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Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848.

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[Spaltenumbruch] mehr wenn die Waldungen, welche solches zu liefern geeignet find,
nicht unter den strengsten Banngesetzen in dieser Hinsicht und unter dem
Waldhammer der Marine ständen. Dagegen hat Frankreich seit seiner
ersten Staatsumwälzung auf die schauerlichste Weise einen großen Theil
seiner übrigen Waldungen verschleudert und der Verwüstung preisge-
geben, und die gegenwärtige Regierung ist bekanntlich wieder in Be-
griff für 100 Mill. Franken Staatswaldungen zu verkaufen, d. h. dem
Verderben preiszugeben. Die Folge hievon ist die Entwaldung der
Gebirge, die Abschwemmung der Dammerde von den Höhen, das gänz-
liche Kahlwerden derselben, die furchtbare Austrocknung des Landes
und der Flüsse, und die ebenso furchtbaren Ueberschwemmungen der
letzteren, weil der Regen, anstatt von der Moosdecke und von dem Humus
angesogen zu werden und nach und nach in der Form von Quellen und
Bächen daraus wieder herauszufiltriren, von den kahlen Höhen in rei-
ßenden Gießbächen den Flüssen und Strömen zustürzt, und die Thäler
periodisch mit tobenden Seeen unter Wasser setzt. Dieser Gegenstand
-- auch von Fallmerayer in seinen anatolischen Briefen so richtig ge-
würdigt und jedem gebildeten deutschen Forstmann wohlbekannt -- ist
von so unendlicher nationaler Wichtigkeit für die Erhaltung des
Wohlstandes der Länder, daß er gewiß höchst würdig ist bei der Fest-
setzung der Zuständigkeit des deutschen Bundes ausdrücklich vorgesehen
zu werden. Geben ja doch einzelne deutsche Länder, wie z. B. Tirol,
abschreckende Beispiele des gleichen Unglücks wie es Frankreich aus der
sorglosen Preisgebung seiner Waldungen erntet. Hier kann aber eine
Regierung allein nicht helfen. Denn wenn z. B. wir Süddeutschen
den Schwarzwald oder Odenwald entwalden und in Folge dessen Ueber-
schwemmungen den Neckar und Rhein hinunterschicken, oder zur Aus-
trocknung von Süddeutschland beitragen, so können die darunter mit-
leidenden Länder Nassau, Preußen, Bayern u. s. w. hier nicht helfen,
falls der Bund nicht das Recht hat es zu verhüten.

Endlich dürfte durch einen allgemeinen Artikel dem Bunde die Be-
fugniß zu Ergreifung von Maßregeln und zu Errichtung von Anstalten
für das Nationalwohl überhaupt vorzubehalten seyn, da keine Verfas-
sung alle Fälle zweckmäßiger Thätigkeit vorauszusehen vermag.

Bis jetzt habe ich von wünschenswerthen positiven Bestimmungen
der neuen Bundesacte in volkswirthschaftlicher Hinsicht gesprochen. Nun
sey es mir aber erlaubt noch einer Hauptbestimmung der seitherigen
Bundesacte zu erwähnen, deren Wiederaufnahme im Interesse der Na-
tion nicht zu wünschen ist, nämlich des Artikels 14, welcher von den
Vorrechten des standesherrlichen und ritterschaftlichen Adels handelt.
Dieser Artikel ist unstreitig ein Hauptgrund des Sturmes staatlicher
Erregtheit welcher jetzt durch Deutschland fährt. Er ist die unvolks-
thümlichste, offen gesagt die verhaßteste Seite der seitherigen Bundes-
verfassung. Der standesherrliche und reichsritterschaftliche deutsche Adel
ist, die liebenswürdigen äußeren Formen abgerechnet, im allgemeinen
nicht die gebildetste Classe der Nation, er wird selbst nicht behaupten
wollen seiner Mehrzahl nach die verdienteste derselben zu seyn. Jagd-,
Bad- und Hofleben, und feiner geselliger Lebensgenuß waren die Be-
schäftigungen, Erhaltung, Steigerung seiner Vorrechte das Streben
einer großen Zahl seiner Mitglieder. Alle seine Ansprüche auf Vor-
rechte als Staatsbürgerclasse stützen sich daher lediglich auf die That-
sache daß er deren früher noch größere besaß. Diese Thatsache genügt
aber heutzutage dem erwachten Selbstbewußtseyn der Völker nicht mehr.
Das "verdienen Sie der Welt voranzugehen" ist in alle Köpfe und
Herzen gedrungen. Gerechtigkeit und Staatsklugheit dürften daher
den Regierungen empfehlen alle und jede Adelsvorrechte fallen zu lassen,
Vaterlandsliebe und weises Erkennen der Zeit dem Adel selbst rathen
sich in die Reihen seiner Mitbürger zu stellen, und sich in denselben
den Vorrang persönlich zu erringen.

Ich schließe diese Einsendung mit der Vitte an Ihre verehrten
Leser das Ungenügende der vorstehenden Erörterung mit dem Drange
der Zeit entschuldigen zu wollen. Der neue Bund scheint rasch gebildet
werden zu sollen; es ist also keine Zeit zu Ausführungen; ich wünschte
nur Gedanken zur Erwägung in die Welt zu senden.

Kurhessen.

Auch bei uns heißt es jetzt wie einst in
England bei dem Untergang der verderbendrohenden Armada: Asslavit
Deus, et dissipati sunt!
Ja, der Hauch des Herrn hat sie hinweg-
[Spaltenumbruch] geblasen diese Partei, welche seit sechzehn Jahren alle wichtigen Stellen
mit getreuen Anhängern besetzt zu haben glaubte, und deren Haupt-
wortführer sich vermaß in offener Ständeversammlung zu erklären daß
er "den alten Christusglauben aufrecht zu halten" beschlossen habe.
Aber der Himmel hat diese Solidarität abgelehnt, und wir hoffen ver-
trauensvoll, der wahre Christusglaube unseres Volkes wird darunter
nicht leiden. Jedenfalls ist es ein auch den Ungläubigsten in der tief-
sten Seele erschütterndes Ereigniß daß seit dem 6 December v. J.,
wo dem Militär, wiewohl erfolglos ein Eid angemuthet wurde, der mit
dem früher auf die Verfassung geleisteten nicht vereinbar erschien, das
ganze bisherige, dem äußern Anschein nach so fest begründete Regie-
rungssystem von einem Schlag nach dem andern heimgesucht wurde,
bis endlich gestern die letzten Trümmer desselben zusammenstürzten. Die un-
mittelbare Veranlassung zu der neuen Proclamation*) waren die Ih-
ren Lesern gewiß bereits bekannten Forderungen des "bewaffneten Vol-
kes" zu Hanau, welche in einer sehr stürmischen Form noch Einzel-
heiten begehrten, die im wesentlichen und allgemeinen schon in der
Proclamation vom 7 enthalten waren. Um jedoch den verfassungs-
mäßig gefinnten Bewohnern Hanau's alle thunlichen Mittel in die
Hand zu geben die "bewaffneten Zuzüge" aus der Nachbarschaft zu
entfernen, ohne daß die Militärmacht zum Einschreiten genöthigt werde,
so wurde hier sowohl von den Ministern als auch von Seite der städ-
tischen Behörden und von vielen andern patriotisch gesinnten Män-
nern alles aufgeboten, um den Kurfürsten zu bewegen daß er unter
den obwaltenden Umständen von der Form absehe. Es ward demnach
außer den früher gewährten Punkten noch der verdiente Oberbürger-
meister Eberhard zu Hanau, obwohl er jene Forderungen mit un-
terzeichnet hatte, zum Vorstand des Ministeriums des Innern ernannt;
deßgleichen vollständige Amnestie für alle politischen Vergehen seit 1830
bis zum Tage der Verkündigung theils unmittelbar gewährt, theils
-- soweit nämlich die Ständeversammlung dazu mitzuwirken hat --
feierlich zugesagt; und endlich erklärt daß "alle den Genuß verfassungs-
mäßiger Rechte, insbesondere des Petitions-Einigungs und Versamm-
lungsrechtes beschränkenden Beschlüsse" aufgehoben seyn sollten. Freilich
wurden, was in Beziehung auf den beabsichtigten Erfolg sehr zu be-
klagen war, diese neuen Zugeständnisse, die ja an sich gar kein Be-
denken haben konnten, nicht nach Einer reiflichen Erwägung rasch und
entschieden bewilligt, sondern nur stückweise nach und nach gewährt, so daß
die kassel'schen Bürger, als die Hanauer am 11ten gegen 5 Uhr Abends nur
halbbefriedigt wegfahren wollten, den Pferden in die Zügel fielen, und
die Kutschen noch über eine Stunde auf der Straße unfern des Pa-
lasts festhielten, bis ihnen endlich alle von ihnen gewünschten Mittel
den Aufstand in Hanau friedlich zu stillen gewährt und verbrieft wur-
den. Möge der Himmel nunmehr unserm deutschen Vaterlande in
allen seinen Theilen den Frieden von außen erhalten und im Jnnern zu
Theil werden lassen, ohne welchen keine gedeihliche Entwickelung un-
seres neuen Volkslebens möglich ist. Hier in Kassel und in Alt-Hessen
ist die verfassungsmäßige Ordnung verbürgt durch den entschiedenen
Sinn nnd die Festigkeit der großen Mehrzahl der Bürger aller Classen.
Die neue Preßfreiheit wird allerdings noch mancherlei Sonderbar-
keiten hervorbringen, bis sich die Vorstellungen darüber geklärt haben;
aber auch das wird sich hoffentlich bald organisch gestalten. Schon
seit einigen Tagen ist hier die Rede davon einen "Verein der freien
Presse für Wahrheit, Recht und Verfassung" zu begründen, dem ge-
wiß die Mehrzahl der Schriftsteller, Verleger und Drucker beitreten
wird, um dahin zu wirken daß die öffentliche Meinung nicht durch
lügenhafte Gerüchte und durch Verbreitung verfassungswidriger Grund-
sätze irre geleitet werde. Bei dieser Gelegenheit kann ich folgende
Anekdote nicht übergehen: Ein Proletarier fragte am 7ten Abends als
die Proclamation, welche der Stadtrath in Eile drucken, öffentlich
anschlagen und gratis ertheilen ließ, an vielen Straßenecken laut vor-
gelesen wurde, seinen Collegen und Nachbar: Sag', was ist denn das
"Preßfreiheit"? Ei, antwortet jener, nun wird alles gedruckt und
wir kriegens umsonst zu lesen. Ja, erwiedert der erste, wer bezahlt
aber dann? "Der Bundestag!" war die naive Antwort des ein-
fachen Mannes, der freilich in seinem Sinn nur den Stadtrath mit
dem Bundestag verwechselte, von dem in Preßangelegenheiten jetzt
vorzugsweise überall die Rede war. Unser Ministerium ist jetzt fol-
gendermaßen besetzt: Justizminister, der bisherige Obergerichtsdirec-

*) Kass. Allg. Zeit. No. 72 vom 12 März 1848.

[Spaltenumbruch] mehr wenn die Waldungen, welche ſolches zu liefern geeignet find,
nicht unter den ſtrengſten Banngeſetzen in dieſer Hinſicht und unter dem
Waldhammer der Marine ſtänden. Dagegen hat Frankreich ſeit ſeiner
erſten Staatsumwälzung auf die ſchauerlichſte Weiſe einen großen Theil
ſeiner übrigen Waldungen verſchleudert und der Verwüſtung preisge-
geben, und die gegenwärtige Regierung iſt bekanntlich wieder in Be-
griff für 100 Mill. Franken Staatswaldungen zu verkaufen, d. h. dem
Verderben preiszugeben. Die Folge hievon iſt die Entwaldung der
Gebirge, die Abſchwemmung der Dammerde von den Höhen, das gänz-
liche Kahlwerden derſelben, die furchtbare Austrocknung des Landes
und der Flüſſe, und die ebenſo furchtbaren Ueberſchwemmungen der
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angeſogen zu werden und nach und nach in der Form von Quellen und
Bächen daraus wieder herauszufiltriren, von den kahlen Höhen in rei-
ßenden Gießbächen den Flüſſen und Strömen zuſtürzt, und die Thäler
periodiſch mit tobenden Seeen unter Waſſer ſetzt. Dieſer Gegenſtand
— auch von Fallmerayer in ſeinen anatoliſchen Briefen ſo richtig ge-
würdigt und jedem gebildeten deutſchen Forſtmann wohlbekannt — iſt
von ſo unendlicher nationaler Wichtigkeit für die Erhaltung des
Wohlſtandes der Länder, daß er gewiß höchſt würdig iſt bei der Feſt-
ſetzung der Zuſtändigkeit des deutſchen Bundes ausdrücklich vorgeſehen
zu werden. Geben ja doch einzelne deutſche Länder, wie z. B. Tirol,
abſchreckende Beiſpiele des gleichen Unglücks wie es Frankreich aus der
ſorgloſen Preisgebung ſeiner Waldungen erntet. Hier kann aber eine
Regierung allein nicht helfen. Denn wenn z. B. wir Süddeutſchen
den Schwarzwald oder Odenwald entwalden und in Folge deſſen Ueber-
ſchwemmungen den Neckar und Rhein hinunterſchicken, oder zur Aus-
trocknung von Süddeutſchland beitragen, ſo können die darunter mit-
leidenden Länder Naſſau, Preußen, Bayern u. ſ. w. hier nicht helfen,
falls der Bund nicht das Recht hat es zu verhüten.

Endlich dürfte durch einen allgemeinen Artikel dem Bunde die Be-
fugniß zu Ergreifung von Maßregeln und zu Errichtung von Anſtalten
für das Nationalwohl überhaupt vorzubehalten ſeyn, da keine Verfaſ-
ſung alle Fälle zweckmäßiger Thätigkeit vorauszuſehen vermag.

Bis jetzt habe ich von wünſchenswerthen poſitiven Beſtimmungen
der neuen Bundesacte in volkswirthſchaftlicher Hinſicht geſprochen. Nun
ſey es mir aber erlaubt noch einer Hauptbeſtimmung der ſeitherigen
Bundesacte zu erwähnen, deren Wiederaufnahme im Intereſſe der Na-
tion nicht zu wünſchen iſt, nämlich des Artikels 14, welcher von den
Vorrechten des ſtandesherrlichen und ritterſchaftlichen Adels handelt.
Dieſer Artikel iſt unſtreitig ein Hauptgrund des Sturmes ſtaatlicher
Erregtheit welcher jetzt durch Deutſchland fährt. Er iſt die unvolks-
thümlichſte, offen geſagt die verhaßteſte Seite der ſeitherigen Bundes-
verfaſſung. Der ſtandesherrliche und reichsritterſchaftliche deutſche Adel
iſt, die liebenswürdigen äußeren Formen abgerechnet, im allgemeinen
nicht die gebildetſte Claſſe der Nation, er wird ſelbſt nicht behaupten
wollen ſeiner Mehrzahl nach die verdienteſte derſelben zu ſeyn. Jagd-,
Bad- und Hofleben, und feiner geſelliger Lebensgenuß waren die Be-
ſchäftigungen, Erhaltung, Steigerung ſeiner Vorrechte das Streben
einer großen Zahl ſeiner Mitglieder. Alle ſeine Anſprüche auf Vor-
rechte als Staatsbürgerclaſſe ſtützen ſich daher lediglich auf die That-
ſache daß er deren früher noch größere beſaß. Dieſe Thatſache genügt
aber heutzutage dem erwachten Selbſtbewußtſeyn der Völker nicht mehr.
Das „verdienen Sie der Welt voranzugehen“ iſt in alle Köpfe und
Herzen gedrungen. Gerechtigkeit und Staatsklugheit dürften daher
den Regierungen empfehlen alle und jede Adelsvorrechte fallen zu laſſen,
Vaterlandsliebe und weiſes Erkennen der Zeit dem Adel ſelbſt rathen
ſich in die Reihen ſeiner Mitbürger zu ſtellen, und ſich in denſelben
den Vorrang perſönlich zu erringen.

Ich ſchließe dieſe Einſendung mit der Vitte an Ihre verehrten
Leſer das Ungenügende der vorſtehenden Erörterung mit dem Drange
der Zeit entſchuldigen zu wollen. Der neue Bund ſcheint raſch gebildet
werden zu ſollen; es iſt alſo keine Zeit zu Ausführungen; ich wünſchte
nur Gedanken zur Erwägung in die Welt zu ſenden.

Kurheſſen.

Auch bei uns heißt es jetzt wie einſt in
England bei dem Untergang der verderbendrohenden Armada: Aſſlavit
Deus, et dissipati sunt!
Ja, der Hauch des Herrn hat ſie hinweg-
[Spaltenumbruch] geblaſen dieſe Partei, welche ſeit ſechzehn Jahren alle wichtigen Stellen
mit getreuen Anhängern beſetzt zu haben glaubte, und deren Haupt-
wortführer ſich vermaß in offener Ständeverſammlung zu erklären daß
er „den alten Chriſtusglauben aufrecht zu halten“ beſchloſſen habe.
Aber der Himmel hat dieſe Solidarität abgelehnt, und wir hoffen ver-
trauensvoll, der wahre Chriſtusglaube unſeres Volkes wird darunter
nicht leiden. Jedenfalls iſt es ein auch den Ungläubigſten in der tief-
ſten Seele erſchütterndes Ereigniß daß ſeit dem 6 December v. J.,
wo dem Militär, wiewohl erfolglos ein Eid angemuthet wurde, der mit
dem früher auf die Verfaſſung geleiſteten nicht vereinbar erſchien, das
ganze bisherige, dem äußern Anſchein nach ſo feſt begründete Regie-
rungsſyſtem von einem Schlag nach dem andern heimgeſucht wurde,
bis endlich geſtern die letzten Trümmer desſelben zuſammenſtürzten. Die un-
mittelbare Veranlaſſung zu der neuen Proclamation*) waren die Ih-
ren Leſern gewiß bereits bekannten Forderungen des „bewaffneten Vol-
kes“ zu Hanau, welche in einer ſehr ſtürmiſchen Form noch Einzel-
heiten begehrten, die im weſentlichen und allgemeinen ſchon in der
Proclamation vom 7 enthalten waren. Um jedoch den verfaſſungs-
mäßig gefinnten Bewohnern Hanau’s alle thunlichen Mittel in die
Hand zu geben die „bewaffneten Zuzüge“ aus der Nachbarſchaft zu
entfernen, ohne daß die Militärmacht zum Einſchreiten genöthigt werde,
ſo wurde hier ſowohl von den Miniſtern als auch von Seite der ſtäd-
tiſchen Behörden und von vielen andern patriotiſch geſinnten Män-
nern alles aufgeboten, um den Kurfürſten zu bewegen daß er unter
den obwaltenden Umſtänden von der Form abſehe. Es ward demnach
außer den früher gewährten Punkten noch der verdiente Oberbürger-
meiſter Eberhard zu Hanau, obwohl er jene Forderungen mit un-
terzeichnet hatte, zum Vorſtand des Miniſteriums des Innern ernannt;
deßgleichen vollſtändige Amneſtie für alle politiſchen Vergehen ſeit 1830
bis zum Tage der Verkündigung theils unmittelbar gewährt, theils
— ſoweit nämlich die Ständeverſammlung dazu mitzuwirken hat —
feierlich zugeſagt; und endlich erklärt daß „alle den Genuß verfaſſungs-
mäßiger Rechte, insbeſondere des Petitions-Einigungs und Verſamm-
lungsrechtes beſchränkenden Beſchlüſſe“ aufgehoben ſeyn ſollten. Freilich
wurden, was in Beziehung auf den beabſichtigten Erfolg ſehr zu be-
klagen war, dieſe neuen Zugeſtändniſſe, die ja an ſich gar kein Be-
denken haben konnten, nicht nach Einer reiflichen Erwägung raſch und
entſchieden bewilligt, ſondern nur ſtückweiſe nach und nach gewährt, ſo daß
die kaſſel’ſchen Bürger, als die Hanauer am 11ten gegen 5 Uhr Abends nur
halbbefriedigt wegfahren wollten, den Pferden in die Zügel fielen, und
die Kutſchen noch über eine Stunde auf der Straße unfern des Pa-
laſts feſthielten, bis ihnen endlich alle von ihnen gewünſchten Mittel
den Aufſtand in Hanau friedlich zu ſtillen gewährt und verbrieft wur-
den. Möge der Himmel nunmehr unſerm deutſchen Vaterlande in
allen ſeinen Theilen den Frieden von außen erhalten und im Jnnern zu
Theil werden laſſen, ohne welchen keine gedeihliche Entwickelung un-
ſeres neuen Volkslebens möglich iſt. Hier in Kaſſel und in Alt-Heſſen
iſt die verfaſſungsmäßige Ordnung verbürgt durch den entſchiedenen
Sinn nnd die Feſtigkeit der großen Mehrzahl der Bürger aller Claſſen.
Die neue Preßfreiheit wird allerdings noch mancherlei Sonderbar-
keiten hervorbringen, bis ſich die Vorſtellungen darüber geklärt haben;
aber auch das wird ſich hoffentlich bald organiſch geſtalten. Schon
ſeit einigen Tagen iſt hier die Rede davon einen „Verein der freien
Preſſe für Wahrheit, Recht und Verfaſſung“ zu begründen, dem ge-
wiß die Mehrzahl der Schriftſteller, Verleger und Drucker beitreten
wird, um dahin zu wirken daß die öffentliche Meinung nicht durch
lügenhafte Gerüchte und durch Verbreitung verfaſſungswidriger Grund-
ſätze irre geleitet werde. Bei dieſer Gelegenheit kann ich folgende
Anekdote nicht übergehen: Ein Proletarier fragte am 7ten Abends als
die Proclamation, welche der Stadtrath in Eile drucken, öffentlich
anſchlagen und gratis ertheilen ließ, an vielen Straßenecken laut vor-
geleſen wurde, ſeinen Collegen und Nachbar: Sag’, was iſt denn das
„Preßfreiheit“? Ei, antwortet jener, nun wird alles gedruckt und
wir kriegens umſonſt zu leſen. Ja, erwiedert der erſte, wer bezahlt
aber dann? „Der Bundestag!“ war die naive Antwort des ein-
fachen Mannes, der freilich in ſeinem Sinn nur den Stadtrath mit
dem Bundestag verwechſelte, von dem in Preßangelegenheiten jetzt
vorzugsweiſe überall die Rede war. Unſer Miniſterium iſt jetzt fol-
gendermaßen beſetzt: Juſtizminiſter, der bisherige Obergerichtsdirec-

*) Kaſſ. Allg. Zeit. No. 72 vom 12 März 1848.
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[1259/0011] mehr wenn die Waldungen, welche ſolches zu liefern geeignet find, nicht unter den ſtrengſten Banngeſetzen in dieſer Hinſicht und unter dem Waldhammer der Marine ſtänden. Dagegen hat Frankreich ſeit ſeiner erſten Staatsumwälzung auf die ſchauerlichſte Weiſe einen großen Theil ſeiner übrigen Waldungen verſchleudert und der Verwüſtung preisge- geben, und die gegenwärtige Regierung iſt bekanntlich wieder in Be- griff für 100 Mill. Franken Staatswaldungen zu verkaufen, d. h. dem Verderben preiszugeben. Die Folge hievon iſt die Entwaldung der Gebirge, die Abſchwemmung der Dammerde von den Höhen, das gänz- liche Kahlwerden derſelben, die furchtbare Austrocknung des Landes und der Flüſſe, und die ebenſo furchtbaren Ueberſchwemmungen der letzteren, weil der Regen, anſtatt von der Moosdecke und von dem Humus angeſogen zu werden und nach und nach in der Form von Quellen und Bächen daraus wieder herauszufiltriren, von den kahlen Höhen in rei- ßenden Gießbächen den Flüſſen und Strömen zuſtürzt, und die Thäler periodiſch mit tobenden Seeen unter Waſſer ſetzt. Dieſer Gegenſtand — auch von Fallmerayer in ſeinen anatoliſchen Briefen ſo richtig ge- würdigt und jedem gebildeten deutſchen Forſtmann wohlbekannt — iſt von ſo unendlicher nationaler Wichtigkeit für die Erhaltung des Wohlſtandes der Länder, daß er gewiß höchſt würdig iſt bei der Feſt- ſetzung der Zuſtändigkeit des deutſchen Bundes ausdrücklich vorgeſehen zu werden. Geben ja doch einzelne deutſche Länder, wie z. B. Tirol, abſchreckende Beiſpiele des gleichen Unglücks wie es Frankreich aus der ſorgloſen Preisgebung ſeiner Waldungen erntet. Hier kann aber eine Regierung allein nicht helfen. Denn wenn z. B. wir Süddeutſchen den Schwarzwald oder Odenwald entwalden und in Folge deſſen Ueber- ſchwemmungen den Neckar und Rhein hinunterſchicken, oder zur Aus- trocknung von Süddeutſchland beitragen, ſo können die darunter mit- leidenden Länder Naſſau, Preußen, Bayern u. ſ. w. hier nicht helfen, falls der Bund nicht das Recht hat es zu verhüten. Endlich dürfte durch einen allgemeinen Artikel dem Bunde die Be- fugniß zu Ergreifung von Maßregeln und zu Errichtung von Anſtalten für das Nationalwohl überhaupt vorzubehalten ſeyn, da keine Verfaſ- ſung alle Fälle zweckmäßiger Thätigkeit vorauszuſehen vermag. Bis jetzt habe ich von wünſchenswerthen poſitiven Beſtimmungen der neuen Bundesacte in volkswirthſchaftlicher Hinſicht geſprochen. Nun ſey es mir aber erlaubt noch einer Hauptbeſtimmung der ſeitherigen Bundesacte zu erwähnen, deren Wiederaufnahme im Intereſſe der Na- tion nicht zu wünſchen iſt, nämlich des Artikels 14, welcher von den Vorrechten des ſtandesherrlichen und ritterſchaftlichen Adels handelt. Dieſer Artikel iſt unſtreitig ein Hauptgrund des Sturmes ſtaatlicher Erregtheit welcher jetzt durch Deutſchland fährt. Er iſt die unvolks- thümlichſte, offen geſagt die verhaßteſte Seite der ſeitherigen Bundes- verfaſſung. Der ſtandesherrliche und reichsritterſchaftliche deutſche Adel iſt, die liebenswürdigen äußeren Formen abgerechnet, im allgemeinen nicht die gebildetſte Claſſe der Nation, er wird ſelbſt nicht behaupten wollen ſeiner Mehrzahl nach die verdienteſte derſelben zu ſeyn. Jagd-, Bad- und Hofleben, und feiner geſelliger Lebensgenuß waren die Be- ſchäftigungen, Erhaltung, Steigerung ſeiner Vorrechte das Streben einer großen Zahl ſeiner Mitglieder. Alle ſeine Anſprüche auf Vor- rechte als Staatsbürgerclaſſe ſtützen ſich daher lediglich auf die That- ſache daß er deren früher noch größere beſaß. Dieſe Thatſache genügt aber heutzutage dem erwachten Selbſtbewußtſeyn der Völker nicht mehr. Das „verdienen Sie der Welt voranzugehen“ iſt in alle Köpfe und Herzen gedrungen. Gerechtigkeit und Staatsklugheit dürften daher den Regierungen empfehlen alle und jede Adelsvorrechte fallen zu laſſen, Vaterlandsliebe und weiſes Erkennen der Zeit dem Adel ſelbſt rathen ſich in die Reihen ſeiner Mitbürger zu ſtellen, und ſich in denſelben den Vorrang perſönlich zu erringen. Ich ſchließe dieſe Einſendung mit der Vitte an Ihre verehrten Leſer das Ungenügende der vorſtehenden Erörterung mit dem Drange der Zeit entſchuldigen zu wollen. Der neue Bund ſcheint raſch gebildet werden zu ſollen; es iſt alſo keine Zeit zu Ausführungen; ich wünſchte nur Gedanken zur Erwägung in die Welt zu ſenden. Moriz Mohl. Kurheſſen. * Kaſſel, 12 März. Auch bei uns heißt es jetzt wie einſt in England bei dem Untergang der verderbendrohenden Armada: Aſſlavit Deus, et dissipati sunt! Ja, der Hauch des Herrn hat ſie hinweg- geblaſen dieſe Partei, welche ſeit ſechzehn Jahren alle wichtigen Stellen mit getreuen Anhängern beſetzt zu haben glaubte, und deren Haupt- wortführer ſich vermaß in offener Ständeverſammlung zu erklären daß er „den alten Chriſtusglauben aufrecht zu halten“ beſchloſſen habe. Aber der Himmel hat dieſe Solidarität abgelehnt, und wir hoffen ver- trauensvoll, der wahre Chriſtusglaube unſeres Volkes wird darunter nicht leiden. Jedenfalls iſt es ein auch den Ungläubigſten in der tief- ſten Seele erſchütterndes Ereigniß daß ſeit dem 6 December v. J., wo dem Militär, wiewohl erfolglos ein Eid angemuthet wurde, der mit dem früher auf die Verfaſſung geleiſteten nicht vereinbar erſchien, das ganze bisherige, dem äußern Anſchein nach ſo feſt begründete Regie- rungsſyſtem von einem Schlag nach dem andern heimgeſucht wurde, bis endlich geſtern die letzten Trümmer desſelben zuſammenſtürzten. Die un- mittelbare Veranlaſſung zu der neuen Proclamation *) waren die Ih- ren Leſern gewiß bereits bekannten Forderungen des „bewaffneten Vol- kes“ zu Hanau, welche in einer ſehr ſtürmiſchen Form noch Einzel- heiten begehrten, die im weſentlichen und allgemeinen ſchon in der Proclamation vom 7 enthalten waren. Um jedoch den verfaſſungs- mäßig gefinnten Bewohnern Hanau’s alle thunlichen Mittel in die Hand zu geben die „bewaffneten Zuzüge“ aus der Nachbarſchaft zu entfernen, ohne daß die Militärmacht zum Einſchreiten genöthigt werde, ſo wurde hier ſowohl von den Miniſtern als auch von Seite der ſtäd- tiſchen Behörden und von vielen andern patriotiſch geſinnten Män- nern alles aufgeboten, um den Kurfürſten zu bewegen daß er unter den obwaltenden Umſtänden von der Form abſehe. Es ward demnach außer den früher gewährten Punkten noch der verdiente Oberbürger- meiſter Eberhard zu Hanau, obwohl er jene Forderungen mit un- terzeichnet hatte, zum Vorſtand des Miniſteriums des Innern ernannt; deßgleichen vollſtändige Amneſtie für alle politiſchen Vergehen ſeit 1830 bis zum Tage der Verkündigung theils unmittelbar gewährt, theils — ſoweit nämlich die Ständeverſammlung dazu mitzuwirken hat — feierlich zugeſagt; und endlich erklärt daß „alle den Genuß verfaſſungs- mäßiger Rechte, insbeſondere des Petitions-Einigungs und Verſamm- lungsrechtes beſchränkenden Beſchlüſſe“ aufgehoben ſeyn ſollten. Freilich wurden, was in Beziehung auf den beabſichtigten Erfolg ſehr zu be- klagen war, dieſe neuen Zugeſtändniſſe, die ja an ſich gar kein Be- denken haben konnten, nicht nach Einer reiflichen Erwägung raſch und entſchieden bewilligt, ſondern nur ſtückweiſe nach und nach gewährt, ſo daß die kaſſel’ſchen Bürger, als die Hanauer am 11ten gegen 5 Uhr Abends nur halbbefriedigt wegfahren wollten, den Pferden in die Zügel fielen, und die Kutſchen noch über eine Stunde auf der Straße unfern des Pa- laſts feſthielten, bis ihnen endlich alle von ihnen gewünſchten Mittel den Aufſtand in Hanau friedlich zu ſtillen gewährt und verbrieft wur- den. Möge der Himmel nunmehr unſerm deutſchen Vaterlande in allen ſeinen Theilen den Frieden von außen erhalten und im Jnnern zu Theil werden laſſen, ohne welchen keine gedeihliche Entwickelung un- ſeres neuen Volkslebens möglich iſt. Hier in Kaſſel und in Alt-Heſſen iſt die verfaſſungsmäßige Ordnung verbürgt durch den entſchiedenen Sinn nnd die Feſtigkeit der großen Mehrzahl der Bürger aller Claſſen. Die neue Preßfreiheit wird allerdings noch mancherlei Sonderbar- keiten hervorbringen, bis ſich die Vorſtellungen darüber geklärt haben; aber auch das wird ſich hoffentlich bald organiſch geſtalten. Schon ſeit einigen Tagen iſt hier die Rede davon einen „Verein der freien Preſſe für Wahrheit, Recht und Verfaſſung“ zu begründen, dem ge- wiß die Mehrzahl der Schriftſteller, Verleger und Drucker beitreten wird, um dahin zu wirken daß die öffentliche Meinung nicht durch lügenhafte Gerüchte und durch Verbreitung verfaſſungswidriger Grund- ſätze irre geleitet werde. Bei dieſer Gelegenheit kann ich folgende Anekdote nicht übergehen: Ein Proletarier fragte am 7ten Abends als die Proclamation, welche der Stadtrath in Eile drucken, öffentlich anſchlagen und gratis ertheilen ließ, an vielen Straßenecken laut vor- geleſen wurde, ſeinen Collegen und Nachbar: Sag’, was iſt denn das „Preßfreiheit“? Ei, antwortet jener, nun wird alles gedruckt und wir kriegens umſonſt zu leſen. Ja, erwiedert der erſte, wer bezahlt aber dann? „Der Bundestag!“ war die naive Antwort des ein- fachen Mannes, der freilich in ſeinem Sinn nur den Stadtrath mit dem Bundestag verwechſelte, von dem in Preßangelegenheiten jetzt vorzugsweiſe überall die Rede war. Unſer Miniſterium iſt jetzt fol- gendermaßen beſetzt: Juſtizminiſter, der bisherige Obergerichtsdirec- *) Kaſſ. Allg. Zeit. No. 72 vom 12 März 1848.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848, S. 1259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine79_1848/11>, abgerufen am 17.06.2024.