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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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Wilhelms Tode keinen wider erwehlet, weil sie in der Meynung stehen, als
wenn sie sonst viel eher in Kriege verwickelt würden. Jhre Macht zur See
ist noch ansehnlicher als die zu Lande. Denn ohne zu gedencken, von
demjenigen, was sie in Ost-Jndien an Schiffen haben, womit sie wohl
ehemahls den grossen Mogul, den Kayser von Java, und andre Asi-
atische Potentaten zu Paaren getrieben, auch den Portugiesen ihre beste
Länder weggenommen haben, so will ich nur mit ein paar Worten von ihrer
See-Macht hier zu Lande reden. Es ist ein gemeines Sprichwort: daß
in Holland alleine mehr Schiffe wären als in der gantzen Welt
zusammen,
welches man aber auch bedachtsam nachreden muß, indem die
Schiffe von vielerley Art sind. Nun mag wohl das seine Richtigkeit haben,
daß in keinem Land so viel Barquen, Treckschuyten, und andere kleine
Fahrzeuge
sind, sintemahl fast kein Bauer ist, der nicht ein paar Bar-
quen habe, und seine Sachen, so er zu verkaufen hat, vermittelst der häufigen
Canäle darauf zu Marckte bringt, wenn man aber dieses Sprichwort von
Kriegs-Schiffen verstehen wolte, so wär es wider die offenbare Wahr-
heit gehandelt. Denn ob wohl Holland sich mit Spanien, Engelland
und Schweden
in See Gefechte eingelassen, und zum Theil dabey die
Oberhand gewonnen hat, so ist doch die Flotte des eintzigen Großbrittan-
niens
weit zahlreicher, als der Holländer ihre. Denn zu Anfang dieses
Jahres kam in Engelland eine Liste von den paratseyenden Kriegs-Schif-
fen
hervor, welche sich auf 200. beliefen, und wegen ihrer Geschicklichkeit
und Menge dem gantzen Europä Furcht einzujagen vermögend sind. Die
Holländer können aber doch wenigstens 70. biß 80. Schiffe von der Linie in
See stellen, welche Macht schon Franckreich und Spanien in Zaum zu halten
im Stande ist. Wiewohl man eben dieses in der Politique nicht zu billigen
pflegt, daß die Holländer den Spaniern die Waffen, womit sie selbst bestrit-
ten werden, in die Hände geben. Denn weil die Spanier gröstentheils ein
schläffriges Temperament haben, und lieber Schildwache stehen, als arbeiten,
so bauen sie wenig oder gar keine Schiffe, ob sie gleich fast alle Materialien
dazu im Lande haben, sondern kaufen sie lieber von den Holländern, welche sie
ihnen denn vor wichtige Bezahlung geben, und bey ereignetem Krieg wider ab-
nehmen. Dieses eintzige will ich nur hiervon noch gedencken, daß die Bauern
in dem Dorfe Sardan, so eine Stunde von Amsterdam liegt, die Schiff-
Baukunst
so vollkommen verstehen, daß wenn man es ihnen zwey Monat
voraus sagt, um Materialien anzuschaffen, sie hernach in jeder Woche, so in
den 10. übrigen Monaten des Jahrs begriffen sind, ein seegelfertiges Kriegs-
Schiff bauen können.
Bingley.
Wilhelms Tode keinen wider erwehlet, weil ſie in der Meynung ſtehen, als
wenn ſie ſonſt viel eher in Kriege verwickelt wuͤrden. Jhre Macht zur See
iſt noch anſehnlicher als die zu Lande. Denn ohne zu gedencken, von
demjenigen, was ſie in Oſt-Jndien an Schiffen haben, womit ſie wohl
ehemahls den groſſen Mogul, den Kayſer von Java, und andre Aſi-
atiſche Potentaten zu Paaren getrieben, auch den Portugieſen ihre beſte
Laͤnder weggenommen haben, ſo will ich nur mit ein paar Worten von ihrer
See-Macht hier zu Lande reden. Es iſt ein gemeines Sprichwort: daß
in Holland alleine mehr Schiffe waͤren als in der gantzen Welt
zuſammen,
welches man aber auch bedachtſam nachreden muß, indem die
Schiffe von vielerley Art ſind. Nun mag wohl das ſeine Richtigkeit haben,
daß in keinem Land ſo viel Barquen, Treckſchuyten, und andere kleine
Fahrzeuge
ſind, ſintemahl faſt kein Bauer iſt, der nicht ein paar Bar-
quen habe, und ſeine Sachen, ſo er zu verkaufen hat, vermittelſt der haͤufigen
Canaͤle darauf zu Marckte bringt, wenn man aber dieſes Sprichwort von
Kriegs-Schiffen verſtehen wolte, ſo waͤr es wider die offenbare Wahr-
heit gehandelt. Denn ob wohl Holland ſich mit Spanien, Engelland
und Schweden
in See Gefechte eingelaſſen, und zum Theil dabey die
Oberhand gewonnen hat, ſo iſt doch die Flotte des eintzigen Großbrittan-
niens
weit zahlreicher, als der Hollaͤnder ihre. Denn zu Anfang dieſes
Jahres kam in Engelland eine Liſte von den paratſeyenden Kriegs-Schif-
fen
hervor, welche ſich auf 200. beliefen, und wegen ihrer Geſchicklichkeit
und Menge dem gantzen Europaͤ Furcht einzujagen vermoͤgend ſind. Die
Hollaͤnder koͤnnen aber doch wenigſtens 70. biß 80. Schiffe von der Linie in
See ſtellen, welche Macht ſchon Franckreich und Spanien in Zaum zu halten
im Stande iſt. Wiewohl man eben dieſes in der Politique nicht zu billigen
pflegt, daß die Hollaͤnder den Spaniern die Waffen, womit ſie ſelbſt beſtrit-
ten werden, in die Haͤnde geben. Denn weil die Spanier groͤſtentheils ein
ſchlaͤffriges Temperament haben, und lieber Schildwache ſtehen, als arbeiten,
ſo bauen ſie wenig oder gar keine Schiffe, ob ſie gleich faſt alle Materialien
dazu im Lande haben, ſondern kaufen ſie lieber von den Hollaͤndern, welche ſie
ihnen denn vor wichtige Bezahlung geben, und bey ereignetem Krieg wider ab-
nehmen. Dieſes eintzige will ich nur hiervon noch gedencken, daß die Bauern
in dem Dorfe Sardan, ſo eine Stunde von Amſterdam liegt, die Schiff-
Baukunſt
ſo vollkommen verſtehen, daß wenn man es ihnen zwey Monat
voraus ſagt, um Materialien anzuſchaffen, ſie hernach in jeder Woche, ſo in
den 10. uͤbrigen Monaten des Jahrs begriffen ſind, ein ſeegelfertiges Kriegs-
Schiff bauen koͤnnen.
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[86/0096] Wilhelms Tode keinen wider erwehlet, weil ſie in der Meynung ſtehen, als wenn ſie ſonſt viel eher in Kriege verwickelt wuͤrden. Jhre Macht zur See iſt noch anſehnlicher als die zu Lande. Denn ohne zu gedencken, von demjenigen, was ſie in Oſt-Jndien an Schiffen haben, womit ſie wohl ehemahls den groſſen Mogul, den Kayſer von Java, und andre Aſi- atiſche Potentaten zu Paaren getrieben, auch den Portugieſen ihre beſte Laͤnder weggenommen haben, ſo will ich nur mit ein paar Worten von ihrer See-Macht hier zu Lande reden. Es iſt ein gemeines Sprichwort: daß in Holland alleine mehr Schiffe waͤren als in der gantzen Welt zuſammen, welches man aber auch bedachtſam nachreden muß, indem die Schiffe von vielerley Art ſind. Nun mag wohl das ſeine Richtigkeit haben, daß in keinem Land ſo viel Barquen, Treckſchuyten, und andere kleine Fahrzeuge ſind, ſintemahl faſt kein Bauer iſt, der nicht ein paar Bar- quen habe, und ſeine Sachen, ſo er zu verkaufen hat, vermittelſt der haͤufigen Canaͤle darauf zu Marckte bringt, wenn man aber dieſes Sprichwort von Kriegs-Schiffen verſtehen wolte, ſo waͤr es wider die offenbare Wahr- heit gehandelt. Denn ob wohl Holland ſich mit Spanien, Engelland und Schweden in See Gefechte eingelaſſen, und zum Theil dabey die Oberhand gewonnen hat, ſo iſt doch die Flotte des eintzigen Großbrittan- niens weit zahlreicher, als der Hollaͤnder ihre. Denn zu Anfang dieſes Jahres kam in Engelland eine Liſte von den paratſeyenden Kriegs-Schif- fen hervor, welche ſich auf 200. beliefen, und wegen ihrer Geſchicklichkeit und Menge dem gantzen Europaͤ Furcht einzujagen vermoͤgend ſind. Die Hollaͤnder koͤnnen aber doch wenigſtens 70. biß 80. Schiffe von der Linie in See ſtellen, welche Macht ſchon Franckreich und Spanien in Zaum zu halten im Stande iſt. Wiewohl man eben dieſes in der Politique nicht zu billigen pflegt, daß die Hollaͤnder den Spaniern die Waffen, womit ſie ſelbſt beſtrit- ten werden, in die Haͤnde geben. Denn weil die Spanier groͤſtentheils ein ſchlaͤffriges Temperament haben, und lieber Schildwache ſtehen, als arbeiten, ſo bauen ſie wenig oder gar keine Schiffe, ob ſie gleich faſt alle Materialien dazu im Lande haben, ſondern kaufen ſie lieber von den Hollaͤndern, welche ſie ihnen denn vor wichtige Bezahlung geben, und bey ereignetem Krieg wider ab- nehmen. Dieſes eintzige will ich nur hiervon noch gedencken, daß die Bauern in dem Dorfe Sardan, ſo eine Stunde von Amſterdam liegt, die Schiff- Baukunſt ſo vollkommen verſtehen, daß wenn man es ihnen zwey Monat voraus ſagt, um Materialien anzuſchaffen, ſie hernach in jeder Woche, ſo in den 10. uͤbrigen Monaten des Jahrs begriffen ſind, ein ſeegelfertiges Kriegs- Schiff bauen koͤnnen. Bingley.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/96>, abgerufen am 25.05.2024.