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[Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603.

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Dagegen aber weren etliche Sünde so gros vnd schwer / daß sie durch den Glauben vmb des HErrn Christi willen nicht könten vergeben werden / Daher sie auch Mortalia oder Todsünde genennet würden. Denn nach laut des Gesetzes ist keine Sünde für sich Veniale, der Vergebung der Sünden werth / sondern vber jede vnd alle Sünde spricht Gott in seinem Gericht dis Vrteil / Verflucht sey jederman / der nicht bleibet in allem / was das Gesetz saget. Item / So jemand das gantze Gesetze helt / vnd sündiget an einem / der ists gantz schüldig. Das Euangelium aber lehret / daß keine Sünde so gros sey / die nicht denen / so Busse thun / vnd an Christum gleuben / vmb des HErrn Christi willen vergeben werden könne.

So ist nu das der rechte Verstandt angeregtes vnterscheides / daß in den vnbekerten oder vngleubigen alle vnd jede Sünde tödtlich seyn / Denn wer nicht an den Sohn Gottes gleubet / vber dem bleibet der Zorn Gottes / Johan. 3. Aber in den bekehrten oder gleubigen (nach dem sie entweder in der Busse vnd im Glauben bleiben oder nicht) die Sünde also vnterschieden werden / daß etliche sind Venialia, tegliche / Etliche aber Mortalia, tödliche. Denn in den bekehrten oder gleubigen sind etliche Sünde / bey welchen Busse vnd Glauben stehen / vnd der H. Geist bleiben kan / Als nemlich / Wenn Concupiscentia, die bösen Lüste der Erbsünde / in vnserm sterblichen Leibe sich regen / Vnd aber die gleubigen solche Vnreinigkeit erkennen vnd beklagen / wieder dieselben auch durch den heiligen Geist streiten / solche gescheffte des Fleisches tödten / lassen auch dieselbigen nicht in jhrem sterblichen Leibe herrschen / vnd ins Werck kommen / in wahrer Busse bleiben / vnd dabey ernstlich beten / daß Gott jhnen dieselbigen nicht wolte zurechnen / sondern durch Christum zudecken. So haben vnd behalten dieselben Leute trawen auch den Glauben / Wo in wahrer Busse der Glaube Christum suchet vnd ergreiffet / da ist vnd bleibet auch die Gnade Gottes / Gerechtigkeit vnd Seligkeit. Vnd darumb werden solche Sünde Venialia genennet / welche den gleubigen nicht zugerechnet werden / Sondern bey denselbigen GOttes Gnade behalten / Nicht aber daher / daß solche Sünde für sich vnd jhrer art nach so gering / oder der Gnaden werth weren / Sondern darumb / daß die Person in wahrer Busse den Glauben an CHristum hat vnd behelt / wie Paulus spricht / Roma. 8. Es ist nichts Verdamliches an denen / die in Christo Jesu sind.

Es sind aber auch etliche Sünde / wenn die gleubige Personen darein fallen / so verlieren sie darüber vnd dadurch die Gnade Gottes / Gerechtigkeit vnd Seligkeit / vnd machen sich der ewigen Ver-

Dagegen aber weren etliche Sünde so gros vnd schwer / daß sie durch den Glauben vmb des HErrn Christi willen nicht könten vergeben werden / Daher sie auch Mortalia oder Todsünde genennet würden. Denn nach laut des Gesetzes ist keine Sünde für sich Veniale, der Vergebung der Sünden werth / sondern vber jede vnd alle Sünde spricht Gott in seinem Gericht dis Vrteil / Verflucht sey jederman / der nicht bleibet in allem / was das Gesetz saget. Item / So jemand das gantze Gesetze helt / vnd sündiget an einem / der ists gantz schüldig. Das Euangelium aber lehret / daß keine Sünde so gros sey / die nicht denen / so Busse thun / vnd an Christum gleuben / vmb des HErrn Christi willen vergeben werden könne.

So ist nu das der rechte Verstandt angeregtes vnterscheides / daß in den vnbekerten oder vngleubigen alle vnd jede Sünde tödtlich seyn / Denn wer nicht an den Sohn Gottes gleubet / vber dem bleibet der Zorn Gottes / Johan. 3. Aber in den bekehrten oder gleubigen (nach dem sie entweder in der Busse vnd im Glauben bleiben oder nicht) die Sünde also vnterschieden werden / daß etliche sind Venialia, tegliche / Etliche aber Mortalia, tödliche. Denn in den bekehrten oder gleubigen sind etliche Sünde / bey welchen Busse vnd Glauben stehen / vnd der H. Geist bleiben kan / Als nemlich / Wenn Concupiscentia, die bösen Lüste der Erbsünde / in vnserm sterblichen Leibe sich regen / Vnd aber die gleubigen solche Vnreinigkeit erkennen vnd beklagen / wieder dieselben auch durch den heiligen Geist streiten / solche gescheffte des Fleisches tödten / lassen auch dieselbigen nicht in jhrem sterblichen Leibe herrschen / vnd ins Werck kommen / in wahrer Busse bleiben / vnd dabey ernstlich beten / daß Gott jhnen dieselbigen nicht wolte zurechnen / sondern durch Christum zudecken. So haben vnd behalten dieselben Leute trawen auch den Glauben / Wo in wahrer Busse der Glaube Christum suchet vnd ergreiffet / da ist vnd bleibet auch die Gnade Gottes / Gerechtigkeit vnd Seligkeit. Vnd darumb werden solche Sünde Venialia genennet / welche den gleubigen nicht zugerechnet werden / Sondern bey denselbigen GOttes Gnade behalten / Nicht aber daher / daß solche Sünde für sich vnd jhrer art nach so gering / oder der Gnaden werth weren / Sondern darumb / daß die Person in wahrer Busse den Glauben an CHristum hat vnd behelt / wie Paulus spricht / Roma. 8. Es ist nichts Verdamliches an denen / die in Christo Jesu sind.

Es sind aber auch etliche Sünde / wenn die gleubige Personen darein fallen / so verlieren sie darüber vnd dadurch die Gnade Gottes / Gerechtigkeit vnd Seligkeit / vnd machen sich der ewigen Ver-

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[104/0772] Dagegen aber weren etliche Sünde so gros vnd schwer / daß sie durch den Glauben vmb des HErrn Christi willen nicht könten vergeben werden / Daher sie auch Mortalia oder Todsünde genennet würden. Denn nach laut des Gesetzes ist keine Sünde für sich Veniale, der Vergebung der Sünden werth / sondern vber jede vnd alle Sünde spricht Gott in seinem Gericht dis Vrteil / Verflucht sey jederman / der nicht bleibet in allem / was das Gesetz saget. Item / So jemand das gantze Gesetze helt / vnd sündiget an einem / der ists gantz schüldig. Das Euangelium aber lehret / daß keine Sünde so gros sey / die nicht denen / so Busse thun / vnd an Christum gleuben / vmb des HErrn Christi willen vergeben werden könne. So ist nu das der rechte Verstandt angeregtes vnterscheides / daß in den vnbekerten oder vngleubigen alle vnd jede Sünde tödtlich seyn / Denn wer nicht an den Sohn Gottes gleubet / vber dem bleibet der Zorn Gottes / Johan. 3. Aber in den bekehrten oder gleubigen (nach dem sie entweder in der Busse vnd im Glauben bleiben oder nicht) die Sünde also vnterschieden werden / daß etliche sind Venialia, tegliche / Etliche aber Mortalia, tödliche. Denn in den bekehrten oder gleubigen sind etliche Sünde / bey welchen Busse vnd Glauben stehen / vnd der H. Geist bleiben kan / Als nemlich / Wenn Concupiscentia, die bösen Lüste der Erbsünde / in vnserm sterblichen Leibe sich regen / Vnd aber die gleubigen solche Vnreinigkeit erkennen vnd beklagen / wieder dieselben auch durch den heiligen Geist streiten / solche gescheffte des Fleisches tödten / lassen auch dieselbigen nicht in jhrem sterblichen Leibe herrschen / vnd ins Werck kommen / in wahrer Busse bleiben / vnd dabey ernstlich beten / daß Gott jhnen dieselbigen nicht wolte zurechnen / sondern durch Christum zudecken. So haben vnd behalten dieselben Leute trawen auch den Glauben / Wo in wahrer Busse der Glaube Christum suchet vnd ergreiffet / da ist vnd bleibet auch die Gnade Gottes / Gerechtigkeit vnd Seligkeit. Vnd darumb werden solche Sünde Venialia genennet / welche den gleubigen nicht zugerechnet werden / Sondern bey denselbigen GOttes Gnade behalten / Nicht aber daher / daß solche Sünde für sich vnd jhrer art nach so gering / oder der Gnaden werth weren / Sondern darumb / daß die Person in wahrer Busse den Glauben an CHristum hat vnd behelt / wie Paulus spricht / Roma. 8. Es ist nichts Verdamliches an denen / die in Christo Jesu sind. Es sind aber auch etliche Sünde / wenn die gleubige Personen darein fallen / so verlieren sie darüber vnd dadurch die Gnade Gottes / Gerechtigkeit vnd Seligkeit / vnd machen sich der ewigen Ver-

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Zitationshilfe: [Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/772>, abgerufen am 01.05.2024.