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Allgemeine Zeitung, Nr. 74, 14. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Staat dann seine Kriegsmarine denjenigen zu Diensten stelle die sie
ihm unterhalten. So viel steht aber gewiß fest daß der Sundzoll
ohne ein kräftiges Unterhandlungsmittel von unserer Seite nicht wird
beseitigt werden."
Hr. Carl weist also Dänemark etwa dieselbe Stel-
lung an welche schon 1810 Friedrich Ludwig Jahn als die für die-
sen Staat geeignetste bezeichnete, nämlich die von "Deutschlands Ad-
miral und Erzseeherrn."



Italien.

Der alte Ruf der Kreuzfahrer: Dio lo vuole,
Beile und Lictoren werden von den Ultraradicalen hervorgeholt um den
"straniero und invasore" abzuschrecken. Unsere Journale sind voll von
Waffengeklirr und Rüstungen: Piemont, Toscana, Rom und die Ducati
rüsten sich -- so lauten die Worte an allen Ecken und Enden -- und
unser neapolitanischer Kriegsminister hat den Befehl zum Ankauf von
400 Maulthieren und 2000 Pferden gegeben. Der arme Minister des
Innern Bozzelli hat viele Noth auszustehen; man verlangt von ihm Er-
klärungen über Sicilien die nicht in seiner Macht stehen. Letzten Sonn-
tag befürchtete man eine heftige Demonstration gegen das Ministerium.
Die Patrouillen, welche leider noch immer die Stadt durchstreifen, wur-
den verdreifacht.

Das Ministerium, Polizeidirector und
Polizeipräfect einbegriffen, hat seine Entlassung eingereicht, wird aber
functioniren bis abermals ein neues Ministerium gebildet seyn wird.
Theils die Verstimmung des Königs, theils die Furcht vor der allzu-
großen Verantwortlichkeit in Bezug auf die vorauszusehende gereizte
Stimmung der Kammern, theils der sicilische Stein des Anstoßes, theils
die Gährung unter der Neapolitanern selbst etc. haben die Herren zu
diesem Schritte veranlaßt, welcher den ersten starken Schatten auf die
Reife unserer constitutionellen Verhältnisse wirft, und außerdem bei
den absoluten Mächten einiges Lächeln verursachen wird. Diejenigen
welche noch vor acht Tagen wuthentbrannt: Abbasso il Ministero
schrieen, sind ganz stumm und beschämt geworden. Das treffliche Wahl-
gesetz, ein Werk des thätigen ehrenhaften Bozzelli, hat ihnen die Augen
geöffnet. Der Verluft Pairio's und Tofano's trifft nicht minder
schwer. Der letztere (Polizeipräfect) erließ gestern abermals einen
vortrefflich und dabei kräftig geschriebenen Polizeibefehl gegen die
schmutzige ekelhafte Schmähsucht unserer modernen Presse. -- Die Rente
sank und wird noch tiefer finken. An der Börse wird viel von einem nahe
bevorstehenden Anlehen von vorläufig 6 bis 8 Mill. Ducati geredet. (Roth-
schild.) Das scheint aber in Bezug auf die Beschädigungen in Messina und
Palermo, wo der König als Käufer großer Waarenvorräthe aufgetre-
ten, lange nicht hinreichend. Statella hat alle seine Decorationen, Or-
den, Titel bis auf ein ficilisches Ehrenkreuz dem König zurückgegeben.
Der neue Platzcommandant von Neapel Labrano hat den aus Sicilien
zurückgekehrten Soldaten, hauptsächlich den Truppen Nunziante's, das
Tragen der calabresischen Septemberdecoration untersagt und darüber
dem König Bericht abgestattet. Die Lazzeroni scheinen zu ihren Ge-
schäften zurückgekehrt, dagegen gährt es sehr bemerklich unter den vielen,
ja fast unzähligen, abgesetzten und beleidigten Beamten. Nehmen Sie
mit dieser Symptomatologie vorlieb. Man könnte, ohne Pepe's Memoi-
ren gelesen zu haben, daraus eine Reaction (wie 1799 und 1820) diagno-
sticiren, bei welcher Haß und Rachsucht die Hauptrolle spielen werden.
Ja, viele besonnene Männer sprechen die Furcht vor einer heranwachsen-
den Contrerevolutiou laut und unverholen aus. Daß General Wilhelm
Pepe erwartet wird, schrieb ich Ihnen. Es wäre besser er käme nicht,
da sich in ihm die Geschichte einer neapolitanischen Revolution personi-
ficirt, welche der jetzigen freilich insofern nicht gleicht, als es nicht hand-
greiflich vorliegt daß der König ein Feind des neuen Zustandes der Dinge
ist. -- Der Fürst Schwarzenberg wird Neapel im April verlassen. Die
ficilische Frage ist noch ungelöst. Es läßt sich nicht längnen daß die Si-
cilianer den Bogen sehr hoch spannen. Tadelt man aber Ferdinands II
Zögern, so greife man andererseits auch die englische Propaganda in Si-
cilien an. Nimmt man alle sicilischen Forderungen zusammen, so stellt
sich heraus daß Sicilien so zu Neapel stehen will wie Aegypten zu der
Türkei. Daher haben wir Lust bekommen den Sicilianern Ibrahim
Pascha zur Probe zu schicken.

Das Statut der sardinischen Verfassung
war gestern hier der Oeffentlichkeit übergeben worden; man war jedoch
sogleich darüber einig daß man sich damit nicht zufrieden geben könne;
[Spaltenumbruch] welches aber eigentlich die mißfälligen Punkte seyen, wollte nicht ver-
lauten. Um nun der öffentlichen Meinung den gehörigen Ausdruck zu
leihen, war auf den Abend große Volksdemonstration angesagt, bei der
noch andere Sachen zur Sprache gebracht werden sollten die seit einigen
Tagen das Volk bewegten. Bei Ausplünderung des Jesuitenpalastes
soll nämlich unter der Correspondenz der heiligen Väter auch der Brief
eines hiesigen Nobile an einen der Jesuiten gefunden worden seyn, wor-
in ersterer diesen über den Erfolg der von hier im Januar nach Turin
abgegangenen Deputation wegen Austreibung der Jesuiten zu beruhigen
sucht, indem er ihm bemerkt daß eine namhafte Summe jedenfalls vor
der Deputation nach Turin an die geeignete Stelle gelangt und dort
acceptirt worden sey, folglich alle Bemühungen ohne Resultat bleiben
werden. Der Erfolg der Deputation ist bekannt. Das Gerücht von der
Existenz dieses Briefes, ob nun wahr oder falsch, konnte seine Wirkung
nicht verfehlen einem Ministerium gegenüber das man vorher schon mit
Mißtrauen betrachtet; der Unwille des Volkes richtete sich aber doch
ganz besonders gegen den Minister des Innern, Borelli, den man als
den Bestochenen bezeichnet. Eine ins einzelne gehende Beschreibung der
Scenen die nun gestern Abend erfolgten, will ich Ihren Lesern erspa-
ren; es wäre nur eine Wiederholung des schon oft Erzählten; ich be-
schränke mich einzig darauf zu zeigen welch dictatorische Stellung das
Volk dabei der Behörde gegenüber eingenommen hat. Zu Tausenden
war man unter dem unaufhörlichen einmüthigen Rufe "abbasso Bo-
relli"
zum Gouvernementspalaft gezogen, und verlangte stürmisch nach
dem Gouverneur, der zwar zuerst nur einen Stellvertreter schickte um
die Wünsche des Volkes entgegenzunehmen, sich aber doch zuletzt beque-
men mußte selbst zu erscheinen. Nachstehende vier Punkte wurden nun
als die hauptsächlichen Wünsche des Volkes vorgetragen: 1) Reform
des kaum erschienenen Fundamentalstatuts, 2) eine Generalamnestie,
3) Entlassung des Ministers Borelli und 4) alsbaldige Wiedereinsetzung
des Generals Quaglia in seine vorigen Aemter und Würden. Mit
diesem General Quaglia verhält es sich folgendermaßen: derselbe hatte
seine einer Amnestie günstigen Ansichten in einem der Tagesblätter aus-
gesprochen, war aber zum Lohne dafür entlassen worden; das Volk
nimmt ihn nun unter seinen besondern Schutz. Die erwähnten vier
Punkte mußte der Gouverneur wörtlich nachsprechen (da man die Ge-
wißheit haben wollte recht verstanden worden zu seyn), und zugleich dem
Volke die bündigsten Versicherungen geben daß er sie ganz so wie er sie
gehört habe nach Turin berichten wolle. Man wird nun einige Tage
zuwarten; kommt die Antwort nicht bald, oder fällt sie nicht befriedi-
gend aus, so wird man fernere Demonstrationen machen, und damit
fortfahren bis man alles was man wünscht herausdemonstrirt hat.*)
Die Methode ist sehr einfach und bis jetzt wenigstens probat befunden
worden; wir wollen sehen ob sie sich auch ferner bewähren wird. Mit
Verlangen sieht man dem Gesetz bezüglich der Bürgergarde entgegen,
dessen baldige Veröffentlichung um so nothwendiger ist, da man hier
mit Organisirung derselben schon weit vorgeschritten ist, und nachherige
in Berücksichtigung des zu erwartenden Gesetzes etwa nothwendig wer-
dende Abänderungen nur böses Blut machen werden. Ihr Hauptquar-
tier hat die Guardia im geräumigen ehemaligen Jesuitenpalast aufge-
schlagen, das Kloster S. Ambrogio ist dagegen den Linientruppen ein-
geräumt. Auch in Turin hat die Nationalgarde theilweise den Dienst
übernommen, um, wie ein Polizeierlaß sagt, zur Aufrechthaltung der
Ordnung mitzuwirken; die Zufriedenheit scheint also auch dort nicht
sehr groß zu seyn. Die bei den Plünderungsscenen am 1 März fortge-
schleppten Gegenstände sind großentheils wieder zurückgebracht worden.

Obgleich bei den jüngsten Ereignissen in
Paris und Deutschland Ihren Colonnen wenig Raum bleibt für Nach-
richten von hier, so kann ich doch nicht umhin Ihnen von der bedeuten-
den Veränderung zu sprechen welche die Errichtung der französischen
Republik auf den Geist der hiefigen Einwohnerschaft oder vielmehr auf
deren selbstberufenen Vertreter erzeugt und inwiefern er bereits auf die
hiesige Regierungsform eingewirkt hat. Nachdem das Jesuitenkloster
von St. Ambrofio und das Jesuitencollegium im Palast Doria-Tursts
von ihren bisherigen Inhabern verlassen und vom Volk rein ausge-
plündert worden, nahm das Gouvernement das Klostergebäude in Be-
schlag und verwandelte es sogleich in eine Caserne, die auch ungesäumt

*) Wir haben gestern den zwei Tage darauf in Turin erfolgten Minister-
wechsel angezeigt, der den kriegslustigen Grafen Cesare Balbo ins Ca-
binet brachte.

[Spaltenumbruch] Staat dann ſeine Kriegsmarine denjenigen zu Dienſten ſtelle die ſie
ihm unterhalten. So viel ſteht aber gewiß feſt daß der Sundzoll
ohne ein kräftiges Unterhandlungsmittel von unſerer Seite nicht wird
beſeitigt werden.“
Hr. Carl weist alſo Dänemark etwa dieſelbe Stel-
lung an welche ſchon 1810 Friedrich Ludwig Jahn als die für die-
ſen Staat geeignetſte bezeichnete, nämlich die von „Deutſchlands Ad-
miral und Erzſeeherrn.“



Italien.

Der alte Ruf der Kreuzfahrer: Dio lo vuole,
Beile und Lictoren werden von den Ultraradicalen hervorgeholt um den
straniero und invasore“ abzuſchrecken. Unſere Journale ſind voll von
Waffengeklirr und Rüſtungen: Piemont, Toscana, Rom und die Ducati
rüſten ſich — ſo lauten die Worte an allen Ecken und Enden — und
unſer neapolitaniſcher Kriegsminiſter hat den Befehl zum Ankauf von
400 Maulthieren und 2000 Pferden gegeben. Der arme Miniſter des
Innern Bozzelli hat viele Noth auszuſtehen; man verlangt von ihm Er-
klärungen über Sicilien die nicht in ſeiner Macht ſtehen. Letzten Sonn-
tag befürchtete man eine heftige Demonſtration gegen das Miniſterium.
Die Patrouillen, welche leider noch immer die Stadt durchſtreifen, wur-
den verdreifacht.

Das Miniſterium, Polizeidirector und
Polizeipräfect einbegriffen, hat ſeine Entlaſſung eingereicht, wird aber
functioniren bis abermals ein neues Miniſterium gebildet ſeyn wird.
Theils die Verſtimmung des Königs, theils die Furcht vor der allzu-
großen Verantwortlichkeit in Bezug auf die vorauszuſehende gereizte
Stimmung der Kammern, theils der ſiciliſche Stein des Anſtoßes, theils
die Gährung unter der Neapolitanern ſelbſt ꝛc. haben die Herren zu
dieſem Schritte veranlaßt, welcher den erſten ſtarken Schatten auf die
Reife unſerer conſtitutionellen Verhältniſſe wirft, und außerdem bei
den abſoluten Mächten einiges Lächeln verurſachen wird. Diejenigen
welche noch vor acht Tagen wuthentbrannt: Abbasso il Ministero
ſchrieen, ſind ganz ſtumm und beſchämt geworden. Das treffliche Wahl-
geſetz, ein Werk des thätigen ehrenhaften Bozzelli, hat ihnen die Augen
geöffnet. Der Verluft Païrio’s und Tofano’s trifft nicht minder
ſchwer. Der letztere (Polizeipräfect) erließ geſtern abermals einen
vortrefflich und dabei kräftig geſchriebenen Polizeibefehl gegen die
ſchmutzige ekelhafte Schmähſucht unſerer modernen Preſſe. — Die Rente
ſank und wird noch tiefer finken. An der Börſe wird viel von einem nahe
bevorſtehenden Anlehen von vorläufig 6 bis 8 Mill. Ducati geredet. (Roth-
ſchild.) Das ſcheint aber in Bezug auf die Beſchädigungen in Meſſina und
Palermo, wo der König als Käufer großer Waarenvorräthe aufgetre-
ten, lange nicht hinreichend. Statella hat alle ſeine Decorationen, Or-
den, Titel bis auf ein ficiliſches Ehrenkreuz dem König zurückgegeben.
Der neue Platzcommandant von Neapel Labrano hat den aus Sicilien
zurückgekehrten Soldaten, hauptſächlich den Truppen Nunziante’s, das
Tragen der calabreſiſchen Septemberdecoration unterſagt und darüber
dem König Bericht abgeſtattet. Die Lazzeroni ſcheinen zu ihren Ge-
ſchäften zurückgekehrt, dagegen gährt es ſehr bemerklich unter den vielen,
ja faſt unzähligen, abgeſetzten und beleidigten Beamten. Nehmen Sie
mit dieſer Symptomatologie vorlieb. Man könnte, ohne Pepe’s Memoi-
ren geleſen zu haben, daraus eine Reaction (wie 1799 und 1820) diagno-
ſticiren, bei welcher Haß und Rachſucht die Hauptrolle ſpielen werden.
Ja, viele beſonnene Männer ſprechen die Furcht vor einer heranwachſen-
den Contrerevolutiou laut und unverholen aus. Daß General Wilhelm
Pepe erwartet wird, ſchrieb ich Ihnen. Es wäre beſſer er käme nicht,
da ſich in ihm die Geſchichte einer neapolitaniſchen Revolution perſoni-
ficirt, welche der jetzigen freilich inſofern nicht gleicht, als es nicht hand-
greiflich vorliegt daß der König ein Feind des neuen Zuſtandes der Dinge
iſt. — Der Fürſt Schwarzenberg wird Neapel im April verlaſſen. Die
ficiliſche Frage iſt noch ungelöst. Es läßt ſich nicht längnen daß die Si-
cilianer den Bogen ſehr hoch ſpannen. Tadelt man aber Ferdinands II
Zögern, ſo greife man andererſeits auch die engliſche Propaganda in Si-
cilien an. Nimmt man alle ſiciliſchen Forderungen zuſammen, ſo ſtellt
ſich heraus daß Sicilien ſo zu Neapel ſtehen will wie Aegypten zu der
Türkei. Daher haben wir Luſt bekommen den Sicilianern Ibrahim
Paſcha zur Probe zu ſchicken.

Das Statut der ſardiniſchen Verfaſſung
war geſtern hier der Oeffentlichkeit übergeben worden; man war jedoch
ſogleich darüber einig daß man ſich damit nicht zufrieden geben könne;
[Spaltenumbruch] welches aber eigentlich die mißfälligen Punkte ſeyen, wollte nicht ver-
lauten. Um nun der öffentlichen Meinung den gehörigen Ausdruck zu
leihen, war auf den Abend große Volksdemonſtration angeſagt, bei der
noch andere Sachen zur Sprache gebracht werden ſollten die ſeit einigen
Tagen das Volk bewegten. Bei Ausplünderung des Jeſuitenpalaſtes
ſoll nämlich unter der Correſpondenz der heiligen Väter auch der Brief
eines hieſigen Nobile an einen der Jeſuiten gefunden worden ſeyn, wor-
in erſterer dieſen über den Erfolg der von hier im Januar nach Turin
abgegangenen Deputation wegen Austreibung der Jeſuiten zu beruhigen
ſucht, indem er ihm bemerkt daß eine namhafte Summe jedenfalls vor
der Deputation nach Turin an die geeignete Stelle gelangt und dort
acceptirt worden ſey, folglich alle Bemühungen ohne Reſultat bleiben
werden. Der Erfolg der Deputation iſt bekannt. Das Gerücht von der
Exiſtenz dieſes Briefes, ob nun wahr oder falſch, konnte ſeine Wirkung
nicht verfehlen einem Miniſterium gegenüber das man vorher ſchon mit
Mißtrauen betrachtet; der Unwille des Volkes richtete ſich aber doch
ganz beſonders gegen den Miniſter des Innern, Borelli, den man als
den Beſtochenen bezeichnet. Eine ins einzelne gehende Beſchreibung der
Scenen die nun geſtern Abend erfolgten, will ich Ihren Leſern erſpa-
ren; es wäre nur eine Wiederholung des ſchon oft Erzählten; ich be-
ſchränke mich einzig darauf zu zeigen welch dictatoriſche Stellung das
Volk dabei der Behörde gegenüber eingenommen hat. Zu Tauſenden
war man unter dem unaufhörlichen einmüthigen Rufe «abbasso Bo-
relli»
zum Gouvernementspalaft gezogen, und verlangte ſtürmiſch nach
dem Gouverneur, der zwar zuerſt nur einen Stellvertreter ſchickte um
die Wünſche des Volkes entgegenzunehmen, ſich aber doch zuletzt beque-
men mußte ſelbſt zu erſcheinen. Nachſtehende vier Punkte wurden nun
als die hauptſächlichen Wünſche des Volkes vorgetragen: 1) Reform
des kaum erſchienenen Fundamentalſtatuts, 2) eine Generalamneſtie,
3) Entlaſſung des Miniſters Borelli und 4) alsbaldige Wiedereinſetzung
des Generals Quaglia in ſeine vorigen Aemter und Würden. Mit
dieſem General Quaglia verhält es ſich folgendermaßen: derſelbe hatte
ſeine einer Amneſtie günſtigen Anſichten in einem der Tagesblätter aus-
geſprochen, war aber zum Lohne dafür entlaſſen worden; das Volk
nimmt ihn nun unter ſeinen beſondern Schutz. Die erwähnten vier
Punkte mußte der Gouverneur wörtlich nachſprechen (da man die Ge-
wißheit haben wollte recht verſtanden worden zu ſeyn), und zugleich dem
Volke die bündigſten Verſicherungen geben daß er ſie ganz ſo wie er ſie
gehört habe nach Turin berichten wolle. Man wird nun einige Tage
zuwarten; kommt die Antwort nicht bald, oder fällt ſie nicht befriedi-
gend aus, ſo wird man fernere Demonſtrationen machen, und damit
fortfahren bis man alles was man wünſcht herausdemonſtrirt hat.*)
Die Methode iſt ſehr einfach und bis jetzt wenigſtens probat befunden
worden; wir wollen ſehen ob ſie ſich auch ferner bewähren wird. Mit
Verlangen ſieht man dem Geſetz bezüglich der Bürgergarde entgegen,
deſſen baldige Veröffentlichung um ſo nothwendiger iſt, da man hier
mit Organiſirung derſelben ſchon weit vorgeſchritten iſt, und nachherige
in Berückſichtigung des zu erwartenden Geſetzes etwa nothwendig wer-
dende Abänderungen nur böſes Blut machen werden. Ihr Hauptquar-
tier hat die Guardia im geräumigen ehemaligen Jeſuitenpalaſt aufge-
ſchlagen, das Kloſter S. Ambrogio iſt dagegen den Linientruppen ein-
geräumt. Auch in Turin hat die Nationalgarde theilweiſe den Dienſt
übernommen, um, wie ein Polizeierlaß ſagt, zur Aufrechthaltung der
Ordnung mitzuwirken; die Zufriedenheit ſcheint alſo auch dort nicht
ſehr groß zu ſeyn. Die bei den Plünderungsſcenen am 1 März fortge-
ſchleppten Gegenſtände ſind großentheils wieder zurückgebracht worden.

Obgleich bei den jüngſten Ereigniſſen in
Paris und Deutſchland Ihren Colonnen wenig Raum bleibt für Nach-
richten von hier, ſo kann ich doch nicht umhin Ihnen von der bedeuten-
den Veränderung zu ſprechen welche die Errichtung der franzöſiſchen
Republik auf den Geiſt der hiefigen Einwohnerſchaft oder vielmehr auf
deren ſelbſtberufenen Vertreter erzeugt und inwiefern er bereits auf die
hieſige Regierungsform eingewirkt hat. Nachdem das Jeſuitenkloſter
von St. Ambrofio und das Jeſuitencollegium im Palaſt Doria-Turſts
von ihren bisherigen Inhabern verlaſſen und vom Volk rein ausge-
plündert worden, nahm das Gouvernement das Kloſtergebäude in Be-
ſchlag und verwandelte es ſogleich in eine Caſerne, die auch ungeſäumt

*) Wir haben geſtern den zwei Tage darauf in Turin erfolgten Miniſter-
wechſel angezeigt, der den kriegsluſtigen Grafen Ceſare Balbo ins Ca-
binet brachte.
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[1180/0012] Staat dann ſeine Kriegsmarine denjenigen zu Dienſten ſtelle die ſie ihm unterhalten. So viel ſteht aber gewiß feſt daß der Sundzoll ohne ein kräftiges Unterhandlungsmittel von unſerer Seite nicht wird beſeitigt werden.“ Hr. Carl weist alſo Dänemark etwa dieſelbe Stel- lung an welche ſchon 1810 Friedrich Ludwig Jahn als die für die- ſen Staat geeignetſte bezeichnete, nämlich die von „Deutſchlands Ad- miral und Erzſeeherrn.“ Italien. ** Neapel, 2 März.Der alte Ruf der Kreuzfahrer: Dio lo vuole, Beile und Lictoren werden von den Ultraradicalen hervorgeholt um den „straniero und invasore“ abzuſchrecken. Unſere Journale ſind voll von Waffengeklirr und Rüſtungen: Piemont, Toscana, Rom und die Ducati rüſten ſich — ſo lauten die Worte an allen Ecken und Enden — und unſer neapolitaniſcher Kriegsminiſter hat den Befehl zum Ankauf von 400 Maulthieren und 2000 Pferden gegeben. Der arme Miniſter des Innern Bozzelli hat viele Noth auszuſtehen; man verlangt von ihm Er- klärungen über Sicilien die nicht in ſeiner Macht ſtehen. Letzten Sonn- tag befürchtete man eine heftige Demonſtration gegen das Miniſterium. Die Patrouillen, welche leider noch immer die Stadt durchſtreifen, wur- den verdreifacht. ** Neapel, 3 März.Das Miniſterium, Polizeidirector und Polizeipräfect einbegriffen, hat ſeine Entlaſſung eingereicht, wird aber functioniren bis abermals ein neues Miniſterium gebildet ſeyn wird. Theils die Verſtimmung des Königs, theils die Furcht vor der allzu- großen Verantwortlichkeit in Bezug auf die vorauszuſehende gereizte Stimmung der Kammern, theils der ſiciliſche Stein des Anſtoßes, theils die Gährung unter der Neapolitanern ſelbſt ꝛc. haben die Herren zu dieſem Schritte veranlaßt, welcher den erſten ſtarken Schatten auf die Reife unſerer conſtitutionellen Verhältniſſe wirft, und außerdem bei den abſoluten Mächten einiges Lächeln verurſachen wird. Diejenigen welche noch vor acht Tagen wuthentbrannt: Abbasso il Ministero ſchrieen, ſind ganz ſtumm und beſchämt geworden. Das treffliche Wahl- geſetz, ein Werk des thätigen ehrenhaften Bozzelli, hat ihnen die Augen geöffnet. Der Verluft Païrio’s und Tofano’s trifft nicht minder ſchwer. Der letztere (Polizeipräfect) erließ geſtern abermals einen vortrefflich und dabei kräftig geſchriebenen Polizeibefehl gegen die ſchmutzige ekelhafte Schmähſucht unſerer modernen Preſſe. — Die Rente ſank und wird noch tiefer finken. An der Börſe wird viel von einem nahe bevorſtehenden Anlehen von vorläufig 6 bis 8 Mill. Ducati geredet. (Roth- ſchild.) Das ſcheint aber in Bezug auf die Beſchädigungen in Meſſina und Palermo, wo der König als Käufer großer Waarenvorräthe aufgetre- ten, lange nicht hinreichend. Statella hat alle ſeine Decorationen, Or- den, Titel bis auf ein ficiliſches Ehrenkreuz dem König zurückgegeben. Der neue Platzcommandant von Neapel Labrano hat den aus Sicilien zurückgekehrten Soldaten, hauptſächlich den Truppen Nunziante’s, das Tragen der calabreſiſchen Septemberdecoration unterſagt und darüber dem König Bericht abgeſtattet. Die Lazzeroni ſcheinen zu ihren Ge- ſchäften zurückgekehrt, dagegen gährt es ſehr bemerklich unter den vielen, ja faſt unzähligen, abgeſetzten und beleidigten Beamten. Nehmen Sie mit dieſer Symptomatologie vorlieb. Man könnte, ohne Pepe’s Memoi- ren geleſen zu haben, daraus eine Reaction (wie 1799 und 1820) diagno- ſticiren, bei welcher Haß und Rachſucht die Hauptrolle ſpielen werden. Ja, viele beſonnene Männer ſprechen die Furcht vor einer heranwachſen- den Contrerevolutiou laut und unverholen aus. Daß General Wilhelm Pepe erwartet wird, ſchrieb ich Ihnen. Es wäre beſſer er käme nicht, da ſich in ihm die Geſchichte einer neapolitaniſchen Revolution perſoni- ficirt, welche der jetzigen freilich inſofern nicht gleicht, als es nicht hand- greiflich vorliegt daß der König ein Feind des neuen Zuſtandes der Dinge iſt. — Der Fürſt Schwarzenberg wird Neapel im April verlaſſen. Die ficiliſche Frage iſt noch ungelöst. Es läßt ſich nicht längnen daß die Si- cilianer den Bogen ſehr hoch ſpannen. Tadelt man aber Ferdinands II Zögern, ſo greife man andererſeits auch die engliſche Propaganda in Si- cilien an. Nimmt man alle ſiciliſchen Forderungen zuſammen, ſo ſtellt ſich heraus daß Sicilien ſo zu Neapel ſtehen will wie Aegypten zu der Türkei. Daher haben wir Luſt bekommen den Sicilianern Ibrahim Paſcha zur Probe zu ſchicken. Δ Genua, 7 März.Das Statut der ſardiniſchen Verfaſſung war geſtern hier der Oeffentlichkeit übergeben worden; man war jedoch ſogleich darüber einig daß man ſich damit nicht zufrieden geben könne; welches aber eigentlich die mißfälligen Punkte ſeyen, wollte nicht ver- lauten. Um nun der öffentlichen Meinung den gehörigen Ausdruck zu leihen, war auf den Abend große Volksdemonſtration angeſagt, bei der noch andere Sachen zur Sprache gebracht werden ſollten die ſeit einigen Tagen das Volk bewegten. Bei Ausplünderung des Jeſuitenpalaſtes ſoll nämlich unter der Correſpondenz der heiligen Väter auch der Brief eines hieſigen Nobile an einen der Jeſuiten gefunden worden ſeyn, wor- in erſterer dieſen über den Erfolg der von hier im Januar nach Turin abgegangenen Deputation wegen Austreibung der Jeſuiten zu beruhigen ſucht, indem er ihm bemerkt daß eine namhafte Summe jedenfalls vor der Deputation nach Turin an die geeignete Stelle gelangt und dort acceptirt worden ſey, folglich alle Bemühungen ohne Reſultat bleiben werden. Der Erfolg der Deputation iſt bekannt. Das Gerücht von der Exiſtenz dieſes Briefes, ob nun wahr oder falſch, konnte ſeine Wirkung nicht verfehlen einem Miniſterium gegenüber das man vorher ſchon mit Mißtrauen betrachtet; der Unwille des Volkes richtete ſich aber doch ganz beſonders gegen den Miniſter des Innern, Borelli, den man als den Beſtochenen bezeichnet. Eine ins einzelne gehende Beſchreibung der Scenen die nun geſtern Abend erfolgten, will ich Ihren Leſern erſpa- ren; es wäre nur eine Wiederholung des ſchon oft Erzählten; ich be- ſchränke mich einzig darauf zu zeigen welch dictatoriſche Stellung das Volk dabei der Behörde gegenüber eingenommen hat. Zu Tauſenden war man unter dem unaufhörlichen einmüthigen Rufe «abbasso Bo- relli» zum Gouvernementspalaft gezogen, und verlangte ſtürmiſch nach dem Gouverneur, der zwar zuerſt nur einen Stellvertreter ſchickte um die Wünſche des Volkes entgegenzunehmen, ſich aber doch zuletzt beque- men mußte ſelbſt zu erſcheinen. Nachſtehende vier Punkte wurden nun als die hauptſächlichen Wünſche des Volkes vorgetragen: 1) Reform des kaum erſchienenen Fundamentalſtatuts, 2) eine Generalamneſtie, 3) Entlaſſung des Miniſters Borelli und 4) alsbaldige Wiedereinſetzung des Generals Quaglia in ſeine vorigen Aemter und Würden. Mit dieſem General Quaglia verhält es ſich folgendermaßen: derſelbe hatte ſeine einer Amneſtie günſtigen Anſichten in einem der Tagesblätter aus- geſprochen, war aber zum Lohne dafür entlaſſen worden; das Volk nimmt ihn nun unter ſeinen beſondern Schutz. Die erwähnten vier Punkte mußte der Gouverneur wörtlich nachſprechen (da man die Ge- wißheit haben wollte recht verſtanden worden zu ſeyn), und zugleich dem Volke die bündigſten Verſicherungen geben daß er ſie ganz ſo wie er ſie gehört habe nach Turin berichten wolle. Man wird nun einige Tage zuwarten; kommt die Antwort nicht bald, oder fällt ſie nicht befriedi- gend aus, ſo wird man fernere Demonſtrationen machen, und damit fortfahren bis man alles was man wünſcht herausdemonſtrirt hat. *) Die Methode iſt ſehr einfach und bis jetzt wenigſtens probat befunden worden; wir wollen ſehen ob ſie ſich auch ferner bewähren wird. Mit Verlangen ſieht man dem Geſetz bezüglich der Bürgergarde entgegen, deſſen baldige Veröffentlichung um ſo nothwendiger iſt, da man hier mit Organiſirung derſelben ſchon weit vorgeſchritten iſt, und nachherige in Berückſichtigung des zu erwartenden Geſetzes etwa nothwendig wer- dende Abänderungen nur böſes Blut machen werden. Ihr Hauptquar- tier hat die Guardia im geräumigen ehemaligen Jeſuitenpalaſt aufge- ſchlagen, das Kloſter S. Ambrogio iſt dagegen den Linientruppen ein- geräumt. Auch in Turin hat die Nationalgarde theilweiſe den Dienſt übernommen, um, wie ein Polizeierlaß ſagt, zur Aufrechthaltung der Ordnung mitzuwirken; die Zufriedenheit ſcheint alſo auch dort nicht ſehr groß zu ſeyn. Die bei den Plünderungsſcenen am 1 März fortge- ſchleppten Gegenſtände ſind großentheils wieder zurückgebracht worden. * Genua, 9 März.Obgleich bei den jüngſten Ereigniſſen in Paris und Deutſchland Ihren Colonnen wenig Raum bleibt für Nach- richten von hier, ſo kann ich doch nicht umhin Ihnen von der bedeuten- den Veränderung zu ſprechen welche die Errichtung der franzöſiſchen Republik auf den Geiſt der hiefigen Einwohnerſchaft oder vielmehr auf deren ſelbſtberufenen Vertreter erzeugt und inwiefern er bereits auf die hieſige Regierungsform eingewirkt hat. Nachdem das Jeſuitenkloſter von St. Ambrofio und das Jeſuitencollegium im Palaſt Doria-Turſts von ihren bisherigen Inhabern verlaſſen und vom Volk rein ausge- plündert worden, nahm das Gouvernement das Kloſtergebäude in Be- ſchlag und verwandelte es ſogleich in eine Caſerne, die auch ungeſäumt *) Wir haben geſtern den zwei Tage darauf in Turin erfolgten Miniſter- wechſel angezeigt, der den kriegsluſtigen Grafen Ceſare Balbo ins Ca- binet brachte.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 74, 14. März 1848, S. 1180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine74_1848/12>, abgerufen am 11.05.2024.