Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Märkische Blätter. Nr. 5. Hattingen, 16. Januar 1850.

Bild:
erste Seite
Märkische Blätter.
Wochenblatt


für belehrende und angenehme Unterhaltung.



ro 5.Hattingen, Mittwoch, den 16. Januar 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Politische Rückblicke*)
mit Beziehung auf die Gegenwart.

Das Treiben der Kreuzzeitungspartei, die sich der
Abstellung jedes, auch des schreiendsten Mißbrauchs wi-
dersetzt, wenn sie bisher von dessen Bestehen Vortheil
hatte und mit dem Deckmantel der Religion, des Rechts
ihre schnöde Habgier, den krassesten Eigennutz zu verde-
cken sucht, erinnert lebhaft an die Geschichte, welche Heine
in seinen Pariser Briefen von den Pariser Lumpensamm-
lern erzählt, aus der Cholerazeit im Jahre 1832, wo die
Pariser Polizei im Jnteresse der öffentlichen Reinlichkeit
eine schleunige Fortschaffung des Straßenkothes und Keh-
richts anordnete. "Da," erzählt Heine, "kollidirte man
zuerst mit den Jnteressen einiger tausend Menschen, die
den öffentlichen Schmutz als ihre Domaine betrachten.
Dieses sind die sogenannten Chiffonniers, die von dem
Kehricht, der sich des Tages über vor den Häusern in
den Kothwinkeln aufhäuft, ihren Lebensunterhalt ziehen.
Mit großen Spitzkörben auf dem Rücken, und einen Ha-
kenstock in der Hand, schlendern diese Menschen, bleiche
Schmutzgestalten, durch die Straßen, und wissen mancher-
lei, was noch brauchbar ist, aus dem Kehricht aufzuga-
beln und zu verkaufen. Als nun die Polizei, damit der
Koth nicht lange auf den Straßen liegen bleibe, die Säu-
berung derselben in Entreprise gab, und der Kehricht,
auf Karren verladen, unmittelbar zur Stadt hinaus ge-
bracht ward, auf's freie Feld, wo es den Chiffonniers
frei stehen sollte, nach Herzenslust darin herum zu fischen:
da klagten diese Menschen, daß sie, wo nicht ganz brod-
los, doch wenigstens in ihrem Erwerbe geschmälert wür-
den, daß dieser Erwerb ein verjährtes Recht sei, gleich-
sam ein Eigenthum, dessen man sie nicht nach Willkür
berauben könne. Es ist sonderbar, daß die Beweisthümer,
die sie in dieser Hinsicht vorbrachten, ganz dieselben sind,
die auch unsere Krautjunker, Zunftherren, Gildemeister,
Zehntenprediger, Fakultätsgenossen, und sonstige Vorrechts-
beflissene vorzubringen pflegen, wenn die alten Mißbräu-
che, wovon sie Nutzen ziehen, der Kehricht, des Mittelal-
ters, endlich fortgeräumt werden sollen, damit durch den
verjährten Moder und Dunst unser jetziges Leben nicht

[Spaltenumbruch] verpestet werde. Als ihre Protestationen nichts halfen,
suchten die Chiffonniers gewaltthätig die Reinigungsreform
zu hintertreiben; sie versuchten eine kleine Kontrerevolu-
tion, und zwar in Verbindung mit alten Weibern, den
Rendeuses, denen man verboten hatte, das übelriechende
Zeug, das sie größtentheils von den Chiffonniers erhandeln,
längs den Kays zum Wiederverkauf auszukramen. Da
sahen wir nun die widerwärtigste Emeute: die neuen Rei-
nigungskarren wurden zerschlagen und in die Seine ge-
schmissen; die Chiffonniers barrikadirten sich bei der Porte
St. Denis; mit ihren großen Regenschirmen fochten die
alten Trödelweiber auf dem Chatelet; der Generalmarsch
erscholl; Casimir Perier ließ seine Myrmidonen aus ihren
Boutiquen heraustrommeln; der Bürgerthron zitterte; die
Rente fiel; die Karlisten jauchzten. Letztere hatten endlich
ihre natürlichsten Alliirten gefunden, Lumpensammler und
alte Trödelweiber, die sich jetzt mit denselben Prinzipien
geltend machten, als Verfechter des Herkömmlichen, der
überlieferten Erbkehrichtsinteressen, der Verfaultheiten aller
Art."     ( Forts. f. )



Die Pantoffel des Brahmanen.
( Schluß. )

Bei diesem Ausruf des Sanniassy schauderte Edward
unwillkürlich zusammen, aber bald verwischte der Auf-
enthalt in Kalkutta den trüben Eindruck. Er wurde hier
schnell bekannt und beliebt; als er sich auf dem Gipfel
seines Glückes befand, verheirathete er sich trotz der Ab-
mahnungen seiner Freunde, denn er sehnte sich nach Ruhe.
Das Mädchen seiner Wahl war eine in Jndien geborne
Engländerin, welche die Zartheit des Nordens mit der
Schönheit des asiatischen Typus vereinte. Edward der
Auguste innig liebte, zog sich mit ihr in eine schöne am
Ufer des Ganges gelegene Wohnung zurück.

Unter allen Vergnügungen, die ihm sein neuer Wohn-
ort darbot, liebte Edward am meisten die Wasserfahrten,
und sehr oft fuhr er in seiner Bholia ( Gondel ) auf dem
Ganges umher.

Eines Abends steuerte er nach der Mündung des
Ganges; der Mond ging eben am Himmel auf, den die
scheidende Sonne mit einem Purpursaume vergoldete.
Seine junge Frau, an seinen Arm gelehnt, ließ den
Wind mit ihren schwarzen Locken spielen und schaute
[Ende Spaltensatz]

*) Jn Abwesenheit des Redacteurs ist in vor. d. Bl. der Schlußsatz betref-
fend: "Zur Verfassungsfrage" ( nach der Mitth. aus der Parl. -
Corresp. anfangend ) irrthümlich durch den Setzer statt des für
das Blatt bestimmten Artekels aufgenommen.
Die Redaction.
* ) Jn Abwesenheit des Redacteurs ist in vor. d. Bl. der Schlußsatz betref-
fend: "Zur Verfassungsfrage" ( nach der Mitth. aus der Parl. -
Corresp. anfangend ) irrthümlich durch den Setzer statt des für
das Blatt bestimmten Artekels aufgenommen.
    Die Redaction.
Märkische Blätter.
Wochenblatt


für belehrende und angenehme Unterhaltung.



ro 5.Hattingen, Mittwoch, den 16. Januar 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Politische Rückblicke*)
mit Beziehung auf die Gegenwart.

Das Treiben der Kreuzzeitungspartei, die sich der
Abstellung jedes, auch des schreiendsten Mißbrauchs wi-
dersetzt, wenn sie bisher von dessen Bestehen Vortheil
hatte und mit dem Deckmantel der Religion, des Rechts
ihre schnöde Habgier, den krassesten Eigennutz zu verde-
cken sucht, erinnert lebhaft an die Geschichte, welche Heine
in seinen Pariser Briefen von den Pariser Lumpensamm-
lern erzählt, aus der Cholerazeit im Jahre 1832, wo die
Pariser Polizei im Jnteresse der öffentlichen Reinlichkeit
eine schleunige Fortschaffung des Straßenkothes und Keh-
richts anordnete. „Da,“ erzählt Heine, „kollidirte man
zuerst mit den Jnteressen einiger tausend Menschen, die
den öffentlichen Schmutz als ihre Domaine betrachten.
Dieses sind die sogenannten Chiffonniers, die von dem
Kehricht, der sich des Tages über vor den Häusern in
den Kothwinkeln aufhäuft, ihren Lebensunterhalt ziehen.
Mit großen Spitzkörben auf dem Rücken, und einen Ha-
kenstock in der Hand, schlendern diese Menschen, bleiche
Schmutzgestalten, durch die Straßen, und wissen mancher-
lei, was noch brauchbar ist, aus dem Kehricht aufzuga-
beln und zu verkaufen. Als nun die Polizei, damit der
Koth nicht lange auf den Straßen liegen bleibe, die Säu-
berung derselben in Entreprise gab, und der Kehricht,
auf Karren verladen, unmittelbar zur Stadt hinaus ge-
bracht ward, auf's freie Feld, wo es den Chiffonniers
frei stehen sollte, nach Herzenslust darin herum zu fischen:
da klagten diese Menschen, daß sie, wo nicht ganz brod-
los, doch wenigstens in ihrem Erwerbe geschmälert wür-
den, daß dieser Erwerb ein verjährtes Recht sei, gleich-
sam ein Eigenthum, dessen man sie nicht nach Willkür
berauben könne. Es ist sonderbar, daß die Beweisthümer,
die sie in dieser Hinsicht vorbrachten, ganz dieselben sind,
die auch unsere Krautjunker, Zunftherren, Gildemeister,
Zehntenprediger, Fakultätsgenossen, und sonstige Vorrechts-
beflissene vorzubringen pflegen, wenn die alten Mißbräu-
che, wovon sie Nutzen ziehen, der Kehricht, des Mittelal-
ters, endlich fortgeräumt werden sollen, damit durch den
verjährten Moder und Dunst unser jetziges Leben nicht

[Spaltenumbruch] verpestet werde. Als ihre Protestationen nichts halfen,
suchten die Chiffonniers gewaltthätig die Reinigungsreform
zu hintertreiben; sie versuchten eine kleine Kontrerevolu-
tion, und zwar in Verbindung mit alten Weibern, den
Rendeuses, denen man verboten hatte, das übelriechende
Zeug, das sie größtentheils von den Chiffonniers erhandeln,
längs den Kays zum Wiederverkauf auszukramen. Da
sahen wir nun die widerwärtigste Emeute: die neuen Rei-
nigungskarren wurden zerschlagen und in die Seine ge-
schmissen; die Chiffonniers barrikadirten sich bei der Porte
St. Denis; mit ihren großen Regenschirmen fochten die
alten Trödelweiber auf dem Chatelet; der Generalmarsch
erscholl; Casimir Perier ließ seine Myrmidonen aus ihren
Boutiquen heraustrommeln; der Bürgerthron zitterte; die
Rente fiel; die Karlisten jauchzten. Letztere hatten endlich
ihre natürlichsten Alliirten gefunden, Lumpensammler und
alte Trödelweiber, die sich jetzt mit denselben Prinzipien
geltend machten, als Verfechter des Herkömmlichen, der
überlieferten Erbkehrichtsinteressen, der Verfaultheiten aller
Art.“     ( Forts. f. )



Die Pantoffel des Brahmanen.
( Schluß. )

Bei diesem Ausruf des Sanniassy schauderte Edward
unwillkürlich zusammen, aber bald verwischte der Auf-
enthalt in Kalkutta den trüben Eindruck. Er wurde hier
schnell bekannt und beliebt; als er sich auf dem Gipfel
seines Glückes befand, verheirathete er sich trotz der Ab-
mahnungen seiner Freunde, denn er sehnte sich nach Ruhe.
Das Mädchen seiner Wahl war eine in Jndien geborne
Engländerin, welche die Zartheit des Nordens mit der
Schönheit des asiatischen Typus vereinte. Edward der
Auguste innig liebte, zog sich mit ihr in eine schöne am
Ufer des Ganges gelegene Wohnung zurück.

Unter allen Vergnügungen, die ihm sein neuer Wohn-
ort darbot, liebte Edward am meisten die Wasserfahrten,
und sehr oft fuhr er in seiner Bholia ( Gondel ) auf dem
Ganges umher.

Eines Abends steuerte er nach der Mündung des
Ganges; der Mond ging eben am Himmel auf, den die
scheidende Sonne mit einem Purpursaume vergoldete.
Seine junge Frau, an seinen Arm gelehnt, ließ den
Wind mit ihren schwarzen Locken spielen und schaute
[Ende Spaltensatz]

*) Jn Abwesenheit des Redacteurs ist in vor. d. Bl. der Schlußsatz betref-
fend: „Zur Verfassungsfrage“ ( nach der Mitth. aus der Parl. -
Corresp. anfangend ) irrthümlich durch den Setzer statt des für
das Blatt bestimmten Artekels aufgenommen.
Die Redaction.
* ) Jn Abwesenheit des Redacteurs ist in vor. d. Bl. der Schlußsatz betref-
fend: „Zur Verfassungsfrage“ ( nach der Mitth. aus der Parl. -
Corresp. anfangend ) irrthümlich durch den Setzer statt des für
das Blatt bestimmten Artekels aufgenommen.
    Die Redaction.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0001"/>
      <titlePage type="heading">
        <docTitle>
          <titlePart type="main"> <hi rendition="#b #c #fr">Märkische Blätter.</hi> </titlePart><lb/>
          <titlePart type="sub"> <hi rendition="#b #c #g">Wochenblatt</hi><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <hi rendition="#c">für belehrende und angenehme Unterhaltung.</hi> </titlePart>
        </docTitle><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <docImprint> <hi rendition="#b"><hi rendition="#sup">ro</hi> 5.</hi> <pubPlace> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Hattingen,</hi> </hi> </pubPlace>
          <docDate> Mittwoch, den 16. Januar <hi rendition="#b #fr #right">1850.</hi></docDate>
        </docImprint>
      </titlePage><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </front>
    <body>
      <cb type="start"/>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Politische Rückblicke</hi> <note place="foot" n="*)">Jn Abwesenheit des Redacteurs ist in vor. d. Bl. der Schlußsatz betref-<lb/>
fend: &#x201E;Zur Verfassungsfrage&#x201C; ( nach der Mitth. aus der Parl. -<lb/>
Corresp. anfangend ) irrthümlich durch den Setzer statt des für<lb/>
das Blatt bestimmten Artekels aufgenommen.<lb/><hi rendition="#g #right">Die Redaction</hi>.</note><lb/> <hi rendition="#g">mit Beziehung auf die Gegenwart.</hi> </head><lb/>
        <p>Das Treiben der Kreuzzeitungspartei, die sich der<lb/>
Abstellung jedes, auch des schreiendsten Mißbrauchs wi-<lb/>
dersetzt, wenn sie bisher von dessen Bestehen Vortheil<lb/>
hatte und mit dem Deckmantel der Religion, des Rechts<lb/>
ihre schnöde Habgier, den krassesten Eigennutz zu verde-<lb/>
cken sucht, erinnert lebhaft an die Geschichte, welche Heine<lb/>
in seinen Pariser Briefen von den Pariser Lumpensamm-<lb/>
lern erzählt, aus der Cholerazeit im Jahre 1832, wo die<lb/>
Pariser Polizei im Jnteresse der öffentlichen Reinlichkeit<lb/>
eine schleunige Fortschaffung des Straßenkothes und Keh-<lb/>
richts anordnete. &#x201E;Da,&#x201C; erzählt Heine, &#x201E;kollidirte man<lb/>
zuerst mit den Jnteressen einiger tausend Menschen, die<lb/>
den öffentlichen Schmutz als ihre Domaine betrachten.<lb/>
Dieses sind die sogenannten Chiffonniers, die von dem<lb/>
Kehricht, der sich des Tages über vor den Häusern in<lb/>
den Kothwinkeln aufhäuft, ihren Lebensunterhalt ziehen.<lb/>
Mit großen Spitzkörben auf dem Rücken, und einen Ha-<lb/>
kenstock in der Hand, schlendern diese Menschen, bleiche<lb/>
Schmutzgestalten, durch die Straßen, und wissen mancher-<lb/>
lei, was noch brauchbar ist, aus dem Kehricht aufzuga-<lb/>
beln und zu verkaufen. Als nun die Polizei, damit der<lb/>
Koth nicht lange auf den Straßen liegen bleibe, die Säu-<lb/>
berung derselben in Entreprise gab, und der Kehricht,<lb/>
auf Karren verladen, unmittelbar zur Stadt hinaus ge-<lb/>
bracht ward, auf's freie Feld, wo es den Chiffonniers<lb/>
frei stehen sollte, nach Herzenslust darin herum zu fischen:<lb/>
da klagten diese Menschen, daß sie, wo nicht ganz brod-<lb/>
los, doch wenigstens in ihrem Erwerbe geschmälert wür-<lb/>
den, daß dieser Erwerb ein verjährtes Recht sei, gleich-<lb/>
sam ein Eigenthum, dessen man sie nicht nach Willkür<lb/>
berauben könne. Es ist sonderbar, daß die Beweisthümer,<lb/>
die sie in dieser Hinsicht vorbrachten, ganz dieselben sind,<lb/>
die auch unsere Krautjunker, Zunftherren, Gildemeister,<lb/>
Zehntenprediger, Fakultätsgenossen, und sonstige Vorrechts-<lb/>
beflissene vorzubringen pflegen, wenn die alten Mißbräu-<lb/>
che, wovon sie Nutzen ziehen, der Kehricht, des Mittelal-<lb/>
ters, endlich fortgeräumt werden sollen, damit durch den<lb/>
verjährten Moder und Dunst unser jetziges Leben nicht<lb/><note place="foot"><p><hi rendition="#sup">*</hi> ) Jn Abwesenheit des Redacteurs ist in vor. d. Bl. der Schlußsatz betref-<lb/>
fend: &#x201E;Zur Verfassungsfrage&#x201C; ( nach der Mitth. aus der Parl. -<lb/>
Corresp. anfangend ) irrthümlich durch den Setzer statt des für<lb/>
das Blatt bestimmten Artekels aufgenommen. </p><lb/><p><space dim="horizontal"/><hi rendition="#g">Die Redaction</hi>. </p></note><lb/><cb n="2"/>
verpestet werde. Als ihre Protestationen nichts halfen,<lb/>
suchten die Chiffonniers gewaltthätig die Reinigungsreform<lb/>
zu hintertreiben; sie versuchten eine kleine Kontrerevolu-<lb/>
tion, und zwar in Verbindung mit alten Weibern, den<lb/>
Rendeuses, denen man verboten hatte, das übelriechende<lb/>
Zeug, das sie größtentheils von den Chiffonniers erhandeln,<lb/>
längs den Kays zum Wiederverkauf auszukramen. Da<lb/>
sahen wir nun die widerwärtigste Emeute: die neuen Rei-<lb/>
nigungskarren wurden zerschlagen und in die Seine ge-<lb/>
schmissen; die Chiffonniers barrikadirten sich bei der Porte<lb/>
St. Denis; mit ihren großen Regenschirmen fochten die<lb/>
alten Trödelweiber auf dem Chatelet; der Generalmarsch<lb/>
erscholl; Casimir Perier ließ seine Myrmidonen aus ihren<lb/>
Boutiquen heraustrommeln; der Bürgerthron zitterte; die<lb/>
Rente fiel; die Karlisten jauchzten. Letztere hatten endlich<lb/>
ihre natürlichsten Alliirten gefunden, Lumpensammler und<lb/>
alte Trödelweiber, die sich jetzt mit denselben Prinzipien<lb/>
geltend machten, als Verfechter des Herkömmlichen, der<lb/>
überlieferten Erbkehrichtsinteressen, der Verfaultheiten aller<lb/>
Art.&#x201C;  <space dim="horizontal"/>   ( Forts. f. ) </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Die Pantoffel des Brahmanen.</hi><lb/>
( Schluß. )</head><lb/>
        <p>Bei diesem Ausruf des Sanniassy schauderte Edward<lb/>
unwillkürlich zusammen, aber bald verwischte der Auf-<lb/>
enthalt in Kalkutta den trüben Eindruck. Er wurde hier<lb/>
schnell bekannt und beliebt; als er sich auf dem Gipfel<lb/>
seines Glückes befand, verheirathete er sich trotz der Ab-<lb/>
mahnungen seiner Freunde, denn er sehnte sich nach Ruhe.<lb/>
Das Mädchen seiner Wahl war eine in Jndien geborne<lb/>
Engländerin, welche die Zartheit des Nordens mit der<lb/>
Schönheit des asiatischen Typus vereinte. Edward der<lb/>
Auguste innig liebte, zog sich mit ihr in eine schöne am<lb/>
Ufer des Ganges gelegene Wohnung zurück.</p><lb/>
        <p>Unter allen Vergnügungen, die ihm sein neuer Wohn-<lb/>
ort darbot, liebte Edward am meisten die Wasserfahrten,<lb/>
und sehr oft fuhr er in seiner Bholia ( Gondel ) auf dem<lb/>
Ganges umher.</p><lb/>
        <p>Eines Abends steuerte er nach der Mündung des<lb/>
Ganges; der Mond ging eben am Himmel auf, den die<lb/>
scheidende Sonne mit einem Purpursaume vergoldete.<lb/>
Seine junge Frau, an seinen Arm gelehnt, ließ den<lb/>
Wind mit ihren schwarzen Locken spielen und schaute<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0001] Märkische Blätter. Wochenblatt für belehrende und angenehme Unterhaltung. ro 5.Hattingen, Mittwoch, den 16. Januar 1850. Politische Rückblicke *) mit Beziehung auf die Gegenwart. Das Treiben der Kreuzzeitungspartei, die sich der Abstellung jedes, auch des schreiendsten Mißbrauchs wi- dersetzt, wenn sie bisher von dessen Bestehen Vortheil hatte und mit dem Deckmantel der Religion, des Rechts ihre schnöde Habgier, den krassesten Eigennutz zu verde- cken sucht, erinnert lebhaft an die Geschichte, welche Heine in seinen Pariser Briefen von den Pariser Lumpensamm- lern erzählt, aus der Cholerazeit im Jahre 1832, wo die Pariser Polizei im Jnteresse der öffentlichen Reinlichkeit eine schleunige Fortschaffung des Straßenkothes und Keh- richts anordnete. „Da,“ erzählt Heine, „kollidirte man zuerst mit den Jnteressen einiger tausend Menschen, die den öffentlichen Schmutz als ihre Domaine betrachten. Dieses sind die sogenannten Chiffonniers, die von dem Kehricht, der sich des Tages über vor den Häusern in den Kothwinkeln aufhäuft, ihren Lebensunterhalt ziehen. Mit großen Spitzkörben auf dem Rücken, und einen Ha- kenstock in der Hand, schlendern diese Menschen, bleiche Schmutzgestalten, durch die Straßen, und wissen mancher- lei, was noch brauchbar ist, aus dem Kehricht aufzuga- beln und zu verkaufen. Als nun die Polizei, damit der Koth nicht lange auf den Straßen liegen bleibe, die Säu- berung derselben in Entreprise gab, und der Kehricht, auf Karren verladen, unmittelbar zur Stadt hinaus ge- bracht ward, auf's freie Feld, wo es den Chiffonniers frei stehen sollte, nach Herzenslust darin herum zu fischen: da klagten diese Menschen, daß sie, wo nicht ganz brod- los, doch wenigstens in ihrem Erwerbe geschmälert wür- den, daß dieser Erwerb ein verjährtes Recht sei, gleich- sam ein Eigenthum, dessen man sie nicht nach Willkür berauben könne. Es ist sonderbar, daß die Beweisthümer, die sie in dieser Hinsicht vorbrachten, ganz dieselben sind, die auch unsere Krautjunker, Zunftherren, Gildemeister, Zehntenprediger, Fakultätsgenossen, und sonstige Vorrechts- beflissene vorzubringen pflegen, wenn die alten Mißbräu- che, wovon sie Nutzen ziehen, der Kehricht, des Mittelal- ters, endlich fortgeräumt werden sollen, damit durch den verjährten Moder und Dunst unser jetziges Leben nicht verpestet werde. Als ihre Protestationen nichts halfen, suchten die Chiffonniers gewaltthätig die Reinigungsreform zu hintertreiben; sie versuchten eine kleine Kontrerevolu- tion, und zwar in Verbindung mit alten Weibern, den Rendeuses, denen man verboten hatte, das übelriechende Zeug, das sie größtentheils von den Chiffonniers erhandeln, längs den Kays zum Wiederverkauf auszukramen. Da sahen wir nun die widerwärtigste Emeute: die neuen Rei- nigungskarren wurden zerschlagen und in die Seine ge- schmissen; die Chiffonniers barrikadirten sich bei der Porte St. Denis; mit ihren großen Regenschirmen fochten die alten Trödelweiber auf dem Chatelet; der Generalmarsch erscholl; Casimir Perier ließ seine Myrmidonen aus ihren Boutiquen heraustrommeln; der Bürgerthron zitterte; die Rente fiel; die Karlisten jauchzten. Letztere hatten endlich ihre natürlichsten Alliirten gefunden, Lumpensammler und alte Trödelweiber, die sich jetzt mit denselben Prinzipien geltend machten, als Verfechter des Herkömmlichen, der überlieferten Erbkehrichtsinteressen, der Verfaultheiten aller Art.“ ( Forts. f. ) Die Pantoffel des Brahmanen. ( Schluß. ) Bei diesem Ausruf des Sanniassy schauderte Edward unwillkürlich zusammen, aber bald verwischte der Auf- enthalt in Kalkutta den trüben Eindruck. Er wurde hier schnell bekannt und beliebt; als er sich auf dem Gipfel seines Glückes befand, verheirathete er sich trotz der Ab- mahnungen seiner Freunde, denn er sehnte sich nach Ruhe. Das Mädchen seiner Wahl war eine in Jndien geborne Engländerin, welche die Zartheit des Nordens mit der Schönheit des asiatischen Typus vereinte. Edward der Auguste innig liebte, zog sich mit ihr in eine schöne am Ufer des Ganges gelegene Wohnung zurück. Unter allen Vergnügungen, die ihm sein neuer Wohn- ort darbot, liebte Edward am meisten die Wasserfahrten, und sehr oft fuhr er in seiner Bholia ( Gondel ) auf dem Ganges umher. Eines Abends steuerte er nach der Mündung des Ganges; der Mond ging eben am Himmel auf, den die scheidende Sonne mit einem Purpursaume vergoldete. Seine junge Frau, an seinen Arm gelehnt, ließ den Wind mit ihren schwarzen Locken spielen und schaute *) Jn Abwesenheit des Redacteurs ist in vor. d. Bl. der Schlußsatz betref- fend: „Zur Verfassungsfrage“ ( nach der Mitth. aus der Parl. - Corresp. anfangend ) irrthümlich durch den Setzer statt des für das Blatt bestimmten Artekels aufgenommen. Die Redaction. * ) Jn Abwesenheit des Redacteurs ist in vor. d. Bl. der Schlußsatz betref- fend: „Zur Verfassungsfrage“ ( nach der Mitth. aus der Parl. - Corresp. anfangend ) irrthümlich durch den Setzer statt des für das Blatt bestimmten Artekels aufgenommen. Die Redaction.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz, Benjamin Fiechter: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische005_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische005_1850/1
Zitationshilfe: Märkische Blätter. Nr. 5. Hattingen, 16. Januar 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische005_1850/1>, abgerufen am 09.05.2024.