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Mährisches Tagblatt. Nr. 119, Olmütz, 24.05.1895.

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[Spaltenumbruch] nationaler Gesinnungstüchtigkeit vindiciren, endlich
unter dem Einflusse eines jeglichen nationalen
Aufschwung erdrückenden Systemes über die
zweckentsprechende Wahl zulässiger Mittel zur
Abwehr im deutschen Lager noch nicht klar ge-
worden. Daß unsere Jugend für ihre dereinstige
Wirksamkeit bei Amt und Gericht und in son-
stigen öffentlichen Stellungen sich der Kennt-
niß der zweiten Landessprache erfreuen möge,
dafür erheben sich immer mehr gewichtige Stimme
in Böhmen Mähren, Schlesien und der Steier-
mark. Es ist jedoch ein beklagenswerthes Symp-
tom der durch unsere jetzige Aera wieder gezeitig-
ten deutschen Vertrauensseligkeit, daß im Som-
mer 1894 abermals ein Vorschlag zu Gunsten
einer durchgreifenden Utraquisirung unserer Schulen
und wohl auch unserer ganzen Lebensführung
gemacht wurde. Speciell in Böhmen hieße das,
dem compacten slavischen Sprachgebiete über kurz
oder lang ein durchsetzendes national-ohnmächtiges
sprachlich gemischtes anzugliedern, der tschechischen
Propaganda auf deutschem Boden die Thüre zu
öffnen, und damit selbst mit gebundenen Händen
den letzten Act des nationalen Dramas, der uns
die triumphirende Slavia im Wenzelreiche
vorführt, mitvollenden zu helfen. Obwohl bei den
Gemeindewahlen unterlegen, haben sich die Deut-
schen von Trebnitz, des "deutschen Numantia" im
schweren Kampfe muthig behauptet.

Redner schildert nun die Thätigkeit der
Slovenen. Nicht ohne Zagen trete ich, sagt Redner,
in diesem Augenblicke an das verschleierte Bild
von Sais, an die Cillier Frage, heran. Das
wissen alle Deutschen nördlich und südlich der
Donau, daß es sich hier gar nicht mehr um die
simple Gymnasialfrage dreht. Das Schicksal stellt
Völker und Nationen auch vor Aufgaben von
scheinbar nichtssagender Tragweite. Nach meiner
Meinung wird es ein Prüfstein sein --
darauf kommt es an -- ein Prüfstein darüber,
ob wir die nationale Nackensteife wirklich
endgiltig verloren haben
oder ob wir
noch jenes Maß von Unbeugsamkeit besitzen, die
niemals zu faulen Declamationen, unwahren
Scheingefechten und halben Schritten, nöthigenfalls
zur letzten entscheidenden That führt. (Bravo.)

In die ernste Betrachtung der unser Ve[r]eins-
leben beherrschenden Zustände theilen wir uns
mit so manchem treuen Mitarbeiter in den Orts-
gruppen.

Wir schließen unsere Betrachtungen, die
Ihnen in Bescheidenheit Rechenschaft ablegen
sollen über die von uns im letzten Jahre voll-
brachte Arbeit. Wenn wir auch Weniges erreich-
ten, so billigen Sie uns vielleicht doch die Ungunst
der Umstände, die Kraft der zahlreichen Gegner-
schaft, die Schwäche im eigenen Lager, als Ent-
lastungsgründe zu. Mehr kommt es darauf an,
ob Sie den Gesichtspunkt, unter dem wir die
uns umgebenden nationalen Erscheinungen be-
trachtet haben, als den richtigen anerkennen. Wir
[Spaltenumbruch] meinen: schwer würde es für jeglichen nationalen
Schutzverein, deshalb auch für den deutschen
Schulverein, Nutzbringendes zu schaffen, wenn
sich -- was Gott verhüte -- des Dichters Wort
erfüllen sollte:

"Ein Land von Viertel- und von halben Tschechen,
Zwar können sie noch nicht slavisch sprechen,
Doch deutsch zu fühlen haben sie verlernt."

(Stürmischer nicht endenwollender Beifall.)

Herr Wiesenburg erstattete hierauf
Namens des Aufsichtsraches Bericht.

Dr. Schloffer (Graz) pries in begeister-
ten Worten der Anerkennung die aufreibende
Thätigkeit der Vereinsleitung, auf deren Schul-
tern die ganze Last ruhe und die hiefür noch oft
Undank und auch Verleumdungen ernten. Mit
bewundernswürdiger Selbstaufopferung arbeiten
sie im Dienste des Schulvereines und kämpfen
unbeirrt für die Sache des deutschen Volkes, den
Kampf gegen den ärgsten Feind, gegen den In-
differentismus in den eigenen Reihen. Er bat
die Versammlung, sich von den Sitzen zu erheben
und der Vereinsleitung, insbesondere dem hoch-
verdienten Dr. Weitlof den wärmsten Dank aus-
zusprechen und sie zu bitten, in ihrer nationalen
Arbeit nicht zu erlahmen (Stürmischer Beifall
und Hochrufe.) Sodann wurde dem Gesammt-
ausschusse einstimmig das Absolutorium ertheilt,
für welchen Beweis des Vertrauens Dr. Weitlof
neuerlich dankte.

Herr Dr. Groß bringt die zahlreich ein-
gelaufenen schriftlichen und telegraphischen Begrüßun-
gen, darunter solche vom Deutschen Böhmerwald-
bund, Südmark (Graz), Dr. Schlesinger,
Namens der Abgeordneten und Vertrauensmänner
der Deutschen Böhmens, vom Vorstand des
Landesverbandes Braunschweig (Hannover) vom
Schubertbund (Wien) von verschiedenen studentischen
Vereinen, vom Allgemeinen Deutschen Schulvein
in Berlin, ferner von Falkenau, Reichenberg,
Graz, Wiesbaden etc. etc. zur Verlesung.

Hierauf stellte der Vertreter der Ortsgruppe
Hohenstadt Herr Hermann Braß nachste-
henden Antrag:

In Erwägung, daß eine Belebung der
Schulvereinsthätigkeit erwünscht und nothwendig
ist und daß alle Jahre Anträge von Ortsgrup-
pen kommenin Sachen der Aenderung der Satzungen,
beschließt die Hauptversammlung:

Die Hauptleitung wird ersucht

1. die Ortsgruppen zu befragen, welche
Satzungsänderungen und sonstige Maß-
nahmen selbe für nothwendig halten, um die
Schulvereinsthätigkeit zu beleben,

2. die Hauptleitung möge aus sich und den
ihr bekannten warmen Freunden und eifrigen
Arbeitern der Schulvereinssache einen verstärk-
ten Ausschuß
bilden, der diese Fragen einge-
hend zu besprechen hat,

3. das Ergebniß dieser Berathungen ist dann
einer ordentlichen Hauptversammlung oder
[Spaltenumbruch] aber besser einer zu diesem Zwecke einberufe-
neu außerordentlichen Hauptversamm-
lung
zur Beschlußfassung vorzulegen.

Obmann Dr. Weitlof erklärt, über diesen
Antrag die Debatte zu eröffnen. vorerst aber
müsse der Bericht über die durch die Gauver-
bandsleitung nothwendige Aenderung der Vereins-
satzungen und über einen von der Ortsgruppe
Deutsch-Jaßnik eingebrachten Antrag erfolgen.

Dr. v. Kraus referirte sodann über die
neuen Gausatzungen, welche auch über Antrag
Apfel (Aussig) en bloc einstimmig angenom-
men wurden.

Dr. Wolfhardt brachte hierauf Namens
der Vereinsleitung den Antrag der Ortsgruppe
Deutsch-Jaßnik zur Kenntniß: "Die Satzun-
gen des Deutschen Schulvereines seien dahin zu
ändern, daß in Hinkunft den einzelnen Orts-
gruppen das Recht eingeräumt werden möge,
selbstständig über die Aufnahme von Mitgliedern
in die Ortsgruppe zu verfügen."

Nachdem auch dieser Antrag mit dem Be-
streben, den Ortsgruppen eine regere Lebensthä-
tigkeit einzuhauchen, motivirt wurde, richtete der
Vorsitzende an den anwesenden Vertreter von
Dentsch-Jaßnik die Anfrage, ob diese Ortsgruppe
bei Annahme des Antrages Braß ihren Antrag
zurückziehen würde. Der Vertreter von Deutsch-
Jaßnik erklärte sich hiemit einverstanden und zog
seinen Antrag zurück. Herr Matscheko (Orts-
gruppe Wieden in Wien) begrüßte den Antrag
Braß, ersucht jedoch von der Einberufung einer
außerordentlichen Hauptversammlung Abstand zu
nehmen und das Ergebniß der Berathungen der
ordentlichen Hauptversammlung zur Beschlußfassung
vorzulegen, da eine außerordentliche, die erfah-
rungsgemäß nie so vollzählig besucht sei, nur
einem Rumpfparlament zu vergleichen ist.

Nachdem noch einige Redner gesprochen,
wies Herr Frank darauf hin, daß nach den
Statuten die Beschlußfassung nur in ordentlicher
Hauptversammlung erfolgen könne. Der Antrag
Braß gelangt sodann mit der von Matschekos be-
antragten Aenderung nahezu einstimmig zur
Annahme.

Delegirter Prof. Schwarz verlangt die Gründe
zu wissen, welche die Ortsgruppe Deutsch-Jaßnik
zu ihrem Antrage bewogen haben. (Rufe: Oho!
Man kennt doch diese Gründe!)

Obmann Weitlof bemerkt, daß dies gegen-
standslos sei, nachdem Deutsch-Jaßnik den Antrag
zu Gunsten des Antrages Braß zurückgezogen
habe und schloß sodann, da die Tagesordnung
erschöpft war, die 15. ordentliche Hauptversamm-
lung mit Worten des Dankes an alle Theilnehmer.

Die Ergänzungswahl in die Vereinsleitung
ergab die Wahl des Herrn Dr. Rudolf Proksch
(Wien), in den Aufsichtsrath wurde Hofrath Dr.
Alexander Eger (Wien) und in das Schiedsge-
richt Dr. Raimund Grübl (Wien) neugewählt.




[Spaltenumbruch]
Stürme im Hafen.
Roman von F. von Kapff-Essenther.

Nachdruck verboten.

(95. Fortsetzung.)

Jetzt trat Graf Reichenau, dessen Eheschei-
dungsproceß Robert führte, in die Loge, um
Ernestine zu begrüßen. Sein Proceß war ein
sogenannter sensationeller und Ulrich dadurch der
großen Welt bekannt geworden. Er selbst hatte
sich zeitlebens speciell um Ehescheidungen wenig
gekümmert, hatte keine Erfahrung und keine
besondere Sachkenntniß auf diesem Gebiete. Aber
sein Ruf war schon so weit gediehen, daß Graf
Reichenau mit Genugthuung sagen konnte "mein
Rechtsanwalt Doctor Ulrich," und das war es,
was Ulrich so heiß erstrebt hatte. Das Gebiet,
auf dem er wirklich etwas Hervorragendes zu
leisten vermochte, war die Vertheidigung in
Strafsachen, aber er konnte auf diesem Felde
nicht rasch genug emporkommen, deshalb ge-
brauchte er andere Mittel, um Carriere zu machen.
Seine höchsten Träume waren eine sociale Stel-
lung ersten Ranges, Reichthum, Ruf, ein Sitz
im Abgeordnetenhause, und das Alles war heute
für ihn nicht unerreichbar. Nun muthig und
rücksichtslos weiter.

Und diese Gedanken erfüllten ihn an dem
schönen Frühlingsnachmittage in Hoppegarten.
Ob "Poldi" als Erste oder Zweite oder gar
[Spaltenumbruch] nicht durchs Ziel ging, war ihm furchtbar gleich-
giltig. Er hatte niemals gewettet oder gespielt,
das hatte er alle Zeit für höchst thöricht gehalten.
Aber er fühlte sich heute glücklich gehoben, und
er hatte nicht die leiseste Ahnung davon, wie
unglücklich seine Frau neben ihm war.

Aber sie hatte in ihrer stillen, keuschen,
weltfremden Mädchenzeit von einem Manne
geträumt, der hohe Ziele vor sich sah, aber solche
im Dienste des Guten, im Dienste der Mensch-
heit. Und der Mann, dem sie ihr ganzes Wesen
hingegeben, hatte nur conventionellen Ehrgeiz.
Und dann, er liebte sie nicht. Er war artig,
aufmerksam, vielleicht auch treu, aber er liebte
sie nicht. Niemals wechselten sie einen herzens-
innigen Liebesblick miteinder, nie hatte sie an
seiner Seite einen jener beseeligenden Momente
des Ineinanderaufgehens, des beglückenden Anein-
anderschließens erlebt, deren Schilderung in
Büchern so oft ihr Herz ahnungsvoll klopfen
gemacht. Er erfüllte seine Pflicht gegen sie, aber
er liebte sie nicht. Und ihr war elend zum
Sterben.

Er aber führte sie galant zum Wagen und
sagte mit frohem Lächeln:

"Warte nur, meine schöne, kleine Frau,
vielleicht im nächsten Jahre schon, fahren wir in
eigener Equipage nach Hoppegarten!"

VI.

Dem Frühlingsrausch vom Hoppegarten
folgte ein Tag der Entnüchterung für Ulrich.
[Spaltenumbruch] Er hatte 50.000 Mark Actien gezeichnet und
sollte sie heute einzahlen. D'Armont hatte ihm
versprochen, das B[a]rgeld vorzuschießen, aber bei
seinem minimalen Interesse für Geldgeschäfte
hatte d'Armont natürlich vergessen, die Sache
zu ordnen. Nun wollte Ulrich gestern während
des Rennens eine Anweisung von seinem
Freunde verlangen, aber d'Armont war nicht da.
Er sandte seinen Diener zu ihm -- d'Armont
war wegen heftiger Nervosität seit einigen Tagen
verreist. So waren die 50.000 Mark von daher
nicht zu beschaffen.

Ulrich war sehr ärgerlich; ihm war bisher
so alles nach Wunsch gegangen, weil das, was
er anstrebte, in erster Reihe von seinen intellec-
tuellen Fähigkeiten abhing. Nun hatte er sich
auf ein Gebiet begeben, wo mehr oder minder
der Zufall herrschte, wo sein Können und Wissen
nicht ausschlaggebend war. Woher bis heute
Mittag zur Börsenstunde diesen immerhin be-
deutenden Betrag nehmen? Er hatte sicher auf
d'Armonts Zusage gerechnet und sich nicht weiter
gekümmert.

Ohne Zweifel war sein Schwiegervater im
Stande, ihm zu helfen, aber direct Geld von
ihm wollte er nicht. Vielleicht konnte er ihn
bewegen, 50.000 Mark zu zeichnen riskiren,
dann für sich einzahlen und einige Tage später
bei d'Armonts Rückkehr den Posten Grunow
nachzahlen. So wollte er die Sache "schieben."

(Fortsetzung folgt.)


[Spaltenumbruch] nationaler Geſinnungstüchtigkeit vindiciren, endlich
unter dem Einfluſſe eines jeglichen nationalen
Aufſchwung erdrückenden Syſtemes über die
zweckentſprechende Wahl zuläſſiger Mittel zur
Abwehr im deutſchen Lager noch nicht klar ge-
worden. Daß unſere Jugend für ihre dereinſtige
Wirkſamkeit bei Amt und Gericht und in ſon-
ſtigen öffentlichen Stellungen ſich der Kennt-
niß der zweiten Landesſprache erfreuen möge,
dafür erheben ſich immer mehr gewichtige Stimme
in Böhmen Mähren, Schleſien und der Steier-
mark. Es iſt jedoch ein beklagenswerthes Symp-
tom der durch unſere jetzige Aera wieder gezeitig-
ten deutſchen Vertrauensſeligkeit, daß im Som-
mer 1894 abermals ein Vorſchlag zu Gunſten
einer durchgreifenden Utraquiſirung unſerer Schulen
und wohl auch unſerer ganzen Lebensführung
gemacht wurde. Speciell in Böhmen hieße das,
dem compacten ſlaviſchen Sprachgebiete über kurz
oder lang ein durchſetzendes national-ohnmächtiges
ſprachlich gemiſchtes anzugliedern, der tſchechiſchen
Propaganda auf deutſchem Boden die Thüre zu
öffnen, und damit ſelbſt mit gebundenen Händen
den letzten Act des nationalen Dramas, der uns
die triumphirende Slavia im Wenzelreiche
vorführt, mitvollenden zu helfen. Obwohl bei den
Gemeindewahlen unterlegen, haben ſich die Deut-
ſchen von Trebnitz, des „deutſchen Numantia“ im
ſchweren Kampfe muthig behauptet.

Redner ſchildert nun die Thätigkeit der
Slovenen. Nicht ohne Zagen trete ich, ſagt Redner,
in dieſem Augenblicke an das verſchleierte Bild
von Sais, an die Cillier Frage, heran. Das
wiſſen alle Deutſchen nördlich und ſüdlich der
Donau, daß es ſich hier gar nicht mehr um die
ſimple Gymnaſialfrage dreht. Das Schickſal ſtellt
Völker und Nationen auch vor Aufgaben von
ſcheinbar nichtsſagender Tragweite. Nach meiner
Meinung wird es ein Prüfſtein ſein
darauf kommt es an — ein Prüfſtein darüber,
ob wir die nationale Nackenſteife wirklich
endgiltig verloren haben
oder ob wir
noch jenes Maß von Unbeugſamkeit beſitzen, die
niemals zu faulen Declamationen, unwahren
Scheingefechten und halben Schritten, nöthigenfalls
zur letzten entſcheidenden That führt. (Bravo.)

In die ernſte Betrachtung der unſer Ve[r]eins-
leben beherrſchenden Zuſtände theilen wir uns
mit ſo manchem treuen Mitarbeiter in den Orts-
gruppen.

Wir ſchließen unſere Betrachtungen, die
Ihnen in Beſcheidenheit Rechenſchaft ablegen
ſollen über die von uns im letzten Jahre voll-
brachte Arbeit. Wenn wir auch Weniges erreich-
ten, ſo billigen Sie uns vielleicht doch die Ungunſt
der Umſtände, die Kraft der zahlreichen Gegner-
ſchaft, die Schwäche im eigenen Lager, als Ent-
laſtungsgründe zu. Mehr kommt es darauf an,
ob Sie den Geſichtspunkt, unter dem wir die
uns umgebenden nationalen Erſcheinungen be-
trachtet haben, als den richtigen anerkennen. Wir
[Spaltenumbruch] meinen: ſchwer würde es für jeglichen nationalen
Schutzverein, deshalb auch für den deutſchen
Schulverein, Nutzbringendes zu ſchaffen, wenn
ſich — was Gott verhüte — des Dichters Wort
erfüllen ſollte:

„Ein Land von Viertel- und von halben Tſchechen,
Zwar können ſie noch nicht ſlaviſch ſprechen,
Doch deutſch zu fühlen haben ſie verlernt.“

(Stürmiſcher nicht endenwollender Beifall.)

Herr Wieſenburg erſtattete hierauf
Namens des Aufſichtsraches Bericht.

Dr. Schloffer (Graz) pries in begeiſter-
ten Worten der Anerkennung die aufreibende
Thätigkeit der Vereinsleitung, auf deren Schul-
tern die ganze Laſt ruhe und die hiefür noch oft
Undank und auch Verleumdungen ernten. Mit
bewundernswürdiger Selbſtaufopferung arbeiten
ſie im Dienſte des Schulvereines und kämpfen
unbeirrt für die Sache des deutſchen Volkes, den
Kampf gegen den ärgſten Feind, gegen den In-
differentismus in den eigenen Reihen. Er bat
die Verſammlung, ſich von den Sitzen zu erheben
und der Vereinsleitung, insbeſondere dem hoch-
verdienten Dr. Weitlof den wärmſten Dank aus-
zuſprechen und ſie zu bitten, in ihrer nationalen
Arbeit nicht zu erlahmen (Stürmiſcher Beifall
und Hochrufe.) Sodann wurde dem Geſammt-
ausſchuſſe einſtimmig das Abſolutorium ertheilt,
für welchen Beweis des Vertrauens Dr. Weitlof
neuerlich dankte.

Herr Dr. Groß bringt die zahlreich ein-
gelaufenen ſchriftlichen und telegraphiſchen Begrüßun-
gen, darunter ſolche vom Deutſchen Böhmerwald-
bund, Südmark (Graz), Dr. Schleſinger,
Namens der Abgeordneten und Vertrauensmänner
der Deutſchen Böhmens, vom Vorſtand des
Landesverbandes Braunſchweig (Hannover) vom
Schubertbund (Wien) von verſchiedenen ſtudentiſchen
Vereinen, vom Allgemeinen Deutſchen Schulvein
in Berlin, ferner von Falkenau, Reichenberg,
Graz, Wiesbaden etc. etc. zur Verleſung.

Hierauf ſtellte der Vertreter der Ortsgruppe
Hohenſtadt Herr Hermann Braß nachſte-
henden Antrag:

In Erwägung, daß eine Belebung der
Schulvereinsthätigkeit erwünſcht und nothwendig
iſt und daß alle Jahre Anträge von Ortsgrup-
pen kommenin Sachen der Aenderung der Satzungen,
beſchließt die Hauptverſammlung:

Die Hauptleitung wird erſucht

1. die Ortsgruppen zu befragen, welche
Satzungsänderungen und ſonſtige Maß-
nahmen ſelbe für nothwendig halten, um die
Schulvereinsthätigkeit zu beleben,

2. die Hauptleitung möge aus ſich und den
ihr bekannten warmen Freunden und eifrigen
Arbeitern der Schulvereinsſache einen verſtärk-
ten Ausſchuß
bilden, der dieſe Fragen einge-
hend zu beſprechen hat,

3. das Ergebniß dieſer Berathungen iſt dann
einer ordentlichen Hauptverſammlung oder
[Spaltenumbruch] aber beſſer einer zu dieſem Zwecke einberufe-
neu außerordentlichen Hauptverſamm-
lung
zur Beſchlußfaſſung vorzulegen.

Obmann Dr. Weitlof erklärt, über dieſen
Antrag die Debatte zu eröffnen. vorerſt aber
müſſe der Bericht über die durch die Gauver-
bandsleitung nothwendige Aenderung der Vereins-
ſatzungen und über einen von der Ortsgruppe
Deutſch-Jaßnik eingebrachten Antrag erfolgen.

Dr. v. Kraus referirte ſodann über die
neuen Gauſatzungen, welche auch über Antrag
Apfel (Auſſig) en bloc einſtimmig angenom-
men wurden.

Dr. Wolfhardt brachte hierauf Namens
der Vereinsleitung den Antrag der Ortsgruppe
Deutſch-Jaßnik zur Kenntniß: „Die Satzun-
gen des Deutſchen Schulvereines ſeien dahin zu
ändern, daß in Hinkunft den einzelnen Orts-
gruppen das Recht eingeräumt werden möge,
ſelbſtſtändig über die Aufnahme von Mitgliedern
in die Ortsgruppe zu verfügen.“

Nachdem auch dieſer Antrag mit dem Be-
ſtreben, den Ortsgruppen eine regere Lebensthä-
tigkeit einzuhauchen, motivirt wurde, richtete der
Vorſitzende an den anweſenden Vertreter von
Dentſch-Jaßnik die Anfrage, ob dieſe Ortsgruppe
bei Annahme des Antrages Braß ihren Antrag
zurückziehen würde. Der Vertreter von Deutſch-
Jaßnik erklärte ſich hiemit einverſtanden und zog
ſeinen Antrag zurück. Herr Matſcheko (Orts-
gruppe Wieden in Wien) begrüßte den Antrag
Braß, erſucht jedoch von der Einberufung einer
außerordentlichen Hauptverſammlung Abſtand zu
nehmen und das Ergebniß der Berathungen der
ordentlichen Hauptverſammlung zur Beſchlußfaſſung
vorzulegen, da eine außerordentliche, die erfah-
rungsgemäß nie ſo vollzählig beſucht ſei, nur
einem Rumpfparlament zu vergleichen iſt.

Nachdem noch einige Redner geſprochen,
wies Herr Frank darauf hin, daß nach den
Statuten die Beſchlußfaſſung nur in ordentlicher
Hauptverſammlung erfolgen könne. Der Antrag
Braß gelangt ſodann mit der von Matſchekos be-
antragten Aenderung nahezu einſtimmig zur
Annahme.

Delegirter Prof. Schwarz verlangt die Gründe
zu wiſſen, welche die Ortsgruppe Deutſch-Jaßnik
zu ihrem Antrage bewogen haben. (Rufe: Oho!
Man kennt doch dieſe Gründe!)

Obmann Weitlof bemerkt, daß dies gegen-
ſtandslos ſei, nachdem Deutſch-Jaßnik den Antrag
zu Gunſten des Antrages Braß zurückgezogen
habe und ſchloß ſodann, da die Tagesordnung
erſchöpft war, die 15. ordentliche Hauptverſamm-
lung mit Worten des Dankes an alle Theilnehmer.

Die Ergänzungswahl in die Vereinsleitung
ergab die Wahl des Herrn Dr. Rudolf Prokſch
(Wien), in den Aufſichtsrath wurde Hofrath Dr.
Alexander Eger (Wien) und in das Schiedsge-
richt Dr. Raimund Grübl (Wien) neugewählt.




[Spaltenumbruch]
Stürme im Hafen.
Roman von F. von Kapff-Eſſenther.

Nachdruck verboten.

(95. Fortſetzung.)

Jetzt trat Graf Reichenau, deſſen Eheſchei-
dungsproceß Robert führte, in die Loge, um
Erneſtine zu begrüßen. Sein Proceß war ein
ſogenannter ſenſationeller und Ulrich dadurch der
großen Welt bekannt geworden. Er ſelbſt hatte
ſich zeitlebens ſpeciell um Eheſcheidungen wenig
gekümmert, hatte keine Erfahrung und keine
beſondere Sachkenntniß auf dieſem Gebiete. Aber
ſein Ruf war ſchon ſo weit gediehen, daß Graf
Reichenau mit Genugthuung ſagen konnte „mein
Rechtsanwalt Doctor Ulrich,“ und das war es,
was Ulrich ſo heiß erſtrebt hatte. Das Gebiet,
auf dem er wirklich etwas Hervorragendes zu
leiſten vermochte, war die Vertheidigung in
Strafſachen, aber er konnte auf dieſem Felde
nicht raſch genug emporkommen, deshalb ge-
brauchte er andere Mittel, um Carriére zu machen.
Seine höchſten Träume waren eine ſociale Stel-
lung erſten Ranges, Reichthum, Ruf, ein Sitz
im Abgeordnetenhauſe, und das Alles war heute
für ihn nicht unerreichbar. Nun muthig und
rückſichtslos weiter.

Und dieſe Gedanken erfüllten ihn an dem
ſchönen Frühlingsnachmittage in Hoppegarten.
Ob „Poldi“ als Erſte oder Zweite oder gar
[Spaltenumbruch] nicht durchs Ziel ging, war ihm furchtbar gleich-
giltig. Er hatte niemals gewettet oder geſpielt,
das hatte er alle Zeit für höchſt thöricht gehalten.
Aber er fühlte ſich heute glücklich gehoben, und
er hatte nicht die leiſeſte Ahnung davon, wie
unglücklich ſeine Frau neben ihm war.

Aber ſie hatte in ihrer ſtillen, keuſchen,
weltfremden Mädchenzeit von einem Manne
geträumt, der hohe Ziele vor ſich ſah, aber ſolche
im Dienſte des Guten, im Dienſte der Menſch-
heit. Und der Mann, dem ſie ihr ganzes Weſen
hingegeben, hatte nur conventionellen Ehrgeiz.
Und dann, er liebte ſie nicht. Er war artig,
aufmerkſam, vielleicht auch treu, aber er liebte
ſie nicht. Niemals wechſelten ſie einen herzens-
innigen Liebesblick miteinder, nie hatte ſie an
ſeiner Seite einen jener beſeeligenden Momente
des Ineinanderaufgehens, des beglückenden Anein-
anderſchließens erlebt, deren Schilderung in
Büchern ſo oft ihr Herz ahnungsvoll klopfen
gemacht. Er erfüllte ſeine Pflicht gegen ſie, aber
er liebte ſie nicht. Und ihr war elend zum
Sterben.

Er aber führte ſie galant zum Wagen und
ſagte mit frohem Lächeln:

„Warte nur, meine ſchöne, kleine Frau,
vielleicht im nächſten Jahre ſchon, fahren wir in
eigener Equipage nach Hoppegarten!“

VI.

Dem Frühlingsrauſch vom Hoppegarten
folgte ein Tag der Entnüchterung für Ulrich.
[Spaltenumbruch] Er hatte 50.000 Mark Actien gezeichnet und
ſollte ſie heute einzahlen. D’Armont hatte ihm
verſprochen, das B[a]rgeld vorzuſchießen, aber bei
ſeinem minimalen Intereſſe für Geldgeſchäfte
hatte d’Armont natürlich vergeſſen, die Sache
zu ordnen. Nun wollte Ulrich geſtern während
des Rennens eine Anweiſung von ſeinem
Freunde verlangen, aber d’Armont war nicht da.
Er ſandte ſeinen Diener zu ihm — d’Armont
war wegen heftiger Nervoſität ſeit einigen Tagen
verreiſt. So waren die 50.000 Mark von daher
nicht zu beſchaffen.

Ulrich war ſehr ärgerlich; ihm war bisher
ſo alles nach Wunſch gegangen, weil das, was
er anſtrebte, in erſter Reihe von ſeinen intellec-
tuellen Fähigkeiten abhing. Nun hatte er ſich
auf ein Gebiet begeben, wo mehr oder minder
der Zufall herrſchte, wo ſein Können und Wiſſen
nicht ausſchlaggebend war. Woher bis heute
Mittag zur Börſenſtunde dieſen immerhin be-
deutenden Betrag nehmen? Er hatte ſicher auf
d’Armonts Zuſage gerechnet und ſich nicht weiter
gekümmert.

Ohne Zweifel war ſein Schwiegervater im
Stande, ihm zu helfen, aber direct Geld von
ihm wollte er nicht. Vielleicht konnte er ihn
bewegen, 50.000 Mark zu zeichnen riskiren,
dann für ſich einzahlen und einige Tage ſpäter
bei d’Armonts Rückkehr den Poſten Grunow
nachzahlen. So wollte er die Sache „ſchieben.“

(Fortſetzung folgt.)


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[[4]/0004] nationaler Geſinnungstüchtigkeit vindiciren, endlich unter dem Einfluſſe eines jeglichen nationalen Aufſchwung erdrückenden Syſtemes über die zweckentſprechende Wahl zuläſſiger Mittel zur Abwehr im deutſchen Lager noch nicht klar ge- worden. Daß unſere Jugend für ihre dereinſtige Wirkſamkeit bei Amt und Gericht und in ſon- ſtigen öffentlichen Stellungen ſich der Kennt- niß der zweiten Landesſprache erfreuen möge, dafür erheben ſich immer mehr gewichtige Stimme in Böhmen Mähren, Schleſien und der Steier- mark. Es iſt jedoch ein beklagenswerthes Symp- tom der durch unſere jetzige Aera wieder gezeitig- ten deutſchen Vertrauensſeligkeit, daß im Som- mer 1894 abermals ein Vorſchlag zu Gunſten einer durchgreifenden Utraquiſirung unſerer Schulen und wohl auch unſerer ganzen Lebensführung gemacht wurde. Speciell in Böhmen hieße das, dem compacten ſlaviſchen Sprachgebiete über kurz oder lang ein durchſetzendes national-ohnmächtiges ſprachlich gemiſchtes anzugliedern, der tſchechiſchen Propaganda auf deutſchem Boden die Thüre zu öffnen, und damit ſelbſt mit gebundenen Händen den letzten Act des nationalen Dramas, der uns die triumphirende Slavia im Wenzelreiche vorführt, mitvollenden zu helfen. Obwohl bei den Gemeindewahlen unterlegen, haben ſich die Deut- ſchen von Trebnitz, des „deutſchen Numantia“ im ſchweren Kampfe muthig behauptet. Redner ſchildert nun die Thätigkeit der Slovenen. Nicht ohne Zagen trete ich, ſagt Redner, in dieſem Augenblicke an das verſchleierte Bild von Sais, an die Cillier Frage, heran. Das wiſſen alle Deutſchen nördlich und ſüdlich der Donau, daß es ſich hier gar nicht mehr um die ſimple Gymnaſialfrage dreht. Das Schickſal ſtellt Völker und Nationen auch vor Aufgaben von ſcheinbar nichtsſagender Tragweite. Nach meiner Meinung wird es ein Prüfſtein ſein — darauf kommt es an — ein Prüfſtein darüber, ob wir die nationale Nackenſteife wirklich endgiltig verloren haben oder ob wir noch jenes Maß von Unbeugſamkeit beſitzen, die niemals zu faulen Declamationen, unwahren Scheingefechten und halben Schritten, nöthigenfalls zur letzten entſcheidenden That führt. (Bravo.) In die ernſte Betrachtung der unſer Vereins- leben beherrſchenden Zuſtände theilen wir uns mit ſo manchem treuen Mitarbeiter in den Orts- gruppen. Wir ſchließen unſere Betrachtungen, die Ihnen in Beſcheidenheit Rechenſchaft ablegen ſollen über die von uns im letzten Jahre voll- brachte Arbeit. Wenn wir auch Weniges erreich- ten, ſo billigen Sie uns vielleicht doch die Ungunſt der Umſtände, die Kraft der zahlreichen Gegner- ſchaft, die Schwäche im eigenen Lager, als Ent- laſtungsgründe zu. Mehr kommt es darauf an, ob Sie den Geſichtspunkt, unter dem wir die uns umgebenden nationalen Erſcheinungen be- trachtet haben, als den richtigen anerkennen. Wir meinen: ſchwer würde es für jeglichen nationalen Schutzverein, deshalb auch für den deutſchen Schulverein, Nutzbringendes zu ſchaffen, wenn ſich — was Gott verhüte — des Dichters Wort erfüllen ſollte: „Ein Land von Viertel- und von halben Tſchechen, Zwar können ſie noch nicht ſlaviſch ſprechen, Doch deutſch zu fühlen haben ſie verlernt.“ (Stürmiſcher nicht endenwollender Beifall.) Herr Wieſenburg erſtattete hierauf Namens des Aufſichtsraches Bericht. Dr. Schloffer (Graz) pries in begeiſter- ten Worten der Anerkennung die aufreibende Thätigkeit der Vereinsleitung, auf deren Schul- tern die ganze Laſt ruhe und die hiefür noch oft Undank und auch Verleumdungen ernten. Mit bewundernswürdiger Selbſtaufopferung arbeiten ſie im Dienſte des Schulvereines und kämpfen unbeirrt für die Sache des deutſchen Volkes, den Kampf gegen den ärgſten Feind, gegen den In- differentismus in den eigenen Reihen. Er bat die Verſammlung, ſich von den Sitzen zu erheben und der Vereinsleitung, insbeſondere dem hoch- verdienten Dr. Weitlof den wärmſten Dank aus- zuſprechen und ſie zu bitten, in ihrer nationalen Arbeit nicht zu erlahmen (Stürmiſcher Beifall und Hochrufe.) Sodann wurde dem Geſammt- ausſchuſſe einſtimmig das Abſolutorium ertheilt, für welchen Beweis des Vertrauens Dr. Weitlof neuerlich dankte. Herr Dr. Groß bringt die zahlreich ein- gelaufenen ſchriftlichen und telegraphiſchen Begrüßun- gen, darunter ſolche vom Deutſchen Böhmerwald- bund, Südmark (Graz), Dr. Schleſinger, Namens der Abgeordneten und Vertrauensmänner der Deutſchen Böhmens, vom Vorſtand des Landesverbandes Braunſchweig (Hannover) vom Schubertbund (Wien) von verſchiedenen ſtudentiſchen Vereinen, vom Allgemeinen Deutſchen Schulvein in Berlin, ferner von Falkenau, Reichenberg, Graz, Wiesbaden etc. etc. zur Verleſung. Hierauf ſtellte der Vertreter der Ortsgruppe Hohenſtadt Herr Hermann Braß nachſte- henden Antrag: In Erwägung, daß eine Belebung der Schulvereinsthätigkeit erwünſcht und nothwendig iſt und daß alle Jahre Anträge von Ortsgrup- pen kommenin Sachen der Aenderung der Satzungen, beſchließt die Hauptverſammlung: Die Hauptleitung wird erſucht 1. die Ortsgruppen zu befragen, welche Satzungsänderungen und ſonſtige Maß- nahmen ſelbe für nothwendig halten, um die Schulvereinsthätigkeit zu beleben, 2. die Hauptleitung möge aus ſich und den ihr bekannten warmen Freunden und eifrigen Arbeitern der Schulvereinsſache einen verſtärk- ten Ausſchuß bilden, der dieſe Fragen einge- hend zu beſprechen hat, 3. das Ergebniß dieſer Berathungen iſt dann einer ordentlichen Hauptverſammlung oder aber beſſer einer zu dieſem Zwecke einberufe- neu außerordentlichen Hauptverſamm- lung zur Beſchlußfaſſung vorzulegen. Obmann Dr. Weitlof erklärt, über dieſen Antrag die Debatte zu eröffnen. vorerſt aber müſſe der Bericht über die durch die Gauver- bandsleitung nothwendige Aenderung der Vereins- ſatzungen und über einen von der Ortsgruppe Deutſch-Jaßnik eingebrachten Antrag erfolgen. Dr. v. Kraus referirte ſodann über die neuen Gauſatzungen, welche auch über Antrag Apfel (Auſſig) en bloc einſtimmig angenom- men wurden. Dr. Wolfhardt brachte hierauf Namens der Vereinsleitung den Antrag der Ortsgruppe Deutſch-Jaßnik zur Kenntniß: „Die Satzun- gen des Deutſchen Schulvereines ſeien dahin zu ändern, daß in Hinkunft den einzelnen Orts- gruppen das Recht eingeräumt werden möge, ſelbſtſtändig über die Aufnahme von Mitgliedern in die Ortsgruppe zu verfügen.“ Nachdem auch dieſer Antrag mit dem Be- ſtreben, den Ortsgruppen eine regere Lebensthä- tigkeit einzuhauchen, motivirt wurde, richtete der Vorſitzende an den anweſenden Vertreter von Dentſch-Jaßnik die Anfrage, ob dieſe Ortsgruppe bei Annahme des Antrages Braß ihren Antrag zurückziehen würde. Der Vertreter von Deutſch- Jaßnik erklärte ſich hiemit einverſtanden und zog ſeinen Antrag zurück. Herr Matſcheko (Orts- gruppe Wieden in Wien) begrüßte den Antrag Braß, erſucht jedoch von der Einberufung einer außerordentlichen Hauptverſammlung Abſtand zu nehmen und das Ergebniß der Berathungen der ordentlichen Hauptverſammlung zur Beſchlußfaſſung vorzulegen, da eine außerordentliche, die erfah- rungsgemäß nie ſo vollzählig beſucht ſei, nur einem Rumpfparlament zu vergleichen iſt. Nachdem noch einige Redner geſprochen, wies Herr Frank darauf hin, daß nach den Statuten die Beſchlußfaſſung nur in ordentlicher Hauptverſammlung erfolgen könne. Der Antrag Braß gelangt ſodann mit der von Matſchekos be- antragten Aenderung nahezu einſtimmig zur Annahme. Delegirter Prof. Schwarz verlangt die Gründe zu wiſſen, welche die Ortsgruppe Deutſch-Jaßnik zu ihrem Antrage bewogen haben. (Rufe: Oho! Man kennt doch dieſe Gründe!) Obmann Weitlof bemerkt, daß dies gegen- ſtandslos ſei, nachdem Deutſch-Jaßnik den Antrag zu Gunſten des Antrages Braß zurückgezogen habe und ſchloß ſodann, da die Tagesordnung erſchöpft war, die 15. ordentliche Hauptverſamm- lung mit Worten des Dankes an alle Theilnehmer. Die Ergänzungswahl in die Vereinsleitung ergab die Wahl des Herrn Dr. Rudolf Prokſch (Wien), in den Aufſichtsrath wurde Hofrath Dr. Alexander Eger (Wien) und in das Schiedsge- richt Dr. Raimund Grübl (Wien) neugewählt. Stürme im Hafen. Roman von F. von Kapff-Eſſenther. Nachdruck verboten. (95. Fortſetzung.) Jetzt trat Graf Reichenau, deſſen Eheſchei- dungsproceß Robert führte, in die Loge, um Erneſtine zu begrüßen. Sein Proceß war ein ſogenannter ſenſationeller und Ulrich dadurch der großen Welt bekannt geworden. Er ſelbſt hatte ſich zeitlebens ſpeciell um Eheſcheidungen wenig gekümmert, hatte keine Erfahrung und keine beſondere Sachkenntniß auf dieſem Gebiete. Aber ſein Ruf war ſchon ſo weit gediehen, daß Graf Reichenau mit Genugthuung ſagen konnte „mein Rechtsanwalt Doctor Ulrich,“ und das war es, was Ulrich ſo heiß erſtrebt hatte. Das Gebiet, auf dem er wirklich etwas Hervorragendes zu leiſten vermochte, war die Vertheidigung in Strafſachen, aber er konnte auf dieſem Felde nicht raſch genug emporkommen, deshalb ge- brauchte er andere Mittel, um Carriére zu machen. Seine höchſten Träume waren eine ſociale Stel- lung erſten Ranges, Reichthum, Ruf, ein Sitz im Abgeordnetenhauſe, und das Alles war heute für ihn nicht unerreichbar. Nun muthig und rückſichtslos weiter. Und dieſe Gedanken erfüllten ihn an dem ſchönen Frühlingsnachmittage in Hoppegarten. Ob „Poldi“ als Erſte oder Zweite oder gar nicht durchs Ziel ging, war ihm furchtbar gleich- giltig. Er hatte niemals gewettet oder geſpielt, das hatte er alle Zeit für höchſt thöricht gehalten. Aber er fühlte ſich heute glücklich gehoben, und er hatte nicht die leiſeſte Ahnung davon, wie unglücklich ſeine Frau neben ihm war. Aber ſie hatte in ihrer ſtillen, keuſchen, weltfremden Mädchenzeit von einem Manne geträumt, der hohe Ziele vor ſich ſah, aber ſolche im Dienſte des Guten, im Dienſte der Menſch- heit. Und der Mann, dem ſie ihr ganzes Weſen hingegeben, hatte nur conventionellen Ehrgeiz. Und dann, er liebte ſie nicht. Er war artig, aufmerkſam, vielleicht auch treu, aber er liebte ſie nicht. Niemals wechſelten ſie einen herzens- innigen Liebesblick miteinder, nie hatte ſie an ſeiner Seite einen jener beſeeligenden Momente des Ineinanderaufgehens, des beglückenden Anein- anderſchließens erlebt, deren Schilderung in Büchern ſo oft ihr Herz ahnungsvoll klopfen gemacht. Er erfüllte ſeine Pflicht gegen ſie, aber er liebte ſie nicht. Und ihr war elend zum Sterben. Er aber führte ſie galant zum Wagen und ſagte mit frohem Lächeln: „Warte nur, meine ſchöne, kleine Frau, vielleicht im nächſten Jahre ſchon, fahren wir in eigener Equipage nach Hoppegarten!“ VI. Dem Frühlingsrauſch vom Hoppegarten folgte ein Tag der Entnüchterung für Ulrich. Er hatte 50.000 Mark Actien gezeichnet und ſollte ſie heute einzahlen. D’Armont hatte ihm verſprochen, das Bargeld vorzuſchießen, aber bei ſeinem minimalen Intereſſe für Geldgeſchäfte hatte d’Armont natürlich vergeſſen, die Sache zu ordnen. Nun wollte Ulrich geſtern während des Rennens eine Anweiſung von ſeinem Freunde verlangen, aber d’Armont war nicht da. Er ſandte ſeinen Diener zu ihm — d’Armont war wegen heftiger Nervoſität ſeit einigen Tagen verreiſt. So waren die 50.000 Mark von daher nicht zu beſchaffen. Ulrich war ſehr ärgerlich; ihm war bisher ſo alles nach Wunſch gegangen, weil das, was er anſtrebte, in erſter Reihe von ſeinen intellec- tuellen Fähigkeiten abhing. Nun hatte er ſich auf ein Gebiet begeben, wo mehr oder minder der Zufall herrſchte, wo ſein Können und Wiſſen nicht ausſchlaggebend war. Woher bis heute Mittag zur Börſenſtunde dieſen immerhin be- deutenden Betrag nehmen? Er hatte ſicher auf d’Armonts Zuſage gerechnet und ſich nicht weiter gekümmert. Ohne Zweifel war ſein Schwiegervater im Stande, ihm zu helfen, aber direct Geld von ihm wollte er nicht. Vielleicht konnte er ihn bewegen, 50.000 Mark zu zeichnen riskiren, dann für ſich einzahlen und einige Tage ſpäter bei d’Armonts Rückkehr den Poſten Grunow nachzahlen. So wollte er die Sache „ſchieben.“ (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 119, Olmütz, 24.05.1895, S. [4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches119_1895/4>, abgerufen am 28.04.2024.