Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 14. Berlin-Charlottenburg, 20. April 1905.

Bild:
<< vorherige Seite
670 J. Hart: Monismus und Widerspruchslogik.
[Abbildung]
Monismus und Widerspruchslogik.*)
Von Julius Hart, Wilhelmshagen.
( Vgl. die Aufsätze "Darwinismus und Monismus" und "Gegen die alte Welt-
anschauung " von Julius Hart, Prof. Dr. August Forel und Dr. Heinrich
Schmidt in Nr. 2, 4, 7 und 9 dieser Zeitschrift. )

Die erstaunte Frage Dr. Heinrich Schmidts, ob Haeckel vielleicht auch
Dualist sei, wenn er den Menschen vom Affen unterscheide, verrät allerdings,
wie billig und leicht der Monismus bei ihm zu haben ist, daß das Wort
nichts Entscheidendes mehr sagt und bedeutet und nur noch aus alter Gewohn-
heit mitgeschleppt wird.

Es sollte doch so sein, daß ich meine ganze Auffassung von der Welt
nur dann mit dem Worte Monismus bezeichnen darf, wenn dieses etwas ganz
Fundamentales, Allumfassendes, Notwendiges bedeuten soll. Diese Bedeutung
hat es aber allein in der alten Alleinheitslehre, die das wahre Wesen der Welt
als ein ganz und gar, als absolut Unterschiedsloses hinstellt. Ob ich Haeckel um
seiner Unterscheidung zwischen Mensch und Affen willen für einen Dualisten
halte? Selbstverständlich! Allerdings tue ich das!

Die alten griechischen Monisten haben sich unendliche Mühe
gegeben, die "Sinne" ad absurdum zu führen, uns unwider-
leglich zu beweisen, daß ein fliegender Pfeil nicht von der Stelle rückt,
daß Achilles nie und nimmer eine Schildkröte zu überholen vermag. Warum
haben sie das denn wohl getan, warum das beweisen wollen, Herr
Dr. Schmidt? Jhr Monismus bestand allein darin und sie sahen den Monis-
mus nur dann begründet und gesichert, wenn ein fliegender Pfeil den Ort
nicht verändert, ein Unterschied zwischen Mensch und Affe nicht gemacht wird.
Und wenn es unserer heutigen Wissenschaft, nach Prof. Forel, nur darauf
ankommt, nachzuweisen, daß Seele und Körper nicht zwei verschiedene Reali-
täten sind, so antwortet die alte Lehre vom Absoluten schon vor einigen Jahr-
tausenden darauf: Das ist gerade das, was ich stets behauptet habe. Jm innersten
und tiefsten Wesen, in der Substanz, herrscht die Einheit von beiden. Dieser
felsenfeste unerschütterliche Glaube des alten Monismus an die absolute Einheit
von Seele und Körper bringt uns nur in einen fürchterlichen Konflikt mit der
sinnlichen Erfahrungswelt, die uns lauter Verschiedenheiten zeigt. Auch
die modernste Psychophysik, mag sie sich noch so subjektiv stellen, wird z. B.
einen Unterschied nicht leugnen zwischen dem, was wir als Wahrnehmung
und was wir als Vorstellung bezeichnen. Der Forel'sche Subjektivismus

*) Dieser Aufsatz erscheint aus Rücksicht auf die Raumverhältnisse etwas ver-
spätet.
670 J. Hart: Monismus und Widerspruchslogik.
[Abbildung]
Monismus und Widerspruchslogik.*)
Von Julius Hart, Wilhelmshagen.
( Vgl. die Aufsätze „Darwinismus und Monismus“ und „Gegen die alte Welt-
anschauung “ von Julius Hart, Prof. Dr. August Forel und Dr. Heinrich
Schmidt in Nr. 2, 4, 7 und 9 dieser Zeitschrift. )

Die erstaunte Frage Dr. Heinrich Schmidts, ob Haeckel vielleicht auch
Dualist sei, wenn er den Menschen vom Affen unterscheide, verrät allerdings,
wie billig und leicht der Monismus bei ihm zu haben ist, daß das Wort
nichts Entscheidendes mehr sagt und bedeutet und nur noch aus alter Gewohn-
heit mitgeschleppt wird.

Es sollte doch so sein, daß ich meine ganze Auffassung von der Welt
nur dann mit dem Worte Monismus bezeichnen darf, wenn dieses etwas ganz
Fundamentales, Allumfassendes, Notwendiges bedeuten soll. Diese Bedeutung
hat es aber allein in der alten Alleinheitslehre, die das wahre Wesen der Welt
als ein ganz und gar, als absolut Unterschiedsloses hinstellt. Ob ich Haeckel um
seiner Unterscheidung zwischen Mensch und Affen willen für einen Dualisten
halte? Selbstverständlich! Allerdings tue ich das!

Die alten griechischen Monisten haben sich unendliche Mühe
gegeben, die „Sinne“ ad absurdum zu führen, uns unwider-
leglich zu beweisen, daß ein fliegender Pfeil nicht von der Stelle rückt,
daß Achilles nie und nimmer eine Schildkröte zu überholen vermag. Warum
haben sie das denn wohl getan, warum das beweisen wollen, Herr
Dr. Schmidt? Jhr Monismus bestand allein darin und sie sahen den Monis-
mus nur dann begründet und gesichert, wenn ein fliegender Pfeil den Ort
nicht verändert, ein Unterschied zwischen Mensch und Affe nicht gemacht wird.
Und wenn es unserer heutigen Wissenschaft, nach Prof. Forel, nur darauf
ankommt, nachzuweisen, daß Seele und Körper nicht zwei verschiedene Reali-
täten sind, so antwortet die alte Lehre vom Absoluten schon vor einigen Jahr-
tausenden darauf: Das ist gerade das, was ich stets behauptet habe. Jm innersten
und tiefsten Wesen, in der Substanz, herrscht die Einheit von beiden. Dieser
felsenfeste unerschütterliche Glaube des alten Monismus an die absolute Einheit
von Seele und Körper bringt uns nur in einen fürchterlichen Konflikt mit der
sinnlichen Erfahrungswelt, die uns lauter Verschiedenheiten zeigt. Auch
die modernste Psychophysik, mag sie sich noch so subjektiv stellen, wird z. B.
einen Unterschied nicht leugnen zwischen dem, was wir als Wahrnehmung
und was wir als Vorstellung bezeichnen. Der Forel'sche Subjektivismus

*) Dieser Aufsatz erscheint aus Rücksicht auf die Raumverhältnisse etwas ver-
spätet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0030" n="670"/>
      <fw type="header" place="top">670 J. Hart: Monismus und Widerspruchslogik.</fw><lb/>
      <figure/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Monismus und Widerspruchslogik.</hi><note place="foot" n="*)">Dieser Aufsatz erscheint aus Rücksicht auf die Raumverhältnisse etwas ver-<lb/>
spätet.</note><lb/><bibl>Von <author><hi rendition="#g">Julius Hart</hi></author>, Wilhelmshagen.</bibl><lb/>
( Vgl. die Aufsätze &#x201E;Darwinismus und Monismus&#x201C; und &#x201E;Gegen die alte Welt-<lb/>
anschauung &#x201C; von Julius Hart, Prof. Dr. August Forel und Dr. Heinrich<lb/>
Schmidt in Nr. 2, 4, 7 und 9 dieser Zeitschrift. )</head><lb/>
        <p>Die erstaunte Frage Dr. Heinrich Schmidts, ob Haeckel vielleicht auch<lb/>
Dualist sei, wenn er den Menschen vom Affen unterscheide, verrät allerdings,<lb/>
wie billig und leicht der Monismus bei ihm zu haben ist, daß das Wort<lb/>
nichts Entscheidendes mehr sagt und bedeutet und nur noch aus alter Gewohn-<lb/>
heit mitgeschleppt wird.</p><lb/>
        <p>Es sollte doch so sein, daß ich meine ganze Auffassung von der Welt<lb/>
nur dann mit dem Worte Monismus bezeichnen darf, wenn dieses etwas ganz<lb/>
Fundamentales, Allumfassendes, Notwendiges bedeuten soll. Diese Bedeutung<lb/>
hat es aber allein in der alten Alleinheitslehre, die das wahre Wesen der Welt<lb/>
als ein ganz und gar, als absolut Unterschiedsloses hinstellt. Ob ich Haeckel um<lb/>
seiner Unterscheidung zwischen Mensch und Affen willen für einen Dualisten<lb/>
halte? Selbstverständlich! Allerdings tue ich das!</p><lb/>
        <p>Die alten griechischen Monisten haben sich unendliche Mühe<lb/>
gegeben, die &#x201E;Sinne&#x201C; <hi rendition="#aq">ad absurdum</hi> zu führen, uns unwider-<lb/>
leglich zu beweisen, daß ein fliegender Pfeil nicht von der Stelle rückt,<lb/>
daß Achilles nie und nimmer eine Schildkröte zu überholen vermag. Warum<lb/>
haben sie das denn wohl getan, warum das beweisen wollen, Herr<lb/>
Dr. Schmidt? Jhr Monismus bestand allein darin und sie sahen den Monis-<lb/>
mus nur dann begründet und gesichert, wenn ein fliegender Pfeil den Ort<lb/>
nicht verändert, ein Unterschied zwischen Mensch und Affe nicht gemacht wird.<lb/>
Und wenn es unserer heutigen Wissenschaft, nach Prof. Forel, nur darauf<lb/>
ankommt, nachzuweisen, daß Seele und Körper nicht zwei verschiedene Reali-<lb/>
täten sind, so antwortet die alte Lehre vom Absoluten schon vor einigen Jahr-<lb/>
tausenden darauf: Das ist gerade das, was ich stets behauptet habe. Jm innersten<lb/>
und tiefsten Wesen, in der Substanz, herrscht die Einheit von beiden. Dieser<lb/>
felsenfeste unerschütterliche Glaube des alten Monismus an die absolute Einheit<lb/>
von Seele und Körper bringt uns nur in einen fürchterlichen Konflikt mit der<lb/>
sinnlichen Erfahrungswelt, die uns lauter Verschiedenheiten zeigt. Auch<lb/>
die modernste Psychophysik, mag sie sich noch so subjektiv stellen, wird z. B.<lb/>
einen <hi rendition="#g">Unterschied</hi> nicht leugnen zwischen dem, was wir als Wahrnehmung<lb/>
und was wir als Vorstellung bezeichnen. Der Forel'sche Subjektivismus<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[670/0030] 670 J. Hart: Monismus und Widerspruchslogik. [Abbildung] Monismus und Widerspruchslogik. *) Von Julius Hart, Wilhelmshagen. ( Vgl. die Aufsätze „Darwinismus und Monismus“ und „Gegen die alte Welt- anschauung “ von Julius Hart, Prof. Dr. August Forel und Dr. Heinrich Schmidt in Nr. 2, 4, 7 und 9 dieser Zeitschrift. ) Die erstaunte Frage Dr. Heinrich Schmidts, ob Haeckel vielleicht auch Dualist sei, wenn er den Menschen vom Affen unterscheide, verrät allerdings, wie billig und leicht der Monismus bei ihm zu haben ist, daß das Wort nichts Entscheidendes mehr sagt und bedeutet und nur noch aus alter Gewohn- heit mitgeschleppt wird. Es sollte doch so sein, daß ich meine ganze Auffassung von der Welt nur dann mit dem Worte Monismus bezeichnen darf, wenn dieses etwas ganz Fundamentales, Allumfassendes, Notwendiges bedeuten soll. Diese Bedeutung hat es aber allein in der alten Alleinheitslehre, die das wahre Wesen der Welt als ein ganz und gar, als absolut Unterschiedsloses hinstellt. Ob ich Haeckel um seiner Unterscheidung zwischen Mensch und Affen willen für einen Dualisten halte? Selbstverständlich! Allerdings tue ich das! Die alten griechischen Monisten haben sich unendliche Mühe gegeben, die „Sinne“ ad absurdum zu führen, uns unwider- leglich zu beweisen, daß ein fliegender Pfeil nicht von der Stelle rückt, daß Achilles nie und nimmer eine Schildkröte zu überholen vermag. Warum haben sie das denn wohl getan, warum das beweisen wollen, Herr Dr. Schmidt? Jhr Monismus bestand allein darin und sie sahen den Monis- mus nur dann begründet und gesichert, wenn ein fliegender Pfeil den Ort nicht verändert, ein Unterschied zwischen Mensch und Affe nicht gemacht wird. Und wenn es unserer heutigen Wissenschaft, nach Prof. Forel, nur darauf ankommt, nachzuweisen, daß Seele und Körper nicht zwei verschiedene Reali- täten sind, so antwortet die alte Lehre vom Absoluten schon vor einigen Jahr- tausenden darauf: Das ist gerade das, was ich stets behauptet habe. Jm innersten und tiefsten Wesen, in der Substanz, herrscht die Einheit von beiden. Dieser felsenfeste unerschütterliche Glaube des alten Monismus an die absolute Einheit von Seele und Körper bringt uns nur in einen fürchterlichen Konflikt mit der sinnlichen Erfahrungswelt, die uns lauter Verschiedenheiten zeigt. Auch die modernste Psychophysik, mag sie sich noch so subjektiv stellen, wird z. B. einen Unterschied nicht leugnen zwischen dem, was wir als Wahrnehmung und was wir als Vorstellung bezeichnen. Der Forel'sche Subjektivismus *) Dieser Aufsatz erscheint aus Rücksicht auf die Raumverhältnisse etwas ver- spätet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0114_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0114_1905/30
Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 14. Berlin-Charlottenburg, 20. April 1905, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0114_1905/30>, abgerufen am 31.05.2024.