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Allgemeine Zeitung. Nr. 333. München, 1. Dezember 1890.

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Abendblatt Nr. 333. München, Montag Allgemeine Zeitung 1. December 1890. Seite 3


[Spaltenumbruch]
Deutsches Reich.

Gütertarife, die allgemeinen Tarifvorschriften für den Personen-,
Güter- und Viehverkehr u. s. w.

Aus Bielefeld wird der "Frkf. Ztg." telegraphisch gemeldet,
daß der holländische Socialistenführer Domela Nieuwenhuis,
der dort einen Vortrag halten wollte, bei seiner Ankunft ver-
haftet
und mit einem Ausweisungsbefehle bedacht worden
ist. Der socialdemokratische Verein in Bielefeld, der gegen die in
Aussicht gestellte Ausweisung sich beschwerdeführend an den
Minister des Innern gewendet hatte, ist abschlägig beschieden
worden.

Die vom Bureau des Reichstags herausgegebenen Ueber-
sichten der Geschäftsthätigkeit des Deutschen Reichs-
tags
in der IV. und V. Session der 7. Legislaturperiode (bis
25. Januar 1890) sind jetzt in bekannter tresslicher Bearbeitung
erschienen.

Der Reichstag.

Bei dem reichen Arbeitsmaterial,
welches der Reichstag bei seinem Wiederzusammentritt am nächsten
Dienstag vorfindet, wird es nicht leicht sein, die rasche Förderung
der Geschäfte mit der thunlichsten Rücksichtnahme auf das gleichfalls
mit Arbeiten überhäufte Abgeordnetenhaus zu vereinigen. Wie
hier im einzelnen disponirt werden dürfte, darüber läßt sich vor-
weg natürlich nicht reden und die hiezu gebrachten Meldungen in
den Blättern sind jedenfalls verfrüht. Im allgemeinen ist aber
der Arbeitsplan für den Reichstag, wie von zuständiger Stelle ver-
lautet, dergestalt ins Auge gefaßt, daß vor der Weihnachtspause
neben der thunlichsten Förderung der Etatsarbeiten die ersten
Lesungen der verschiedenen neuen Vorlagen stattsinden sollen. Im
übrigen erwartet man, daß auch die Commission mit der Be-
rathung der Gewerbeordnungsnovelle bis zum Weihnachtsfeste
fertig wird, so daß der Bericht jedenfalls während der Pause
in die Hände der Abgeordneten gelangt. Beim Wiederbeginne der
Arbeiten nach Neujahr, voraussichtlich am 8. Januar, wird dann
im Plenum mit der zweiten Lesung der Novelle der Anfang ge-
macht werden. -- Im Personalbestande des Reichstags, der
bei Beginn der gegenwärtigen Session nach den Neuwahlen voll-
zählig zusammentrat, sind seitdem bereits verschiedene Verände-
rungen eingetreten. Von den im Frühjahr Neugewählten sind ge-
storben die Abgeordneten: v. Wedell-Malchow (4. Potsdam),
Graf v. Bernstorff (15. Hannover), Grad (3. Elsaß-Lothringen),
Dr. Virnich (4. Köln), Witt (2. Frankfurt a. O.) und Dr. Stöhr
(6. Unterfranken). Niedergelegt haben ihr Mandat: v. Beth-
mann-Hollweg
(5. Potsdam), Edler v. Graeve (7. Posen),
Dr. Miquel (6. Pfalz) und Dr. Scheffer (7. Marienwerder).
In allen diesen Wahlkreifen, mit Ausnahme des letztgenannten,
haben bereits die Neuwahlen stattgefunden: im 4. Wahlkreise
Potsdam wurde an v. Wedell-Malchows Stelle der gleichfalls con-
servative Geh. Regierungsrath Landrath v. Winterfeld-Menkin
gewählt; im 5. Potsdam ging das Mandat von dem der Reichs-
partei angehörigen v. Bethmann-Hollweg auf den deutsch-
freisinnigen Oberlehrer Dr. Althaus über; im 7. Posen wurde
wieder ein Pole, Rittergutsbesitzer v. Mosczenski zu Niemczynek,
im 6. Pfalz an Miquels Stelle der ebenfalls nationalliberale Guts-
besitzer Brunck zu Kirchheimbolanden gewählt. Im 15. Hannover
trat an Stelle des Grafen v. Bernstorff der Geh. Regierungsrath
Dr. Brüel, beide Hospitanten des Centrums; für Grad wurde im
3. Elfaß-Lothringen der Bürgermeister Ruhland-Münster i. E. gewählt.
Dem Dr. Virnich folgte im 4. Köln wieder ein Centrumsmann,
der Landgerichtsrath Spahn zu Bonn; der 2. Wahlkreis Frank-
furt wählte wieder freisinnig, nämlich für Witt den Kammer-
gerichtsrath Schroeder, und im 6. Unterfranken folgte dem
Dr. Stöhr der auch dem Centrum angehörige Metzgermeister
Neckermann in Würzburg. Der Wahlkreis 7. Marienwerder
ist noch offen. Die Fractionen erscheinen jetzt in folgender
Stärke: Deutsch-Conservative 70, Reichspartei 19, Centrum 113,
Polen 16, Nationalliberale 41, Deutschfreisinnige 65, Volkspartei 10,
Socialdemokraten 35, Fractionslose 27.




Neues von Emin Pascha.
Schon seit zehn Jahren steht Hr. Dr. G. Hartlaub in engem
wissenschastlichen Verkehr mit Emin Pascha. Der letztere sandte
neulich nach Bremen werthvolle naturwissenschaftliche Sammlungen
zur wissenschaftlichen Verwerthung und freien Verfügung. Hr.
Dr. Hartlaub empfing ferner von Emin ein 90 engbeschriebene
Seiten umfassendes Tagebuch über dessen in den Jahren 1883
und 1884 im Gebiete des oberen weißen Nil, des Albert Nyanza
und in Mombuctu ausgeführte Reisen. Vor wenigen Tagen lief auch
ein Brief Emins, datirt Tabora, 17. August, hier ein. Emin
hat, wie Dr. Hartlaub mittheilt, Tabora, die altberühmte Station
des arabischen Handels für Deutschland, erobert und die deutsche
Flagge dort gehißt. Er befand sich im besten Wohlsein und stand
im Begriff, seinen Marsch nach Norden fortzusetzen. Sein vor-
läusiges Ziel ist das Westufer des Victoria Nyanza. Emin denkt
nicht daran, jemals nach Europa zurückzukehren. "Mich hat der
liebe Gott" -- so schreibt er -- "für Reisen in Afrika prädestinirt.
Nachdem ich mein Kind versorgt, ist es mein füßer Wunsch, auf
afrikanischem Boden zu sterben und begraben zu sein, inmitten der
Scenerie, die ich nun einmal lieben gelernt."


Oberbürgermeister Adickes in
Altona ist gemäß dem Vorschlage der Stadtverordnetenversammlung
vom Kaiser zum Oberbürgermeister unsrer Stadt ernannt worden.


Aus Mannheim wird berichtet,
daß die badische Regierung an die Mannheimer Handelskammer
ein Schreiben gerichtet hat, wonach im Bundesrathe ein Antrag
Preußens
zu erwarten sei behufs Aufhebung des Iden-
titätsnachweises
bei der Einführung von Getreide; die
Handelskammer wird ersucht, ihre Ansicht über diese Frage zu äußern.
Zu diesem Behufe hat am 27. d. M. in dem Locale der Mann-
heimer Börse eine Versammlung der Getreidehändler statt-
gefunden, in welcher folgende Beschlüsse gefaßt wurden, die der
Handelskammer vorgelegt werden sollen: 1) Der Getreidehandel
Mannheims ist für die Aufhebung des Identitätsnachweises, wenn
dieselbe in der Weise geschieht, daß derjenige, der Getreide an
irgend eine Grenze ausführt, einen Einfuhrberechtigungsschein er-
hält, wodurch derselbe die gleiche Menge Getreide an jeder Zoll-
grenze Deutschlands zollfrei auszusühren berechtigt ist, ohne daß
die Person des Einführenden dieselbe sein müßte, wie die des
Ausführenden; dagegen muß die Gattung die gleiche sein, also Weizen
für Weizen, jedoch mit der Maßgabe, daß für ausgeführte
Spelzkerne Weizen eingeführt werden kann; die Aufhebung
der Identität wäre unter allen Umständen zu bekämpfen, wenn
die zollfreie Einfuhr nur an dem Platze stattfinden dürfte, wo die
Ausfuhr stattfand. Mannheim würde dadurch zu einem Getreide-
handelsplatz zweiten Ranges herabsinken. 2) Die Gültigkeitsdauer
der Einfuhrberechtigungsscheine soll nach einem Jahre erlöschen.
3) Privattransitlager ohne zollamtlichen Mitverschluß müssen be-
stehen bleiben. -- Das neueste "Anzeigeblatt" für die Erzdiöcese
Freiburg enthält u. a. eine Verordnung des erzbischöflichen
Ordinariats an den gesammten ihm unterstehenden Klerus, welche
im Anschluß an die Ordre des Königs von Preußen vom
30. März 1861 die kirchliche Einweihung der Fahnen von Krieger-,
Militär-, Begräbnißvereinen, Schützengilden, Turner-, Sänger- und
[Spaltenumbruch] anderen weltlichen Vereinen, welche in keiner Beziehung zur Kirche
stehen, ein- für allemal untersagt. Die Verordnung stützt sich auf
ein Schreiben des preußischen Cultusministers vom 2. October d. J.,
worin derselbe auf die betreffende Ordre aufmerksam macht, da
"gelegentlich der durch einen Geistlichen vorgenommenen Ein-
weihung einer einem Kriegerverein verliehenen Fahne bekannt ge-
worden sei, daß der betreffende Geistliche keine Kenntniß von dem
in der genannten Ordre ausgesprochenen Verbote der kirchlichen
Weihe hätte".

Oesterreich - Ungarn.

Eine Zuschrift des Grafen Oswald
Thun an die Prager "Bohemia" und die Rede des Abgeord-
neten v. Bärnreither in der Wählerversammlung der Groß-
grundbesitzer in Eger stellen den von einigen tschechischen
Blättern verdunkelten Stand der Verhandlungen zwischen den
deutschen und den tschechisch-feudalen Großgrundbesitzern in Be-
zug auf die Frage der Wahlreform im böhmischen Groß-
grundbesitz
klar. Es ist daraus zu ersehen, daß die Feudalen
das Verlangen stellten, es möge diese specielle Wahlreform in
Zusammenhang mit einer allgemeinen Abänderung der Wahl-
ordnung für Böhmen gebracht werden, was die Deutschen als
den Wiener Vereinbarungen zuwiderlaufend ablehnen mußten.
Ferner nehmen die deutschen Großgrundbesitzer den dem Aus-
gleichsprotokolle entsprechenden Standpunkt ein, daß die Wahl-
reform im Großgrundbesitze nur im Zusammenhange mit der
Curienvorlage durchgeführt werden könne, weil man den Deutschen
doch nicht zumuthen dürfe, endgültig auf die Majorität im
Landtage zu verzichten, bevor ihnen durch Schaffung nationaler,
mit dem Vetorecht ausgestatteter Curien eine Bürgschaft gegen
politische und nationale Vergewaltigung geboten ist. -- Der
böhmische Statthalter Graf Thun, welcher gestern nach Karls-
bad reisen sollte, hat diese Reise auf Donnerstag verschoben
und ist hieher gereist; man bringt seine Hieherkunft mit der
durch die Erklärung der deutschböhmischen Abgeordneten ge-
schaffenen Situation in Zusammenhang. In Folge dieser
Erklärung haben bereits in den meisten Gruppen und Sectionen
der Ausstellung die deutschen Mitglieder ihren Austritt an-
gemeldet. -- Dem "Hlas Naroda" zufolge soll die Landtags-
pause zu Verhandlungen hervorragender Führer der feudalen
Adelspartei mit der Regierung benützt werden, von deren
Ergebniß das weitere Ausharren der Alttschechen in ihrer
bisherigen Haltung abhängen werde; es sei jedoch wenig
Aussicht vorhanden, daß den tschechischen Forderungen will-
fahrt werden würde. -- Der Schwiegersohn Dr. Niegers
sandte dem jungtschechischen Abg. Vaschaty wegen des Schmäh-
rufes "Elender Verräther!" seine Secundanten; Vaschaty ließ
sich in seiner Wohnung vor den Secundanten consequent ver-
läugnen; schließlich nominirte er seinerseits Zeugen, welche jedoch
erklärten, Vaschaty habe es nur mit Nieger zu thun und werde
sich mit dessen Schwiegersohn nicht schlagen. Als der Hinweis
auf die Sitte, bei Beleidigungen einer Dame oder eines Greises
dem Satisfactionsbegehren eines Familienangehörigen zu ent-
sprechen, erfolglos blieb, unterzeichneten die Secundanten des
Fordernden ein Protokoll, worin Vaschaty als satisfactions-
unfähig erklärt wird. -- Der Sohn Eduard Gregrs ist wegen
Mißhandlung des alttschechischen Stadtverordneten Schamal zu
20 fl. Geldstrafe verurtheilt worden.

Die zwischen den österreichisch-ungarischen Regierungsvertretern
und den Delegirten der Schweiz in den letzten Tagen geführten
Verhandlungen in Betreff einer Revision der österreichisch-
schweizerischen Veterinär-Convention
vom Jahre 1883
haben, der "Presse" zufolge, zu einer meritorischen Verständigung
geführt und dürfte die Unterzeichnung der neuen Convention viel-
leicht schon im Laufe der nächsten Woche erfolgen. Zwischen den
Propositionen Oesterreich-Ungarns und den Forderungen der Schweiz
bestanden ursprünglich sehr erhebliche Differenzen. Das Entgegen-
kommen der schweizerischen Delegirten hat indeß den öster-
reichisch-ungarischen Regierungsvertretern es erleichtert, auch ihrer-
seits den Forderungen der Schweiz nach Thunlichkeit Rechnung
zu tragen, und so ist es gelungen, eine neue Vereinbarung zu
treffen, welche den beiderseitigen Interessen in billiger Weise ent-
spricht. Die neue Convention beginnt vom 1. März 1891, hat
zwei Jahre zu währen und kann nach Ablauf dieser Dauer nur
mit einer einjährigen Kündigung aufgelöst werden, besitzt also
eigentlich unter allen Umständen eine dreijährige Geltungsfrist.
Die neue Convention gibt beiden vertragschließenden Theilen das
Recht, die Grenzen gegen die Vieheinfuhr abzusperren, sobald die
Einschleppung kranken Viehes nachgewiesen ist. Die Kündigung
des Handelsvertrages wird vielleicht trotz des Abschlusses
der neuen Viehseuchenconvention erfolgen; wenn dies aber
geschieht, so wird dies lediglich mit Rücksicht auf Frank-
reich der Fall sein und die Spitze nicht gegen Oesterreich-
Ungarn kehren, was für die Verhandlungen wegen Er-
neuerung des Handelsvertrages von Wichtigkeit ist. Ob die neue
Viehseuchen-Convention dem österreichischen und ungarischen Parla-
ment noch vor den Weibnachtsferien wird unterbreitet werden kön-
nen, hängt von dem Zeitpunkte der formellen Perfectionirung der-
selben ab. -- Die österreichische Regierung hat eine genaue Prü-
fung des neuen ungarischen Frachtentarifs angeordnet.
Dabei soll insbesondere die wirthschaftliche und finanzielle Rück-
wirkung des neuen Tarifs auf Oesterreich ins Auge gefaßt werden.
Auf österreichischer Seite beschästigt man sich übrigens schon durch
längere Zeit, unabhängig von den Plänen des Hrn. v. Baross,
mit einer Reform der Frachtentarife. Der Gegenstand ist vorläusig
noch nicht spruchreif, sondern befindet sich im Stadium der Prüfung.

Die Vorberathungen über die im nächsten Jahre abzuhalten-
den großen Manöver haben, wie man der "Reichswehr" mit-
theilt, bereits stattgefunden. Es besteht die Absicht, an diesen
Manövern das 2. Corps (Wien) und das 8. Corps (Prag) theil-
nehmen zu lassen. Jedes dieser Corps soll eine Stärke von drei
Infanteriedivisionen und einer Cavalleriedivision erhalten und
sollen überdies Landwehrformationen beigezogen werden. Als
Manöverterrain wurde die Gegend zwischen Znaim und Iglau in
Aussicht genommen.

Der Kaiser, welcher gestern aus Gödöllö hier eintraf, begibt
sich heute Abends von hier nach Miramare, woselbst am Montag
Vormittag die Kaiserin aus Korsu eintrifft. Das Kaiserpaar
verbleibt daselbst bis 3. December Nachmittag und kehrt sodann
nach Wien zurück, wo die Ankunft am 4. December Früh erfolgt.
-- Der Kaiser hat dem Bestallungsdiplome des zum General-
consul des Deutschen Reiches in Pest ernannten Legations-
rathes Anton Grafen v. Monts das Allerhöchste Exequatur er-
theilt. -- Erzherzog Karl Ludwig hat das Protectorat über den
neugegründeten Verein zur Schaffung einer Heilanstalt für Tuber-
culose übernommen und sich in einem Handschreiben an das Comite
sehr warm für diesen Gedanken ausgesprochen.


Zwei gestern hier unter dem Verdachte
des Diebstahls verhaftete Persönlichkeiten sind als russische Unter-
thanen Namens Pochalski und Laterner recognoscirt worden.
Wie verlautet, ist durch die Untersuchung festgestellt worden, daß
Beide an einem im französischen Finanzministerium verübten Dieb-
stahl, bei dem es sich um eine Viertelmillion handelte, sowie an
[Spaltenumbruch] einem Diebstahl in der Marine-Versicherungsgesellschaft in London
betheiligt waren.


Es herrscht als Rückschlag gegen
frühere hochfliegende Hoffnungen augenblicklich ein gewisser
Kleinmuth betreffend die Aussichten eines deutsch-öster-
reichischen Handelsvertrages
. Die österreichische In-
dustrie könnte sich mit einer engeren Handelseinigung mit
Deutschland nur dann befreunden, wenn sie einen großen Zug
in der Handelspolitik der Monarchie gewahrte, wenn gleichzeitig
mit der Oeffnung unsrer Grenzen für die deutsche Einfuhr auch
der Orient, insbesondere Rumänien, in die Einheitsbewegung
einbezogen würde. Deutschland und der Orient sind eben die
Pole, um die sich unsre Entwicklung seit einem Jahrtausend
dreht. Seitdem Ungarns Einfluß die Monarchie beherrscht,
seitdem seine Agrarier die Viehzucht Rumäniens und Serbiens
hart behandelt und damit den unserm Gewerbe wichtigen
rumänischen Markt in die Schanze geschlagen haben, sind die
Industriellen doppelt ängstlich bemüht, die Grenzen gegen Westen
geschlossen zu halten. Demnach kann nur Zug um Zug eine
festere wirthschaftliche Gestaltung Mitteleuropa's erreicht werden.
Die ungarischen Agrarier müssen die Politik der Eifersucht
gegen den Orient fallen lassen, sie müssen nach Osten hin
einer liberalen Handelspolitik Raum geben, dann kann
die österreichische Industrie es verschmerzen, wenn wegen des
Getreide- und Viehexports Ungarns dem deutschen Nachbar ein
Theil des inländischen Marktes überlassen wird. Leider gewahrt man
in der österreichisch-ungarischen Handelspolitik nichts von solch
großer Auffassung. Nicht als ob dieser Zusammenhang nicht
allen Kundigen klar wäre. Er ist auch in dem Gutachten der
Reichenberger Handelskammer betont, einer Arbeit des
sachverständigen Abgeordneten Hallwich. Reichenberg als Haupt-
sitz der österreichischen Schafwollindustrie, deren Producte den Wett-
bewerb mit dem deutschen Schwestergewerbe in manchen Zweigen
nicht zu scheuen haben, verhält sich keineswegs ablehnend gegen
einen weitergehenden Tarifvertrag mit Deutschland; alle Experten,
welche von der Kammer befragt wurden, sprachen sich in diesem
Sinne aus. Der Bericht behandelt die schwerwiegende Frage,
welche Begünstigungen Oesterreich der deutschen Industrie ge-
währen könnte, sehr zurückhaltend, die betreffenden Gutachten
der Experten als Geheimniß bezeichnend, das nur der Re-
gierung eröffnet werden konnte. Da aber auch in diesem Schrift-
stücke befürwortend Werth auf den Gewinn gelegt wird,
den die Landwirthschaft Oesterreich-Ungarns aus dem Handels-
vertrage ziehen kann, so ist die Vertragsfreundlichkeit dieses
Industriezweiges eine sichere Thatsache. Die Kammer
tritt dafür ein, daß der Conventionaltarif, der Deutschland
gegenüber festzustellen wäre, als Minimaltarif zu dienen hätte,
auf dessen Grundlage dann mit anderen europäischen Staaten
abzuschließen wäre. Rechtzeitig müßten die Handelsverträge
mit der Schweiz und mit Italien gekündigt werden, um Raum
für das Verhältniß mit Deutschland zu schaffen. Entscheidend
aber, und dies ist der Hauptgesichtspunkt, sei es, mit Rumänien
ins Reine zu kommen, um nicht zu den Verlusten des öster-
reichischen Exports im Orient neue im Innern Oesterreichs hin-
zuzufügen. Es klingt in diesen Anregungen immer wieder die
Idee an, welche Alexander Peez in seinen geistvollen Vorträgen
vertrat, daß nämlich dem großen russischen, dem panamerikani-
schen und dem großbritannischen Handelsgebiete eine vierte
große Gruppe entgegenzustellen wäre, welche Mitteleuropa, die
Balkan-Halbinsel und Kleinasien zu umfassen hätte. Sonst
wäre das industrielle Gleichgewicht der Völker des Erdballs
gerade zum Nachtheil der Deutschen gestört.


Der Landtag beschloß heute fast ein-
stimmig, die utraquistische Einrichtung betreffs der Vortragssprache
in den Lehrerbildungsanstalten auszudehnen, beziehungsweise in
die Bildungsanstalten für Lehrerinnen neu einzuführen. Der
Statthalter erklärte, wenn möglich, auch dem Wunsche der
Ruthenen auf Errichtung eines Gymnasiums mit ruthenischer Vor-
tragssprache nachkommen zu wollen.

Großbritannien.

Die Presse veröffentlicht das Ma-
nifest Parnells
an das irische Volk. Das Schriftstück
beginnt:

"Da die Integrität und Unabhängigkeit eines Theiles der
irischen parlamentarischen Partei von den Drahtziehern der eng-
lischen liberalen Parei untergraben und zerstört worden ist, ist es
für mich nöthig geworden, mit euch Rath zu pflegen und euch,
nachdem ich das nothwendige Material vorgelegt habe, um euer
Urtheil zu ersuchen in einer Angelegenheit, welche ihr jetzt allein
zu entscheiden habt. Der Brief Gladstone's an Morley, welcher
den Zweck hat, die irische Partei in der Wahl ihres Führers zu
beeinflussen, und der liberalen Partei ein Veto zuerkennt, ist die
unmittelbare Ursache dieser Ansprache, welche euch daran erinnern
will, daß Irland die Unabhängigkeit seiner Partei als einzige
Sicherheit innerhalb der Verfassung anerkennt. Die in jenem Briefe
enthaltene Drohung, daß, falls Irland dieses Vetorecht Eng-
land nicht gewährt, England die Home - Rule auf unbe-
stimmte Zeit hinausschieben würde, zwingt mich, euch gewisse
Thatsachen vorzulegen, welche ich bis jetzt für mich behalten
habe, damit ihr den Verlust bemessen könnt, mit dem ihr
bedroht werdet, wenn ihr mich den heulenden englischen Wölfen,
welche mich vernichten wollen, vorwerft." Parnell berichtet darauf
über die Eröffnungen, welche ihm Gladstone bezüglich seiner Home-
Rule-Pläne im November 1889 in Hawarden gemacht habe. Da-
nach sollten die irischen Abgeordneten im Parlament von West-
minster bleiben. Ob der irische Landankauf von Irland oder vom
Vereinigten Königreich vollzogen werden sollte, darüber ließ Glad-
stone Zweifel bestehen. Die höheren Polizeibeamten in Irland
müßten, um die öffentliche Meinung Englands zu versöhnen, auf
unbestimmte Zeit von London aus ernannt werden; die Kosten
hätte natürlich Irland zu tragen. Auf etwa 10--12 Jahre müß-
ten auch die Polizeirichter von den Reichsbehörden ernannt werden.
Parnell führte hingegen seine eigenen Ansichten ins Feld. Die
irische Legislatur müßte die Rechte einer Legislatur eines Staates
der amerikanischen Union besitzen, und die übrigen eben erwähnten
Angelegenheiten müßten lediglich von den Iren geordnet werden.
Ueber die Landfrage hatten die Führer der Liberalen gar kein
Programm. Kurz vor Beginn der gegenwärtigen Session pflog
Parnell eine weitere Unterredung mit Morley, namentlich über die
Landfrage. Parnell bestand vor allem darauf, daß die localen
Organe die Controle der zum Landankauf bestimmten Gelder haben
müßten. Morley versprach, einen hierauf bezüglichen Antrag zu
stellen. Sollte derselbe durchfallen, so möchten die Radicalen bei
der zweiten Lesung das Princip der Regierungsvorlage angreifen.
Zugleich fragte Morley Parnell, ob er nach einem Siege der
Liberalen bei den Wahlen irischer Obersecretär werden wolle,
oder ob ein anderer irischer Abgeordneter die Stelle bekommen
dürfe. Parnell drückte sein Erstaunen über diesen Vorschlag
aus, da die Unabhängigkeit der irischen Partei dadurch angetastet
würde und die Iren Gefahr liefen, von der englischen liberalen
Partei absorbirt zu werden. Morley erklärte ferner, daß die
liberale Partei, wenn sie ans Ruder käme, für die ausgewiesenen

Abendblatt Nr. 333. München, Montag Allgemeine Zeitung 1. December 1890. Seite 3


[Spaltenumbruch]
Deutſches Reich.

Gütertarife, die allgemeinen Tarifvorſchriften für den Perſonen-,
Güter- und Viehverkehr u. ſ. w.

Aus Bielefeld wird der „Frkf. Ztg.“ telegraphiſch gemeldet,
daß der holländiſche Socialiſtenführer Domela Nieuwenhuis,
der dort einen Vortrag halten wollte, bei ſeiner Ankunft ver-
haftet
und mit einem Ausweiſungsbefehle bedacht worden
iſt. Der ſocialdemokratiſche Verein in Bielefeld, der gegen die in
Ausſicht geſtellte Ausweiſung ſich beſchwerdeführend an den
Miniſter des Innern gewendet hatte, iſt abſchlägig beſchieden
worden.

Die vom Bureau des Reichstags herausgegebenen Ueber-
ſichten der Geſchäftsthätigkeit des Deutſchen Reichs-
tags
in der IV. und V. Seſſion der 7. Legislaturperiode (bis
25. Januar 1890) ſind jetzt in bekannter treſſlicher Bearbeitung
erſchienen.

Der Reichstag.

Bei dem reichen Arbeitsmaterial,
welches der Reichstag bei ſeinem Wiederzuſammentritt am nächſten
Dienſtag vorfindet, wird es nicht leicht ſein, die raſche Förderung
der Geſchäfte mit der thunlichſten Rückſichtnahme auf das gleichfalls
mit Arbeiten überhäufte Abgeordnetenhaus zu vereinigen. Wie
hier im einzelnen disponirt werden dürfte, darüber läßt ſich vor-
weg natürlich nicht reden und die hiezu gebrachten Meldungen in
den Blättern ſind jedenfalls verfrüht. Im allgemeinen iſt aber
der Arbeitsplan für den Reichstag, wie von zuſtändiger Stelle ver-
lautet, dergeſtalt ins Auge gefaßt, daß vor der Weihnachtspauſe
neben der thunlichſten Förderung der Etatsarbeiten die erſten
Leſungen der verſchiedenen neuen Vorlagen ſtattſinden ſollen. Im
übrigen erwartet man, daß auch die Commiſſion mit der Be-
rathung der Gewerbeordnungsnovelle bis zum Weihnachtsfeſte
fertig wird, ſo daß der Bericht jedenfalls während der Pauſe
in die Hände der Abgeordneten gelangt. Beim Wiederbeginne der
Arbeiten nach Neujahr, vorausſichtlich am 8. Januar, wird dann
im Plenum mit der zweiten Leſung der Novelle der Anfang ge-
macht werden. — Im Perſonalbeſtande des Reichstags, der
bei Beginn der gegenwärtigen Seſſion nach den Neuwahlen voll-
zählig zuſammentrat, ſind ſeitdem bereits verſchiedene Verände-
rungen eingetreten. Von den im Frühjahr Neugewählten ſind ge-
ſtorben die Abgeordneten: v. Wedell-Malchow (4. Potsdam),
Graf v. Bernſtorff (15. Hannover), Grad (3. Elſaß-Lothringen),
Dr. Virnich (4. Köln), Witt (2. Frankfurt a. O.) und Dr. Stöhr
(6. Unterfranken). Niedergelegt haben ihr Mandat: v. Beth-
mann-Hollweg
(5. Potsdam), Edler v. Graeve (7. Poſen),
Dr. Miquel (6. Pfalz) und Dr. Scheffer (7. Marienwerder).
In allen dieſen Wahlkreifen, mit Ausnahme des letztgenannten,
haben bereits die Neuwahlen ſtattgefunden: im 4. Wahlkreiſe
Potsdam wurde an v. Wedell-Malchows Stelle der gleichfalls con-
ſervative Geh. Regierungsrath Landrath v. Winterfeld-Menkin
gewählt; im 5. Potsdam ging das Mandat von dem der Reichs-
partei angehörigen v. Bethmann-Hollweg auf den deutſch-
freiſinnigen Oberlehrer Dr. Althaus über; im 7. Poſen wurde
wieder ein Pole, Rittergutsbeſitzer v. Moſczenski zu Niemczynek,
im 6. Pfalz an Miquels Stelle der ebenfalls nationalliberale Guts-
beſitzer Brunck zu Kirchheimbolanden gewählt. Im 15. Hannover
trat an Stelle des Grafen v. Bernſtorff der Geh. Regierungsrath
Dr. Brüel, beide Hoſpitanten des Centrums; für Grad wurde im
3. Elfaß-Lothringen der Bürgermeiſter Ruhland-Münſter i. E. gewählt.
Dem Dr. Virnich folgte im 4. Köln wieder ein Centrumsmann,
der Landgerichtsrath Spahn zu Bonn; der 2. Wahlkreis Frank-
furt wählte wieder freiſinnig, nämlich für Witt den Kammer-
gerichtsrath Schroeder, und im 6. Unterfranken folgte dem
Dr. Stöhr der auch dem Centrum angehörige Metzgermeiſter
Neckermann in Würzburg. Der Wahlkreis 7. Marienwerder
iſt noch offen. Die Fractionen erſcheinen jetzt in folgender
Stärke: Deutſch-Conſervative 70, Reichspartei 19, Centrum 113,
Polen 16, Nationalliberale 41, Deutſchfreiſinnige 65, Volkspartei 10,
Socialdemokraten 35, Fractionsloſe 27.




Neues von Emin Paſcha.
Schon ſeit zehn Jahren ſteht Hr. Dr. G. Hartlaub in engem
wiſſenſchaſtlichen Verkehr mit Emin Paſcha. Der letztere ſandte
neulich nach Bremen werthvolle naturwiſſenſchaftliche Sammlungen
zur wiſſenſchaftlichen Verwerthung und freien Verfügung. Hr.
Dr. Hartlaub empfing ferner von Emin ein 90 engbeſchriebene
Seiten umfaſſendes Tagebuch über deſſen in den Jahren 1883
und 1884 im Gebiete des oberen weißen Nil, des Albert Nyanza
und in Mombuctu ausgeführte Reiſen. Vor wenigen Tagen lief auch
ein Brief Emins, datirt Tabora, 17. Auguſt, hier ein. Emin
hat, wie Dr. Hartlaub mittheilt, Tabora, die altberühmte Station
des arabiſchen Handels für Deutſchland, erobert und die deutſche
Flagge dort gehißt. Er befand ſich im beſten Wohlſein und ſtand
im Begriff, ſeinen Marſch nach Norden fortzuſetzen. Sein vor-
läuſiges Ziel iſt das Weſtufer des Victoria Nyanza. Emin denkt
nicht daran, jemals nach Europa zurückzukehren. „Mich hat der
liebe Gott“ — ſo ſchreibt er — „für Reiſen in Afrika prädeſtinirt.
Nachdem ich mein Kind verſorgt, iſt es mein füßer Wunſch, auf
afrikaniſchem Boden zu ſterben und begraben zu ſein, inmitten der
Scenerie, die ich nun einmal lieben gelernt.“


Oberbürgermeiſter Adickes in
Altona iſt gemäß dem Vorſchlage der Stadtverordnetenverſammlung
vom Kaiſer zum Oberbürgermeiſter unſrer Stadt ernannt worden.


Aus Mannheim wird berichtet,
daß die badiſche Regierung an die Mannheimer Handelskammer
ein Schreiben gerichtet hat, wonach im Bundesrathe ein Antrag
Preußens
zu erwarten ſei behufs Aufhebung des Iden-
titätsnachweiſes
bei der Einführung von Getreide; die
Handelskammer wird erſucht, ihre Anſicht über dieſe Frage zu äußern.
Zu dieſem Behufe hat am 27. d. M. in dem Locale der Mann-
heimer Börſe eine Verſammlung der Getreidehändler ſtatt-
gefunden, in welcher folgende Beſchlüſſe gefaßt wurden, die der
Handelskammer vorgelegt werden ſollen: 1) Der Getreidehandel
Mannheims iſt für die Aufhebung des Identitätsnachweiſes, wenn
dieſelbe in der Weiſe geſchieht, daß derjenige, der Getreide an
irgend eine Grenze ausführt, einen Einfuhrberechtigungsſchein er-
hält, wodurch derſelbe die gleiche Menge Getreide an jeder Zoll-
grenze Deutſchlands zollfrei auszuſühren berechtigt iſt, ohne daß
die Perſon des Einführenden dieſelbe ſein müßte, wie die des
Ausführenden; dagegen muß die Gattung die gleiche ſein, alſo Weizen
für Weizen, jedoch mit der Maßgabe, daß für ausgeführte
Spelzkerne Weizen eingeführt werden kann; die Aufhebung
der Identität wäre unter allen Umſtänden zu bekämpfen, wenn
die zollfreie Einfuhr nur an dem Platze ſtattfinden dürfte, wo die
Ausfuhr ſtattfand. Mannheim würde dadurch zu einem Getreide-
handelsplatz zweiten Ranges herabſinken. 2) Die Gültigkeitsdauer
der Einfuhrberechtigungsſcheine ſoll nach einem Jahre erlöſchen.
3) Privattranſitlager ohne zollamtlichen Mitverſchluß müſſen be-
ſtehen bleiben. — Das neueſte „Anzeigeblatt“ für die Erzdiöceſe
Freiburg enthält u. a. eine Verordnung des erzbiſchöflichen
Ordinariats an den geſammten ihm unterſtehenden Klerus, welche
im Anſchluß an die Ordre des Königs von Preußen vom
30. März 1861 die kirchliche Einweihung der Fahnen von Krieger-,
Militär-, Begräbnißvereinen, Schützengilden, Turner-, Sänger- und
[Spaltenumbruch] anderen weltlichen Vereinen, welche in keiner Beziehung zur Kirche
ſtehen, ein- für allemal unterſagt. Die Verordnung ſtützt ſich auf
ein Schreiben des preußiſchen Cultusminiſters vom 2. October d. J.,
worin derſelbe auf die betreffende Ordre aufmerkſam macht, da
„gelegentlich der durch einen Geiſtlichen vorgenommenen Ein-
weihung einer einem Kriegerverein verliehenen Fahne bekannt ge-
worden ſei, daß der betreffende Geiſtliche keine Kenntniß von dem
in der genannten Ordre ausgeſprochenen Verbote der kirchlichen
Weihe hätte“.

Oeſterreich - Ungarn.

Eine Zuſchrift des Grafen Oswald
Thun an die Prager „Bohemia“ und die Rede des Abgeord-
neten v. Bärnreither in der Wählerverſammlung der Groß-
grundbeſitzer in Eger ſtellen den von einigen tſchechiſchen
Blättern verdunkelten Stand der Verhandlungen zwiſchen den
deutſchen und den tſchechiſch-feudalen Großgrundbeſitzern in Be-
zug auf die Frage der Wahlreform im böhmiſchen Groß-
grundbeſitz
klar. Es iſt daraus zu erſehen, daß die Feudalen
das Verlangen ſtellten, es möge dieſe ſpecielle Wahlreform in
Zuſammenhang mit einer allgemeinen Abänderung der Wahl-
ordnung für Böhmen gebracht werden, was die Deutſchen als
den Wiener Vereinbarungen zuwiderlaufend ablehnen mußten.
Ferner nehmen die deutſchen Großgrundbeſitzer den dem Aus-
gleichsprotokolle entſprechenden Standpunkt ein, daß die Wahl-
reform im Großgrundbeſitze nur im Zuſammenhange mit der
Curienvorlage durchgeführt werden könne, weil man den Deutſchen
doch nicht zumuthen dürfe, endgültig auf die Majorität im
Landtage zu verzichten, bevor ihnen durch Schaffung nationaler,
mit dem Vetorecht ausgeſtatteter Curien eine Bürgſchaft gegen
politiſche und nationale Vergewaltigung geboten iſt. — Der
böhmiſche Statthalter Graf Thun, welcher geſtern nach Karls-
bad reiſen ſollte, hat dieſe Reiſe auf Donnerſtag verſchoben
und iſt hieher gereist; man bringt ſeine Hieherkunft mit der
durch die Erklärung der deutſchböhmiſchen Abgeordneten ge-
ſchaffenen Situation in Zuſammenhang. In Folge dieſer
Erklärung haben bereits in den meiſten Gruppen und Sectionen
der Ausſtellung die deutſchen Mitglieder ihren Austritt an-
gemeldet. — Dem „Hlas Naroda“ zufolge ſoll die Landtags-
pauſe zu Verhandlungen hervorragender Führer der feudalen
Adelspartei mit der Regierung benützt werden, von deren
Ergebniß das weitere Ausharren der Alttſchechen in ihrer
bisherigen Haltung abhängen werde; es ſei jedoch wenig
Ausſicht vorhanden, daß den tſchechiſchen Forderungen will-
fahrt werden würde. — Der Schwiegerſohn Dr. Niegers
ſandte dem jungtſchechiſchen Abg. Vaſchaty wegen des Schmäh-
rufes „Elender Verräther!“ ſeine Secundanten; Vaſchaty ließ
ſich in ſeiner Wohnung vor den Secundanten conſequent ver-
läugnen; ſchließlich nominirte er ſeinerſeits Zeugen, welche jedoch
erklärten, Vaſchaty habe es nur mit Nieger zu thun und werde
ſich mit deſſen Schwiegerſohn nicht ſchlagen. Als der Hinweis
auf die Sitte, bei Beleidigungen einer Dame oder eines Greiſes
dem Satisfactionsbegehren eines Familienangehörigen zu ent-
ſprechen, erfolglos blieb, unterzeichneten die Secundanten des
Fordernden ein Protokoll, worin Vaſchaty als ſatisfactions-
unfähig erklärt wird. — Der Sohn Eduard Gregrs iſt wegen
Mißhandlung des alttſchechiſchen Stadtverordneten Schamal zu
20 fl. Geldſtrafe verurtheilt worden.

Die zwiſchen den öſterreichiſch-ungariſchen Regierungsvertretern
und den Delegirten der Schweiz in den letzten Tagen geführten
Verhandlungen in Betreff einer Reviſion der öſterreichiſch-
ſchweizeriſchen Veterinär-Convention
vom Jahre 1883
haben, der „Preſſe“ zufolge, zu einer meritoriſchen Verſtändigung
geführt und dürfte die Unterzeichnung der neuen Convention viel-
leicht ſchon im Laufe der nächſten Woche erfolgen. Zwiſchen den
Propoſitionen Oeſterreich-Ungarns und den Forderungen der Schweiz
beſtanden urſprünglich ſehr erhebliche Differenzen. Das Entgegen-
kommen der ſchweizeriſchen Delegirten hat indeß den öſter-
reichiſch-ungariſchen Regierungsvertretern es erleichtert, auch ihrer-
ſeits den Forderungen der Schweiz nach Thunlichkeit Rechnung
zu tragen, und ſo iſt es gelungen, eine neue Vereinbarung zu
treffen, welche den beiderſeitigen Intereſſen in billiger Weiſe ent-
ſpricht. Die neue Convention beginnt vom 1. März 1891, hat
zwei Jahre zu währen und kann nach Ablauf dieſer Dauer nur
mit einer einjährigen Kündigung aufgelöst werden, beſitzt alſo
eigentlich unter allen Umſtänden eine dreijährige Geltungsfriſt.
Die neue Convention gibt beiden vertragſchließenden Theilen das
Recht, die Grenzen gegen die Vieheinfuhr abzuſperren, ſobald die
Einſchleppung kranken Viehes nachgewieſen iſt. Die Kündigung
des Handelsvertrages wird vielleicht trotz des Abſchluſſes
der neuen Viehſeuchenconvention erfolgen; wenn dies aber
geſchieht, ſo wird dies lediglich mit Rückſicht auf Frank-
reich der Fall ſein und die Spitze nicht gegen Oeſterreich-
Ungarn kehren, was für die Verhandlungen wegen Er-
neuerung des Handelsvertrages von Wichtigkeit iſt. Ob die neue
Viehſeuchen-Convention dem öſterreichiſchen und ungariſchen Parla-
ment noch vor den Weibnachtsferien wird unterbreitet werden kön-
nen, hängt von dem Zeitpunkte der formellen Perfectionirung der-
ſelben ab. — Die öſterreichiſche Regierung hat eine genaue Prü-
fung des neuen ungariſchen Frachtentarifs angeordnet.
Dabei ſoll insbeſondere die wirthſchaftliche und finanzielle Rück-
wirkung des neuen Tarifs auf Oeſterreich ins Auge gefaßt werden.
Auf öſterreichiſcher Seite beſchäſtigt man ſich übrigens ſchon durch
längere Zeit, unabhängig von den Plänen des Hrn. v. Baroſs,
mit einer Reform der Frachtentarife. Der Gegenſtand iſt vorläuſig
noch nicht ſpruchreif, ſondern befindet ſich im Stadium der Prüfung.

Die Vorberathungen über die im nächſten Jahre abzuhalten-
den großen Manöver haben, wie man der „Reichswehr“ mit-
theilt, bereits ſtattgefunden. Es beſteht die Abſicht, an dieſen
Manövern das 2. Corps (Wien) und das 8. Corps (Prag) theil-
nehmen zu laſſen. Jedes dieſer Corps ſoll eine Stärke von drei
Infanteriediviſionen und einer Cavalleriediviſion erhalten und
ſollen überdies Landwehrformationen beigezogen werden. Als
Manöverterrain wurde die Gegend zwiſchen Znaim und Iglau in
Ausſicht genommen.

Der Kaiſer, welcher geſtern aus Gödöllö hier eintraf, begibt
ſich heute Abends von hier nach Miramare, woſelbſt am Montag
Vormittag die Kaiſerin aus Korſu eintrifft. Das Kaiſerpaar
verbleibt daſelbſt bis 3. December Nachmittag und kehrt ſodann
nach Wien zurück, wo die Ankunft am 4. December Früh erfolgt.
— Der Kaiſer hat dem Beſtallungsdiplome des zum General-
conſul des Deutſchen Reiches in Peſt ernannten Legations-
rathes Anton Grafen v. Monts das Allerhöchſte Exequatur er-
theilt. — Erzherzog Karl Ludwig hat das Protectorat über den
neugegründeten Verein zur Schaffung einer Heilanſtalt für Tuber-
culoſe übernommen und ſich in einem Handſchreiben an das Comité
ſehr warm für dieſen Gedanken ausgeſprochen.


Zwei geſtern hier unter dem Verdachte
des Diebſtahls verhaftete Perſönlichkeiten ſind als ruſſiſche Unter-
thanen Namens Pochalski und Laterner recognoſcirt worden.
Wie verlautet, iſt durch die Unterſuchung feſtgeſtellt worden, daß
Beide an einem im franzöſiſchen Finanzminiſterium verübten Dieb-
ſtahl, bei dem es ſich um eine Viertelmillion handelte, ſowie an
[Spaltenumbruch] einem Diebſtahl in der Marine-Verſicherungsgeſellſchaft in London
betheiligt waren.


Es herrſcht als Rückſchlag gegen
frühere hochfliegende Hoffnungen augenblicklich ein gewiſſer
Kleinmuth betreffend die Ausſichten eines deutſch-öſter-
reichiſchen Handelsvertrages
. Die öſterreichiſche In-
duſtrie könnte ſich mit einer engeren Handelseinigung mit
Deutſchland nur dann befreunden, wenn ſie einen großen Zug
in der Handelspolitik der Monarchie gewahrte, wenn gleichzeitig
mit der Oeffnung unſrer Grenzen für die deutſche Einfuhr auch
der Orient, insbeſondere Rumänien, in die Einheitsbewegung
einbezogen würde. Deutſchland und der Orient ſind eben die
Pole, um die ſich unſre Entwicklung ſeit einem Jahrtauſend
dreht. Seitdem Ungarns Einfluß die Monarchie beherrſcht,
ſeitdem ſeine Agrarier die Viehzucht Rumäniens und Serbiens
hart behandelt und damit den unſerm Gewerbe wichtigen
rumäniſchen Markt in die Schanze geſchlagen haben, ſind die
Induſtriellen doppelt ängſtlich bemüht, die Grenzen gegen Weſten
geſchloſſen zu halten. Demnach kann nur Zug um Zug eine
feſtere wirthſchaftliche Geſtaltung Mitteleuropa’s erreicht werden.
Die ungariſchen Agrarier müſſen die Politik der Eiferſucht
gegen den Orient fallen laſſen, ſie müſſen nach Oſten hin
einer liberalen Handelspolitik Raum geben, dann kann
die öſterreichiſche Induſtrie es verſchmerzen, wenn wegen des
Getreide- und Viehexports Ungarns dem deutſchen Nachbar ein
Theil des inländiſchen Marktes überlaſſen wird. Leider gewahrt man
in der öſterreichiſch-ungariſchen Handelspolitik nichts von ſolch
großer Auffaſſung. Nicht als ob dieſer Zuſammenhang nicht
allen Kundigen klar wäre. Er iſt auch in dem Gutachten der
Reichenberger Handelskammer betont, einer Arbeit des
ſachverſtändigen Abgeordneten Hallwich. Reichenberg als Haupt-
ſitz der öſterreichiſchen Schafwollinduſtrie, deren Producte den Wett-
bewerb mit dem deutſchen Schweſtergewerbe in manchen Zweigen
nicht zu ſcheuen haben, verhält ſich keineswegs ablehnend gegen
einen weitergehenden Tarifvertrag mit Deutſchland; alle Experten,
welche von der Kammer befragt wurden, ſprachen ſich in dieſem
Sinne aus. Der Bericht behandelt die ſchwerwiegende Frage,
welche Begünſtigungen Oeſterreich der deutſchen Induſtrie ge-
währen könnte, ſehr zurückhaltend, die betreffenden Gutachten
der Experten als Geheimniß bezeichnend, das nur der Re-
gierung eröffnet werden konnte. Da aber auch in dieſem Schrift-
ſtücke befürwortend Werth auf den Gewinn gelegt wird,
den die Landwirthſchaft Oeſterreich-Ungarns aus dem Handels-
vertrage ziehen kann, ſo iſt die Vertragsfreundlichkeit dieſes
Induſtriezweiges eine ſichere Thatſache. Die Kammer
tritt dafür ein, daß der Conventionaltarif, der Deutſchland
gegenüber feſtzuſtellen wäre, als Minimaltarif zu dienen hätte,
auf deſſen Grundlage dann mit anderen europäiſchen Staaten
abzuſchließen wäre. Rechtzeitig müßten die Handelsverträge
mit der Schweiz und mit Italien gekündigt werden, um Raum
für das Verhältniß mit Deutſchland zu ſchaffen. Entſcheidend
aber, und dies iſt der Hauptgeſichtspunkt, ſei es, mit Rumänien
ins Reine zu kommen, um nicht zu den Verluſten des öſter-
reichiſchen Exports im Orient neue im Innern Oeſterreichs hin-
zuzufügen. Es klingt in dieſen Anregungen immer wieder die
Idee an, welche Alexander Peez in ſeinen geiſtvollen Vorträgen
vertrat, daß nämlich dem großen ruſſiſchen, dem panamerikani-
ſchen und dem großbritanniſchen Handelsgebiete eine vierte
große Gruppe entgegenzuſtellen wäre, welche Mitteleuropa, die
Balkan-Halbinſel und Kleinaſien zu umfaſſen hätte. Sonſt
wäre das induſtrielle Gleichgewicht der Völker des Erdballs
gerade zum Nachtheil der Deutſchen geſtört.


Der Landtag beſchloß heute faſt ein-
ſtimmig, die utraquiſtiſche Einrichtung betreffs der Vortragsſprache
in den Lehrerbildungsanſtalten auszudehnen, beziehungsweiſe in
die Bildungsanſtalten für Lehrerinnen neu einzuführen. Der
Statthalter erklärte, wenn möglich, auch dem Wunſche der
Ruthenen auf Errichtung eines Gymnaſiums mit rutheniſcher Vor-
tragsſprache nachkommen zu wollen.

Großbritannien.

Die Preſſe veröffentlicht das Ma-
nifeſt Parnells
an das iriſche Volk. Das Schriftſtück
beginnt:

„Da die Integrität und Unabhängigkeit eines Theiles der
iriſchen parlamentariſchen Partei von den Drahtziehern der eng-
liſchen liberalen Parei untergraben und zerſtört worden iſt, iſt es
für mich nöthig geworden, mit euch Rath zu pflegen und euch,
nachdem ich das nothwendige Material vorgelegt habe, um euer
Urtheil zu erſuchen in einer Angelegenheit, welche ihr jetzt allein
zu entſcheiden habt. Der Brief Gladſtone’s an Morley, welcher
den Zweck hat, die iriſche Partei in der Wahl ihres Führers zu
beeinfluſſen, und der liberalen Partei ein Veto zuerkennt, iſt die
unmittelbare Urſache dieſer Anſprache, welche euch daran erinnern
will, daß Irland die Unabhängigkeit ſeiner Partei als einzige
Sicherheit innerhalb der Verfaſſung anerkennt. Die in jenem Briefe
enthaltene Drohung, daß, falls Irland dieſes Vetorecht Eng-
land nicht gewährt, England die Home - Rule auf unbe-
ſtimmte Zeit hinausſchieben würde, zwingt mich, euch gewiſſe
Thatſachen vorzulegen, welche ich bis jetzt für mich behalten
habe, damit ihr den Verluſt bemeſſen könnt, mit dem ihr
bedroht werdet, wenn ihr mich den heulenden engliſchen Wölfen,
welche mich vernichten wollen, vorwerft.“ Parnell berichtet darauf
über die Eröffnungen, welche ihm Gladſtone bezüglich ſeiner Home-
Rule-Pläne im November 1889 in Hawarden gemacht habe. Da-
nach ſollten die iriſchen Abgeordneten im Parlament von Weſt-
minſter bleiben. Ob der iriſche Landankauf von Irland oder vom
Vereinigten Königreich vollzogen werden ſollte, darüber ließ Glad-
ſtone Zweifel beſtehen. Die höheren Polizeibeamten in Irland
müßten, um die öffentliche Meinung Englands zu verſöhnen, auf
unbeſtimmte Zeit von London aus ernannt werden; die Koſten
hätte natürlich Irland zu tragen. Auf etwa 10—12 Jahre müß-
ten auch die Polizeirichter von den Reichsbehörden ernannt werden.
Parnell führte hingegen ſeine eigenen Anſichten ins Feld. Die
iriſche Legislatur müßte die Rechte einer Legislatur eines Staates
der amerikaniſchen Union beſitzen, und die übrigen eben erwähnten
Angelegenheiten müßten lediglich von den Iren geordnet werden.
Ueber die Landfrage hatten die Führer der Liberalen gar kein
Programm. Kurz vor Beginn der gegenwärtigen Seſſion pflog
Parnell eine weitere Unterredung mit Morley, namentlich über die
Landfrage. Parnell beſtand vor allem darauf, daß die localen
Organe die Controle der zum Landankauf beſtimmten Gelder haben
müßten. Morley verſprach, einen hierauf bezüglichen Antrag zu
ſtellen. Sollte derſelbe durchfallen, ſo möchten die Radicalen bei
der zweiten Leſung das Princip der Regierungsvorlage angreifen.
Zugleich fragte Morley Parnell, ob er nach einem Siege der
Liberalen bei den Wahlen iriſcher Oberſecretär werden wolle,
oder ob ein anderer iriſcher Abgeordneter die Stelle bekommen
dürfe. Parnell drückte ſein Erſtaunen über dieſen Vorſchlag
aus, da die Unabhängigkeit der iriſchen Partei dadurch angetaſtet
würde und die Iren Gefahr liefen, von der engliſchen liberalen
Partei abſorbirt zu werden. Morley erklärte ferner, daß die
liberale Partei, wenn ſie ans Ruder käme, für die ausgewieſenen

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Ausführenden; dagegen muß die Gattung die gleiche &#x017F;ein, al&#x017F;o Weizen<lb/>
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Spelzkerne Weizen eingeführt werden kann; die Aufhebung<lb/>
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die zollfreie Einfuhr nur an dem Platze &#x017F;tattfinden dürfte, wo die<lb/>
Ausfuhr &#x017F;tattfand. Mannheim würde dadurch zu einem Getreide-<lb/>
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3) Privattran&#x017F;itlager ohne zollamtlichen Mitver&#x017F;chluß mü&#x017F;&#x017F;en be-<lb/>
&#x017F;tehen bleiben. &#x2014; Das neue&#x017F;te &#x201E;Anzeigeblatt&#x201C; für die Erzdiöce&#x017F;e<lb/>
Freiburg enthält u. a. eine <hi rendition="#g">Verordnung</hi> des erzbi&#x017F;chöflichen<lb/><hi rendition="#g">Ordinariats</hi> an den ge&#x017F;ammten ihm unter&#x017F;tehenden Klerus, welche<lb/>
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30. März 1861 die kirchliche Einweihung der Fahnen von Krieger-,<lb/>
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&#x017F;tehen, ein- für allemal unter&#x017F;agt. Die Verordnung &#x017F;tützt &#x017F;ich auf<lb/>
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Thun an die Prager &#x201E;Bohemia&#x201C; und die Rede des Abgeord-<lb/>
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Blättern verdunkelten Stand der Verhandlungen zwi&#x017F;chen den<lb/>
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zug auf die Frage der <hi rendition="#g">Wahlreform im böhmi&#x017F;chen Groß-<lb/>
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Zu&#x017F;ammenhang mit einer allgemeinen Abänderung der Wahl-<lb/>
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Ferner nehmen die deut&#x017F;chen Großgrundbe&#x017F;itzer den dem Aus-<lb/>
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Curienvorlage durchgeführt werden könne, weil man den Deut&#x017F;chen<lb/>
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Landtage zu verzichten, bevor ihnen durch Schaffung nationaler,<lb/>
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&#x017F;chaffenen Situation in Zu&#x017F;ammenhang. In Folge die&#x017F;er<lb/>
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&#x017F;ich in &#x017F;einer Wohnung vor den Secundanten con&#x017F;equent ver-<lb/>
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&#x017F;ich mit de&#x017F;&#x017F;en Schwieger&#x017F;ohn nicht &#x017F;chlagen. Als der Hinweis<lb/>
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dem Satisfactionsbegehren eines Familienangehörigen zu ent-<lb/>
&#x017F;prechen, erfolglos blieb, unterzeichneten die Secundanten des<lb/>
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unfähig erklärt wird. &#x2014; Der Sohn Eduard <hi rendition="#g">Gregrs</hi> i&#x017F;t wegen<lb/>
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&#x017F;chweizeri&#x017F;chen Veterinär-Convention</hi> vom Jahre 1883<lb/>
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Propo&#x017F;itionen Oe&#x017F;terreich-Ungarns und den Forderungen der Schweiz<lb/>
be&#x017F;tanden ur&#x017F;prünglich &#x017F;ehr erhebliche Differenzen. Das Entgegen-<lb/>
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&#x017F;eits den Forderungen der Schweiz nach Thunlichkeit Rechnung<lb/>
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&#x017F;pricht. Die neue Convention beginnt vom 1. März 1891, hat<lb/>
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eigentlich unter allen Um&#x017F;tänden eine dreijährige Geltungsfri&#x017F;t.<lb/>
Die neue Convention gibt beiden vertrag&#x017F;chließenden Theilen das<lb/>
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            <p>Die Vorberathungen über die im näch&#x017F;ten Jahre abzuhalten-<lb/>
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&#x017F;ehr warm für die&#x017F;en Gedanken ausge&#x017F;prochen.</p>
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&#x017F;tahl, bei dem es &#x017F;ich um eine Viertelmillion handelte, &#x017F;owie an<lb/><cb/>
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Indu&#x017F;triellen doppelt äng&#x017F;tlich bemüht, die Grenzen gegen We&#x017F;ten<lb/>
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Die ungari&#x017F;chen Agrarier mü&#x017F;&#x017F;en die Politik der Eifer&#x017F;ucht<lb/>
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Getreide- und Viehexports Ungarns dem deut&#x017F;chen Nachbar ein<lb/>
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[3/0003] Abendblatt Nr. 333. München, Montag Allgemeine Zeitung 1. December 1890. Seite 3 Deutſches Reich.Gütertarife, die allgemeinen Tarifvorſchriften für den Perſonen-, Güter- und Viehverkehr u. ſ. w. Aus Bielefeld wird der „Frkf. Ztg.“ telegraphiſch gemeldet, daß der holländiſche Socialiſtenführer Domela Nieuwenhuis, der dort einen Vortrag halten wollte, bei ſeiner Ankunft ver- haftet und mit einem Ausweiſungsbefehle bedacht worden iſt. Der ſocialdemokratiſche Verein in Bielefeld, der gegen die in Ausſicht geſtellte Ausweiſung ſich beſchwerdeführend an den Miniſter des Innern gewendet hatte, iſt abſchlägig beſchieden worden. Die vom Bureau des Reichstags herausgegebenen Ueber- ſichten der Geſchäftsthätigkeit des Deutſchen Reichs- tags in der IV. und V. Seſſion der 7. Legislaturperiode (bis 25. Januar 1890) ſind jetzt in bekannter treſſlicher Bearbeitung erſchienen. Der Reichstag. &#xfffc; Berlin, 30. Nov. Bei dem reichen Arbeitsmaterial, welches der Reichstag bei ſeinem Wiederzuſammentritt am nächſten Dienſtag vorfindet, wird es nicht leicht ſein, die raſche Förderung der Geſchäfte mit der thunlichſten Rückſichtnahme auf das gleichfalls mit Arbeiten überhäufte Abgeordnetenhaus zu vereinigen. Wie hier im einzelnen disponirt werden dürfte, darüber läßt ſich vor- weg natürlich nicht reden und die hiezu gebrachten Meldungen in den Blättern ſind jedenfalls verfrüht. Im allgemeinen iſt aber der Arbeitsplan für den Reichstag, wie von zuſtändiger Stelle ver- lautet, dergeſtalt ins Auge gefaßt, daß vor der Weihnachtspauſe neben der thunlichſten Förderung der Etatsarbeiten die erſten Leſungen der verſchiedenen neuen Vorlagen ſtattſinden ſollen. Im übrigen erwartet man, daß auch die Commiſſion mit der Be- rathung der Gewerbeordnungsnovelle bis zum Weihnachtsfeſte fertig wird, ſo daß der Bericht jedenfalls während der Pauſe in die Hände der Abgeordneten gelangt. Beim Wiederbeginne der Arbeiten nach Neujahr, vorausſichtlich am 8. Januar, wird dann im Plenum mit der zweiten Leſung der Novelle der Anfang ge- macht werden. — Im Perſonalbeſtande des Reichstags, der bei Beginn der gegenwärtigen Seſſion nach den Neuwahlen voll- zählig zuſammentrat, ſind ſeitdem bereits verſchiedene Verände- rungen eingetreten. Von den im Frühjahr Neugewählten ſind ge- ſtorben die Abgeordneten: v. Wedell-Malchow (4. Potsdam), Graf v. Bernſtorff (15. Hannover), Grad (3. Elſaß-Lothringen), Dr. Virnich (4. Köln), Witt (2. Frankfurt a. O.) und Dr. Stöhr (6. Unterfranken). Niedergelegt haben ihr Mandat: v. Beth- mann-Hollweg (5. Potsdam), Edler v. Graeve (7. Poſen), Dr. Miquel (6. Pfalz) und Dr. Scheffer (7. Marienwerder). In allen dieſen Wahlkreifen, mit Ausnahme des letztgenannten, haben bereits die Neuwahlen ſtattgefunden: im 4. Wahlkreiſe Potsdam wurde an v. Wedell-Malchows Stelle der gleichfalls con- ſervative Geh. Regierungsrath Landrath v. Winterfeld-Menkin gewählt; im 5. Potsdam ging das Mandat von dem der Reichs- partei angehörigen v. Bethmann-Hollweg auf den deutſch- freiſinnigen Oberlehrer Dr. Althaus über; im 7. Poſen wurde wieder ein Pole, Rittergutsbeſitzer v. Moſczenski zu Niemczynek, im 6. Pfalz an Miquels Stelle der ebenfalls nationalliberale Guts- beſitzer Brunck zu Kirchheimbolanden gewählt. Im 15. Hannover trat an Stelle des Grafen v. Bernſtorff der Geh. Regierungsrath Dr. Brüel, beide Hoſpitanten des Centrums; für Grad wurde im 3. Elfaß-Lothringen der Bürgermeiſter Ruhland-Münſter i. E. gewählt. Dem Dr. Virnich folgte im 4. Köln wieder ein Centrumsmann, der Landgerichtsrath Spahn zu Bonn; der 2. Wahlkreis Frank- furt wählte wieder freiſinnig, nämlich für Witt den Kammer- gerichtsrath Schroeder, und im 6. Unterfranken folgte dem Dr. Stöhr der auch dem Centrum angehörige Metzgermeiſter Neckermann in Würzburg. Der Wahlkreis 7. Marienwerder iſt noch offen. Die Fractionen erſcheinen jetzt in folgender Stärke: Deutſch-Conſervative 70, Reichspartei 19, Centrum 113, Polen 16, Nationalliberale 41, Deutſchfreiſinnige 65, Volkspartei 10, Socialdemokraten 35, Fractionsloſe 27. Vp. Bremen, 30. Nov. Neues von Emin Paſcha. Schon ſeit zehn Jahren ſteht Hr. Dr. G. Hartlaub in engem wiſſenſchaſtlichen Verkehr mit Emin Paſcha. Der letztere ſandte neulich nach Bremen werthvolle naturwiſſenſchaftliche Sammlungen zur wiſſenſchaftlichen Verwerthung und freien Verfügung. Hr. Dr. Hartlaub empfing ferner von Emin ein 90 engbeſchriebene Seiten umfaſſendes Tagebuch über deſſen in den Jahren 1883 und 1884 im Gebiete des oberen weißen Nil, des Albert Nyanza und in Mombuctu ausgeführte Reiſen. Vor wenigen Tagen lief auch ein Brief Emins, datirt Tabora, 17. Auguſt, hier ein. Emin hat, wie Dr. Hartlaub mittheilt, Tabora, die altberühmte Station des arabiſchen Handels für Deutſchland, erobert und die deutſche Flagge dort gehißt. Er befand ſich im beſten Wohlſein und ſtand im Begriff, ſeinen Marſch nach Norden fortzuſetzen. Sein vor- läuſiges Ziel iſt das Weſtufer des Victoria Nyanza. Emin denkt nicht daran, jemals nach Europa zurückzukehren. „Mich hat der liebe Gott“ — ſo ſchreibt er — „für Reiſen in Afrika prädeſtinirt. Nachdem ich mein Kind verſorgt, iſt es mein füßer Wunſch, auf afrikaniſchem Boden zu ſterben und begraben zu ſein, inmitten der Scenerie, die ich nun einmal lieben gelernt.“ * Frankfurt a. M., 29. Nov. Oberbürgermeiſter Adickes in Altona iſt gemäß dem Vorſchlage der Stadtverordnetenverſammlung vom Kaiſer zum Oberbürgermeiſter unſrer Stadt ernannt worden. ≐ Karlsruhe, 29. Nov. Aus Mannheim wird berichtet, daß die badiſche Regierung an die Mannheimer Handelskammer ein Schreiben gerichtet hat, wonach im Bundesrathe ein Antrag Preußens zu erwarten ſei behufs Aufhebung des Iden- titätsnachweiſes bei der Einführung von Getreide; die Handelskammer wird erſucht, ihre Anſicht über dieſe Frage zu äußern. Zu dieſem Behufe hat am 27. d. M. in dem Locale der Mann- heimer Börſe eine Verſammlung der Getreidehändler ſtatt- gefunden, in welcher folgende Beſchlüſſe gefaßt wurden, die der Handelskammer vorgelegt werden ſollen: 1) Der Getreidehandel Mannheims iſt für die Aufhebung des Identitätsnachweiſes, wenn dieſelbe in der Weiſe geſchieht, daß derjenige, der Getreide an irgend eine Grenze ausführt, einen Einfuhrberechtigungsſchein er- hält, wodurch derſelbe die gleiche Menge Getreide an jeder Zoll- grenze Deutſchlands zollfrei auszuſühren berechtigt iſt, ohne daß die Perſon des Einführenden dieſelbe ſein müßte, wie die des Ausführenden; dagegen muß die Gattung die gleiche ſein, alſo Weizen für Weizen, jedoch mit der Maßgabe, daß für ausgeführte Spelzkerne Weizen eingeführt werden kann; die Aufhebung der Identität wäre unter allen Umſtänden zu bekämpfen, wenn die zollfreie Einfuhr nur an dem Platze ſtattfinden dürfte, wo die Ausfuhr ſtattfand. Mannheim würde dadurch zu einem Getreide- handelsplatz zweiten Ranges herabſinken. 2) Die Gültigkeitsdauer der Einfuhrberechtigungsſcheine ſoll nach einem Jahre erlöſchen. 3) Privattranſitlager ohne zollamtlichen Mitverſchluß müſſen be- ſtehen bleiben. — Das neueſte „Anzeigeblatt“ für die Erzdiöceſe Freiburg enthält u. a. eine Verordnung des erzbiſchöflichen Ordinariats an den geſammten ihm unterſtehenden Klerus, welche im Anſchluß an die Ordre des Königs von Preußen vom 30. März 1861 die kirchliche Einweihung der Fahnen von Krieger-, Militär-, Begräbnißvereinen, Schützengilden, Turner-, Sänger- und anderen weltlichen Vereinen, welche in keiner Beziehung zur Kirche ſtehen, ein- für allemal unterſagt. Die Verordnung ſtützt ſich auf ein Schreiben des preußiſchen Cultusminiſters vom 2. October d. J., worin derſelbe auf die betreffende Ordre aufmerkſam macht, da „gelegentlich der durch einen Geiſtlichen vorgenommenen Ein- weihung einer einem Kriegerverein verliehenen Fahne bekannt ge- worden ſei, daß der betreffende Geiſtliche keine Kenntniß von dem in der genannten Ordre ausgeſprochenen Verbote der kirchlichen Weihe hätte“. Oeſterreich - Ungarn. * Wien, 30. Nov. Eine Zuſchrift des Grafen Oswald Thun an die Prager „Bohemia“ und die Rede des Abgeord- neten v. Bärnreither in der Wählerverſammlung der Groß- grundbeſitzer in Eger ſtellen den von einigen tſchechiſchen Blättern verdunkelten Stand der Verhandlungen zwiſchen den deutſchen und den tſchechiſch-feudalen Großgrundbeſitzern in Be- zug auf die Frage der Wahlreform im böhmiſchen Groß- grundbeſitz klar. Es iſt daraus zu erſehen, daß die Feudalen das Verlangen ſtellten, es möge dieſe ſpecielle Wahlreform in Zuſammenhang mit einer allgemeinen Abänderung der Wahl- ordnung für Böhmen gebracht werden, was die Deutſchen als den Wiener Vereinbarungen zuwiderlaufend ablehnen mußten. Ferner nehmen die deutſchen Großgrundbeſitzer den dem Aus- gleichsprotokolle entſprechenden Standpunkt ein, daß die Wahl- reform im Großgrundbeſitze nur im Zuſammenhange mit der Curienvorlage durchgeführt werden könne, weil man den Deutſchen doch nicht zumuthen dürfe, endgültig auf die Majorität im Landtage zu verzichten, bevor ihnen durch Schaffung nationaler, mit dem Vetorecht ausgeſtatteter Curien eine Bürgſchaft gegen politiſche und nationale Vergewaltigung geboten iſt. — Der böhmiſche Statthalter Graf Thun, welcher geſtern nach Karls- bad reiſen ſollte, hat dieſe Reiſe auf Donnerſtag verſchoben und iſt hieher gereist; man bringt ſeine Hieherkunft mit der durch die Erklärung der deutſchböhmiſchen Abgeordneten ge- ſchaffenen Situation in Zuſammenhang. In Folge dieſer Erklärung haben bereits in den meiſten Gruppen und Sectionen der Ausſtellung die deutſchen Mitglieder ihren Austritt an- gemeldet. — Dem „Hlas Naroda“ zufolge ſoll die Landtags- pauſe zu Verhandlungen hervorragender Führer der feudalen Adelspartei mit der Regierung benützt werden, von deren Ergebniß das weitere Ausharren der Alttſchechen in ihrer bisherigen Haltung abhängen werde; es ſei jedoch wenig Ausſicht vorhanden, daß den tſchechiſchen Forderungen will- fahrt werden würde. — Der Schwiegerſohn Dr. Niegers ſandte dem jungtſchechiſchen Abg. Vaſchaty wegen des Schmäh- rufes „Elender Verräther!“ ſeine Secundanten; Vaſchaty ließ ſich in ſeiner Wohnung vor den Secundanten conſequent ver- läugnen; ſchließlich nominirte er ſeinerſeits Zeugen, welche jedoch erklärten, Vaſchaty habe es nur mit Nieger zu thun und werde ſich mit deſſen Schwiegerſohn nicht ſchlagen. Als der Hinweis auf die Sitte, bei Beleidigungen einer Dame oder eines Greiſes dem Satisfactionsbegehren eines Familienangehörigen zu ent- ſprechen, erfolglos blieb, unterzeichneten die Secundanten des Fordernden ein Protokoll, worin Vaſchaty als ſatisfactions- unfähig erklärt wird. — Der Sohn Eduard Gregrs iſt wegen Mißhandlung des alttſchechiſchen Stadtverordneten Schamal zu 20 fl. Geldſtrafe verurtheilt worden. Die zwiſchen den öſterreichiſch-ungariſchen Regierungsvertretern und den Delegirten der Schweiz in den letzten Tagen geführten Verhandlungen in Betreff einer Reviſion der öſterreichiſch- ſchweizeriſchen Veterinär-Convention vom Jahre 1883 haben, der „Preſſe“ zufolge, zu einer meritoriſchen Verſtändigung geführt und dürfte die Unterzeichnung der neuen Convention viel- leicht ſchon im Laufe der nächſten Woche erfolgen. Zwiſchen den Propoſitionen Oeſterreich-Ungarns und den Forderungen der Schweiz beſtanden urſprünglich ſehr erhebliche Differenzen. Das Entgegen- kommen der ſchweizeriſchen Delegirten hat indeß den öſter- reichiſch-ungariſchen Regierungsvertretern es erleichtert, auch ihrer- ſeits den Forderungen der Schweiz nach Thunlichkeit Rechnung zu tragen, und ſo iſt es gelungen, eine neue Vereinbarung zu treffen, welche den beiderſeitigen Intereſſen in billiger Weiſe ent- ſpricht. Die neue Convention beginnt vom 1. März 1891, hat zwei Jahre zu währen und kann nach Ablauf dieſer Dauer nur mit einer einjährigen Kündigung aufgelöst werden, beſitzt alſo eigentlich unter allen Umſtänden eine dreijährige Geltungsfriſt. Die neue Convention gibt beiden vertragſchließenden Theilen das Recht, die Grenzen gegen die Vieheinfuhr abzuſperren, ſobald die Einſchleppung kranken Viehes nachgewieſen iſt. Die Kündigung des Handelsvertrages wird vielleicht trotz des Abſchluſſes der neuen Viehſeuchenconvention erfolgen; wenn dies aber geſchieht, ſo wird dies lediglich mit Rückſicht auf Frank- reich der Fall ſein und die Spitze nicht gegen Oeſterreich- Ungarn kehren, was für die Verhandlungen wegen Er- neuerung des Handelsvertrages von Wichtigkeit iſt. Ob die neue Viehſeuchen-Convention dem öſterreichiſchen und ungariſchen Parla- ment noch vor den Weibnachtsferien wird unterbreitet werden kön- nen, hängt von dem Zeitpunkte der formellen Perfectionirung der- ſelben ab. — Die öſterreichiſche Regierung hat eine genaue Prü- fung des neuen ungariſchen Frachtentarifs angeordnet. Dabei ſoll insbeſondere die wirthſchaftliche und finanzielle Rück- wirkung des neuen Tarifs auf Oeſterreich ins Auge gefaßt werden. Auf öſterreichiſcher Seite beſchäſtigt man ſich übrigens ſchon durch längere Zeit, unabhängig von den Plänen des Hrn. v. Baroſs, mit einer Reform der Frachtentarife. Der Gegenſtand iſt vorläuſig noch nicht ſpruchreif, ſondern befindet ſich im Stadium der Prüfung. Die Vorberathungen über die im nächſten Jahre abzuhalten- den großen Manöver haben, wie man der „Reichswehr“ mit- theilt, bereits ſtattgefunden. Es beſteht die Abſicht, an dieſen Manövern das 2. Corps (Wien) und das 8. Corps (Prag) theil- nehmen zu laſſen. Jedes dieſer Corps ſoll eine Stärke von drei Infanteriediviſionen und einer Cavalleriediviſion erhalten und ſollen überdies Landwehrformationen beigezogen werden. Als Manöverterrain wurde die Gegend zwiſchen Znaim und Iglau in Ausſicht genommen. Der Kaiſer, welcher geſtern aus Gödöllö hier eintraf, begibt ſich heute Abends von hier nach Miramare, woſelbſt am Montag Vormittag die Kaiſerin aus Korſu eintrifft. Das Kaiſerpaar verbleibt daſelbſt bis 3. December Nachmittag und kehrt ſodann nach Wien zurück, wo die Ankunft am 4. December Früh erfolgt. — Der Kaiſer hat dem Beſtallungsdiplome des zum General- conſul des Deutſchen Reiches in Peſt ernannten Legations- rathes Anton Grafen v. Monts das Allerhöchſte Exequatur er- theilt. — Erzherzog Karl Ludwig hat das Protectorat über den neugegründeten Verein zur Schaffung einer Heilanſtalt für Tuber- culoſe übernommen und ſich in einem Handſchreiben an das Comité ſehr warm für dieſen Gedanken ausgeſprochen. (*) Wien, 29. Nov. Zwei geſtern hier unter dem Verdachte des Diebſtahls verhaftete Perſönlichkeiten ſind als ruſſiſche Unter- thanen Namens Pochalski und Laterner recognoſcirt worden. Wie verlautet, iſt durch die Unterſuchung feſtgeſtellt worden, daß Beide an einem im franzöſiſchen Finanzminiſterium verübten Dieb- ſtahl, bei dem es ſich um eine Viertelmillion handelte, ſowie an einem Diebſtahl in der Marine-Verſicherungsgeſellſchaft in London betheiligt waren. F. Wien, 30. Nov. Es herrſcht als Rückſchlag gegen frühere hochfliegende Hoffnungen augenblicklich ein gewiſſer Kleinmuth betreffend die Ausſichten eines deutſch-öſter- reichiſchen Handelsvertrages. Die öſterreichiſche In- duſtrie könnte ſich mit einer engeren Handelseinigung mit Deutſchland nur dann befreunden, wenn ſie einen großen Zug in der Handelspolitik der Monarchie gewahrte, wenn gleichzeitig mit der Oeffnung unſrer Grenzen für die deutſche Einfuhr auch der Orient, insbeſondere Rumänien, in die Einheitsbewegung einbezogen würde. Deutſchland und der Orient ſind eben die Pole, um die ſich unſre Entwicklung ſeit einem Jahrtauſend dreht. Seitdem Ungarns Einfluß die Monarchie beherrſcht, ſeitdem ſeine Agrarier die Viehzucht Rumäniens und Serbiens hart behandelt und damit den unſerm Gewerbe wichtigen rumäniſchen Markt in die Schanze geſchlagen haben, ſind die Induſtriellen doppelt ängſtlich bemüht, die Grenzen gegen Weſten geſchloſſen zu halten. Demnach kann nur Zug um Zug eine feſtere wirthſchaftliche Geſtaltung Mitteleuropa’s erreicht werden. Die ungariſchen Agrarier müſſen die Politik der Eiferſucht gegen den Orient fallen laſſen, ſie müſſen nach Oſten hin einer liberalen Handelspolitik Raum geben, dann kann die öſterreichiſche Induſtrie es verſchmerzen, wenn wegen des Getreide- und Viehexports Ungarns dem deutſchen Nachbar ein Theil des inländiſchen Marktes überlaſſen wird. Leider gewahrt man in der öſterreichiſch-ungariſchen Handelspolitik nichts von ſolch großer Auffaſſung. Nicht als ob dieſer Zuſammenhang nicht allen Kundigen klar wäre. Er iſt auch in dem Gutachten der Reichenberger Handelskammer betont, einer Arbeit des ſachverſtändigen Abgeordneten Hallwich. Reichenberg als Haupt- ſitz der öſterreichiſchen Schafwollinduſtrie, deren Producte den Wett- bewerb mit dem deutſchen Schweſtergewerbe in manchen Zweigen nicht zu ſcheuen haben, verhält ſich keineswegs ablehnend gegen einen weitergehenden Tarifvertrag mit Deutſchland; alle Experten, welche von der Kammer befragt wurden, ſprachen ſich in dieſem Sinne aus. Der Bericht behandelt die ſchwerwiegende Frage, welche Begünſtigungen Oeſterreich der deutſchen Induſtrie ge- währen könnte, ſehr zurückhaltend, die betreffenden Gutachten der Experten als Geheimniß bezeichnend, das nur der Re- gierung eröffnet werden konnte. Da aber auch in dieſem Schrift- ſtücke befürwortend Werth auf den Gewinn gelegt wird, den die Landwirthſchaft Oeſterreich-Ungarns aus dem Handels- vertrage ziehen kann, ſo iſt die Vertragsfreundlichkeit dieſes Induſtriezweiges eine ſichere Thatſache. Die Kammer tritt dafür ein, daß der Conventionaltarif, der Deutſchland gegenüber feſtzuſtellen wäre, als Minimaltarif zu dienen hätte, auf deſſen Grundlage dann mit anderen europäiſchen Staaten abzuſchließen wäre. Rechtzeitig müßten die Handelsverträge mit der Schweiz und mit Italien gekündigt werden, um Raum für das Verhältniß mit Deutſchland zu ſchaffen. Entſcheidend aber, und dies iſt der Hauptgeſichtspunkt, ſei es, mit Rumänien ins Reine zu kommen, um nicht zu den Verluſten des öſter- reichiſchen Exports im Orient neue im Innern Oeſterreichs hin- zuzufügen. Es klingt in dieſen Anregungen immer wieder die Idee an, welche Alexander Peez in ſeinen geiſtvollen Vorträgen vertrat, daß nämlich dem großen ruſſiſchen, dem panamerikani- ſchen und dem großbritanniſchen Handelsgebiete eine vierte große Gruppe entgegenzuſtellen wäre, welche Mitteleuropa, die Balkan-Halbinſel und Kleinaſien zu umfaſſen hätte. Sonſt wäre das induſtrielle Gleichgewicht der Völker des Erdballs gerade zum Nachtheil der Deutſchen geſtört. * Lemberg, 29. Nov. Der Landtag beſchloß heute faſt ein- ſtimmig, die utraquiſtiſche Einrichtung betreffs der Vortragsſprache in den Lehrerbildungsanſtalten auszudehnen, beziehungsweiſe in die Bildungsanſtalten für Lehrerinnen neu einzuführen. Der Statthalter erklärte, wenn möglich, auch dem Wunſche der Ruthenen auf Errichtung eines Gymnaſiums mit rutheniſcher Vor- tragsſprache nachkommen zu wollen. Großbritannien. * London, 29. Nov. Die Preſſe veröffentlicht das Ma- nifeſt Parnells an das iriſche Volk. Das Schriftſtück beginnt: „Da die Integrität und Unabhängigkeit eines Theiles der iriſchen parlamentariſchen Partei von den Drahtziehern der eng- liſchen liberalen Parei untergraben und zerſtört worden iſt, iſt es für mich nöthig geworden, mit euch Rath zu pflegen und euch, nachdem ich das nothwendige Material vorgelegt habe, um euer Urtheil zu erſuchen in einer Angelegenheit, welche ihr jetzt allein zu entſcheiden habt. Der Brief Gladſtone’s an Morley, welcher den Zweck hat, die iriſche Partei in der Wahl ihres Führers zu beeinfluſſen, und der liberalen Partei ein Veto zuerkennt, iſt die unmittelbare Urſache dieſer Anſprache, welche euch daran erinnern will, daß Irland die Unabhängigkeit ſeiner Partei als einzige Sicherheit innerhalb der Verfaſſung anerkennt. Die in jenem Briefe enthaltene Drohung, daß, falls Irland dieſes Vetorecht Eng- land nicht gewährt, England die Home - Rule auf unbe- ſtimmte Zeit hinausſchieben würde, zwingt mich, euch gewiſſe Thatſachen vorzulegen, welche ich bis jetzt für mich behalten habe, damit ihr den Verluſt bemeſſen könnt, mit dem ihr bedroht werdet, wenn ihr mich den heulenden engliſchen Wölfen, welche mich vernichten wollen, vorwerft.“ Parnell berichtet darauf über die Eröffnungen, welche ihm Gladſtone bezüglich ſeiner Home- Rule-Pläne im November 1889 in Hawarden gemacht habe. Da- nach ſollten die iriſchen Abgeordneten im Parlament von Weſt- minſter bleiben. Ob der iriſche Landankauf von Irland oder vom Vereinigten Königreich vollzogen werden ſollte, darüber ließ Glad- ſtone Zweifel beſtehen. Die höheren Polizeibeamten in Irland müßten, um die öffentliche Meinung Englands zu verſöhnen, auf unbeſtimmte Zeit von London aus ernannt werden; die Koſten hätte natürlich Irland zu tragen. Auf etwa 10—12 Jahre müß- ten auch die Polizeirichter von den Reichsbehörden ernannt werden. Parnell führte hingegen ſeine eigenen Anſichten ins Feld. Die iriſche Legislatur müßte die Rechte einer Legislatur eines Staates der amerikaniſchen Union beſitzen, und die übrigen eben erwähnten Angelegenheiten müßten lediglich von den Iren geordnet werden. Ueber die Landfrage hatten die Führer der Liberalen gar kein Programm. Kurz vor Beginn der gegenwärtigen Seſſion pflog Parnell eine weitere Unterredung mit Morley, namentlich über die Landfrage. Parnell beſtand vor allem darauf, daß die localen Organe die Controle der zum Landankauf beſtimmten Gelder haben müßten. Morley verſprach, einen hierauf bezüglichen Antrag zu ſtellen. Sollte derſelbe durchfallen, ſo möchten die Radicalen bei der zweiten Leſung das Princip der Regierungsvorlage angreifen. Zugleich fragte Morley Parnell, ob er nach einem Siege der Liberalen bei den Wahlen iriſcher Oberſecretär werden wolle, oder ob ein anderer iriſcher Abgeordneter die Stelle bekommen dürfe. Parnell drückte ſein Erſtaunen über dieſen Vorſchlag aus, da die Unabhängigkeit der iriſchen Partei dadurch angetaſtet würde und die Iren Gefahr liefen, von der engliſchen liberalen Partei abſorbirt zu werden. Morley erklärte ferner, daß die liberale Partei, wenn ſie ans Ruder käme, für die ausgewieſenen

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-09-13T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 333. München, 1. Dezember 1890, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine333_1890/3>, abgerufen am 17.06.2024.