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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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und presste die Kaufmannschafft mit den unerträglichsten Abgaben, daß sie
diesen Ort zu verlassen, und den Handel nach Amsterdam zuziehen be-
wogen wurde.
Bingley.
Jn was vor einem Zustande aber war damahls Amsterdam?
Mercanto.
Jn einem solchen, wie Städte, welche keine rechte Nahrung haben, zu
seyn pflegen, und dennoch ist sie ihres elenden Anfangs ungeachtet, zu einer
solchen Macht gediehen, daß sie der vornehmsten Stadt in der Welt den
Vorzug streitig machen kan. Jhr Anfang war allerdings elende, denn ein
paar hundert arme Fischer und Hirten bauten so viel kleine Hütten an
diesen Ort, welcher nach und nach grösser, und von dem Gieselbart von Am-
stel,
dem er eigenthümlich gehörte, und biß jetzo noch seinen Nahmen
fortführet, mit Brücken und Graben versehen, und zu einem Städtgen ge-
macht wurde. Graf Wilhelm von Holland gab ihm 1342. die wichtig-
sten Freyheiten, daß es sich hernach zu den Hansee-Städten rechnete, und
von Kayser Maximilian. 1482. eine Ringmauer bekam, biß es 1585.
wie oben gemeldet, durch die Ankunfft der Antwerper einen grossen Zuwachs
erhalten, und sich nach und nach zu derjenigen Hoheit, worinnen man sie
jetzo bewundert, erhoben hat.
Bingley.
Auf was Art ist denn die Handlung der Herrn Holländer in solchem
Flor gekommen, und wie ist es möglich gewesen, die entlegensten Länder in
Zaum zu halten?
Mercanto.
Glück und Geschicklichkeit nebst Geld und Waffen sind ohnfehlbar die
sichersten Mittel dazu. Den Anfang haben die Spanier gemacht, da sie
die wiederspenstigen Niederlande auf einmahl zu Grund zu richten meynten,
und ihnen zu dem Ende den Handel nach Jndien untersagten. Dieses
brachte sie zur Verzweifelung, daß sie den Spaniern zum Trotz den Weg
dahin suchten, und zu deren unaussprechlichen Schaden sich bißher darinnen
geschützet. Sie richteten nach der gesperreten Handlung die weltberühm-
te Ost-Jndianische Gesellschafft auf, welche 1602. ihre völlige Freyheit
erhielte, nach Ost-Jndien zu handeln. Es wurden vier Kammern, zu
Amsterdam, Delfft, Rotterdam, und Enckhuysen aufgerichtet, über
welche 60. Directeurs bestellt seyn, die alle 10. Jahr ihre Rechnungen abzu-
legen haben. Diese Compagnie hat sich so ausgebreitet daß sie mehr Mei-
len
in den Jndianischen Ländern, als hieraussen Ellen besitzet. Die Re-
gie-
B
und preſſte die Kaufmannſchafft mit den unertraͤglichſten Abgaben, daß ſie
dieſen Ort zu verlaſſen, und den Handel nach Amſterdam zuziehen be-
wogen wurde.
Bingley.
Jn was vor einem Zuſtande aber war damahls Amſterdam?
Mercanto.
Jn einem ſolchen, wie Staͤdte, welche keine rechte Nahrung haben, zu
ſeyn pflegen, und dennoch iſt ſie ihres elenden Anfangs ungeachtet, zu einer
ſolchen Macht gediehen, daß ſie der vornehmſten Stadt in der Welt den
Vorzug ſtreitig machen kan. Jhr Anfang war allerdings elende, denn ein
paar hundert arme Fiſcher und Hirten bauten ſo viel kleine Huͤtten an
dieſen Ort, welcher nach und nach groͤſſer, und von dem Gieſelbart von Am-
ſtel,
dem er eigenthuͤmlich gehoͤrte, und biß jetzo noch ſeinen Nahmen
fortfuͤhret, mit Bruͤcken und Graben verſehen, und zu einem Staͤdtgen ge-
macht wurde. Graf Wilhelm von Holland gab ihm 1342. die wichtig-
ſten Freyheiten, daß es ſich hernach zu den Hanſee-Staͤdten rechnete, und
von Kayſer Maximilian. 1482. eine Ringmauer bekam, biß es 1585.
wie oben gemeldet, durch die Ankunfft der Antwerper einen groſſen Zuwachs
erhalten, und ſich nach und nach zu derjenigen Hoheit, worinnen man ſie
jetzo bewundert, erhoben hat.
Bingley.
Auf was Art iſt denn die Handlung der Herrn Hollaͤnder in ſolchem
Flor gekommen, und wie iſt es moͤglich geweſen, die entlegenſten Laͤnder in
Zaum zu halten?
Mercanto.
Gluͤck und Geſchicklichkeit nebſt Geld und Waffen ſind ohnfehlbar die
ſicherſten Mittel dazu. Den Anfang haben die Spanier gemacht, da ſie
die wiederſpenſtigen Niederlande auf einmahl zu Grund zu richten meynten,
und ihnen zu dem Ende den Handel nach Jndien unterſagten. Dieſes
brachte ſie zur Verzweifelung, daß ſie den Spaniern zum Trotz den Weg
dahin ſuchten, und zu deren unausſprechlichen Schaden ſich bißher darinnen
geſchuͤtzet. Sie richteten nach der geſperreten Handlung die weltberuͤhm-
te Oſt-Jndianiſche Geſellſchafft auf, welche 1602. ihre voͤllige Freyheit
erhielte, nach Oſt-Jndien zu handeln. Es wurden vier Kammern, zu
Amſterdam, Delfft, Rotterdam, und Enckhuyſen aufgerichtet, uͤber
welche 60. Directeurs beſtellt ſeyn, die alle 10. Jahr ihre Rechnungen abzu-
legen haben. Dieſe Compagnie hat ſich ſo ausgebreitet daß ſie mehr Mei-
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in den Jndianiſchen Laͤndern, als hierauſſen Ellen beſitzet. Die Re-
gie-
B
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[9/0019] und preſſte die Kaufmannſchafft mit den unertraͤglichſten Abgaben, daß ſie dieſen Ort zu verlaſſen, und den Handel nach Amſterdam zuziehen be- wogen wurde. Bingley. Jn was vor einem Zuſtande aber war damahls Amſterdam? Mercanto. Jn einem ſolchen, wie Staͤdte, welche keine rechte Nahrung haben, zu ſeyn pflegen, und dennoch iſt ſie ihres elenden Anfangs ungeachtet, zu einer ſolchen Macht gediehen, daß ſie der vornehmſten Stadt in der Welt den Vorzug ſtreitig machen kan. Jhr Anfang war allerdings elende, denn ein paar hundert arme Fiſcher und Hirten bauten ſo viel kleine Huͤtten an dieſen Ort, welcher nach und nach groͤſſer, und von dem Gieſelbart von Am- ſtel, dem er eigenthuͤmlich gehoͤrte, und biß jetzo noch ſeinen Nahmen fortfuͤhret, mit Bruͤcken und Graben verſehen, und zu einem Staͤdtgen ge- macht wurde. Graf Wilhelm von Holland gab ihm 1342. die wichtig- ſten Freyheiten, daß es ſich hernach zu den Hanſee-Staͤdten rechnete, und von Kayſer Maximilian. 1482. eine Ringmauer bekam, biß es 1585. wie oben gemeldet, durch die Ankunfft der Antwerper einen groſſen Zuwachs erhalten, und ſich nach und nach zu derjenigen Hoheit, worinnen man ſie jetzo bewundert, erhoben hat. Bingley. Auf was Art iſt denn die Handlung der Herrn Hollaͤnder in ſolchem Flor gekommen, und wie iſt es moͤglich geweſen, die entlegenſten Laͤnder in Zaum zu halten? Mercanto. Gluͤck und Geſchicklichkeit nebſt Geld und Waffen ſind ohnfehlbar die ſicherſten Mittel dazu. Den Anfang haben die Spanier gemacht, da ſie die wiederſpenſtigen Niederlande auf einmahl zu Grund zu richten meynten, und ihnen zu dem Ende den Handel nach Jndien unterſagten. Dieſes brachte ſie zur Verzweifelung, daß ſie den Spaniern zum Trotz den Weg dahin ſuchten, und zu deren unausſprechlichen Schaden ſich bißher darinnen geſchuͤtzet. Sie richteten nach der geſperreten Handlung die weltberuͤhm- te Oſt-Jndianiſche Geſellſchafft auf, welche 1602. ihre voͤllige Freyheit erhielte, nach Oſt-Jndien zu handeln. Es wurden vier Kammern, zu Amſterdam, Delfft, Rotterdam, und Enckhuyſen aufgerichtet, uͤber welche 60. Directeurs beſtellt ſeyn, die alle 10. Jahr ihre Rechnungen abzu- legen haben. Dieſe Compagnie hat ſich ſo ausgebreitet daß ſie mehr Mei- len in den Jndianiſchen Laͤndern, als hierauſſen Ellen beſitzet. Die Re- gie- B

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/19>, abgerufen am 05.05.2024.