Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 6, 6. Januar 1830.

Bild:
erste Seite
Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Mittwoch Nro. 6. 6 Januar 1830.


Großbritannien. (Schreiben aus London.)
-- Frankreich. (Schreiben aus Lyon.)
-- Niederlande. (Schreiben aus Amsterdam.)
-- Deutsch-
land.
-- Rußland.
-- Polen. (Schreiben aus Warschau.)
-- Oestreich. (Schreiben aus Wien.)
-- Beilage Nro. 6.
Der Woll-
handel.
-- Zeitungen in der Levante.
-- Schreiben aus London über Mexico.
-- Ankündigungen.



[Spaltenumbruch]
Großbritannien.

Konsol. 3 Proz. 95; russische Fonds 1091/4;
brasilische 69 3/8 ; portugiesische 581/2; chilische 28; columbische
26 5/8 ; mexicanische 25 3/8 ; peruanische 173/4; Cortes 101/4.


Am 23 Dec. beschäftigte eine zweite Anklage gegen die Heraus-
geber des Morning Journal den Gerichtshof der Kingsbench. Die
bezüchtigten Stellen sind vom 15 Mai und folgenden Inhalts:
"Wir hatten sehr guten Grund zu versichern, daß Se. Majestät
kürzlich eine auffallende Kälte gegen Se. Herrl. den Herzog von
Wellington gezeigt habe. Nun soll Se. Majestät sich bitter dar-
über beklagen, daß die Minister ihn in eine solche Lage versezt ha-
ben, daß er nicht mehr das Vergnügen haben könne, sich seinem
Volke zu zeigen. Georg IV war immer ein populairer Monarch.
Wenn es jezt anders ist, so ist sein herrschsüchtiger Minister daran
Schuld. Wir bedauern dieses Verhältniß ausnehmend; aber die
öffentliche Meynung ist ein aufgeregtes Meer, aus einer Menge
von Ursachen, die obgleich anfangs unbemerklich, doch oft zu furcht-
baren Katastrophen führen. Wir bedauern die Lage unseres alten
und verehrten Monarchen; es gibt aber zu heftige Schmerzen,
als daß sie blos durch geheime Thränen gemildert werden könnten.
Für diese Schmerzen muß man eine andere Art von Stillung su-
chen. Offenbar hat noch nie ein so ehrgeiziger und gefährlicher
Minister auf England gelastet, wie der Herzog von Wellington;
wenn aber sein Einfluß auf das Gemüth Sr. Majestät noch so
groß ist, wie man gesagt hat, dann sind wir gewiß, daß die Na-
tionalsympathie von freien Stüken zu dem Monarchen zurükkehren
wird. Mit Hülfe dieser Sympathie und der Redlichkeit seiner
Absichten wird der König wieder hinreichende Kraft und Muth zur
Sprengung seiner Ketten, und zur Entfernung treuloser Räthe
von seinem Throne finden, und dann in der öffentlichen Meynung
wieder die Stellung gewinnen, die dem Könige eines freien Vol-
kes gebührt."
Nach einer dreistündigen Berathung erklärte die
Jury die Angeklagten der Schmähung gegen Se. Majestät und
nicht gegen deren Minister schuldig. In Rüksicht auf die Hize
und Erbitterung der Parteien zur Zeit der Bekanntmachung die-
ses Artikels empfahl sie aber die Angeklagten dringend der Nach-
sicht des Gerichtshofes.


Das Morning Journal vom 24 Dec. behauptet, daß mit
solchen gerichtlichen Vorgängen es noch vor einem Jahre mit der
Preßfreiheit in England zu Ende seyn werde. Die Times drü-
ken den Wunsch aus, daß die Tendenz prozesse aus der engli-
schen Gesezgebung eben so, wie aus dem französischen Gesezbuche
vertilgt werden möchten. Die andern Journale, mit Ausnahme
des Courier, tadeln einstimmig den verfolgenden Geist, den das
[Spaltenumbruch] Ministerium, wie sie sagen, bei diesem Anlaß an den Tag gelegt
habe.

Nachrichten aus London vom 26 Dec. zufolge ward noch ein
vierter Prozeß gegen das Morning Journal wegen eines Ar-
tikels gegen den Herzog v. Wellington bei der Kingsbench verhan-
delt, in Folge dessen die Jury nach kurzer Berathschlagung die
HH. Alexander und Isaakson, Eigenthümer, und Marsen, Her-
ausgeber des Journals, für schuldig erklärte.

Auch der Redakteur des Atlas ward einer Schmähung gegen
den Lordkanzler für schuldig erklärt; aber die Jury empfahl ihn
der Barmherzigkeit des Gerichtshofs, da nicht ganz offenbar sey,
daß er die Absicht gehabt, dem Kanzler Unrecht zu thun.


Der Agent des Prinzen Leopold von
Koburg hat kürzlich allen Pächtern auf den Gütern des Prin-
zen 15 Prozent von ihrem disjährigen Pachtzinse erlassen; ein
Schritt der in diesem Jahre fast allgemein von den großen Land-
eigenthümern gethan wird, und in der That nur zu ihrem eignen
Nuzen gereicht, indem diese von den Zeitverhältnissen gebotene
Milde ihnen ihre Pächter zahlungsfähig und ansäßig erhält. Eine
Geschäftsreise nach den Agrikulturdistrikten des nördlichen Englands
hat mich überzeugt, daß die Schilderungen über die schwierige ja
bedenkliche Lage der Akerbauinteressenten nicht übertrieben und die
Verarmung, mithin die Armentaxen in Zunahme sind. Meh-
rere einsichtsvolle Gutsbesizer verständigten sich schon frühzeitig
mit ihren Pächtern, und verminderten ohne Aufforderung den
Pachtzius beträchtlich. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß
die beiden lezten ungünstigen Erndten, hauptsächlich die des Jah-
res 1828, welche dem Lande im Durchschnitt ein Viertheil min-
dern Ertrag als ein gewöhnliches Getreidejahr lieferte, vorzüglich zu
den gegenwärtigen ungünstigen Verhältnissen beitrugen; das zu vorei-
lige gesezliche Verbot der Cirkulation von Ein-Pfund Banknoten ver-
größerte das Uebel noch wesentlich. Merkwürdig ist ein von der Grand
Jury (einer in dem hiesigen Lande immer sehr wichtigen Autorität) von
Kent vor einigen Tagen an den Herzog von Wellington gerichtetes
Schreiben, worin es unter Anderm heißt: "die Noth herrsche jezt
unter allen Klassen im Lande in einem so hohen und beispiello-
sen Grade, daß sie nicht blos dem Interesse von Einzelnen Ge-
fahr drohe, sondern sogar in einem nicht mehr entfernten Zeit-
punkte ernsthafte Folgen auf das Nationalwohl äußern müsse,"

oder mit andern Worten, daß nicht nur die großen Landeigenthü-
mer auf einen Theil ihrer Einkünfte würden verzichten, sondern
auch troz dieser Verminderung eine höhere Armensteuer tragen
müssen, denn schon jezt nehmen die Armen auf mittlerem Boden
im Lande 25 Proz. vom reinen Ertrage des Gutsbesizers in An-

Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchſten Privilegien.
Mittwoch Nro. 6. 6 Januar 1830.


Großbritannien. (Schreiben aus London.)
— Frankreich. (Schreiben aus Lyon.)
— Niederlande. (Schreiben aus Amſterdam.)
— Deutſch-
land.
— Rußland.
— Polen. (Schreiben aus Warſchau.)
— Oeſtreich. (Schreiben aus Wien.)
— Beilage Nro. 6.
Der Woll-
handel.
— Zeitungen in der Levante.
— Schreiben aus London über Mexico.
— Ankündigungen.



[Spaltenumbruch]
Großbritannien.

Konſol. 3 Proz. 95; ruſſiſche Fonds 109¼;
braſiliſche 69⅜; portugieſiſche 58½; chiliſche 28; columbiſche
26⅝; mexicaniſche 25⅜; peruaniſche 17¾; Cortes 10¼.


Am 23 Dec. beſchäftigte eine zweite Anklage gegen die Heraus-
geber des Morning Journal den Gerichtshof der Kingsbench. Die
bezüchtigten Stellen ſind vom 15 Mai und folgenden Inhalts:
„Wir hatten ſehr guten Grund zu verſichern, daß Se. Majeſtät
kürzlich eine auffallende Kälte gegen Se. Herrl. den Herzog von
Wellington gezeigt habe. Nun ſoll Se. Majeſtät ſich bitter dar-
über beklagen, daß die Miniſter ihn in eine ſolche Lage verſezt ha-
ben, daß er nicht mehr das Vergnügen haben könne, ſich ſeinem
Volke zu zeigen. Georg IV war immer ein populairer Monarch.
Wenn es jezt anders iſt, ſo iſt ſein herrſchſüchtiger Miniſter daran
Schuld. Wir bedauern dieſes Verhältniß ausnehmend; aber die
öffentliche Meynung iſt ein aufgeregtes Meer, aus einer Menge
von Urſachen, die obgleich anfangs unbemerklich, doch oft zu furcht-
baren Kataſtrophen führen. Wir bedauern die Lage unſeres alten
und verehrten Monarchen; es gibt aber zu heftige Schmerzen,
als daß ſie blos durch geheime Thränen gemildert werden könnten.
Für dieſe Schmerzen muß man eine andere Art von Stillung ſu-
chen. Offenbar hat noch nie ein ſo ehrgeiziger und gefährlicher
Miniſter auf England gelaſtet, wie der Herzog von Wellington;
wenn aber ſein Einfluß auf das Gemüth Sr. Majeſtät noch ſo
groß iſt, wie man geſagt hat, dann ſind wir gewiß, daß die Na-
tionalſympathie von freien Stüken zu dem Monarchen zurükkehren
wird. Mit Hülfe dieſer Sympathie und der Redlichkeit ſeiner
Abſichten wird der König wieder hinreichende Kraft und Muth zur
Sprengung ſeiner Ketten, und zur Entfernung treuloſer Räthe
von ſeinem Throne finden, und dann in der öffentlichen Meynung
wieder die Stellung gewinnen, die dem Könige eines freien Vol-
kes gebührt.“
Nach einer dreiſtündigen Berathung erklärte die
Jury die Angeklagten der Schmähung gegen Se. Majeſtät und
nicht gegen deren Miniſter ſchuldig. In Rükſicht auf die Hize
und Erbitterung der Parteien zur Zeit der Bekanntmachung die-
ſes Artikels empfahl ſie aber die Angeklagten dringend der Nach-
ſicht des Gerichtshofes.


Das Morning Journal vom 24 Dec. behauptet, daß mit
ſolchen gerichtlichen Vorgängen es noch vor einem Jahre mit der
Preßfreiheit in England zu Ende ſeyn werde. Die Times drü-
ken den Wunſch aus, daß die Tendenz prozeſſe aus der engli-
ſchen Geſezgebung eben ſo, wie aus dem franzöſiſchen Geſezbuche
vertilgt werden möchten. Die andern Journale, mit Ausnahme
des Courier, tadeln einſtimmig den verfolgenden Geiſt, den das
[Spaltenumbruch] Miniſterium, wie ſie ſagen, bei dieſem Anlaß an den Tag gelegt
habe.

Nachrichten aus London vom 26 Dec. zufolge ward noch ein
vierter Prozeß gegen das Morning Journal wegen eines Ar-
tikels gegen den Herzog v. Wellington bei der Kingsbench verhan-
delt, in Folge deſſen die Jury nach kurzer Berathſchlagung die
HH. Alexander und Iſaakſon, Eigenthümer, und Marſen, Her-
ausgeber des Journals, für ſchuldig erklärte.

Auch der Redakteur des Atlas ward einer Schmähung gegen
den Lordkanzler für ſchuldig erklärt; aber die Jury empfahl ihn
der Barmherzigkeit des Gerichtshofs, da nicht ganz offenbar ſey,
daß er die Abſicht gehabt, dem Kanzler Unrecht zu thun.


Der Agent des Prinzen Leopold von
Koburg hat kürzlich allen Pächtern auf den Gütern des Prin-
zen 15 Prozent von ihrem disjährigen Pachtzinſe erlaſſen; ein
Schritt der in dieſem Jahre faſt allgemein von den großen Land-
eigenthümern gethan wird, und in der That nur zu ihrem eignen
Nuzen gereicht, indem dieſe von den Zeitverhältniſſen gebotene
Milde ihnen ihre Pächter zahlungsfähig und anſäßig erhält. Eine
Geſchäftsreiſe nach den Agrikulturdiſtrikten des nördlichen Englands
hat mich überzeugt, daß die Schilderungen über die ſchwierige ja
bedenkliche Lage der Akerbauintereſſenten nicht übertrieben und die
Verarmung, mithin die Armentaxen in Zunahme ſind. Meh-
rere einſichtsvolle Gutsbeſizer verſtändigten ſich ſchon frühzeitig
mit ihren Pächtern, und verminderten ohne Aufforderung den
Pachtzius beträchtlich. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß
die beiden lezten ungünſtigen Erndten, hauptſächlich die des Jah-
res 1828, welche dem Lande im Durchſchnitt ein Viertheil min-
dern Ertrag als ein gewöhnliches Getreidejahr lieferte, vorzüglich zu
den gegenwärtigen ungünſtigen Verhältniſſen beitrugen; das zu vorei-
lige geſezliche Verbot der Cirkulation von Ein-Pfund Banknoten ver-
größerte das Uebel noch weſentlich. Merkwürdig iſt ein von der Grand
Jury (einer in dem hieſigen Lande immer ſehr wichtigen Autorität) von
Kent vor einigen Tagen an den Herzog von Wellington gerichtetes
Schreiben, worin es unter Anderm heißt: „die Noth herrſche jezt
unter allen Klaſſen im Lande in einem ſo hohen und beiſpiello-
ſen Grade, daß ſie nicht blos dem Intereſſe von Einzelnen Ge-
fahr drohe, ſondern ſogar in einem nicht mehr entfernten Zeit-
punkte ernſthafte Folgen auf das Nationalwohl äußern müſſe,“

oder mit andern Worten, daß nicht nur die großen Landeigenthü-
mer auf einen Theil ihrer Einkünfte würden verzichten, ſondern
auch troz dieſer Verminderung eine höhere Armenſteuer tragen
müſſen, denn ſchon jezt nehmen die Armen auf mittlerem Boden
im Lande 25 Proz. vom reinen Ertrage des Gutsbeſizers in An-

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001"/>
    <front>
      <titlePage type="heading">
        <docTitle>
          <titlePart type="main"> <hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung.</hi> </titlePart><lb/>
          <titlePart type="sub"><hi rendition="#g">Mit allerhöch&#x017F;ten Privilegien</hi>.</titlePart>
        </docTitle><lb/>
        <docImprint>
          <docDate><hi rendition="#g">Mittwoch</hi><hi rendition="#aq">N<hi rendition="#uu"><hi rendition="#sup">ro.</hi></hi></hi> 6. 6 <hi rendition="#g">Januar</hi> 1830.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="contents" n="1">
        <list>
          <item>Großbritannien. (Schreiben aus London.)</item>
          <item> &#x2014; Frankreich. (Schreiben aus Lyon.)</item>
          <item> &#x2014; Niederlande. (Schreiben aus Am&#x017F;terdam.)</item>
          <item> &#x2014; Deut&#x017F;ch-<lb/>
land.</item>
          <item> &#x2014; Rußland.</item>
          <item> &#x2014; Polen. (Schreiben aus War&#x017F;chau.)</item>
          <item> &#x2014; Oe&#x017F;treich. (Schreiben aus Wien.)</item>
          <item> &#x2014; Beilage Nro. 6.</item>
          <item>Der Woll-<lb/>
handel.</item>
          <item> &#x2014; Zeitungen in der Levante.</item>
          <item> &#x2014; Schreiben aus London über Mexico.</item>
          <item> &#x2014; Ankündigungen.</item>
        </list>
      </div>
    </front>
    <body><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb/>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> </head><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline><hi rendition="#g">London</hi>, 24 Dec.</dateline><lb/>
            <p>Kon&#x017F;ol. 3 Proz. 95; ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Fonds 109¼;<lb/>
bra&#x017F;ili&#x017F;che 69&#x215C;; portugie&#x017F;i&#x017F;che 58½; chili&#x017F;che 28; columbi&#x017F;che<lb/>
26&#x215D;; mexicani&#x017F;che 25&#x215C;; peruani&#x017F;che 17¾; Cortes 10¼.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3"><lb/>
            <p>Am 23 Dec. be&#x017F;chäftigte eine zweite Anklage gegen die Heraus-<lb/>
geber des Morning Journal den Gerichtshof der Kingsbench. Die<lb/>
bezüchtigten Stellen &#x017F;ind vom 15 Mai und folgenden Inhalts:<lb/><cit><quote>&#x201E;Wir hatten &#x017F;ehr guten Grund zu ver&#x017F;ichern, daß Se. Maje&#x017F;tät<lb/>
kürzlich eine auffallende Kälte gegen Se. Herrl. den Herzog von<lb/>
Wellington gezeigt habe. Nun &#x017F;oll Se. Maje&#x017F;tät &#x017F;ich bitter dar-<lb/>
über beklagen, daß die Mini&#x017F;ter ihn in eine &#x017F;olche Lage ver&#x017F;ezt ha-<lb/>
ben, daß er nicht mehr das Vergnügen haben könne, &#x017F;ich &#x017F;einem<lb/>
Volke zu zeigen. Georg <hi rendition="#aq">IV</hi> war immer ein populairer Monarch.<lb/>
Wenn es jezt anders i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ein herr&#x017F;ch&#x017F;üchtiger Mini&#x017F;ter daran<lb/>
Schuld. Wir bedauern die&#x017F;es Verhältniß ausnehmend; aber die<lb/>
öffentliche Meynung i&#x017F;t ein aufgeregtes Meer, aus einer Menge<lb/>
von Ur&#x017F;achen, die obgleich anfangs unbemerklich, doch oft zu furcht-<lb/>
baren Kata&#x017F;trophen führen. Wir bedauern die Lage un&#x017F;eres alten<lb/>
und verehrten Monarchen; es gibt aber zu heftige Schmerzen,<lb/>
als daß &#x017F;ie blos durch geheime Thränen gemildert werden könnten.<lb/>
Für die&#x017F;e Schmerzen muß man eine andere Art von Stillung &#x017F;u-<lb/>
chen. Offenbar hat noch nie ein &#x017F;o ehrgeiziger und gefährlicher<lb/>
Mini&#x017F;ter auf England gela&#x017F;tet, wie der Herzog von Wellington;<lb/>
wenn aber &#x017F;ein Einfluß auf das Gemüth Sr. Maje&#x017F;tät noch &#x017F;o<lb/>
groß i&#x017F;t, wie man ge&#x017F;agt hat, dann &#x017F;ind wir gewiß, daß die Na-<lb/>
tional&#x017F;ympathie von freien Stüken zu dem Monarchen zurükkehren<lb/>
wird. Mit Hülfe die&#x017F;er Sympathie und der Redlichkeit &#x017F;einer<lb/>
Ab&#x017F;ichten wird der König wieder hinreichende Kraft und Muth zur<lb/>
Sprengung &#x017F;einer Ketten, und zur Entfernung treulo&#x017F;er Räthe<lb/>
von &#x017F;einem Throne finden, und dann in der öffentlichen Meynung<lb/>
wieder die Stellung gewinnen, die dem Könige eines freien Vol-<lb/>
kes gebührt.&#x201C;</quote></cit> Nach einer drei&#x017F;tündigen Berathung erklärte die<lb/>
Jury die Angeklagten der Schmähung gegen Se. Maje&#x017F;tät und<lb/>
nicht gegen deren Mini&#x017F;ter &#x017F;chuldig. In Rük&#x017F;icht auf die Hize<lb/>
und Erbitterung der Parteien zur Zeit der Bekanntmachung die-<lb/>
&#x017F;es Artikels empfahl &#x017F;ie aber die Angeklagten dringend der Nach-<lb/>
&#x017F;icht des Gerichtshofes.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3"><lb/>
            <p>Das <hi rendition="#g">Morning Journal</hi> vom 24 Dec. behauptet, daß mit<lb/>
&#x017F;olchen gerichtlichen Vorgängen es noch vor einem Jahre mit der<lb/>
Preßfreiheit in England zu Ende &#x017F;eyn werde. Die <hi rendition="#g">Times</hi> drü-<lb/>
ken den Wun&#x017F;ch aus, daß die <hi rendition="#g">Tendenz</hi> proze&#x017F;&#x017F;e aus der engli-<lb/>
&#x017F;chen Ge&#x017F;ezgebung eben &#x017F;o, wie aus dem franzö&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;ezbuche<lb/>
vertilgt werden möchten. Die andern Journale, mit Ausnahme<lb/>
des <hi rendition="#g">Courier</hi>, tadeln ein&#x017F;timmig den verfolgenden Gei&#x017F;t, den das<lb/><cb/>
Mini&#x017F;terium, wie &#x017F;ie &#x017F;agen, bei die&#x017F;em Anlaß an den Tag gelegt<lb/>
habe.</p><lb/>
            <p>Nachrichten aus <hi rendition="#g">London</hi> vom 26 Dec. zufolge ward noch ein<lb/>
vierter Prozeß gegen das <hi rendition="#g">Morning Journal</hi> wegen eines Ar-<lb/>
tikels gegen den Herzog v. Wellington bei der Kingsbench verhan-<lb/>
delt, in Folge de&#x017F;&#x017F;en die Jury nach kurzer Berath&#x017F;chlagung die<lb/>
HH. Alexander und I&#x017F;aak&#x017F;on, Eigenthümer, und Mar&#x017F;en, Her-<lb/>
ausgeber des Journals, für <hi rendition="#g">&#x017F;chuldig</hi> erklärte.</p><lb/>
            <p>Auch der Redakteur des <hi rendition="#g">Atlas</hi> ward einer Schmähung gegen<lb/>
den Lordkanzler für &#x017F;chuldig erklärt; aber die Jury empfahl ihn<lb/>
der Barmherzigkeit des Gerichtshofs, da nicht ganz offenbar &#x017F;ey,<lb/>
daß er die Ab&#x017F;icht gehabt, dem Kanzler Unrecht zu thun.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline>** <hi rendition="#g">London</hi>, 24 Dec.</dateline><lb/>
            <p>Der Agent des Prinzen Leopold von<lb/>
Koburg hat kürzlich allen Pächtern auf den Gütern des Prin-<lb/>
zen 15 Prozent von ihrem disjährigen Pachtzin&#x017F;e erla&#x017F;&#x017F;en; ein<lb/>
Schritt der in die&#x017F;em Jahre fa&#x017F;t allgemein von den großen Land-<lb/>
eigenthümern gethan wird, und in der That nur zu ihrem eignen<lb/>
Nuzen gereicht, indem die&#x017F;e von den Zeitverhältni&#x017F;&#x017F;en gebotene<lb/>
Milde ihnen ihre Pächter zahlungsfähig und an&#x017F;äßig erhält. Eine<lb/>
Ge&#x017F;chäftsrei&#x017F;e nach den Agrikulturdi&#x017F;trikten des nördlichen Englands<lb/>
hat mich überzeugt, daß die Schilderungen über die &#x017F;chwierige ja<lb/>
bedenkliche Lage der Akerbauintere&#x017F;&#x017F;enten nicht übertrieben und die<lb/>
Verarmung, mithin die Armentaxen in Zunahme &#x017F;ind. Meh-<lb/>
rere ein&#x017F;ichtsvolle Gutsbe&#x017F;izer ver&#x017F;tändigten &#x017F;ich &#x017F;chon frühzeitig<lb/>
mit ihren Pächtern, und verminderten ohne Aufforderung den<lb/>
Pachtzius beträchtlich. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß<lb/>
die beiden lezten ungün&#x017F;tigen Erndten, haupt&#x017F;ächlich die des Jah-<lb/>
res 1828, welche dem Lande im Durch&#x017F;chnitt ein Viertheil min-<lb/>
dern Ertrag als ein gewöhnliches Getreidejahr lieferte, vorzüglich zu<lb/>
den gegenwärtigen ungün&#x017F;tigen Verhältni&#x017F;&#x017F;en beitrugen; das zu vorei-<lb/>
lige ge&#x017F;ezliche Verbot der Cirkulation von Ein-Pfund Banknoten ver-<lb/>
größerte das Uebel noch we&#x017F;entlich. Merkwürdig i&#x017F;t ein von der Grand<lb/>
Jury (einer in dem hie&#x017F;igen Lande immer &#x017F;ehr wichtigen Autorität) von<lb/>
Kent vor einigen Tagen an den Herzog von Wellington gerichtetes<lb/>
Schreiben, worin es unter Anderm heißt: <cit><quote>&#x201E;die Noth herr&#x017F;che jezt<lb/>
unter allen Kla&#x017F;&#x017F;en im Lande in einem &#x017F;o hohen und bei&#x017F;piello-<lb/>
&#x017F;en Grade, daß &#x017F;ie nicht blos dem Intere&#x017F;&#x017F;e von Einzelnen Ge-<lb/>
fahr drohe, &#x017F;ondern &#x017F;ogar in einem nicht mehr entfernten Zeit-<lb/>
punkte ern&#x017F;thafte Folgen auf das Nationalwohl äußern mü&#x017F;&#x017F;e,&#x201C;</quote></cit><lb/>
oder mit andern Worten, daß nicht nur die großen Landeigenthü-<lb/>
mer auf einen Theil ihrer Einkünfte würden verzichten, &#x017F;ondern<lb/>
auch troz die&#x017F;er Verminderung eine höhere Armen&#x017F;teuer tragen<lb/>&#x017F;&#x017F;en, denn &#x017F;chon jezt nehmen die Armen auf mittlerem Boden<lb/>
im Lande 25 Proz. vom reinen Ertrage des Gutsbe&#x017F;izers in An-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0001] Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchſten Privilegien. Mittwoch Nro. 6. 6 Januar 1830. Großbritannien. (Schreiben aus London.) — Frankreich. (Schreiben aus Lyon.) — Niederlande. (Schreiben aus Amſterdam.) — Deutſch- land. — Rußland. — Polen. (Schreiben aus Warſchau.) — Oeſtreich. (Schreiben aus Wien.) — Beilage Nro. 6. Der Woll- handel. — Zeitungen in der Levante. — Schreiben aus London über Mexico. — Ankündigungen. Großbritannien. London, 24 Dec. Konſol. 3 Proz. 95; ruſſiſche Fonds 109¼; braſiliſche 69⅜; portugieſiſche 58½; chiliſche 28; columbiſche 26⅝; mexicaniſche 25⅜; peruaniſche 17¾; Cortes 10¼. Am 23 Dec. beſchäftigte eine zweite Anklage gegen die Heraus- geber des Morning Journal den Gerichtshof der Kingsbench. Die bezüchtigten Stellen ſind vom 15 Mai und folgenden Inhalts: „Wir hatten ſehr guten Grund zu verſichern, daß Se. Majeſtät kürzlich eine auffallende Kälte gegen Se. Herrl. den Herzog von Wellington gezeigt habe. Nun ſoll Se. Majeſtät ſich bitter dar- über beklagen, daß die Miniſter ihn in eine ſolche Lage verſezt ha- ben, daß er nicht mehr das Vergnügen haben könne, ſich ſeinem Volke zu zeigen. Georg IV war immer ein populairer Monarch. Wenn es jezt anders iſt, ſo iſt ſein herrſchſüchtiger Miniſter daran Schuld. Wir bedauern dieſes Verhältniß ausnehmend; aber die öffentliche Meynung iſt ein aufgeregtes Meer, aus einer Menge von Urſachen, die obgleich anfangs unbemerklich, doch oft zu furcht- baren Kataſtrophen führen. Wir bedauern die Lage unſeres alten und verehrten Monarchen; es gibt aber zu heftige Schmerzen, als daß ſie blos durch geheime Thränen gemildert werden könnten. Für dieſe Schmerzen muß man eine andere Art von Stillung ſu- chen. Offenbar hat noch nie ein ſo ehrgeiziger und gefährlicher Miniſter auf England gelaſtet, wie der Herzog von Wellington; wenn aber ſein Einfluß auf das Gemüth Sr. Majeſtät noch ſo groß iſt, wie man geſagt hat, dann ſind wir gewiß, daß die Na- tionalſympathie von freien Stüken zu dem Monarchen zurükkehren wird. Mit Hülfe dieſer Sympathie und der Redlichkeit ſeiner Abſichten wird der König wieder hinreichende Kraft und Muth zur Sprengung ſeiner Ketten, und zur Entfernung treuloſer Räthe von ſeinem Throne finden, und dann in der öffentlichen Meynung wieder die Stellung gewinnen, die dem Könige eines freien Vol- kes gebührt.“ Nach einer dreiſtündigen Berathung erklärte die Jury die Angeklagten der Schmähung gegen Se. Majeſtät und nicht gegen deren Miniſter ſchuldig. In Rükſicht auf die Hize und Erbitterung der Parteien zur Zeit der Bekanntmachung die- ſes Artikels empfahl ſie aber die Angeklagten dringend der Nach- ſicht des Gerichtshofes. Das Morning Journal vom 24 Dec. behauptet, daß mit ſolchen gerichtlichen Vorgängen es noch vor einem Jahre mit der Preßfreiheit in England zu Ende ſeyn werde. Die Times drü- ken den Wunſch aus, daß die Tendenz prozeſſe aus der engli- ſchen Geſezgebung eben ſo, wie aus dem franzöſiſchen Geſezbuche vertilgt werden möchten. Die andern Journale, mit Ausnahme des Courier, tadeln einſtimmig den verfolgenden Geiſt, den das Miniſterium, wie ſie ſagen, bei dieſem Anlaß an den Tag gelegt habe. Nachrichten aus London vom 26 Dec. zufolge ward noch ein vierter Prozeß gegen das Morning Journal wegen eines Ar- tikels gegen den Herzog v. Wellington bei der Kingsbench verhan- delt, in Folge deſſen die Jury nach kurzer Berathſchlagung die HH. Alexander und Iſaakſon, Eigenthümer, und Marſen, Her- ausgeber des Journals, für ſchuldig erklärte. Auch der Redakteur des Atlas ward einer Schmähung gegen den Lordkanzler für ſchuldig erklärt; aber die Jury empfahl ihn der Barmherzigkeit des Gerichtshofs, da nicht ganz offenbar ſey, daß er die Abſicht gehabt, dem Kanzler Unrecht zu thun. ** London, 24 Dec. Der Agent des Prinzen Leopold von Koburg hat kürzlich allen Pächtern auf den Gütern des Prin- zen 15 Prozent von ihrem disjährigen Pachtzinſe erlaſſen; ein Schritt der in dieſem Jahre faſt allgemein von den großen Land- eigenthümern gethan wird, und in der That nur zu ihrem eignen Nuzen gereicht, indem dieſe von den Zeitverhältniſſen gebotene Milde ihnen ihre Pächter zahlungsfähig und anſäßig erhält. Eine Geſchäftsreiſe nach den Agrikulturdiſtrikten des nördlichen Englands hat mich überzeugt, daß die Schilderungen über die ſchwierige ja bedenkliche Lage der Akerbauintereſſenten nicht übertrieben und die Verarmung, mithin die Armentaxen in Zunahme ſind. Meh- rere einſichtsvolle Gutsbeſizer verſtändigten ſich ſchon frühzeitig mit ihren Pächtern, und verminderten ohne Aufforderung den Pachtzius beträchtlich. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß die beiden lezten ungünſtigen Erndten, hauptſächlich die des Jah- res 1828, welche dem Lande im Durchſchnitt ein Viertheil min- dern Ertrag als ein gewöhnliches Getreidejahr lieferte, vorzüglich zu den gegenwärtigen ungünſtigen Verhältniſſen beitrugen; das zu vorei- lige geſezliche Verbot der Cirkulation von Ein-Pfund Banknoten ver- größerte das Uebel noch weſentlich. Merkwürdig iſt ein von der Grand Jury (einer in dem hieſigen Lande immer ſehr wichtigen Autorität) von Kent vor einigen Tagen an den Herzog von Wellington gerichtetes Schreiben, worin es unter Anderm heißt: „die Noth herrſche jezt unter allen Klaſſen im Lande in einem ſo hohen und beiſpiello- ſen Grade, daß ſie nicht blos dem Intereſſe von Einzelnen Ge- fahr drohe, ſondern ſogar in einem nicht mehr entfernten Zeit- punkte ernſthafte Folgen auf das Nationalwohl äußern müſſe,“ oder mit andern Worten, daß nicht nur die großen Landeigenthü- mer auf einen Theil ihrer Einkünfte würden verzichten, ſondern auch troz dieſer Verminderung eine höhere Armenſteuer tragen müſſen, denn ſchon jezt nehmen die Armen auf mittlerem Boden im Lande 25 Proz. vom reinen Ertrage des Gutsbeſizers in An-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine06_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine06_1830/1
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 6, 6. Januar 1830, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine06_1830/1>, abgerufen am 12.05.2024.