Allgemeine Zeitung, Nr. 94, 4. April 1849.[Spaltenumbruch]
Die beiden HH. Simon, Heinr ich und Max, welche durch den Zu- [Spaltenumbruch]
Die beiden HH. Simon, Heinꝛ ich und Max, welche durch den Zu- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <pb facs="#f0002" n="1434"/> <cb/> <p>Die beiden HH. <hi rendition="#g">Simon,</hi> Heinꝛ ich und Max, welche durch den Zu-<lb/> tritt ihrer Fraction zur erbkaiſerlichen Partei die Reſultate der jüng-<lb/> ſten Abſtimmungen möglich gemacht, haben über ihre Motive und die De-<lb/> tails der darüber mit jener Partei abgeſchloſſenen Uebereinkünfte eine öf-<lb/> fentliche Erklärung abgegeben, die in mehrfacher Hinſicht Aufklärung gibt.<lb/> In der Einleitung wird geſagt: Oeſterreich habe das Volkshaus verwei-<lb/> gert, und es ſey zu fürchten geweſen daß das Wiener Cabinet ſich mit dem<lb/> Miniſterium Brandenburg vereinige, um Deutſchland in ihrer Weiſe eine<lb/> Verfaſſung zu octroyiren. Dazu ſeyen die Gefahren von außen — Frank-<lb/> reich, Rußland, Dänemark — gekommen, um den Abſchluß der Verfaſ-<lb/> ſung als Nothwendigkeit erſcheinen zu laſſen. In Preußen ſelbſt habe der<lb/> Abſolutismus wieder gedroht, dem dauernd nur durch ein <hi rendition="#g">deutſches</hi><lb/> Volkshaus vorgebeugt werden könne. Alſo Preußen an die Spitze! Dann<lb/> fährt die Erklärung im weſentlichen fort wie folgt: „Unſre politiſchen<lb/> Freunde, d. h. die übrigen Mitglieder der Linken, verwarfen dieſen Weg<lb/> um <hi rendition="#g">Oeſterreichs</hi> willen; es vereinigte ſich aus dieſem Grunde der größte<lb/> Theil der linken Seite des Hauſes mit den Oeſterreichern, und beſtimmte<lb/> ſich ſchließlich für ein Directorium aus <hi rendition="#g">ſieben Fürſten.</hi> Ueber die all-<lb/> ſeitigen Nachtheile dieſer Regierungsſpitze waren <hi rendition="#g">alle</hi> Parteien einig;<lb/> aber das hoben wir hervor daß deſſen alleiniger Zweck, Deutſchland zu<lb/><hi rendition="#g">einigen,</hi> ein völlig verfehlter. Oeſterreich trat unter den <hi rendition="#g">jetzigen</hi><lb/> Verhältniſſen keinenfalls der deutſchen Verfaſſung bei, und Preußen der<lb/> jetzigen, von der Nationalverſammlung beſchloſſenen Verfaſſung mit einem<lb/> Directorium an der Spitze, zweifellos auch nicht. Die Gründe ſind ein-<lb/> fach. <hi rendition="#g">Dieſe Verfaſſung mediatiſirt mehr oder weniger die<lb/> einzelnen deutſchen Staaten,</hi> ſofern ſie ihnen in allen weſentlichen<lb/> Punkten die <hi rendition="#g">Souveränetät</hi> in Beziehung auf Heer, auswärtige und die<lb/> wichtigſten innern Verhältniſſe nimmt. Oeſterreich hätte das zur Noth in<lb/> Betreff ſeiner deutſchen Provinzen zugeben können, weil es mit ſeinen 20<lb/> Millionen Nichtdeutſchen das blieb was es war, europäiſche Großmacht;<lb/> Preußen dagegen mit ſeinen weſentlich nurdeutſchen Provinzen hörte voll-<lb/> ſtändig auf Großmacht zu ſeyn, <hi rendition="#g">und das preußiſche Volksbewußt-<lb/> ſeyn würde das unter ſolchen Verhältniſſen nie zugegeben<lb/> haben</hi>... Allerdings ſind die Einwendungen gegen einen deutſchen Kai-<lb/> ſer bedeutend. Wir verkennen nicht die Schwierigkeit für die deutſch-<lb/> öſterreichiſchen Lande ſich ſeiner Zeit, dem öſterreichiſchen Volksbewußt-<lb/> ſeyn zuwider, anzuſchließen. Aber dieſe Schwierigkeit war entgegengeſetz-<lb/> ten Falles rückſichtlich Preußens von der gleichen Größe. Die 7 Millio-<lb/> nen deutſche Oeſterreicher werden, ſobald ſie, was nicht ausbleiben kann,<lb/> gegenüber den mehr als 20 Millionen Nichtdeutſchen durch ein Abhängig-<lb/> keitsverhältniß bedroht, zu Deutſchland mit Nothwendigkeit gedrängt wer-<lb/> den, und es wird bei dem nicht ausbleibenden Zerfall der öſterreichiſchen<lb/> Monarchie im eigenen Vortheil unſrer öſterreichiſchen Brüder ſeyn ein<lb/> feſtes, ſchutzgebendes Deutſchland bereits vorzufinden. „Aber ein erblicher<lb/> Kaiſer widerſpricht an ſich den erſten Begriffen der Demokratie!“ Wir<lb/> ſehen davon ab daß der drohende ruſſiſche und öſterreichiſche Despotismus<lb/> auch nicht viel Demokratie verſpricht; wir geſtehen vielmehr jenen Grund<lb/> — wenngleich die Demokratie nicht ausſchließlich in der Republik ihren<lb/> Boden findet, ihren Schwerpunkt überdieß mehr in den Grundlagen als in<lb/> der Spitze des Staats hat — wir geſtehen dieſen Einwand denen zu welche<lb/> ſofort die Republik in Deutſchland einführen wollen. Uns aber lag an<lb/> ſich die Berechtigung eine Kaiſer zu wählen in dem deutlich ausgeſproche-<lb/> nen Willen des deutſchen Volkes. In keiner der Revolutionen, die im<lb/> März des vorigen Jahres durch alle deutſchen Lande gingen, beſeitigte das<lb/> Volk eine der 34 Dynaſtien. Wir nehmen an — und die deutſche Preſſe<lb/> unterſtützt dieſe Anſicht — daß das Volk das was es im Momente der Re-<lb/> volution nicht gewollt, auch jetzt in ſeiner großen Majorität nicht wolle;<lb/> daß ein Kaiſer ſomit dieſelbe Berechtigung habe wie 34 andere Fürſten,<lb/> und daß ein Kaiſer von <hi rendition="#g">Volkes Gnaden</hi> demokratiſcher ſey als jeder<lb/> der 34 Fürſten von <hi rendition="#g">Gottes Gnaden</hi>... So ſahen wir und mehrere<lb/> unſrer Freunde die Verhältniſſe an. Wir ſprachen es aber gleichzeitig<lb/> ebenſo beſtimmt aus daß wir bei aller Anerkennung dieſer factiſchen Ver-<lb/> hältniſſe uns nie entſchließen würden für den Welcker’ſchen Antrag zu<lb/> ſtimmen, wenn dieſes den Preis deutſcher Volksehre in ſich ſchlöße,<lb/> und es geſchah das nach unſerm Dafürhalten, wenn wir die <hi rendition="#g">erſte</hi><lb/> Frage der Nationalität <hi rendition="#g">verneinten,</hi> wenn wir, die Mandatare des gan-<lb/> zen deutſchen Volks, die Theilung Deutſchlands, die wir momentan far-<lb/> tiſch zu verhindern ohnmächtig find, auch von Rechtswegen, wie es der<lb/> Commiſſionsantrag that, in Betreff Oeſterreichs ausſprachen. Wir ver-<lb/> langten mithin daß die deutſche Verfaſſung an ihrer Spitze die Beſtimmung<lb/> enthalte, das deutſche Reich beſtehe aus dem Gebiet des bisherigen deut-<lb/> ſchen Bundes. Wir verlangten ferner daß in zwei der wichtigſten Fragen<lb/> der Volksfreiheit, in Betreff des obſoluten Veto und in Betreff des Wahl-<lb/> rechts, die freiſinnigen Beſtimmungen, wie ſie die Nationalverſammlung<lb/> bereits in erſter Leſung der Verfaſſung getroffen, entweder aufrechterhalten<lb/><cb/> würden, oder daß über ſolche Fragen von denen die erſte bereits zu Gunſten<lb/> der Volksſou veränetät entſchieden war, die zweite die wahrhaft freie Aus-<lb/> übung des erſten politiſchen Rechts ſicherte, mindeſtens nicht in Bauſch<lb/> und Bogen mit noch wichtigeren Fragen abgeſtimmt und dadurch, in Ver-<lb/> bindung mit dem momentanen Drang der Zeitverhältniſſe, Gewiſſens-<lb/> zwang ausgeübt werde. Wir verlangten alſo eventuell beſondere Abſtim-<lb/> mung der Nationalverſammlung über dieſe Freiheitsfragen. Wir hatten<lb/> endlich und vor allem gegründete Beſorgniß uns unbedingt einer großen<lb/> Partei anzuſchließen, deren politiſcher Richtung wir nicht nur gegenüber<lb/> ſtanden, ſondern von der wir auch befürchten mußten daß der erſte gemein-<lb/> ſchaftliche Schritt uns zu Abänderungen der Verſaſſung zu Ungunſten der<lb/> Volksfreiheit führen würde, ſofern die Annahme der Kaiſerkrone an der-<lb/> artige Bedingungen geknüpft werden ſollte, Abäuderungen die wir alsdann<lb/> mit unſerer kleinen Stimmenzahl zu verhindern nicht im Stande ſeyn<lb/> konnten, und <hi rendition="#g">wir verlangten daher von einer die Majorität<lb/> ſichernden Anzahl von Mitgliedern jener Partei die Erklä-<lb/> rung daß ſie ſich nach definitiver Feſtſtellung der Verfaſ-<lb/> ſung zu irgend weſentlichen Abänderungen derſelben nicht<lb/> herbeilaſſen würde.</hi> Unter dieſen Bedingungen, aber auch nur un-<lb/> ter dieſen, erklärten wir uns mit unſeren politiſchen Freunden bereit für<lb/> den Commiſſionsantrag zu ſtimmen. Die Weidenbuſch-Partei iſt auf dieſe<lb/> ihr vorgeſchlagene Vereinigung in den Tagen vom 16 bis 21 März nicht<lb/> eingegangen. Nachdem am 21 März der Commiſſionsantrag mit 31 Stim-<lb/> men gefallen war, erfolgte die zweite Leſung der Verfaſſung durch Abſtim-<lb/> mung über deren einzelne Paragraphen. Durch Annahme des Minori-<lb/> tätserachteus von Schüler, Wigard und H. Simon wurde im §. 1 die In-<lb/> tegrität des Bundesſtaatsgebietes mit Einſchluß der deutſch-öſterreichiſchen<lb/> Provinzen von Rechtswegen und verfaſſungsmäßig ausgeſprochen, und<lb/> nachdem dieſer erſte Grund unſerer Abſtimmung vom 21 beſeitigt war,<lb/><hi rendition="#g">ging nun auch die Weidenbuſchpartei auf Unterhandlungen<lb/> mit uns und unſeren Freunden ein.</hi> Sie gab uns in Folge der-<lb/> ſelben am 26 März eine ſchriftliche Erklärung, welche wörtlich lautet<lb/> „Zur Beſeitigung möglicher Zweifel erklären die unterzeichneten Mitglie-<lb/> der der Nationalverſammlung daß ſie die Verfaſſung, wie ſolche von der<lb/> Nationalverſammlung beſchloſſen werden wird, für dergeſtalt endgültig an-<lb/> erkennen daß ſie für irgend weſentliche Abänderungen derſelben oder irgend<lb/> erhebliche weitere Zugeſtändniſſe, von welcher Seite dieſelben etwa auch<lb/> verlangt werden ſollten, nicht ſtimmen werden.“ Dieſe Erklärung iſt von<lb/> etwa 80 Abgeordneten, unter denen bedeutende Mitglieder der rechten<lb/> Seite und des Centrums, unterzeichnet, insbefondere auch von dem in-<lb/> terimiſtiſchen Miniſterpräſidenten Heinrich v. Gagern und dem interimiſti-<lb/> ſchen Juſtizminiſter Robert Mohl. Wir nahmen nunmehr an davor nach<lb/> Möglichkeit geſichert zu ſeyn daß ein Handeln um die deutſche Kaiſerkrone<lb/> und ein demnächſtiges Nachgeben ſeitens der Nationalverſammlung, auf<lb/> Bedingungen, die gegen unſere politiſche Ueberzeugung nicht ſtatt finden<lb/> werde. <hi rendition="#g">Außer dem gaben 114 Mitglieder derſelben Partei<lb/> uns die ſchriftliche Erklärung für das ſuspenſive Veto und<lb/> das Wahlgeſetz, wie dieß in erſter Leſung von der National-<lb/> verſammlung angenommen worden, ſtimmen zu wollen.</hi> Auf<lb/> dieſe Weiſe waren die Hinderniſſe beſeitigt die unſere Abſtimmung vom<lb/> 21 März herbeigeführt, und wir haben nunmehr, unſern oben entwickelten<lb/> Anſichten gemäß, am 27 und 28 März für das erbliche Kaiſerthum in der<lb/> preußiſchen Dynaſtie geſtimmt. Sollte die Entſcheidung der National-<lb/> verſammlung dem deutſchen Volk widerſtreben, ſo hat dieß nunmehr die<lb/> Mittel ſich <hi rendition="#g">auf verfaſſungsmäßigem Weg auch die Spitze ſei-<lb/> ner Verfaſſung nach ſeinem Willen zu geſtalten;</hi> es hat durch<lb/> ein freieſtes Wahlgeſetz die Macht ſeinen wahren Willen auszuſprechen,<lb/> und kein abſolutes Veto hindert den ernſten, andauernden Willen zur Gel-<lb/> tung zu kommen. Die Veränderungen welche bei der zweiten Leſung der<lb/> Verfaſſung im Verhältniß zu dem Welcker’ſchen Antrag und dem darauf<lb/> bezüglichen Commiſſionsgutachten, ſomit direct oder indirect durch unſere<lb/> Beihülfe eingetreten, ſind folgende: 1) Die deutſche Nationalverſammlung<lb/> bietet, ſelbſt im Sinn der bedeutenden Zahl ihrer Mitglieder vom Cen-<lb/> trum, die deutſche Kaiſerkrone der preußiſchen Krone nur unter der Bedin-<lb/> gung daß dieſe die beſchloſſene Verfaſſung, eine der freieſten die ſich je ein<lb/> Volk gegeben, <hi rendition="#g">unverändert</hi> annimmt. 2) Die Verfaſſung gilt dem<lb/><hi rendition="#g">ganzen Deutſchland;</hi> das deutſche Volk hat die Gründung ſeiner<lb/> Verfaſſung nicht mit der Schmach begonnen die deutſchen Lande verfaſ-<lb/> ſungsmäßig zu zerreißen. 3) Das <hi rendition="#g">abſolute Veto</hi> iſt gefallen, und <hi rendition="#g">da-<lb/> durch die Volksſouveränetät als oberſtes Geſetz anerkannt.</hi><lb/> 4) Die mündliche Abſtimmung zu Protokoll iſt gefallen, <hi rendition="#g">und dadurch<lb/> erſt der wahrhaft freie Volkswille bei den Wahlen geſichert.</hi><lb/> 5) Das Inſtitut des Reichsraths, welches den Particularismus von vorn-<lb/> herein in die Verfaſſung impfte, iſt beſeitigt. Frankfurt a. M., den 30 März<lb/> 1849. Heinrich Simon. Mar Simon.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1434/0002]
Die beiden HH. Simon, Heinꝛ ich und Max, welche durch den Zu-
tritt ihrer Fraction zur erbkaiſerlichen Partei die Reſultate der jüng-
ſten Abſtimmungen möglich gemacht, haben über ihre Motive und die De-
tails der darüber mit jener Partei abgeſchloſſenen Uebereinkünfte eine öf-
fentliche Erklärung abgegeben, die in mehrfacher Hinſicht Aufklärung gibt.
In der Einleitung wird geſagt: Oeſterreich habe das Volkshaus verwei-
gert, und es ſey zu fürchten geweſen daß das Wiener Cabinet ſich mit dem
Miniſterium Brandenburg vereinige, um Deutſchland in ihrer Weiſe eine
Verfaſſung zu octroyiren. Dazu ſeyen die Gefahren von außen — Frank-
reich, Rußland, Dänemark — gekommen, um den Abſchluß der Verfaſ-
ſung als Nothwendigkeit erſcheinen zu laſſen. In Preußen ſelbſt habe der
Abſolutismus wieder gedroht, dem dauernd nur durch ein deutſches
Volkshaus vorgebeugt werden könne. Alſo Preußen an die Spitze! Dann
fährt die Erklärung im weſentlichen fort wie folgt: „Unſre politiſchen
Freunde, d. h. die übrigen Mitglieder der Linken, verwarfen dieſen Weg
um Oeſterreichs willen; es vereinigte ſich aus dieſem Grunde der größte
Theil der linken Seite des Hauſes mit den Oeſterreichern, und beſtimmte
ſich ſchließlich für ein Directorium aus ſieben Fürſten. Ueber die all-
ſeitigen Nachtheile dieſer Regierungsſpitze waren alle Parteien einig;
aber das hoben wir hervor daß deſſen alleiniger Zweck, Deutſchland zu
einigen, ein völlig verfehlter. Oeſterreich trat unter den jetzigen
Verhältniſſen keinenfalls der deutſchen Verfaſſung bei, und Preußen der
jetzigen, von der Nationalverſammlung beſchloſſenen Verfaſſung mit einem
Directorium an der Spitze, zweifellos auch nicht. Die Gründe ſind ein-
fach. Dieſe Verfaſſung mediatiſirt mehr oder weniger die
einzelnen deutſchen Staaten, ſofern ſie ihnen in allen weſentlichen
Punkten die Souveränetät in Beziehung auf Heer, auswärtige und die
wichtigſten innern Verhältniſſe nimmt. Oeſterreich hätte das zur Noth in
Betreff ſeiner deutſchen Provinzen zugeben können, weil es mit ſeinen 20
Millionen Nichtdeutſchen das blieb was es war, europäiſche Großmacht;
Preußen dagegen mit ſeinen weſentlich nurdeutſchen Provinzen hörte voll-
ſtändig auf Großmacht zu ſeyn, und das preußiſche Volksbewußt-
ſeyn würde das unter ſolchen Verhältniſſen nie zugegeben
haben... Allerdings ſind die Einwendungen gegen einen deutſchen Kai-
ſer bedeutend. Wir verkennen nicht die Schwierigkeit für die deutſch-
öſterreichiſchen Lande ſich ſeiner Zeit, dem öſterreichiſchen Volksbewußt-
ſeyn zuwider, anzuſchließen. Aber dieſe Schwierigkeit war entgegengeſetz-
ten Falles rückſichtlich Preußens von der gleichen Größe. Die 7 Millio-
nen deutſche Oeſterreicher werden, ſobald ſie, was nicht ausbleiben kann,
gegenüber den mehr als 20 Millionen Nichtdeutſchen durch ein Abhängig-
keitsverhältniß bedroht, zu Deutſchland mit Nothwendigkeit gedrängt wer-
den, und es wird bei dem nicht ausbleibenden Zerfall der öſterreichiſchen
Monarchie im eigenen Vortheil unſrer öſterreichiſchen Brüder ſeyn ein
feſtes, ſchutzgebendes Deutſchland bereits vorzufinden. „Aber ein erblicher
Kaiſer widerſpricht an ſich den erſten Begriffen der Demokratie!“ Wir
ſehen davon ab daß der drohende ruſſiſche und öſterreichiſche Despotismus
auch nicht viel Demokratie verſpricht; wir geſtehen vielmehr jenen Grund
— wenngleich die Demokratie nicht ausſchließlich in der Republik ihren
Boden findet, ihren Schwerpunkt überdieß mehr in den Grundlagen als in
der Spitze des Staats hat — wir geſtehen dieſen Einwand denen zu welche
ſofort die Republik in Deutſchland einführen wollen. Uns aber lag an
ſich die Berechtigung eine Kaiſer zu wählen in dem deutlich ausgeſproche-
nen Willen des deutſchen Volkes. In keiner der Revolutionen, die im
März des vorigen Jahres durch alle deutſchen Lande gingen, beſeitigte das
Volk eine der 34 Dynaſtien. Wir nehmen an — und die deutſche Preſſe
unterſtützt dieſe Anſicht — daß das Volk das was es im Momente der Re-
volution nicht gewollt, auch jetzt in ſeiner großen Majorität nicht wolle;
daß ein Kaiſer ſomit dieſelbe Berechtigung habe wie 34 andere Fürſten,
und daß ein Kaiſer von Volkes Gnaden demokratiſcher ſey als jeder
der 34 Fürſten von Gottes Gnaden... So ſahen wir und mehrere
unſrer Freunde die Verhältniſſe an. Wir ſprachen es aber gleichzeitig
ebenſo beſtimmt aus daß wir bei aller Anerkennung dieſer factiſchen Ver-
hältniſſe uns nie entſchließen würden für den Welcker’ſchen Antrag zu
ſtimmen, wenn dieſes den Preis deutſcher Volksehre in ſich ſchlöße,
und es geſchah das nach unſerm Dafürhalten, wenn wir die erſte
Frage der Nationalität verneinten, wenn wir, die Mandatare des gan-
zen deutſchen Volks, die Theilung Deutſchlands, die wir momentan far-
tiſch zu verhindern ohnmächtig find, auch von Rechtswegen, wie es der
Commiſſionsantrag that, in Betreff Oeſterreichs ausſprachen. Wir ver-
langten mithin daß die deutſche Verfaſſung an ihrer Spitze die Beſtimmung
enthalte, das deutſche Reich beſtehe aus dem Gebiet des bisherigen deut-
ſchen Bundes. Wir verlangten ferner daß in zwei der wichtigſten Fragen
der Volksfreiheit, in Betreff des obſoluten Veto und in Betreff des Wahl-
rechts, die freiſinnigen Beſtimmungen, wie ſie die Nationalverſammlung
bereits in erſter Leſung der Verfaſſung getroffen, entweder aufrechterhalten
würden, oder daß über ſolche Fragen von denen die erſte bereits zu Gunſten
der Volksſou veränetät entſchieden war, die zweite die wahrhaft freie Aus-
übung des erſten politiſchen Rechts ſicherte, mindeſtens nicht in Bauſch
und Bogen mit noch wichtigeren Fragen abgeſtimmt und dadurch, in Ver-
bindung mit dem momentanen Drang der Zeitverhältniſſe, Gewiſſens-
zwang ausgeübt werde. Wir verlangten alſo eventuell beſondere Abſtim-
mung der Nationalverſammlung über dieſe Freiheitsfragen. Wir hatten
endlich und vor allem gegründete Beſorgniß uns unbedingt einer großen
Partei anzuſchließen, deren politiſcher Richtung wir nicht nur gegenüber
ſtanden, ſondern von der wir auch befürchten mußten daß der erſte gemein-
ſchaftliche Schritt uns zu Abänderungen der Verſaſſung zu Ungunſten der
Volksfreiheit führen würde, ſofern die Annahme der Kaiſerkrone an der-
artige Bedingungen geknüpft werden ſollte, Abäuderungen die wir alsdann
mit unſerer kleinen Stimmenzahl zu verhindern nicht im Stande ſeyn
konnten, und wir verlangten daher von einer die Majorität
ſichernden Anzahl von Mitgliedern jener Partei die Erklä-
rung daß ſie ſich nach definitiver Feſtſtellung der Verfaſ-
ſung zu irgend weſentlichen Abänderungen derſelben nicht
herbeilaſſen würde. Unter dieſen Bedingungen, aber auch nur un-
ter dieſen, erklärten wir uns mit unſeren politiſchen Freunden bereit für
den Commiſſionsantrag zu ſtimmen. Die Weidenbuſch-Partei iſt auf dieſe
ihr vorgeſchlagene Vereinigung in den Tagen vom 16 bis 21 März nicht
eingegangen. Nachdem am 21 März der Commiſſionsantrag mit 31 Stim-
men gefallen war, erfolgte die zweite Leſung der Verfaſſung durch Abſtim-
mung über deren einzelne Paragraphen. Durch Annahme des Minori-
tätserachteus von Schüler, Wigard und H. Simon wurde im §. 1 die In-
tegrität des Bundesſtaatsgebietes mit Einſchluß der deutſch-öſterreichiſchen
Provinzen von Rechtswegen und verfaſſungsmäßig ausgeſprochen, und
nachdem dieſer erſte Grund unſerer Abſtimmung vom 21 beſeitigt war,
ging nun auch die Weidenbuſchpartei auf Unterhandlungen
mit uns und unſeren Freunden ein. Sie gab uns in Folge der-
ſelben am 26 März eine ſchriftliche Erklärung, welche wörtlich lautet
„Zur Beſeitigung möglicher Zweifel erklären die unterzeichneten Mitglie-
der der Nationalverſammlung daß ſie die Verfaſſung, wie ſolche von der
Nationalverſammlung beſchloſſen werden wird, für dergeſtalt endgültig an-
erkennen daß ſie für irgend weſentliche Abänderungen derſelben oder irgend
erhebliche weitere Zugeſtändniſſe, von welcher Seite dieſelben etwa auch
verlangt werden ſollten, nicht ſtimmen werden.“ Dieſe Erklärung iſt von
etwa 80 Abgeordneten, unter denen bedeutende Mitglieder der rechten
Seite und des Centrums, unterzeichnet, insbefondere auch von dem in-
terimiſtiſchen Miniſterpräſidenten Heinrich v. Gagern und dem interimiſti-
ſchen Juſtizminiſter Robert Mohl. Wir nahmen nunmehr an davor nach
Möglichkeit geſichert zu ſeyn daß ein Handeln um die deutſche Kaiſerkrone
und ein demnächſtiges Nachgeben ſeitens der Nationalverſammlung, auf
Bedingungen, die gegen unſere politiſche Ueberzeugung nicht ſtatt finden
werde. Außer dem gaben 114 Mitglieder derſelben Partei
uns die ſchriftliche Erklärung für das ſuspenſive Veto und
das Wahlgeſetz, wie dieß in erſter Leſung von der National-
verſammlung angenommen worden, ſtimmen zu wollen. Auf
dieſe Weiſe waren die Hinderniſſe beſeitigt die unſere Abſtimmung vom
21 März herbeigeführt, und wir haben nunmehr, unſern oben entwickelten
Anſichten gemäß, am 27 und 28 März für das erbliche Kaiſerthum in der
preußiſchen Dynaſtie geſtimmt. Sollte die Entſcheidung der National-
verſammlung dem deutſchen Volk widerſtreben, ſo hat dieß nunmehr die
Mittel ſich auf verfaſſungsmäßigem Weg auch die Spitze ſei-
ner Verfaſſung nach ſeinem Willen zu geſtalten; es hat durch
ein freieſtes Wahlgeſetz die Macht ſeinen wahren Willen auszuſprechen,
und kein abſolutes Veto hindert den ernſten, andauernden Willen zur Gel-
tung zu kommen. Die Veränderungen welche bei der zweiten Leſung der
Verfaſſung im Verhältniß zu dem Welcker’ſchen Antrag und dem darauf
bezüglichen Commiſſionsgutachten, ſomit direct oder indirect durch unſere
Beihülfe eingetreten, ſind folgende: 1) Die deutſche Nationalverſammlung
bietet, ſelbſt im Sinn der bedeutenden Zahl ihrer Mitglieder vom Cen-
trum, die deutſche Kaiſerkrone der preußiſchen Krone nur unter der Bedin-
gung daß dieſe die beſchloſſene Verfaſſung, eine der freieſten die ſich je ein
Volk gegeben, unverändert annimmt. 2) Die Verfaſſung gilt dem
ganzen Deutſchland; das deutſche Volk hat die Gründung ſeiner
Verfaſſung nicht mit der Schmach begonnen die deutſchen Lande verfaſ-
ſungsmäßig zu zerreißen. 3) Das abſolute Veto iſt gefallen, und da-
durch die Volksſouveränetät als oberſtes Geſetz anerkannt.
4) Die mündliche Abſtimmung zu Protokoll iſt gefallen, und dadurch
erſt der wahrhaft freie Volkswille bei den Wahlen geſichert.
5) Das Inſtitut des Reichsraths, welches den Particularismus von vorn-
herein in die Verfaſſung impfte, iſt beſeitigt. Frankfurt a. M., den 30 März
1849. Heinrich Simon. Mar Simon.
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(2022-03-29T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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