen
seyn, die sich politisch gegen den jezigen Herrscher vergangen ha-
ben. Die Frage ist nur ob Don Miguel, gesezt daß es ihm
ernstlich darum zu thun wäre, mächtig genug ist seine vertriebe-
nen oder geflüchteten Unterthanen, im Fall sie es wagen auf sein
Wort zurükzukehren, gegen den Haß der Apostolischen zu schüzen?
-- Wir haben Nachrichten aus Veracruz bis zum 2 Oktober. Die
Schiffe, welche die Spanier von Tampico abholen sollten, waren
noch nicht angekommen. Santa-Anna befand sich zu Veracruz und
empfing zwar jeden Tag neue Beweise von der allgemeinen Hul-
digung, welche seine neuesten Verdienste ums Vaterland ihm er-
worben, aber er hatte nicht, wie früher berichtet wurde, öffentli-
che Schritte gegen die Regierung gethan. Man erwartete jedoch
[Spaltenumbruch] daß die Minister sowol als der Präsident in Kurzem abdanken,
und Santa-Anna, ohne Anwendung von Gewalt, an die Spize
der Regierung zu stehen kommen werde. Das nächste Resultat
dieser Veränderung dürfte sodann die Auflösung der schwachen
Provinzialregierungen und die Bildung einer kräftigen Centralver-
waltung seyn. -- Man spricht von allerlei Veränderungen, sowol
in der Liturgie als in der Vertheilung der Kircheneinkünfte, wel-
che die Regierung vorhaben soll. Der Courier widerspricht zwar
diesen Gerüchten, aber man weiß daß die Widersprüche dieses
Jöurnals selten viel zu bedeuten haben. -- Der Prozeß gegen die
Eigenthümer des Morning-Journals wegen eines Libells gegen den
Großkanzler hat heute angefangen, die Entscheidung ist mir aber in die-
sem Augenblik noch nicht bekannt. Daß der obgleich verblümte Angrif
auf den Kanzler gemünzt war, ist durch die Aussage von Personen
von jedem Range, Advokaten, Richtern, Edelleuten und Kaufleu-
ten bewiesen worden; die Jury hat also blos zu entscheiden, ob es
der Freiheit der Nation fromme, wenn Leute die Preßfreiheit so
weit treiben dürften, daß sie einen Minister, den sie um politi-
scher Zweke willen verhaßt machen wollen, als Richter der Käuf-
lichkeit beschuldigen. -- Man erwartet auch bedeutende Verände-
rungen im Accisewesen.

Frankreich.

Die Gazette de France enthält folgenden Artikel unter
der Aufschrift Lügen: "Es liegt immer etwas in den Lügen
der Liberalen, das einem Geständnisse ähnlich ist, und das ge-
nauer betrachtet uns enthüllen dürfte, was sie thun wollen und
thun möchten. Sie künden z. B. an, daß man eine Ordonnanz für
Censur der Journale bekannt machen werde; dis soll heißen: wir
treiben die Gewaltthätigkeit und die Frechheit in unsern Journa-
len so weit, daß die gewöhnlichen Beschränkungsmittel nicht mehr
zureichen, und daß wir an der Stelle des Ministeriums die Cen-
sur wieder herstellen würden, die uns allein wieder auf die Bahn
der Vernunft und des Anstandes zurükführen kan. Sie kündigen
Staatsstreiche, willkührliche Maaßregeln, die Diktatur an. Diese
Lüge will sagen: Wir haben die Hindernisse und den Widerstand
um die Staatsgewalt so sehr vervielfacht, wir haben sie so sehr
in einen Kreis von Legalität gebannt, daß wir an ihrer Stelle
nichts Besseres thun zu können glauben würden, als mit Gewalt
die Schranken zu durchbrechen, in die wir sie eingeschlossen ha-
ben. Sie sprechen ferner von einem neuen durch Ordounanz ein-
zuführenden Wahlsystem. Darin liegt das Geständniß der Macht
des dirigirenden Comite's und der Wahlassociationen, der Wirkung
der in den Departements zur Leitung der Wahlen angeknüpften
Intriguen, das Resultat der Dazwischenkunft dritter Personen und der
vorbereitenden Skrutinien, und es ist keinem Zweifel unterworfen,

Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchſten Privilegien.
Sonnabend Nro. 2. 2 Januar 1830.


Großbritannien. (Schreiben aus London.)
— Frankreich. (Schreiben aus Paris.)
— Niederlande. (Schreiben aus dem Haag.)
— Italien.

Türkei. (Schreiben von der ſerbiſchen Gränze.)
— Beilage Nro. 2. Braſilien.
— Briefe aus München und Dresden.
— Diamanten
in Rußland.
— Ankündigungen.


[Spaltenumbruch]
Großbritannien.

Konſol. 3 Proz. 95; ruſſiſche Fonds 110¼;
braſiliſche 70; portugieſiſche 59½; mericaniſche 26.

Am 22 Dec. ward der Prozeß gegen das Morning-Journal,
in den Perſonen der HH. Alexander, Gutch und Fiſher, bei der
Kings Bench verhandelt. Die Jury erklärte, nach Anhörung der
ſehr umſtändlichen Vertheidigung der obengenannten Herren und
der Replik des Kronanwalds, nach einer kurzen Berathung von
fünf Minuten die Angeklagten für ſchuldig.

Die vermehrten Vorſchüſſe, welche die
Bank von England ſeit einigen Tagen dem Handelsſtande gemacht
hat, haben dazu beigetragen den Preis der Stoks in der früher
erreichten Höhe zu erhalten, wodurch die vom Staate beabſichtigte
Herabſezung des Zinsfußes, begünſtigt wird. Die portugieſiſchen
Scheine ſind um ein Prozent geſtiegen; Einige meynen, weil die
Nachrichten von Liſſabon, welche verſichern, daß die Regierung
ohne Geld und die Truppen ſeit geraumer Zeit ohne Sold, und
folglich ſehr unzufrieden ſeyen, eine baldige Veränderung in Por-
tugal erwarten ließen; während Andere darauf bauen, daß weder
Braſilien noch deſſen Kaiſer ſich der Verbindlichkeit entziehen kön-
ne die Zinſen der portugieſiſchen Staatsſchuld zu entrichten, die
ſie nicht deswegen übernommen, weil das Mutterland darein wil-
ligte ſich in Zukunft von des Kaiſers Tochter beherrſchen zu laſ-
ſen, ſondern weil daſſelbe die gänzliche Unabhängigkeit Braſiliens
anerkannte. In den diplomatiſchen Cirkeln wird indeſſen verſi-
chert, daß unſer Kabinett noch vor dem Zuſammentritte des Par-
laments den Don Miguel als König von Portugal anerkennen
werde, und zwar mit Zuſtimmung Don Pedro’s, welcher keine
andere Ausſicht haben kan, ſeinen Bruder vom Throne geſtoßen zu
ſehen, als durch eine Militairrevolution, und vielleicht durch einen
Bürgerkrieg. Man ſagt, eine Macht des feſten Landes werde uns
mit ihrem Beiſpiele vorangehen, und die Hauptbedingung der An-
erkennung werde eine vollkommene Amneſtie für alle Portugieſen
ſeyn, die ſich politiſch gegen den jezigen Herrſcher vergangen ha-
ben. Die Frage iſt nur ob Don Miguel, geſezt daß es ihm
ernſtlich darum zu thun wäre, mächtig genug iſt ſeine vertriebe-
nen oder geflüchteten Unterthanen, im Fall ſie es wagen auf ſein
Wort zurükzukehren, gegen den Haß der Apoſtoliſchen zu ſchüzen?
— Wir haben Nachrichten aus Veracruz bis zum 2 Oktober. Die
Schiffe, welche die Spanier von Tampico abholen ſollten, waren
noch nicht angekommen. Santa-Anna befand ſich zu Veracruz und
empfing zwar jeden Tag neue Beweiſe von der allgemeinen Hul-
digung, welche ſeine neueſten Verdienſte ums Vaterland ihm er-
worben, aber er hatte nicht, wie früher berichtet wurde, öffentli-
che Schritte gegen die Regierung gethan. Man erwartete jedoch
[Spaltenumbruch] daß die Miniſter ſowol als der Präſident in Kurzem abdanken,
und Santa-Anna, ohne Anwendung von Gewalt, an die Spize
der Regierung zu ſtehen kommen werde. Das nächſte Reſultat
dieſer Veränderung dürfte ſodann die Auflöſung der ſchwachen
Provinzialregierungen und die Bildung einer kräftigen Centralver-
waltung ſeyn. — Man ſpricht von allerlei Veränderungen, ſowol
in der Liturgie als in der Vertheilung der Kircheneinkünfte, wel-
che die Regierung vorhaben ſoll. Der Courier widerſpricht zwar
dieſen Gerüchten, aber man weiß daß die Widerſprüche dieſes
Jöurnals ſelten viel zu bedeuten haben. — Der Prozeß gegen die
Eigenthümer des Morning-Journals wegen eines Libells gegen den
Großkanzler hat heute angefangen, die Entſcheidung iſt mir aber in die-
ſem Augenblik noch nicht bekannt. Daß der obgleich verblümte Angrif
auf den Kanzler gemünzt war, iſt durch die Ausſage von Perſonen
von jedem Range, Advokaten, Richtern, Edelleuten und Kaufleu-
ten bewieſen worden; die Jury hat alſo blos zu entſcheiden, ob es
der Freiheit der Nation fromme, wenn Leute die Preßfreiheit ſo
weit treiben dürften, daß ſie einen Miniſter, den ſie um politi-
ſcher Zweke willen verhaßt machen wollen, als Richter der Käuf-
lichkeit beſchuldigen. — Man erwartet auch bedeutende Verände-
rungen im Acciſeweſen.

Frankreich.

Die Gazette de France enthält folgenden Artikel unter
der Aufſchrift Lügen: „Es liegt immer etwas in den Lügen
der Liberalen, das einem Geſtändniſſe ähnlich iſt, und das ge-
nauer betrachtet uns enthüllen dürfte, was ſie thun wollen und
thun möchten. Sie künden z. B. an, daß man eine Ordonnanz für
Cenſur der Journale bekannt machen werde; dis ſoll heißen: wir
treiben die Gewaltthätigkeit und die Frechheit in unſern Journa-
len ſo weit, daß die gewöhnlichen Beſchränkungsmittel nicht mehr
zureichen, und daß wir an der Stelle des Miniſteriums die Cen-
ſur wieder herſtellen würden, die uns allein wieder auf die Bahn
der Vernunft und des Anſtandes zurükführen kan. Sie kündigen
Staatsſtreiche, willkührliche Maaßregeln, die Diktatur an. Dieſe
Lüge will ſagen: Wir haben die Hinderniſſe und den Widerſtand
um die Staatsgewalt ſo ſehr vervielfacht, wir haben ſie ſo ſehr
in einen Kreis von Legalität gebannt, daß wir an ihrer Stelle
nichts Beſſeres thun zu können glauben würden, als mit Gewalt
die Schranken zu durchbrechen, in die wir ſie eingeſchloſſen ha-
ben. Sie ſprechen ferner von einem neuen durch Ordounanz ein-
zuführenden Wahlſyſtem. Darin liegt das Geſtändniß der Macht
des dirigirenden Comité’s und der Wahlaſſociationen, der Wirkung
der in den Departements zur Leitung der Wahlen angeknüpften
Intriguen, das Reſultat der Dazwiſchenkunft dritter Perſonen und der
vorbereitenden Skrutinien, und es iſt keinem Zweifel unterworfen,

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Die portugieſiſchen Scheine ſind um ein Prozent geſtiegen; Einige meynen, weil die Nachrichten von Liſſabon, welche verſichern, daß die Regierung ohne Geld und die Truppen ſeit geraumer Zeit ohne Sold, und folglich ſehr unzufrieden ſeyen, eine baldige Veränderung in Por- tugal erwarten ließen; während Andere darauf bauen, daß weder Braſilien noch deſſen Kaiſer ſich der Verbindlichkeit entziehen kön- ne die Zinſen der portugieſiſchen Staatsſchuld zu entrichten, die ſie nicht deswegen übernommen, weil das Mutterland darein wil- ligte ſich in Zukunft von des Kaiſers Tochter beherrſchen zu laſ- ſen, ſondern weil daſſelbe die gänzliche Unabhängigkeit Braſiliens anerkannte. In den diplomatiſchen Cirkeln wird indeſſen verſi- chert, daß unſer Kabinett noch vor dem Zuſammentritte des Par- laments den Don Miguel als König von Portugal anerkennen werde, und zwar mit Zuſtimmung Don Pedro’s, welcher keine andere Ausſicht haben kan, ſeinen Bruder vom Throne geſtoßen zu ſehen, als durch eine Militairrevolution, und vielleicht durch einen Bürgerkrieg. Man ſagt, eine Macht des feſten Landes werde uns mit ihrem Beiſpiele vorangehen, und die Hauptbedingung der An- erkennung werde eine vollkommene Amneſtie für alle Portugieſen ſeyn, die ſich politiſch gegen den jezigen Herrſcher vergangen ha- ben. Die Frage iſt nur ob Don Miguel, geſezt daß es ihm ernſtlich darum zu thun wäre, mächtig genug iſt ſeine vertriebe- nen oder geflüchteten Unterthanen, im Fall ſie es wagen auf ſein Wort zurükzukehren, gegen den Haß der Apoſtoliſchen zu ſchüzen? — Wir haben Nachrichten aus Veracruz bis zum 2 Oktober. Die Schiffe, welche die Spanier von Tampico abholen ſollten, waren noch nicht angekommen. Santa-Anna befand ſich zu Veracruz und empfing zwar jeden Tag neue Beweiſe von der allgemeinen Hul- digung, welche ſeine neueſten Verdienſte ums Vaterland ihm er- worben, aber er hatte nicht, wie früher berichtet wurde, öffentli- che Schritte gegen die Regierung gethan. Man erwartete jedoch daß die Miniſter ſowol als der Präſident in Kurzem abdanken, und Santa-Anna, ohne Anwendung von Gewalt, an die Spize der Regierung zu ſtehen kommen werde. Das nächſte Reſultat dieſer Veränderung dürfte ſodann die Auflöſung der ſchwachen Provinzialregierungen und die Bildung einer kräftigen Centralver- waltung ſeyn. — Man ſpricht von allerlei Veränderungen, ſowol in der Liturgie als in der Vertheilung der Kircheneinkünfte, wel- che die Regierung vorhaben ſoll. Der Courier widerſpricht zwar dieſen Gerüchten, aber man weiß daß die Widerſprüche dieſes Jöurnals ſelten viel zu bedeuten haben. — Der Prozeß gegen die Eigenthümer des Morning-Journals wegen eines Libells gegen den Großkanzler hat heute angefangen, die Entſcheidung iſt mir aber in die- ſem Augenblik noch nicht bekannt. Daß der obgleich verblümte Angrif auf den Kanzler gemünzt war, iſt durch die Ausſage von Perſonen von jedem Range, Advokaten, Richtern, Edelleuten und Kaufleu- ten bewieſen worden; die Jury hat alſo blos zu entſcheiden, ob es der Freiheit der Nation fromme, wenn Leute die Preßfreiheit ſo weit treiben dürften, daß ſie einen Miniſter, den ſie um politi- ſcher Zweke willen verhaßt machen wollen, als Richter der Käuf- lichkeit beſchuldigen. — Man erwartet auch bedeutende Verände- rungen im Acciſeweſen. Frankreich. Die Gazette de France enthält folgenden Artikel unter der Aufſchrift Lügen: „Es liegt immer etwas in den Lügen der Liberalen, das einem Geſtändniſſe ähnlich iſt, und das ge- nauer betrachtet uns enthüllen dürfte, was ſie thun wollen und thun möchten. Sie künden z. B. an, daß man eine Ordonnanz für Cenſur der Journale bekannt machen werde; dis ſoll heißen: wir treiben die Gewaltthätigkeit und die Frechheit in unſern Journa- len ſo weit, daß die gewöhnlichen Beſchränkungsmittel nicht mehr zureichen, und daß wir an der Stelle des Miniſteriums die Cen- ſur wieder herſtellen würden, die uns allein wieder auf die Bahn der Vernunft und des Anſtandes zurükführen kan. Sie kündigen Staatsſtreiche, willkührliche Maaßregeln, die Diktatur an. Dieſe Lüge will ſagen: Wir haben die Hinderniſſe und den Widerſtand um die Staatsgewalt ſo ſehr vervielfacht, wir haben ſie ſo ſehr in einen Kreis von Legalität gebannt, daß wir an ihrer Stelle nichts Beſſeres thun zu können glauben würden, als mit Gewalt die Schranken zu durchbrechen, in die wir ſie eingeſchloſſen ha- ben. Sie ſprechen ferner von einem neuen durch Ordounanz ein- zuführenden Wahlſyſtem. Darin liegt das Geſtändniß der Macht des dirigirenden Comité’s und der Wahlaſſociationen, der Wirkung der in den Departements zur Leitung der Wahlen angeknüpften Intriguen, das Reſultat der Dazwiſchenkunft dritter Perſonen und der vorbereitenden Skrutinien, und es iſt keinem Zweifel unterworfen,

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 2, 2. Januar 1830, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine02_1830/1>, abgerufen am 12.05.2024.