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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 60. Rudolstadt, 22. November 1847.

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[Spaltenumbruch] legen sein läßt, so genießen auch die Einwohner die Segnungen der
Freiheit unter dem Schutze einer kräftigen und gerechten Regierung.

Hr. Burroughs in London, durch dessen Vermittelung
unserm Auswanderungsbureau der bez. Auftrag zu Theil wurde,
schrieb auf besonderes Befragen an letzteres: "Alle geographischen
Schriften, die ich darüber nachgelesen habe, namentlich Guthrie,
sprechen sich außerordentlich lobend über die Bermudasinseln aus,
Unser berühmter Dichter Waller, der eine Zeitlang dort lebte
besingt sie folgendermaßen:

So sweet the air, so moderate the clime,
None sickly lives or dies besore his time,
Heaven sure has kept this spot of earth uncurst
To show how all things were created first. * )

Kurz, nach Allem, was ich durch meine langjährige Verbindung
mit jenen Jnseln und durch die vielen Reisenden, die ich darüber
gesprochen habe, weiß, möchte ich behaupten, daß es keinen herr-
lichern Fleck auf dem Erdball geben kann, als Bermuda. Unsere
Regierung hält eine wichtige Militairstation dort, wo alle Regi-
menter hingeschickt werden, deren Gesundheitszustand durch ihre
früheren Stationen gelitten hat."

Literatur.

Zwölf Paragraphen über Pauperismus und
die Mittel, ihm zu steuern. Von Theodor Hilgard
d. Aelt. Heidelberg 1847. Verlag von Julius Groos.

Der Nothschrei der Armuth, der fast aus allen Theilen Deutsch-
lands, Englands und Frankreichs ertönt, ist auch bis in den Westen
Amerika's gedrungen und hat den Verf. des vorliegenden Werk-
chens, dem ehemaligen -- irren wir uns nicht -- Appellations-
gerichtsrath Hilgard aus der bayerischen Rheinpfalz, der im Jahre
1836 nach Amerika auswanderte, und sich mit seiner Familie in
Belleville, St. Clair County, Jllinois, niederließ, die Feder
in die Hand gegeben, um Vorschläge zur Hebung des Pauperis-
mus zu thun, den er vorzüglich aus zwei Ursachen herleitet: aus
Uebervölkerung und aus einem unerhörten Mißverhält-
niß im Besitze.

Die beiden Erscheinungen der neuesten Zeit, welche das Dasein
des Nothstandes und das dringende Bedürfniß einer Abhülfe
herbeiführten: den Socialismus und den Communismus,
nennt der Verf. Schaumblasen, die eine Zeitlang auf der Ober-
fläche unserer bewegten Zeit schwimmen, dann aber in sich selbst
zerfallen. Der Socialismus, in seinen Grundzügen meist auf
schönen und theoretisch richtigen Vordersätzen beruhend, wird --
wie es auch die Erfahrung vielfach dargethan hat -- in seiner
praktischen Anwendung stets an Klippen scheitern, die er in seiner
heiligen Blindheit zu wenig beachtet, obwohl sie dem erfahrenen Auge
sichtbar genug sind; und der Communismus leidet nicht nur
an allen Mängeln, die dem Socialismus ankleben, sondern er
würde auch, vermöge seiner gewaltsamen und rechtswidrigen Ten-
denzen, nichts als ein unermeßliches Chaos von Verwirrung und
Unheil hervorbringen, wenn jemals an eine praktische Realisirung
desselben gedacht werden könnte. Beide kann man also wohl als
Beweise des Daseins der Noth und Gefahr betrachten, Heilmittel
dagegen sind sie aber nicht.

[Spaltenumbruch]

Da aber geholfen werden muß, so ist es nothwendig, auf
ausführbare Heilmittel zu sinnen, und deren glaubt der Verf.
folgende zwei gefunden zu haben:

1 ) Eine von Staatswegen geleitete und unter-
stützte Auswanderung,
die aber für sich allein bei weitem
nicht zureichen würde, und, als weit wirksamer,
2 ) Eine theilweise Abänderung der Gesetze über
Jntestat=Erbfolge.

Wenn wir die Tendenz dieses Blattes nicht außer Augen
lassen wollen, so ist es besonders das erstgenannte Mittel, die
Auswanderung,
und was der Hr. Verf. hierüber sagt,
dem wir unsere größte Aufmerksamkeit widmen müssen.

Nachdem er das "seltsame" Vorurtheil, daß die Auswande-
rung dem Staatswohle nachtheilig sei -- als ob jemals ein zu-
friedener
Mensch das Heimathland verließe, und als ob es
dem Staate vortheilhaft sein könne, von einer möglichst großen
Anzahl unzufriedener und darbender Menschen bewohnt zu werden!
-- bekämpft, und gezeigt hat, daß sowohl dringende Rücksichten
der Menschlichkeit, als auch das " wohlverstandene " Staats-
interesse zu der entgegengesetzten Tendenz führen sollten, geht er
zur Entwickelung der Art und Weise über, wie die Auswanderung
zu begünstigen sei.

Die Maßregeln selbst, welche zur Förderung und zum Schutze
der Auswanderung zu ergreifen sein dürften, bezeichnet der Verf.
uns in allgemeinen Umrissen, weil die auf diesen Gegenstand be-
züglichen Verhältnisse in den verschiedenen Ländern und Länder-
theilen sich so wenig gleichen, daß ein Eingehen auf alles Ein-
zelne nutzlos sein würde. "Zu diesen Maßregeln," heißt es S. 11,
"müßten vor Allem folgende gehören:

1 ) daß die Regierung, so weit es in ihrer Macht liegt,
alle rechtliche und factische Hindernisse hinwegräume, welche denen,
die auswandern wollen, hinsichtlich der Realisirung und des Mit-
nehmens ihres Vermögens, sowie des Vermögens ihrer mitziehen-
den Kinder im Wege stehen.
2 ) daß man ihnen gute Belehrung ertheile, -- aber nicht
solche, die aus diesem oder jenem unzuverlässigen Reiseberichte
gezogen sind, sondern solche, die von gewissenhaften und verant-
wortlichen, an Ort und Stelle befindlichen Agenten herrühren.
3 ) daß man denen, welche die nöthigen Mittel zur Bestreitung
der Reisekosten nicht besitzen, dieselben aus einem öffentlichen, hierzu
bestimmten Fonds verabreiche; oder daß man zum Transport
solcher Auswanderer nach dem Lande ihrer Wahl auf öffentliche
Kosten Schiffe ausrüste, und ihnen auf solche Weise eine freie
Ueberfahrt verschaffe.
4 ) daß man dem mittellosen Auswanderer, unmittelbar nach
seiner Ausschiffung, eine mäßige Summe einhändige, um ihn in
der ersten Zeit -- die immer die härteste ist -- vor Elend und
Entwürdigung zu schützen, bis er Zeit gehabt, sich zurecht zu finden
und nach einem Erwerbszweige sich umzusehen.
5 ) daß der Auswanderer am Ort seiner Ausschiffung einen
diplomatischen Agenten seines Heimathlandes finde, den er nöthigen-
falls um Schutz und Rath angehen könne.
6 ) daß überhaupt die Regierung, welche auf solche Weise
die Auswanderung befördert und leitet, sich mit der Regierung des
Landes, dem die neuen Bewohner zugeführt werden, hinsichtlich
dieses Gegenstandes vorläufig verständige, um das Loos der Ein-
wandernden möglichst zu sichern und die ganze Maßregel in ihrem
rechten Lichte erscheinen zu lassen."

Diese sind die positiven Maßregeln, zu welchen der Hr.
Verf. räth, und ebenso dringend empfiehlt er die negativen,
daß man die Auswanderung nämlich als eine Privatsache des
Jndividuums betrachten und sich keine Bevormundung seiner er-
lauben, d. h. ihm nicht von oben her vorschreiben möge, wohin

* ) " So sanft die Luft, so mild der Himmel; nie Krankheit, nur das
Alter bringt den Tod. Der Himmel sicherlich ließ ohne Fluch dieß Eiland
als Zeuge uns, wie schön die Erde bei der Schöpfung war."

[Spaltenumbruch] legen sein läßt, so genießen auch die Einwohner die Segnungen der
Freiheit unter dem Schutze einer kräftigen und gerechten Regierung.

Hr. Burroughs in London, durch dessen Vermittelung
unserm Auswanderungsbureau der bez. Auftrag zu Theil wurde,
schrieb auf besonderes Befragen an letzteres: „Alle geographischen
Schriften, die ich darüber nachgelesen habe, namentlich Guthrie,
sprechen sich außerordentlich lobend über die Bermudasinseln aus,
Unser berühmter Dichter Waller, der eine Zeitlang dort lebte
besingt sie folgendermaßen:

So sweet the air, so moderate the clime,
None sickly lives or dies beſore his time,
Heaven sure has kept this spot of earth uncurst
To show how all things were created first. * )

Kurz, nach Allem, was ich durch meine langjährige Verbindung
mit jenen Jnseln und durch die vielen Reisenden, die ich darüber
gesprochen habe, weiß, möchte ich behaupten, daß es keinen herr-
lichern Fleck auf dem Erdball geben kann, als Bermuda. Unsere
Regierung hält eine wichtige Militairstation dort, wo alle Regi-
menter hingeschickt werden, deren Gesundheitszustand durch ihre
früheren Stationen gelitten hat.“

Literatur.

Zwölf Paragraphen über Pauperismus und
die Mittel, ihm zu steuern. Von Theodor Hilgard
d. Aelt. Heidelberg 1847. Verlag von Julius Groos.

Der Nothschrei der Armuth, der fast aus allen Theilen Deutsch-
lands, Englands und Frankreichs ertönt, ist auch bis in den Westen
Amerika's gedrungen und hat den Verf. des vorliegenden Werk-
chens, dem ehemaligen -- irren wir uns nicht -- Appellations-
gerichtsrath Hilgard aus der bayerischen Rheinpfalz, der im Jahre
1836 nach Amerika auswanderte, und sich mit seiner Familie in
Belleville, St. Clair County, Jllinois, niederließ, die Feder
in die Hand gegeben, um Vorschläge zur Hebung des Pauperis-
mus zu thun, den er vorzüglich aus zwei Ursachen herleitet: aus
Uebervölkerung und aus einem unerhörten Mißverhält-
niß im Besitze.

Die beiden Erscheinungen der neuesten Zeit, welche das Dasein
des Nothstandes und das dringende Bedürfniß einer Abhülfe
herbeiführten: den Socialismus und den Communismus,
nennt der Verf. Schaumblasen, die eine Zeitlang auf der Ober-
fläche unserer bewegten Zeit schwimmen, dann aber in sich selbst
zerfallen. Der Socialismus, in seinen Grundzügen meist auf
schönen und theoretisch richtigen Vordersätzen beruhend, wird --
wie es auch die Erfahrung vielfach dargethan hat -- in seiner
praktischen Anwendung stets an Klippen scheitern, die er in seiner
heiligen Blindheit zu wenig beachtet, obwohl sie dem erfahrenen Auge
sichtbar genug sind; und der Communismus leidet nicht nur
an allen Mängeln, die dem Socialismus ankleben, sondern er
würde auch, vermöge seiner gewaltsamen und rechtswidrigen Ten-
denzen, nichts als ein unermeßliches Chaos von Verwirrung und
Unheil hervorbringen, wenn jemals an eine praktische Realisirung
desselben gedacht werden könnte. Beide kann man also wohl als
Beweise des Daseins der Noth und Gefahr betrachten, Heilmittel
dagegen sind sie aber nicht.

[Spaltenumbruch]

Da aber geholfen werden muß, so ist es nothwendig, auf
ausführbare Heilmittel zu sinnen, und deren glaubt der Verf.
folgende zwei gefunden zu haben:

1 ) Eine von Staatswegen geleitete und unter-
stützte Auswanderung,
die aber für sich allein bei weitem
nicht zureichen würde, und, als weit wirksamer,
2 ) Eine theilweise Abänderung der Gesetze über
Jntestat=Erbfolge.

Wenn wir die Tendenz dieses Blattes nicht außer Augen
lassen wollen, so ist es besonders das erstgenannte Mittel, die
Auswanderung,
und was der Hr. Verf. hierüber sagt,
dem wir unsere größte Aufmerksamkeit widmen müssen.

Nachdem er das „seltsame“ Vorurtheil, daß die Auswande-
rung dem Staatswohle nachtheilig sei -- als ob jemals ein zu-
friedener
Mensch das Heimathland verließe, und als ob es
dem Staate vortheilhaft sein könne, von einer möglichst großen
Anzahl unzufriedener und darbender Menschen bewohnt zu werden!
-- bekämpft, und gezeigt hat, daß sowohl dringende Rücksichten
der Menschlichkeit, als auch das „ wohlverstandene “ Staats-
interesse zu der entgegengesetzten Tendenz führen sollten, geht er
zur Entwickelung der Art und Weise über, wie die Auswanderung
zu begünstigen sei.

Die Maßregeln selbst, welche zur Förderung und zum Schutze
der Auswanderung zu ergreifen sein dürften, bezeichnet der Verf.
uns in allgemeinen Umrissen, weil die auf diesen Gegenstand be-
züglichen Verhältnisse in den verschiedenen Ländern und Länder-
theilen sich so wenig gleichen, daß ein Eingehen auf alles Ein-
zelne nutzlos sein würde. „Zu diesen Maßregeln,“ heißt es S. 11,
„müßten vor Allem folgende gehören:

1 ) daß die Regierung, so weit es in ihrer Macht liegt,
alle rechtliche und factische Hindernisse hinwegräume, welche denen,
die auswandern wollen, hinsichtlich der Realisirung und des Mit-
nehmens ihres Vermögens, sowie des Vermögens ihrer mitziehen-
den Kinder im Wege stehen.
2 ) daß man ihnen gute Belehrung ertheile, -- aber nicht
solche, die aus diesem oder jenem unzuverlässigen Reiseberichte
gezogen sind, sondern solche, die von gewissenhaften und verant-
wortlichen, an Ort und Stelle befindlichen Agenten herrühren.
3 ) daß man denen, welche die nöthigen Mittel zur Bestreitung
der Reisekosten nicht besitzen, dieselben aus einem öffentlichen, hierzu
bestimmten Fonds verabreiche; oder daß man zum Transport
solcher Auswanderer nach dem Lande ihrer Wahl auf öffentliche
Kosten Schiffe ausrüste, und ihnen auf solche Weise eine freie
Ueberfahrt verschaffe.
4 ) daß man dem mittellosen Auswanderer, unmittelbar nach
seiner Ausschiffung, eine mäßige Summe einhändige, um ihn in
der ersten Zeit -- die immer die härteste ist -- vor Elend und
Entwürdigung zu schützen, bis er Zeit gehabt, sich zurecht zu finden
und nach einem Erwerbszweige sich umzusehen.
5 ) daß der Auswanderer am Ort seiner Ausschiffung einen
diplomatischen Agenten seines Heimathlandes finde, den er nöthigen-
falls um Schutz und Rath angehen könne.
6 ) daß überhaupt die Regierung, welche auf solche Weise
die Auswanderung befördert und leitet, sich mit der Regierung des
Landes, dem die neuen Bewohner zugeführt werden, hinsichtlich
dieses Gegenstandes vorläufig verständige, um das Loos der Ein-
wandernden möglichst zu sichern und die ganze Maßregel in ihrem
rechten Lichte erscheinen zu lassen.“

Diese sind die positiven Maßregeln, zu welchen der Hr.
Verf. räth, und ebenso dringend empfiehlt er die negativen,
daß man die Auswanderung nämlich als eine Privatsache des
Jndividuums betrachten und sich keine Bevormundung seiner er-
lauben, d. h. ihm nicht von oben her vorschreiben möge, wohin

* ) „ So sanft die Luft, so mild der Himmel; nie Krankheit, nur das
Alter bringt den Tod. Der Himmel sicherlich ließ ohne Fluch dieß Eiland
als Zeuge uns, wie schön die Erde bei der Schöpfung war.“
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Unsere Regierung hält eine wichtige Militairstation dort, wo alle Regi- menter hingeschickt werden, deren Gesundheitszustand durch ihre früheren Stationen gelitten hat.“ Literatur. Zwölf Paragraphen über Pauperismus und die Mittel, ihm zu steuern. Von Theodor Hilgard d. Aelt. Heidelberg 1847. Verlag von Julius Groos. Der Nothschrei der Armuth, der fast aus allen Theilen Deutsch- lands, Englands und Frankreichs ertönt, ist auch bis in den Westen Amerika's gedrungen und hat den Verf. des vorliegenden Werk- chens, dem ehemaligen -- irren wir uns nicht -- Appellations- gerichtsrath Hilgard aus der bayerischen Rheinpfalz, der im Jahre 1836 nach Amerika auswanderte, und sich mit seiner Familie in Belleville, St. Clair County, Jllinois, niederließ, die Feder in die Hand gegeben, um Vorschläge zur Hebung des Pauperis- mus zu thun, den er vorzüglich aus zwei Ursachen herleitet: aus Uebervölkerung und aus einem unerhörten Mißverhält- niß im Besitze. Die beiden Erscheinungen der neuesten Zeit, welche das Dasein des Nothstandes und das dringende Bedürfniß einer Abhülfe herbeiführten: den Socialismus und den Communismus, nennt der Verf. Schaumblasen, die eine Zeitlang auf der Ober- fläche unserer bewegten Zeit schwimmen, dann aber in sich selbst zerfallen. Der Socialismus, in seinen Grundzügen meist auf schönen und theoretisch richtigen Vordersätzen beruhend, wird -- wie es auch die Erfahrung vielfach dargethan hat -- in seiner praktischen Anwendung stets an Klippen scheitern, die er in seiner heiligen Blindheit zu wenig beachtet, obwohl sie dem erfahrenen Auge sichtbar genug sind; und der Communismus leidet nicht nur an allen Mängeln, die dem Socialismus ankleben, sondern er würde auch, vermöge seiner gewaltsamen und rechtswidrigen Ten- denzen, nichts als ein unermeßliches Chaos von Verwirrung und Unheil hervorbringen, wenn jemals an eine praktische Realisirung desselben gedacht werden könnte. Beide kann man also wohl als Beweise des Daseins der Noth und Gefahr betrachten, Heilmittel dagegen sind sie aber nicht. Da aber geholfen werden muß, so ist es nothwendig, auf ausführbare Heilmittel zu sinnen, und deren glaubt der Verf. folgende zwei gefunden zu haben: 1 ) Eine von Staatswegen geleitete und unter- stützte Auswanderung, die aber für sich allein bei weitem nicht zureichen würde, und, als weit wirksamer, 2 ) Eine theilweise Abänderung der Gesetze über Jntestat=Erbfolge. Wenn wir die Tendenz dieses Blattes nicht außer Augen lassen wollen, so ist es besonders das erstgenannte Mittel, die Auswanderung, und was der Hr. Verf. hierüber sagt, dem wir unsere größte Aufmerksamkeit widmen müssen. Nachdem er das „seltsame“ Vorurtheil, daß die Auswande- rung dem Staatswohle nachtheilig sei -- als ob jemals ein zu- friedener Mensch das Heimathland verließe, und als ob es dem Staate vortheilhaft sein könne, von einer möglichst großen Anzahl unzufriedener und darbender Menschen bewohnt zu werden! -- bekämpft, und gezeigt hat, daß sowohl dringende Rücksichten der Menschlichkeit, als auch das „ wohlverstandene “ Staats- interesse zu der entgegengesetzten Tendenz führen sollten, geht er zur Entwickelung der Art und Weise über, wie die Auswanderung zu begünstigen sei. Die Maßregeln selbst, welche zur Förderung und zum Schutze der Auswanderung zu ergreifen sein dürften, bezeichnet der Verf. uns in allgemeinen Umrissen, weil die auf diesen Gegenstand be- züglichen Verhältnisse in den verschiedenen Ländern und Länder- theilen sich so wenig gleichen, daß ein Eingehen auf alles Ein- zelne nutzlos sein würde. „Zu diesen Maßregeln,“ heißt es S. 11, „müßten vor Allem folgende gehören: 1 ) daß die Regierung, so weit es in ihrer Macht liegt, alle rechtliche und factische Hindernisse hinwegräume, welche denen, die auswandern wollen, hinsichtlich der Realisirung und des Mit- nehmens ihres Vermögens, sowie des Vermögens ihrer mitziehen- den Kinder im Wege stehen. 2 ) daß man ihnen gute Belehrung ertheile, -- aber nicht solche, die aus diesem oder jenem unzuverlässigen Reiseberichte gezogen sind, sondern solche, die von gewissenhaften und verant- wortlichen, an Ort und Stelle befindlichen Agenten herrühren. 3 ) daß man denen, welche die nöthigen Mittel zur Bestreitung der Reisekosten nicht besitzen, dieselben aus einem öffentlichen, hierzu bestimmten Fonds verabreiche; oder daß man zum Transport solcher Auswanderer nach dem Lande ihrer Wahl auf öffentliche Kosten Schiffe ausrüste, und ihnen auf solche Weise eine freie Ueberfahrt verschaffe. 4 ) daß man dem mittellosen Auswanderer, unmittelbar nach seiner Ausschiffung, eine mäßige Summe einhändige, um ihn in der ersten Zeit -- die immer die härteste ist -- vor Elend und Entwürdigung zu schützen, bis er Zeit gehabt, sich zurecht zu finden und nach einem Erwerbszweige sich umzusehen. 5 ) daß der Auswanderer am Ort seiner Ausschiffung einen diplomatischen Agenten seines Heimathlandes finde, den er nöthigen- falls um Schutz und Rath angehen könne. 6 ) daß überhaupt die Regierung, welche auf solche Weise die Auswanderung befördert und leitet, sich mit der Regierung des Landes, dem die neuen Bewohner zugeführt werden, hinsichtlich dieses Gegenstandes vorläufig verständige, um das Loos der Ein- wandernden möglichst zu sichern und die ganze Maßregel in ihrem rechten Lichte erscheinen zu lassen.“ Diese sind die positiven Maßregeln, zu welchen der Hr. Verf. räth, und ebenso dringend empfiehlt er die negativen, daß man die Auswanderung nämlich als eine Privatsache des Jndividuums betrachten und sich keine Bevormundung seiner er- lauben, d. h. ihm nicht von oben her vorschreiben möge, wohin * ) „ So sanft die Luft, so mild der Himmel; nie Krankheit, nur das Alter bringt den Tod. Der Himmel sicherlich ließ ohne Fluch dieß Eiland als Zeuge uns, wie schön die Erde bei der Schöpfung war.“

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 60. Rudolstadt, 22. November 1847, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer60_1847/2>, abgerufen am 27.04.2024.