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Mainzer Journal. Nr. 50. Mainz, 4. August 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 50. Freitag, den 4. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
An die Cölibatsstürmer des deutschen Reichs-
tages.
I.

*** Vorerst die Frage: ist das Gesetz, welches die katholi-
schen Priester zur Ehelosigkeit verpflichtet, ein Kirchengesetz? Jhr
werdet es nicht in Abrede stellen wollen, daß es ein rein kirch-
liches,
mithin nur im Gewissen verpflichtendes Gesetz ist. Wie
kommet ihr nun dazu die Aufhebung eines Kirchengesetzes
zu beantragen? Jst das nicht eine Einmischung in rein reli-
giöse und kirchliche
Angelegenheiten? Ein feiner Anfang
zur Religionsfreiheit, welche wir vom Parlamente erwarten!
Daß der priesterliche Cölibat eine reine Kirchensache sey, habet
ihr selbst dadurch zugestanden und förmlich ausgesprochen, daß
ihr beantraget, bei dem Papste dessen Aufhebung zu erwirken.
Jhr selbst habet es nicht gewagt, der Nationalversammlung oder
irgend einer politischen Macht das Recht zuzuschreiben, den prie-
sterlichen Cölibat aufzuheben, sondern ihr habet erklärt, daß
diese Befugniß nur dem römischen Papste [unleserliches Material - 7 Zeichen fehlen]zukomme. Wir
wollen Act hierüber nehmen, obwohl sicherlich kein Papst eine
Maßregel, wie die Aufhebung des Priestercölibates -- wenn es
möglich wäre an so etwas auch nur zu denken -- ohne die Zu-
stimmung eines allgemeinen Concils vornehmen würde. Aber
euer Zugeständniß, daß nur die Kirchengewalt das Recht habe,
über den priesterlichen Cölibat Beschlüsse zu fassen, genügt, um
euch und euren Antrag zu verurtheilen, zu schlagen, zu ver-
nichten.

Denn was gehen euch und was gehen das Parlament rein
kirchliche Angelegenheiten an? Wie kommet ihr dazu und wer
hat euch dazu berufen, beim Papste Anträge auf Veränderung
von Kirchengesetzen zu stellen? Wenn Anträge auf Veränderungen
katholischer kirchlicher Gesetze zu stellen sind, so ist das Sache der
katholischen Geistlichen und des katholischen Volkes. Jhr aber seyd
ja zu gutem Theil gar nicht katholisch. Ein großer Theil von euch
ist protestantisch; ob Juden dabei sind, weiß ich nicht; einer oder
der andere ist deutschkatholisch -- und den übrigen Herren wäre
zu rathen, je eher je lieber deutschkatholich zu werden, wenn sie es
nicht vorziehen sollten, lieber österreichisch=katholisch zu seyn; end-
lich sind unter euch auch noch Männer, wie die Herren Ruge,
Vischer, Vogt,
die es als eine Beleidigung ansehen würden,
wenn man sie für Christen oder auch nur für solche, die an einen
persönlichen Gott glauben, halten würde. Wie kommet nun ihr,
Protestanten, Deutschkatholiken, Pantheisten dazu bei dem römi-
schen Papste Anträge auf Aufhebung eines römisch=katholischen
Kirchengesetzes zu stellen? Jn der That, von manchen von euch
hat uns ein solch bornirter Verstoß gegen alle Principien der
Freiheit höchlich gewundert, am allermeisten von den eben ge-
nannten Pantheisten die wir für viel zu gescheidt und großartig
gehalten hätten, als daß sie sich herbeiließen, mit Hülfe der
Staatsgewalt Proselytenmacherei für religiöse Parteien treiben
zu helfen.

Denn nichts Anderes ist doch der Antrag auf Aufhebung des
Cölibates. Jhr wisset sehr wohl, daß nur eine kleine Partei des
katholischen Clerus, die wir hier nicht näher bezeichnen wollen
und von denen ihr zwei Species unter euch besitzet, und ein ver-
hältnißmäßig noch weit geringerer Theil des katholischen Volkes
die Aufhebung des Cölibates wünscht, hingegen die unendliche
Masse der katholischen Geistlichkeit und des katholischen Volkes
die Priesterehe verabscheut, so daß wir keine zu kühne Behaup-
tung aufzustellen glauben, wenn wir sagen, daß in ganz Deutsch-
land vielleicht nicht zehn katholische Gemeinden aufzufinden seyen,
[Spaltenumbruch] die einen beweibten Priester sich gefallen ließen, wohl aber tau-
sende, die einen solch anmaßenden Eindringling mit Schande und
Schaden aus ihrer Mitte verjagen, oder falls man mit Polizei-
gewalt ihn hielte, vorziehen würden, jahrelang des Gottes-
dienstes zu entbehren, als bei einem solchen die Messe zu
hören. Jhr möget das vielleicht sehr unaufgeklärt und un-
begreiflich finden -- aber es ist so, ihr müsset euch darüber
nur nicht täuschen, -- es ist so, und der Grund davon liegt
darin, weil das katholische Volk von der Heiligkeit des Priester-
thums und der Messe ganz absonderliche Begriffe hat. Doch
davon versteht ihr nichts uud das gehört auch nicht hierher.

Aber das gehört hierher, euch zu fragen, wie es euch nur
zu Sinne kommen konnte, Anträge in katholischen Kirchen-
sachen beim Papste
zu stellen, von denen das katholische
Volk nichts weiß und nichts wissen will. Wie würde es euch
denn vorkommen, wenn Diejenigen eurer Collegen, welche ihr
die Ultramontanen zu nennen beliebt, beantragen würden, die
Centralgewalt solle die protestantischen Kirchenbehörden veran-
lassen, auch bei den Protestanten den Cölibat und eine hierar-
chische Ordnung einzuführen? Hu, ihr würdet, wenn es natur-
möglich wäre, über einen solchen Antrag aus euren Häuten
fahren und mindestens die Forderung machen, dergleichen An-
tragsteller -- als offenbar Wahnsinnige -- von Amtswegen aus
der Paulskirche sofort in das nächste beste Narrenspital zu trans-
portiren. Aber seht einmal, was dem Einen recht ist, das ist
dem Andern billig, -- oder führt ihr vielleicht zweierlei Maß
und Gewicht? -- Ja und Nein zu gleicher Zeit ist eine schlechte
Theologie, sagt der König Lear.

Doch ich sehe, ihr könnt euch kaum mehr zurückhalten; ein,
wie ihr glaubt, siegreicher Grund für euren Antrag schwebt auf
euren Lippen, bereit, donnernd herauszuplatzen. Wir wollen,
sagt ihr, die Aufhebung des Cölibates, weil er eine Verletz-
ung der staatsbürgerlichen Freiheit und der Men-
schenrechte
ist. Allein mit Verlaub, diese ganze stolze Phrase
ist nichts als eine dicke Unwahrheit: denn die staatsbürgerliche
Freiheit kann nur durch einen äußerlichen Zwang vernichtet
werden; ein äußerer Zwang zum Cölibat besteht aber nicht.
Der Cölibat der katholischen Priester ist eine nach reifer Ueber-
legung freiwillig übernommene Gewissenspflicht, und jeder
Geistliche kann jeden Augenblick heirathen, er
braucht nur aus der katholischen Kirche und ihrem
Priesterthum auszutreten.
Sieht die Kirche eine solche
Ehe als nichtig an, was kümmert es den Staat? Vor
dem Gesetz wird fortan nur die Civilehe gelten. Also was
wollet ihr weiter? Ja ihr wollet, und ohne Zweifel ist
das euren Herrn Sprießler und Kuenzer die Hauptsache:
daß jeder katholische Geistliche heirathen und seine Pfründe
dabei behalten dürfe.
Darum soll der Papst den Cölibat
aufheben. Aber sehet ihr denn nicht ein, daß ihr damit einen Ein-
griff in das innerste Heiligthum der katholischen Kirche begehet;
denn wir Katholiken wollen einmal keine beweibten Priester, und
wir weisen euch auf das rein politische Gebiet, auf dem ihr
euch als Mitglieder der Nationalversammlung befindet, zurück.

Doch was, rufet ihr aus, ihr wollet uns auf das rein politi-
sche Gebiet beschränken, uns die Repräsentanten "des Volkswil-
lens im weitesten Umfang?" Nein, bei uns handelt es sich "nicht
blos von bürgerlichen Berechtigungen im gewöhnlichen engeren
Sinne des Wortes; die großen geistigen Rechte des Menschen,
die Jnstitute der sittlichen und intellectuellen Volkserziehung müs-
sen und werden einen Hauptgegenstand der Berathung der Natio-
nalversammlung bilden." Ei, wie erstaunlich! Bisher hat man
fast nichts aus eurem Munde gehört, als Rechtsstaat!
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 50. Freitag, den 4. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
An die Cölibatsstürmer des deutschen Reichs-
tages.
I.

⁂ Vorerst die Frage: ist das Gesetz, welches die katholi-
schen Priester zur Ehelosigkeit verpflichtet, ein Kirchengesetz? Jhr
werdet es nicht in Abrede stellen wollen, daß es ein rein kirch-
liches,
mithin nur im Gewissen verpflichtendes Gesetz ist. Wie
kommet ihr nun dazu die Aufhebung eines Kirchengesetzes
zu beantragen? Jst das nicht eine Einmischung in rein reli-
giöse und kirchliche
Angelegenheiten? Ein feiner Anfang
zur Religionsfreiheit, welche wir vom Parlamente erwarten!
Daß der priesterliche Cölibat eine reine Kirchensache sey, habet
ihr selbst dadurch zugestanden und förmlich ausgesprochen, daß
ihr beantraget, bei dem Papste dessen Aufhebung zu erwirken.
Jhr selbst habet es nicht gewagt, der Nationalversammlung oder
irgend einer politischen Macht das Recht zuzuschreiben, den prie-
sterlichen Cölibat aufzuheben, sondern ihr habet erklärt, daß
diese Befugniß nur dem römischen Papste [unleserliches Material – 7 Zeichen fehlen]zukomme. Wir
wollen Act hierüber nehmen, obwohl sicherlich kein Papst eine
Maßregel, wie die Aufhebung des Priestercölibates — wenn es
möglich wäre an so etwas auch nur zu denken — ohne die Zu-
stimmung eines allgemeinen Concils vornehmen würde. Aber
euer Zugeständniß, daß nur die Kirchengewalt das Recht habe,
über den priesterlichen Cölibat Beschlüsse zu fassen, genügt, um
euch und euren Antrag zu verurtheilen, zu schlagen, zu ver-
nichten.

Denn was gehen euch und was gehen das Parlament rein
kirchliche Angelegenheiten an? Wie kommet ihr dazu und wer
hat euch dazu berufen, beim Papste Anträge auf Veränderung
von Kirchengesetzen zu stellen? Wenn Anträge auf Veränderungen
katholischer kirchlicher Gesetze zu stellen sind, so ist das Sache der
katholischen Geistlichen und des katholischen Volkes. Jhr aber seyd
ja zu gutem Theil gar nicht katholisch. Ein großer Theil von euch
ist protestantisch; ob Juden dabei sind, weiß ich nicht; einer oder
der andere ist deutschkatholisch — und den übrigen Herren wäre
zu rathen, je eher je lieber deutschkatholich zu werden, wenn sie es
nicht vorziehen sollten, lieber österreichisch=katholisch zu seyn; end-
lich sind unter euch auch noch Männer, wie die Herren Ruge,
Vischer, Vogt,
die es als eine Beleidigung ansehen würden,
wenn man sie für Christen oder auch nur für solche, die an einen
persönlichen Gott glauben, halten würde. Wie kommet nun ihr,
Protestanten, Deutschkatholiken, Pantheisten dazu bei dem römi-
schen Papste Anträge auf Aufhebung eines römisch=katholischen
Kirchengesetzes zu stellen? Jn der That, von manchen von euch
hat uns ein solch bornirter Verstoß gegen alle Principien der
Freiheit höchlich gewundert, am allermeisten von den eben ge-
nannten Pantheisten die wir für viel zu gescheidt und großartig
gehalten hätten, als daß sie sich herbeiließen, mit Hülfe der
Staatsgewalt Proselytenmacherei für religiöse Parteien treiben
zu helfen.

Denn nichts Anderes ist doch der Antrag auf Aufhebung des
Cölibates. Jhr wisset sehr wohl, daß nur eine kleine Partei des
katholischen Clerus, die wir hier nicht näher bezeichnen wollen
und von denen ihr zwei Species unter euch besitzet, und ein ver-
hältnißmäßig noch weit geringerer Theil des katholischen Volkes
die Aufhebung des Cölibates wünscht, hingegen die unendliche
Masse der katholischen Geistlichkeit und des katholischen Volkes
die Priesterehe verabscheut, so daß wir keine zu kühne Behaup-
tung aufzustellen glauben, wenn wir sagen, daß in ganz Deutsch-
land vielleicht nicht zehn katholische Gemeinden aufzufinden seyen,
[Spaltenumbruch] die einen beweibten Priester sich gefallen ließen, wohl aber tau-
sende, die einen solch anmaßenden Eindringling mit Schande und
Schaden aus ihrer Mitte verjagen, oder falls man mit Polizei-
gewalt ihn hielte, vorziehen würden, jahrelang des Gottes-
dienstes zu entbehren, als bei einem solchen die Messe zu
hören. Jhr möget das vielleicht sehr unaufgeklärt und un-
begreiflich finden — aber es ist so, ihr müsset euch darüber
nur nicht täuschen, — es ist so, und der Grund davon liegt
darin, weil das katholische Volk von der Heiligkeit des Priester-
thums und der Messe ganz absonderliche Begriffe hat. Doch
davon versteht ihr nichts uud das gehört auch nicht hierher.

Aber das gehört hierher, euch zu fragen, wie es euch nur
zu Sinne kommen konnte, Anträge in katholischen Kirchen-
sachen beim Papste
zu stellen, von denen das katholische
Volk nichts weiß und nichts wissen will. Wie würde es euch
denn vorkommen, wenn Diejenigen eurer Collegen, welche ihr
die Ultramontanen zu nennen beliebt, beantragen würden, die
Centralgewalt solle die protestantischen Kirchenbehörden veran-
lassen, auch bei den Protestanten den Cölibat und eine hierar-
chische Ordnung einzuführen? Hu, ihr würdet, wenn es natur-
möglich wäre, über einen solchen Antrag aus euren Häuten
fahren und mindestens die Forderung machen, dergleichen An-
tragsteller — als offenbar Wahnsinnige — von Amtswegen aus
der Paulskirche sofort in das nächste beste Narrenspital zu trans-
portiren. Aber seht einmal, was dem Einen recht ist, das ist
dem Andern billig, — oder führt ihr vielleicht zweierlei Maß
und Gewicht? — Ja und Nein zu gleicher Zeit ist eine schlechte
Theologie, sagt der König Lear.

Doch ich sehe, ihr könnt euch kaum mehr zurückhalten; ein,
wie ihr glaubt, siegreicher Grund für euren Antrag schwebt auf
euren Lippen, bereit, donnernd herauszuplatzen. Wir wollen,
sagt ihr, die Aufhebung des Cölibates, weil er eine Verletz-
ung der staatsbürgerlichen Freiheit und der Men-
schenrechte
ist. Allein mit Verlaub, diese ganze stolze Phrase
ist nichts als eine dicke Unwahrheit: denn die staatsbürgerliche
Freiheit kann nur durch einen äußerlichen Zwang vernichtet
werden; ein äußerer Zwang zum Cölibat besteht aber nicht.
Der Cölibat der katholischen Priester ist eine nach reifer Ueber-
legung freiwillig übernommene Gewissenspflicht, und jeder
Geistliche kann jeden Augenblick heirathen, er
braucht nur aus der katholischen Kirche und ihrem
Priesterthum auszutreten.
Sieht die Kirche eine solche
Ehe als nichtig an, was kümmert es den Staat? Vor
dem Gesetz wird fortan nur die Civilehe gelten. Also was
wollet ihr weiter? Ja ihr wollet, und ohne Zweifel ist
das euren Herrn Sprießler und Kuenzer die Hauptsache:
daß jeder katholische Geistliche heirathen und seine Pfründe
dabei behalten dürfe.
Darum soll der Papst den Cölibat
aufheben. Aber sehet ihr denn nicht ein, daß ihr damit einen Ein-
griff in das innerste Heiligthum der katholischen Kirche begehet;
denn wir Katholiken wollen einmal keine beweibten Priester, und
wir weisen euch auf das rein politische Gebiet, auf dem ihr
euch als Mitglieder der Nationalversammlung befindet, zurück.

Doch was, rufet ihr aus, ihr wollet uns auf das rein politi-
sche Gebiet beschränken, uns die Repräsentanten „des Volkswil-
lens im weitesten Umfang?“ Nein, bei uns handelt es sich „nicht
blos von bürgerlichen Berechtigungen im gewöhnlichen engeren
Sinne des Wortes; die großen geistigen Rechte des Menschen,
die Jnstitute der sittlichen und intellectuellen Volkserziehung müs-
sen und werden einen Hauptgegenstand der Berathung der Natio-
nalversammlung bilden.“ Ei, wie erstaunlich! Bisher hat man
fast nichts aus eurem Munde gehört, als Rechtsstaat!
[Ende Spaltensatz]

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[0001] Mainzer Journal. Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs- blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an; für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben- falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet. Nro 50. Freitag, den 4. August. 1848. An die Cölibatsstürmer des deutschen Reichs- tages. I. ⁂ Vorerst die Frage: ist das Gesetz, welches die katholi- schen Priester zur Ehelosigkeit verpflichtet, ein Kirchengesetz? Jhr werdet es nicht in Abrede stellen wollen, daß es ein rein kirch- liches, mithin nur im Gewissen verpflichtendes Gesetz ist. Wie kommet ihr nun dazu die Aufhebung eines Kirchengesetzes zu beantragen? Jst das nicht eine Einmischung in rein reli- giöse und kirchliche Angelegenheiten? Ein feiner Anfang zur Religionsfreiheit, welche wir vom Parlamente erwarten! Daß der priesterliche Cölibat eine reine Kirchensache sey, habet ihr selbst dadurch zugestanden und förmlich ausgesprochen, daß ihr beantraget, bei dem Papste dessen Aufhebung zu erwirken. Jhr selbst habet es nicht gewagt, der Nationalversammlung oder irgend einer politischen Macht das Recht zuzuschreiben, den prie- sterlichen Cölibat aufzuheben, sondern ihr habet erklärt, daß diese Befugniß nur dem römischen Papste _______zukomme. Wir wollen Act hierüber nehmen, obwohl sicherlich kein Papst eine Maßregel, wie die Aufhebung des Priestercölibates — wenn es möglich wäre an so etwas auch nur zu denken — ohne die Zu- stimmung eines allgemeinen Concils vornehmen würde. Aber euer Zugeständniß, daß nur die Kirchengewalt das Recht habe, über den priesterlichen Cölibat Beschlüsse zu fassen, genügt, um euch und euren Antrag zu verurtheilen, zu schlagen, zu ver- nichten. Denn was gehen euch und was gehen das Parlament rein kirchliche Angelegenheiten an? Wie kommet ihr dazu und wer hat euch dazu berufen, beim Papste Anträge auf Veränderung von Kirchengesetzen zu stellen? Wenn Anträge auf Veränderungen katholischer kirchlicher Gesetze zu stellen sind, so ist das Sache der katholischen Geistlichen und des katholischen Volkes. Jhr aber seyd ja zu gutem Theil gar nicht katholisch. Ein großer Theil von euch ist protestantisch; ob Juden dabei sind, weiß ich nicht; einer oder der andere ist deutschkatholisch — und den übrigen Herren wäre zu rathen, je eher je lieber deutschkatholich zu werden, wenn sie es nicht vorziehen sollten, lieber österreichisch=katholisch zu seyn; end- lich sind unter euch auch noch Männer, wie die Herren Ruge, Vischer, Vogt, die es als eine Beleidigung ansehen würden, wenn man sie für Christen oder auch nur für solche, die an einen persönlichen Gott glauben, halten würde. Wie kommet nun ihr, Protestanten, Deutschkatholiken, Pantheisten dazu bei dem römi- schen Papste Anträge auf Aufhebung eines römisch=katholischen Kirchengesetzes zu stellen? Jn der That, von manchen von euch hat uns ein solch bornirter Verstoß gegen alle Principien der Freiheit höchlich gewundert, am allermeisten von den eben ge- nannten Pantheisten die wir für viel zu gescheidt und großartig gehalten hätten, als daß sie sich herbeiließen, mit Hülfe der Staatsgewalt Proselytenmacherei für religiöse Parteien treiben zu helfen. Denn nichts Anderes ist doch der Antrag auf Aufhebung des Cölibates. Jhr wisset sehr wohl, daß nur eine kleine Partei des katholischen Clerus, die wir hier nicht näher bezeichnen wollen und von denen ihr zwei Species unter euch besitzet, und ein ver- hältnißmäßig noch weit geringerer Theil des katholischen Volkes die Aufhebung des Cölibates wünscht, hingegen die unendliche Masse der katholischen Geistlichkeit und des katholischen Volkes die Priesterehe verabscheut, so daß wir keine zu kühne Behaup- tung aufzustellen glauben, wenn wir sagen, daß in ganz Deutsch- land vielleicht nicht zehn katholische Gemeinden aufzufinden seyen, die einen beweibten Priester sich gefallen ließen, wohl aber tau- sende, die einen solch anmaßenden Eindringling mit Schande und Schaden aus ihrer Mitte verjagen, oder falls man mit Polizei- gewalt ihn hielte, vorziehen würden, jahrelang des Gottes- dienstes zu entbehren, als bei einem solchen die Messe zu hören. Jhr möget das vielleicht sehr unaufgeklärt und un- begreiflich finden — aber es ist so, ihr müsset euch darüber nur nicht täuschen, — es ist so, und der Grund davon liegt darin, weil das katholische Volk von der Heiligkeit des Priester- thums und der Messe ganz absonderliche Begriffe hat. Doch davon versteht ihr nichts uud das gehört auch nicht hierher. Aber das gehört hierher, euch zu fragen, wie es euch nur zu Sinne kommen konnte, Anträge in katholischen Kirchen- sachen beim Papste zu stellen, von denen das katholische Volk nichts weiß und nichts wissen will. Wie würde es euch denn vorkommen, wenn Diejenigen eurer Collegen, welche ihr die Ultramontanen zu nennen beliebt, beantragen würden, die Centralgewalt solle die protestantischen Kirchenbehörden veran- lassen, auch bei den Protestanten den Cölibat und eine hierar- chische Ordnung einzuführen? Hu, ihr würdet, wenn es natur- möglich wäre, über einen solchen Antrag aus euren Häuten fahren und mindestens die Forderung machen, dergleichen An- tragsteller — als offenbar Wahnsinnige — von Amtswegen aus der Paulskirche sofort in das nächste beste Narrenspital zu trans- portiren. Aber seht einmal, was dem Einen recht ist, das ist dem Andern billig, — oder führt ihr vielleicht zweierlei Maß und Gewicht? — Ja und Nein zu gleicher Zeit ist eine schlechte Theologie, sagt der König Lear. Doch ich sehe, ihr könnt euch kaum mehr zurückhalten; ein, wie ihr glaubt, siegreicher Grund für euren Antrag schwebt auf euren Lippen, bereit, donnernd herauszuplatzen. Wir wollen, sagt ihr, die Aufhebung des Cölibates, weil er eine Verletz- ung der staatsbürgerlichen Freiheit und der Men- schenrechte ist. Allein mit Verlaub, diese ganze stolze Phrase ist nichts als eine dicke Unwahrheit: denn die staatsbürgerliche Freiheit kann nur durch einen äußerlichen Zwang vernichtet werden; ein äußerer Zwang zum Cölibat besteht aber nicht. Der Cölibat der katholischen Priester ist eine nach reifer Ueber- legung freiwillig übernommene Gewissenspflicht, und jeder Geistliche kann jeden Augenblick heirathen, er braucht nur aus der katholischen Kirche und ihrem Priesterthum auszutreten. Sieht die Kirche eine solche Ehe als nichtig an, was kümmert es den Staat? Vor dem Gesetz wird fortan nur die Civilehe gelten. Also was wollet ihr weiter? Ja ihr wollet, und ohne Zweifel ist das euren Herrn Sprießler und Kuenzer die Hauptsache: daß jeder katholische Geistliche heirathen und seine Pfründe dabei behalten dürfe. Darum soll der Papst den Cölibat aufheben. Aber sehet ihr denn nicht ein, daß ihr damit einen Ein- griff in das innerste Heiligthum der katholischen Kirche begehet; denn wir Katholiken wollen einmal keine beweibten Priester, und wir weisen euch auf das rein politische Gebiet, auf dem ihr euch als Mitglieder der Nationalversammlung befindet, zurück. Doch was, rufet ihr aus, ihr wollet uns auf das rein politi- sche Gebiet beschränken, uns die Repräsentanten „des Volkswil- lens im weitesten Umfang?“ Nein, bei uns handelt es sich „nicht blos von bürgerlichen Berechtigungen im gewöhnlichen engeren Sinne des Wortes; die großen geistigen Rechte des Menschen, die Jnstitute der sittlichen und intellectuellen Volkserziehung müs- sen und werden einen Hauptgegenstand der Berathung der Natio- nalversammlung bilden.“ Ei, wie erstaunlich! Bisher hat man fast nichts aus eurem Munde gehört, als Rechtsstaat!

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 50. Mainz, 4. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal050_1848/1>, abgerufen am 16.10.2024.