fallen. Und da überdies der Religionsunterricht zu denje- nigen Gegenständen gehört, über welche es am schwersten ist, ohne längeres und unbefangenes Nachdenken klare und sichere Antworten zu geben, so ist die Gefahr sehr naheliegend, daß der Lehrer seine Schüler entweder auf ein geistreiches Frag- und Antwortspiel einüben oder im Auswendiglernen des Ka- techismus nebst Zubehör an Liedern und Sprüchen seine Stärke suchen werde.
Auch der Unterricht in der Naturgeschichte kann in der Hand des Erziehers ein sehr nützliches Bildungsmittel werden, wenn er dabei mit Vorliebe auf die überall sicht- baren Spuren einer göttlichen Weisheit und Güte hin- weist, wenn er daran erinnert, wie väterlich für die Be- dürfnisse aller Geschöpfe gesorgt ist und wie wunderbar der Bau und die Einrichtung derselben sind; wenn er ferner das Jnteresse sogar für die tief unter dem Menschen stehen- den Thiere erweckt, indem er ihre Lebensweise und Gewohn- heiten schildert, und wenn er, indem er uns in ihre Zustände einführt, das menschliche Herz zur Theilnahme und zum Mitgefühl stimmt; wenn er endlich nicht nur auf den reichen Segen hinweist, welcher in der Natur für das leibliche Wohl- ergehen des Menschen ausgegossen ist, sondern uns auch daran erinnert, wie sehr die Betrachtung der Natur, welche in ihrer erhabenen Größe und in ihrer wunderbaren Mannig- faltigkeit Zeugniß ablegt von der Größe ihres Schöpfers, unseren Sinn von den kleinlichen Sorgen und Zwistigkeiten, in welchen der Mensch so leicht sich verliert, wieder zurück- führen kann zu ungetrübteren Empfindungen und zu dem Be- wußtsein, ein Theil eines Ganzen zu sein, über welchem die ewige göttliche Liebe im Großen wie im Kleinen wacht. Wenn
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fallen. Und da überdies der Religionsunterricht zu denje- nigen Gegenſtänden gehört, über welche es am ſchwerſten iſt, ohne längeres und unbefangenes Nachdenken klare und ſichere Antworten zu geben, ſo iſt die Gefahr ſehr naheliegend, daß der Lehrer ſeine Schüler entweder auf ein geiſtreiches Frag- und Antwortſpiel einüben oder im Auswendiglernen des Ka- techismus nebſt Zubehör an Liedern und Sprüchen ſeine Stärke ſuchen werde.
Auch der Unterricht in der Naturgeſchichte kann in der Hand des Erziehers ein ſehr nützliches Bildungsmittel werden, wenn er dabei mit Vorliebe auf die überall ſicht- baren Spuren einer göttlichen Weisheit und Güte hin- weist, wenn er daran erinnert, wie väterlich für die Be- dürfniſſe aller Geſchöpfe geſorgt iſt und wie wunderbar der Bau und die Einrichtung derſelben ſind; wenn er ferner das Jntereſſe ſogar für die tief unter dem Menſchen ſtehen- den Thiere erweckt, indem er ihre Lebensweiſe und Gewohn- heiten ſchildert, und wenn er, indem er uns in ihre Zuſtände einführt, das menſchliche Herz zur Theilnahme und zum Mitgefühl ſtimmt; wenn er endlich nicht nur auf den reichen Segen hinweist, welcher in der Natur für das leibliche Wohl- ergehen des Menſchen ausgegoſſen iſt, ſondern uns auch daran erinnert, wie ſehr die Betrachtung der Natur, welche in ihrer erhabenen Größe und in ihrer wunderbaren Mannig- faltigkeit Zeugniß ablegt von der Größe ihres Schöpfers, unſeren Sinn von den kleinlichen Sorgen und Zwiſtigkeiten, in welchen der Menſch ſo leicht ſich verliert, wieder zurück- führen kann zu ungetrübteren Empfindungen und zu dem Be- wußtſein, ein Theil eines Ganzen zu ſein, über welchem die ewige göttliche Liebe im Großen wie im Kleinen wacht. Wenn
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fallen. Und da überdies der Religionsunterricht zu denje-
nigen Gegenſtänden gehört, über welche es am ſchwerſten iſt,
ohne längeres und unbefangenes Nachdenken klare und ſichere
Antworten zu geben, ſo iſt die Gefahr ſehr naheliegend, daß
der Lehrer ſeine Schüler entweder auf ein geiſtreiches Frag-
und Antwortſpiel einüben oder im Auswendiglernen des Ka-
techismus nebſt Zubehör an Liedern und Sprüchen ſeine
Stärke ſuchen werde.
Auch der Unterricht in der Naturgeſchichte kann in
der Hand des Erziehers ein ſehr nützliches Bildungsmittel
werden, wenn er dabei mit Vorliebe auf die überall ſicht-
baren Spuren einer göttlichen Weisheit und Güte hin-
weist, wenn er daran erinnert, wie väterlich für die Be-
dürfniſſe aller Geſchöpfe geſorgt iſt und wie wunderbar der
Bau und die Einrichtung derſelben ſind; wenn er ferner
das Jntereſſe ſogar für die tief unter dem Menſchen ſtehen-
den Thiere erweckt, indem er ihre Lebensweiſe und Gewohn-
heiten ſchildert, und wenn er, indem er uns in ihre Zuſtände
einführt, das menſchliche Herz zur Theilnahme und zum
Mitgefühl ſtimmt; wenn er endlich nicht nur auf den reichen
Segen hinweist, welcher in der Natur für das leibliche Wohl-
ergehen des Menſchen ausgegoſſen iſt, ſondern uns auch
daran erinnert, wie ſehr die Betrachtung der Natur, welche
in ihrer erhabenen Größe und in ihrer wunderbaren Mannig-
faltigkeit Zeugniß ablegt von der Größe ihres Schöpfers,
unſeren Sinn von den kleinlichen Sorgen und Zwiſtigkeiten,
in welchen der Menſch ſo leicht ſich verliert, wieder zurück-
führen kann zu ungetrübteren Empfindungen und zu dem Be-
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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/103>, abgerufen am 15.06.2024.
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