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Mainzer Journal. Nr. 64. Mainz, 19. August 1848.

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[Beginn Spaltensatz] bowsky über haarsträubende Scenen, welche die Ungarn gegen
die Serbianer ausführen sollen. -- Nachdem der österreichische
Finanzminister die Annahme der neuen ungarischen Banknoten an
den öffentlichen Kassen in Oesterreich verboten, hat der hiesige
Finanzminister mit dem gleichen Verbot die neuen österreichischen
Banknoten von heute angefangen belegt. Auch ist die Ausfuhr von
Silber und Gold im höheren Betrage als 500 Gulden, aus Un-
garn nach Oesterreich untersagt. So folgen sich die Trumpfe auf
einander, indem aber das ungarische Ministerium immer erst die
Proclamationen des Wiener abwartet, so ist dieses natürlich im
Vortheil. Von den österreichischen neuen Banknoten ist bereits eine
große Summe in Ungarn in Circulation.

Das oben erwähnte Schreiben des Erzbischofs Rajachich an
den Feldmarschall=Lieutenant von Hrabowsky kommt uns eben in
treuer Abschrift zu, und wir heben folgende merkwürdige Stelle
heraus: "Die serbianische Nation ist immer bereit, mit den Ma-
gyaren unter den oben dargelegten Bedingungen Frieden zu schlie-
ßen. Wenn sie aber diese nicht erhält, so wird sie, nachdem sie
weder beim allerhöchsten Hof, noch bei der österreichischen Regie-
rung, noch bei dem k. k. Militär Schutz gefunden, genöthigt seyn,
dort Hülfe zu suchen, wo sie am schnellsten zu finden ist. Dann
wird es kein Wunder seyn, wenn sie sich den Russen oder
auch den Türken in die Arme wirft.
Aber in dem schlimm-
sten Falle wird sie nur mit dem Schwerte in der Hand erliegen
und Alles, was sie kann, vernichten. "

Jtalien.

Die "Gaceta di Bologna" vom 9. enthält Nachrichten von
Wichtigkeit aus dieser Stadt. Nachdem Welden die Stadt be-
setzt, habe er eine Kriegssteuer ausgeschrieben und Geißel
verlangt. Darüber habe sich das Volk erhoben, die Sturm-
glocke gezogen und nach einem furchtbaren Kampfe die Oe-
sterreicher aus der Stadt geschlagen. Am anderen Morgen
habe Welden die Stadt bombardiren lassen, die Vorstadt
sey niedergebrannt und geplündert worden; die Einwohner
seyen entschlossen, sich bis zum letzten Blutstropfen zu vertheidigen.
Nach der piemontesischen Zeitung scheint der Conflict dadurch be-
gonnen, daß man einen österreichischen Officier tödtete, der mit
einer Depesche vom Prolegaten kam; einem Liniensoldaten er-
ging es eine halbe Stunde später eben so. Hierauf feuerten die
Oesterreicher, welche die Thorwache von S. Felice besetzt hielten,
eine Kanone auf das Volk ab; dann zogen sie sich nach Montagnola
zurück und begannen von hier aus die Beschießung. Sie waren
2500 Mann stark und hatten eine Haubitze und eine Kanone. Nach-
dem sie 3 Stunden gefeuert, wurden sie von den Bolognesen an-
gegriffen und vertrieben. -- Jn Rom hat der Justizminister den
Kammern eröffnet, der Papst betrachte das Eindringen der Oe-
sterreicher in die päpstlichen Staaten als eine persönliche Beleidig-
ung gegen ihn als souveränes Oberhaupt der Kirche. Se. Heilig-
keit schlage eine aus dem Cardinal Marini und den Fürsten
Corsini und Simonelli bestehende Deputation an Welden vor,
um dessen Abzug zu erzielen und ihn mit allen dem Papste zu
Gebote stehenden Mitteln zu bedrohen. Die Deputirtenkammer
beschloß einstimmig: Frankreichs Hülfe in Anspruch
zu nehmen.
Dieses Votum wurde dem französischen Ge-
sandten officiel mitgetheilt, um es nach Paris zu senden.
Die Aufregung war fürchterlich in Rom: man schrie, wenn der
Papst früher den Enthusiasmus des Volkes durch seine Rund-
schreiben erkältet und für die Oesterreicher gewirkt habe ( ! ) , so
müsse er jetzt zu Pferde steigen und mit dem Kreuze in der Hand
das Geschehene wieder gut machen. [ Der wohlfeile Enthusiasmus
gegen Welden und seine 2500 Mann ist sehr überflüßig, da der
General bekanntlich schon wieder zurückgerufen und sein Hand-
streich desavouirt worden ist. ]

Frankreich.

* * * Paris 17. August. Auf der Tagesordnung der Kam-
mer standen gestern die Berathung über den Ankauf der Paris-
Lyoner Eisenbahn von Seiten des Staates und der Gesetzentwurf
über die sogenannten concordats amiables, d. h. über die Vor-
schläge zu einem freundschaftlichen Abkommen, welches die in Folge
der Februarrevolution zahlungsunfähig gewordenen Geschäfts-
leute ihren Kapitalisten und Gläubigern angeboten haben. Jn der
Stadt Paris allein sind an 7000 Kleinkrämer, Professionisten,
Kaffewirthe u. s. w. insolvent geworden und haben nach mehr-
monatlichen Verhandlungen ihren Gläubigern erklärt, entweder
müßten sie mit Procenten zufrieden seyn, oder sie ( die Schuldner )
würden sich in Massen für bankerott erklären. Die Sache, bei
welcher auch wieder der Staat wie überall helfen soll, ist von
großer Wichtigkeit, da einerseits die Existenz von 7000 Familien
dadurch bedingt ist und andererseits den Kapitalisten nicht zuge-
[Spaltenumbruch] muthet werden kann so ohne Weiteres auf ihr Geld zu verzichten.
Mehrere Abgeordnete wünschten daher, daß die Frage sofort zur
Berathung kommen möchte, allein die Lyoner Eisenbahn trug
den Sieg davon. Gegen das ministerielle Project eines Ankaufes
durch den Staat waren sämmtliche Redner der Opposition, unter
Anderem bemerkte Herr Deslongrais, es sey unbegreiflich, wie
man der Lyoner Eisenbahngesellschaft 25% mehr für ihre Actien
bezahlen könne, als sie an der Börse gelten, warum also der
Staat hier Opfer bringe, während er die Besitzer von Schatz-
scheinen und Sparcasseneinlagen nichts weniger als großmüthig
behandelt habe. Es sey aber nicht blos eine Ungerechtigkeit, son-
dern auch muthwillige Verschwendung: im Augenblicke koste die
Bahn zwar nur 20 Millionen, im Laufe der nächsten drei
Jahre werde sie aber -- weil sie noch lange nicht ausgebaut
ist -- 200 Millionen kosten, und was anfangen, was sagen,
wenn nun auch die anderen Gesellschaften ihre Eisenbahnen
dem Staate zum Verkauf anbieten würden? Der Schleier,
der auf dieser ganzen Geschichte ruht, wurde indessen durch eine
Andeutung des Finanzministers etwas gelüftet. Herr Goudchaux
erklärte nämlich, die heutigen Verhandlungen würden ihren
Widerhall jenseits des Kanales finden, es stecke viel englisches
Capital in dieser Eisenbahn. Ob wohl die Engländer für diese
zarte Rücksicht sich in Jtalien etwas gefälliger gegen die Franzosen
beweisen werden? Wo solche schwere Gründe vorhanden sind
braucht allerdings ein Finanzminister nicht viel zu reden, der
Minister der öffentlichen Arbeiten hatte den besten Theil
erwählt und sprach gar nichts, und der ministerielle Entwurf
ging trotz aller Einwände der Opposition durch, nachdem ihn
der Berichterstatter, Herr Victor Lefranc, der Kammer noch
einmal warm empfohlen hatte.

Die Untersuchungscommission über die Juniereignisse hat nun
das letzte Manuscript der Actenstücke an die Druckerei abge-
liefert. Das Ganze, welches drei starke Quartbände gibt, wird
am Freitag an die Nationalversammlung vertheilt und die De-
batte darüber, wie schon angezeigt, den Montag begonnen
werden.

Das Comit e für die Justizangelegenheiten hat den Vorschlag
des Abgeordneten Lichtenberger "die Verhandlungen über die neue
Verfassung nicht eher zu eröffnen, als bis der Belagerungszustand
von Paris aufgehoben sey," nach einer lebhaften Debatte abge-
lehnt. Jm Comit e für die Finanzen hat sich der Finanzminister
für die Postreform erklärt, obgleich der Staat in der ersten Zeit
vielleicht einen Verlust von acht Millionen erleiden würde. Das
Briefporto erleidet nach dem neuen Plane eine sehr bedeutende
Ermäßigung.

Das "Journal des Debats" bringt eine Correspondenz aus
Rom vom 7. d., die zur Charakteristik des dortigen "souveränen
Volkes" manches Jnteressante enthält. Als Karl Alberts Nieder-
lage bekannt geworden war, eilte eine Deputation zu dem franzö-
sischen Gesandten, dem Herzog von Harcourt, in den Palast Co-
lonna und bat flehentlich um französische Hülfe! Der Herzog gab
den Herren jedoch die folgende ächt aristokratische Antwort:
"So schmeichelhaft, meine Herren, die an mich gestellte
Bitte für meine Nation auch ist, so muß ich Jhnen doch vor allen
Dingen erklären, daß ich dadurch etwas überrascht bin. Die
Artikel Eurer Zeitungen und die Reden Eurer Volkstribunen, die
ganz anders sprachen, haben mich auf etwas ganz Anderes vor-
bereitet. Jndessen Frankreich ist groß und edelmüthig und wird
zu vergessen wissen. Was es in Bezug auf Jtalien für einen
Entschluß fassen wird, weiß ich nicht und kann Euch also für mei-
nen Theil auch weiter keine Antwort geben, als daß, wenn Jhr
eine Petition machet und diese Petition von so viel achtbaren Leu-
ten unterzeichnet wird, daß sie die Bevölkerung des Kirchenstaates
repräsentiren können, ich dieselbe an meine Regierung abschicken
will." Das "souveräne Volk" brachte nach diesem Bescheid Frank-
reich und dem französischen Gesandten ein donnerndes Lebehoch,
wie sie früher schon aller Welt Lebehochs gebracht haben!

Die Alpenarmee hat sich jetzt concentrirt. Die erste Division
steht bei Briancon, die zweite bei Grenoble, die dritte concentrirt
sich um Lyon, die vierte bei Bourg.

Jn Paris ist es immer noch nicht recht geheuer, tausenderlei
beunruhigende Gerüchte waren verbreitet, man sprach davon,
daß General Cavaignac durch Banditen aufgehoben werden solle,
weßhalb auch außerordentliche Vorsichtsmaßregeln in den letzten
Tagen ergriffen worden waren. Auch auf die Börse übten diese
Gerüchte ihren niederdrückenden Einfluß.

Börse vom 16. August. Bei lebhafter Frage stellten sich
Anfangs der Börse die Curse höher, als jedoch der erste Bedarf
befriedigt war, gingen solche wieder etwas zurück. 3% Fr. 44,
75. -- 5% Fr. 72.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] bowsky über haarsträubende Scenen, welche die Ungarn gegen
die Serbianer ausführen sollen. — Nachdem der österreichische
Finanzminister die Annahme der neuen ungarischen Banknoten an
den öffentlichen Kassen in Oesterreich verboten, hat der hiesige
Finanzminister mit dem gleichen Verbot die neuen österreichischen
Banknoten von heute angefangen belegt. Auch ist die Ausfuhr von
Silber und Gold im höheren Betrage als 500 Gulden, aus Un-
garn nach Oesterreich untersagt. So folgen sich die Trumpfe auf
einander, indem aber das ungarische Ministerium immer erst die
Proclamationen des Wiener abwartet, so ist dieses natürlich im
Vortheil. Von den österreichischen neuen Banknoten ist bereits eine
große Summe in Ungarn in Circulation.

Das oben erwähnte Schreiben des Erzbischofs Rajachich an
den Feldmarschall=Lieutenant von Hrabowsky kommt uns eben in
treuer Abschrift zu, und wir heben folgende merkwürdige Stelle
heraus: „Die serbianische Nation ist immer bereit, mit den Ma-
gyaren unter den oben dargelegten Bedingungen Frieden zu schlie-
ßen. Wenn sie aber diese nicht erhält, so wird sie, nachdem sie
weder beim allerhöchsten Hof, noch bei der österreichischen Regie-
rung, noch bei dem k. k. Militär Schutz gefunden, genöthigt seyn,
dort Hülfe zu suchen, wo sie am schnellsten zu finden ist. Dann
wird es kein Wunder seyn, wenn sie sich den Russen oder
auch den Türken in die Arme wirft.
Aber in dem schlimm-
sten Falle wird sie nur mit dem Schwerte in der Hand erliegen
und Alles, was sie kann, vernichten.

Jtalien.

Die „Gaceta di Bologna“ vom 9. enthält Nachrichten von
Wichtigkeit aus dieser Stadt. Nachdem Welden die Stadt be-
setzt, habe er eine Kriegssteuer ausgeschrieben und Geißel
verlangt. Darüber habe sich das Volk erhoben, die Sturm-
glocke gezogen und nach einem furchtbaren Kampfe die Oe-
sterreicher aus der Stadt geschlagen. Am anderen Morgen
habe Welden die Stadt bombardiren lassen, die Vorstadt
sey niedergebrannt und geplündert worden; die Einwohner
seyen entschlossen, sich bis zum letzten Blutstropfen zu vertheidigen.
Nach der piemontesischen Zeitung scheint der Conflict dadurch be-
gonnen, daß man einen österreichischen Officier tödtete, der mit
einer Depesche vom Prolegaten kam; einem Liniensoldaten er-
ging es eine halbe Stunde später eben so. Hierauf feuerten die
Oesterreicher, welche die Thorwache von S. Felice besetzt hielten,
eine Kanone auf das Volk ab; dann zogen sie sich nach Montagnola
zurück und begannen von hier aus die Beschießung. Sie waren
2500 Mann stark und hatten eine Haubitze und eine Kanone. Nach-
dem sie 3 Stunden gefeuert, wurden sie von den Bolognesen an-
gegriffen und vertrieben. — Jn Rom hat der Justizminister den
Kammern eröffnet, der Papst betrachte das Eindringen der Oe-
sterreicher in die päpstlichen Staaten als eine persönliche Beleidig-
ung gegen ihn als souveränes Oberhaupt der Kirche. Se. Heilig-
keit schlage eine aus dem Cardinal Marini und den Fürsten
Corsini und Simonelli bestehende Deputation an Welden vor,
um dessen Abzug zu erzielen und ihn mit allen dem Papste zu
Gebote stehenden Mitteln zu bedrohen. Die Deputirtenkammer
beschloß einstimmig: Frankreichs Hülfe in Anspruch
zu nehmen.
Dieses Votum wurde dem französischen Ge-
sandten officiel mitgetheilt, um es nach Paris zu senden.
Die Aufregung war fürchterlich in Rom: man schrie, wenn der
Papst früher den Enthusiasmus des Volkes durch seine Rund-
schreiben erkältet und für die Oesterreicher gewirkt habe ( ! ) , so
müsse er jetzt zu Pferde steigen und mit dem Kreuze in der Hand
das Geschehene wieder gut machen. [ Der wohlfeile Enthusiasmus
gegen Welden und seine 2500 Mann ist sehr überflüßig, da der
General bekanntlich schon wieder zurückgerufen und sein Hand-
streich desavouirt worden ist. ]

Frankreich.

* * * Paris 17. August. Auf der Tagesordnung der Kam-
mer standen gestern die Berathung über den Ankauf der Paris-
Lyoner Eisenbahn von Seiten des Staates und der Gesetzentwurf
über die sogenannten concordats amiables, d. h. über die Vor-
schläge zu einem freundschaftlichen Abkommen, welches die in Folge
der Februarrevolution zahlungsunfähig gewordenen Geschäfts-
leute ihren Kapitalisten und Gläubigern angeboten haben. Jn der
Stadt Paris allein sind an 7000 Kleinkrämer, Professionisten,
Kaffewirthe u. s. w. insolvent geworden und haben nach mehr-
monatlichen Verhandlungen ihren Gläubigern erklärt, entweder
müßten sie mit Procenten zufrieden seyn, oder sie ( die Schuldner )
würden sich in Massen für bankerott erklären. Die Sache, bei
welcher auch wieder der Staat wie überall helfen soll, ist von
großer Wichtigkeit, da einerseits die Existenz von 7000 Familien
dadurch bedingt ist und andererseits den Kapitalisten nicht zuge-
[Spaltenumbruch] muthet werden kann so ohne Weiteres auf ihr Geld zu verzichten.
Mehrere Abgeordnete wünschten daher, daß die Frage sofort zur
Berathung kommen möchte, allein die Lyoner Eisenbahn trug
den Sieg davon. Gegen das ministerielle Project eines Ankaufes
durch den Staat waren sämmtliche Redner der Opposition, unter
Anderem bemerkte Herr Deslongrais, es sey unbegreiflich, wie
man der Lyoner Eisenbahngesellschaft 25% mehr für ihre Actien
bezahlen könne, als sie an der Börse gelten, warum also der
Staat hier Opfer bringe, während er die Besitzer von Schatz-
scheinen und Sparcasseneinlagen nichts weniger als großmüthig
behandelt habe. Es sey aber nicht blos eine Ungerechtigkeit, son-
dern auch muthwillige Verschwendung: im Augenblicke koste die
Bahn zwar nur 20 Millionen, im Laufe der nächsten drei
Jahre werde sie aber — weil sie noch lange nicht ausgebaut
ist — 200 Millionen kosten, und was anfangen, was sagen,
wenn nun auch die anderen Gesellschaften ihre Eisenbahnen
dem Staate zum Verkauf anbieten würden? Der Schleier,
der auf dieser ganzen Geschichte ruht, wurde indessen durch eine
Andeutung des Finanzministers etwas gelüftet. Herr Goudchaux
erklärte nämlich, die heutigen Verhandlungen würden ihren
Widerhall jenseits des Kanales finden, es stecke viel englisches
Capital in dieser Eisenbahn. Ob wohl die Engländer für diese
zarte Rücksicht sich in Jtalien etwas gefälliger gegen die Franzosen
beweisen werden? Wo solche schwere Gründe vorhanden sind
braucht allerdings ein Finanzminister nicht viel zu reden, der
Minister der öffentlichen Arbeiten hatte den besten Theil
erwählt und sprach gar nichts, und der ministerielle Entwurf
ging trotz aller Einwände der Opposition durch, nachdem ihn
der Berichterstatter, Herr Victor Lefranc, der Kammer noch
einmal warm empfohlen hatte.

Die Untersuchungscommission über die Juniereignisse hat nun
das letzte Manuscript der Actenstücke an die Druckerei abge-
liefert. Das Ganze, welches drei starke Quartbände gibt, wird
am Freitag an die Nationalversammlung vertheilt und die De-
batte darüber, wie schon angezeigt, den Montag begonnen
werden.

Das Comit é für die Justizangelegenheiten hat den Vorschlag
des Abgeordneten Lichtenberger „die Verhandlungen über die neue
Verfassung nicht eher zu eröffnen, als bis der Belagerungszustand
von Paris aufgehoben sey,“ nach einer lebhaften Debatte abge-
lehnt. Jm Comit é für die Finanzen hat sich der Finanzminister
für die Postreform erklärt, obgleich der Staat in der ersten Zeit
vielleicht einen Verlust von acht Millionen erleiden würde. Das
Briefporto erleidet nach dem neuen Plane eine sehr bedeutende
Ermäßigung.

Das „Journal des Debats“ bringt eine Correspondenz aus
Rom vom 7. d., die zur Charakteristik des dortigen „souveränen
Volkes“ manches Jnteressante enthält. Als Karl Alberts Nieder-
lage bekannt geworden war, eilte eine Deputation zu dem franzö-
sischen Gesandten, dem Herzog von Harcourt, in den Palast Co-
lonna und bat flehentlich um französische Hülfe! Der Herzog gab
den Herren jedoch die folgende ächt aristokratische Antwort:
„So schmeichelhaft, meine Herren, die an mich gestellte
Bitte für meine Nation auch ist, so muß ich Jhnen doch vor allen
Dingen erklären, daß ich dadurch etwas überrascht bin. Die
Artikel Eurer Zeitungen und die Reden Eurer Volkstribunen, die
ganz anders sprachen, haben mich auf etwas ganz Anderes vor-
bereitet. Jndessen Frankreich ist groß und edelmüthig und wird
zu vergessen wissen. Was es in Bezug auf Jtalien für einen
Entschluß fassen wird, weiß ich nicht und kann Euch also für mei-
nen Theil auch weiter keine Antwort geben, als daß, wenn Jhr
eine Petition machet und diese Petition von so viel achtbaren Leu-
ten unterzeichnet wird, daß sie die Bevölkerung des Kirchenstaates
repräsentiren können, ich dieselbe an meine Regierung abschicken
will.“ Das „souveräne Volk“ brachte nach diesem Bescheid Frank-
reich und dem französischen Gesandten ein donnerndes Lebehoch,
wie sie früher schon aller Welt Lebehochs gebracht haben!

Die Alpenarmee hat sich jetzt concentrirt. Die erste Division
steht bei Briancon, die zweite bei Grenoble, die dritte concentrirt
sich um Lyon, die vierte bei Bourg.

Jn Paris ist es immer noch nicht recht geheuer, tausenderlei
beunruhigende Gerüchte waren verbreitet, man sprach davon,
daß General Cavaignac durch Banditen aufgehoben werden solle,
weßhalb auch außerordentliche Vorsichtsmaßregeln in den letzten
Tagen ergriffen worden waren. Auch auf die Börse übten diese
Gerüchte ihren niederdrückenden Einfluß.

Börse vom 16. August. Bei lebhafter Frage stellten sich
Anfangs der Börse die Curse höher, als jedoch der erste Bedarf
befriedigt war, gingen solche wieder etwas zurück. 3% Fr. 44,
75. — 5% Fr. 72.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] bowsky über haarsträubende Scenen, welche die Ungarn gegen die Serbianer ausführen sollen. — Nachdem der österreichische Finanzminister die Annahme der neuen ungarischen Banknoten an den öffentlichen Kassen in Oesterreich verboten, hat der hiesige Finanzminister mit dem gleichen Verbot die neuen österreichischen Banknoten von heute angefangen belegt. Auch ist die Ausfuhr von Silber und Gold im höheren Betrage als 500 Gulden, aus Un- garn nach Oesterreich untersagt. So folgen sich die Trumpfe auf einander, indem aber das ungarische Ministerium immer erst die Proclamationen des Wiener abwartet, so ist dieses natürlich im Vortheil. Von den österreichischen neuen Banknoten ist bereits eine große Summe in Ungarn in Circulation. Das oben erwähnte Schreiben des Erzbischofs Rajachich an den Feldmarschall=Lieutenant von Hrabowsky kommt uns eben in treuer Abschrift zu, und wir heben folgende merkwürdige Stelle heraus: „Die serbianische Nation ist immer bereit, mit den Ma- gyaren unter den oben dargelegten Bedingungen Frieden zu schlie- ßen. Wenn sie aber diese nicht erhält, so wird sie, nachdem sie weder beim allerhöchsten Hof, noch bei der österreichischen Regie- rung, noch bei dem k. k. Militär Schutz gefunden, genöthigt seyn, dort Hülfe zu suchen, wo sie am schnellsten zu finden ist. Dann wird es kein Wunder seyn, wenn sie sich den Russen oder auch den Türken in die Arme wirft. Aber in dem schlimm- sten Falle wird sie nur mit dem Schwerte in der Hand erliegen und Alles, was sie kann, vernichten. “ Jtalien. Die „Gaceta di Bologna“ vom 9. enthält Nachrichten von Wichtigkeit aus dieser Stadt. Nachdem Welden die Stadt be- setzt, habe er eine Kriegssteuer ausgeschrieben und Geißel verlangt. Darüber habe sich das Volk erhoben, die Sturm- glocke gezogen und nach einem furchtbaren Kampfe die Oe- sterreicher aus der Stadt geschlagen. Am anderen Morgen habe Welden die Stadt bombardiren lassen, die Vorstadt sey niedergebrannt und geplündert worden; die Einwohner seyen entschlossen, sich bis zum letzten Blutstropfen zu vertheidigen. Nach der piemontesischen Zeitung scheint der Conflict dadurch be- gonnen, daß man einen österreichischen Officier tödtete, der mit einer Depesche vom Prolegaten kam; einem Liniensoldaten er- ging es eine halbe Stunde später eben so. Hierauf feuerten die Oesterreicher, welche die Thorwache von S. Felice besetzt hielten, eine Kanone auf das Volk ab; dann zogen sie sich nach Montagnola zurück und begannen von hier aus die Beschießung. Sie waren 2500 Mann stark und hatten eine Haubitze und eine Kanone. Nach- dem sie 3 Stunden gefeuert, wurden sie von den Bolognesen an- gegriffen und vertrieben. — Jn Rom hat der Justizminister den Kammern eröffnet, der Papst betrachte das Eindringen der Oe- sterreicher in die päpstlichen Staaten als eine persönliche Beleidig- ung gegen ihn als souveränes Oberhaupt der Kirche. Se. Heilig- keit schlage eine aus dem Cardinal Marini und den Fürsten Corsini und Simonelli bestehende Deputation an Welden vor, um dessen Abzug zu erzielen und ihn mit allen dem Papste zu Gebote stehenden Mitteln zu bedrohen. Die Deputirtenkammer beschloß einstimmig: Frankreichs Hülfe in Anspruch zu nehmen. Dieses Votum wurde dem französischen Ge- sandten officiel mitgetheilt, um es nach Paris zu senden. Die Aufregung war fürchterlich in Rom: man schrie, wenn der Papst früher den Enthusiasmus des Volkes durch seine Rund- schreiben erkältet und für die Oesterreicher gewirkt habe ( ! ) , so müsse er jetzt zu Pferde steigen und mit dem Kreuze in der Hand das Geschehene wieder gut machen. [ Der wohlfeile Enthusiasmus gegen Welden und seine 2500 Mann ist sehr überflüßig, da der General bekanntlich schon wieder zurückgerufen und sein Hand- streich desavouirt worden ist. ] Frankreich. * * * Paris 17. August. Auf der Tagesordnung der Kam- mer standen gestern die Berathung über den Ankauf der Paris- Lyoner Eisenbahn von Seiten des Staates und der Gesetzentwurf über die sogenannten concordats amiables, d. h. über die Vor- schläge zu einem freundschaftlichen Abkommen, welches die in Folge der Februarrevolution zahlungsunfähig gewordenen Geschäfts- leute ihren Kapitalisten und Gläubigern angeboten haben. Jn der Stadt Paris allein sind an 7000 Kleinkrämer, Professionisten, Kaffewirthe u. s. w. insolvent geworden und haben nach mehr- monatlichen Verhandlungen ihren Gläubigern erklärt, entweder müßten sie mit Procenten zufrieden seyn, oder sie ( die Schuldner ) würden sich in Massen für bankerott erklären. Die Sache, bei welcher auch wieder der Staat wie überall helfen soll, ist von großer Wichtigkeit, da einerseits die Existenz von 7000 Familien dadurch bedingt ist und andererseits den Kapitalisten nicht zuge- muthet werden kann so ohne Weiteres auf ihr Geld zu verzichten. Mehrere Abgeordnete wünschten daher, daß die Frage sofort zur Berathung kommen möchte, allein die Lyoner Eisenbahn trug den Sieg davon. Gegen das ministerielle Project eines Ankaufes durch den Staat waren sämmtliche Redner der Opposition, unter Anderem bemerkte Herr Deslongrais, es sey unbegreiflich, wie man der Lyoner Eisenbahngesellschaft 25% mehr für ihre Actien bezahlen könne, als sie an der Börse gelten, warum also der Staat hier Opfer bringe, während er die Besitzer von Schatz- scheinen und Sparcasseneinlagen nichts weniger als großmüthig behandelt habe. Es sey aber nicht blos eine Ungerechtigkeit, son- dern auch muthwillige Verschwendung: im Augenblicke koste die Bahn zwar nur 20 Millionen, im Laufe der nächsten drei Jahre werde sie aber — weil sie noch lange nicht ausgebaut ist — 200 Millionen kosten, und was anfangen, was sagen, wenn nun auch die anderen Gesellschaften ihre Eisenbahnen dem Staate zum Verkauf anbieten würden? Der Schleier, der auf dieser ganzen Geschichte ruht, wurde indessen durch eine Andeutung des Finanzministers etwas gelüftet. Herr Goudchaux erklärte nämlich, die heutigen Verhandlungen würden ihren Widerhall jenseits des Kanales finden, es stecke viel englisches Capital in dieser Eisenbahn. Ob wohl die Engländer für diese zarte Rücksicht sich in Jtalien etwas gefälliger gegen die Franzosen beweisen werden? Wo solche schwere Gründe vorhanden sind braucht allerdings ein Finanzminister nicht viel zu reden, der Minister der öffentlichen Arbeiten hatte den besten Theil erwählt und sprach gar nichts, und der ministerielle Entwurf ging trotz aller Einwände der Opposition durch, nachdem ihn der Berichterstatter, Herr Victor Lefranc, der Kammer noch einmal warm empfohlen hatte. Die Untersuchungscommission über die Juniereignisse hat nun das letzte Manuscript der Actenstücke an die Druckerei abge- liefert. Das Ganze, welches drei starke Quartbände gibt, wird am Freitag an die Nationalversammlung vertheilt und die De- batte darüber, wie schon angezeigt, den Montag begonnen werden. Das Comit é für die Justizangelegenheiten hat den Vorschlag des Abgeordneten Lichtenberger „die Verhandlungen über die neue Verfassung nicht eher zu eröffnen, als bis der Belagerungszustand von Paris aufgehoben sey,“ nach einer lebhaften Debatte abge- lehnt. Jm Comit é für die Finanzen hat sich der Finanzminister für die Postreform erklärt, obgleich der Staat in der ersten Zeit vielleicht einen Verlust von acht Millionen erleiden würde. Das Briefporto erleidet nach dem neuen Plane eine sehr bedeutende Ermäßigung. Das „Journal des Debats“ bringt eine Correspondenz aus Rom vom 7. d., die zur Charakteristik des dortigen „souveränen Volkes“ manches Jnteressante enthält. Als Karl Alberts Nieder- lage bekannt geworden war, eilte eine Deputation zu dem franzö- sischen Gesandten, dem Herzog von Harcourt, in den Palast Co- lonna und bat flehentlich um französische Hülfe! Der Herzog gab den Herren jedoch die folgende ächt aristokratische Antwort: „So schmeichelhaft, meine Herren, die an mich gestellte Bitte für meine Nation auch ist, so muß ich Jhnen doch vor allen Dingen erklären, daß ich dadurch etwas überrascht bin. Die Artikel Eurer Zeitungen und die Reden Eurer Volkstribunen, die ganz anders sprachen, haben mich auf etwas ganz Anderes vor- bereitet. Jndessen Frankreich ist groß und edelmüthig und wird zu vergessen wissen. Was es in Bezug auf Jtalien für einen Entschluß fassen wird, weiß ich nicht und kann Euch also für mei- nen Theil auch weiter keine Antwort geben, als daß, wenn Jhr eine Petition machet und diese Petition von so viel achtbaren Leu- ten unterzeichnet wird, daß sie die Bevölkerung des Kirchenstaates repräsentiren können, ich dieselbe an meine Regierung abschicken will.“ Das „souveräne Volk“ brachte nach diesem Bescheid Frank- reich und dem französischen Gesandten ein donnerndes Lebehoch, wie sie früher schon aller Welt Lebehochs gebracht haben! Die Alpenarmee hat sich jetzt concentrirt. Die erste Division steht bei Briancon, die zweite bei Grenoble, die dritte concentrirt sich um Lyon, die vierte bei Bourg. Jn Paris ist es immer noch nicht recht geheuer, tausenderlei beunruhigende Gerüchte waren verbreitet, man sprach davon, daß General Cavaignac durch Banditen aufgehoben werden solle, weßhalb auch außerordentliche Vorsichtsmaßregeln in den letzten Tagen ergriffen worden waren. Auch auf die Börse übten diese Gerüchte ihren niederdrückenden Einfluß. Börse vom 16. August. Bei lebhafter Frage stellten sich Anfangs der Börse die Curse höher, als jedoch der erste Bedarf befriedigt war, gingen solche wieder etwas zurück. 3% Fr. 44, 75. — 5% Fr. 72. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 64. Mainz, 19. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal064_1848/4>, abgerufen am 17.06.2024.