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Mainzer Journal. Nr. 106. Mainz, 7. Oktober 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 106. Samstag, den 7. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Generalversammlung der katholischen Vereine
Deutschlands für religiöse Freiheit.
Zweite öffentliche Sitzung am 4. October 1848.
( Fortsetzung. )

Staat und Kirche, fuhr der Freiherr von Andlaw fort,
müssen immer in Beziehung, in Wechselwirkung stehen, ein und
dasselbe Volk umfassend und ruhend auf einem und demselben
Volke. Von dieser Verbindung kann die Kirche sich niemals los-
sagen. Sie löst ihre Aufgabe gar nicht, wenn sie nicht alle Le-
bensverhältnisse, mithin auch den Staat durchdringt. Jst Staat
gleich Regierung? Wohl, eine gewaltsame Trennung von einer
bestehenden Regierung müßte üble Folgen haben. Dürfte aber
darum die Kirche nicht selbstständig seyn? Die Kirche trennt sich
nicht, wenn aber die Regierung sich trennen, wenn sie keinen
Rechtsboden mehr gönnen will, wird man da nicht versuchen
müssen, auf eigenen Füßen zu stehen. Eine feindliche Stellung der
Staatsgewalt ist möglich; es kann vorkommen, daß im Auftrage
der Staatsgewalt katholische Priester erwürgt, Laien in das
Elend geschickt und ihre Häuser geplündert werden; da würde
nur noch die Trennung erübrigen.

Eine andere Einwendung ist die, es komme nicht so wohl
darauf an, ob die Kirche mehr oder weniger Rechte besitze, die
Hauptsache sey eine christliche Erziehung. Geschriebenes Recht,
das nicht im Volksgefühle wurzelt, verspricht keine Dauer. So-
bald der natürliche Sinn auch für das bestverbriefte Recht nicht
mehr in den Herzen lebt, braucht es nur eines kleinen Sturmes,
um es zerrissen uns vor die Füße zu werfen. Führet erst einmal
die Pädagogik dahin, das Rechtsgefühl im Volke fest und tief
wieder zu gründen, dann wird auch das kirchliche Recht wieder
auf festem Boden ruhen. Das muß unser Streben seyn, daß die
Anerkennung des Rechtes, der Sinn für Aufrechthaltung der
Ordnung und Verträge in den Volksvereinen und durch sie ge-
deihe.

Aber eben darum handelt es sich ja, ob der Kirche das Recht
zustehen solle, diese Pädagogik, diese Erziehung der Menschheit
fortzusetzen und zu vollenden, ohne welche dauernde Achtung des
Rechtes nicht zu hoffen ist.

Ein Mitglied der Nationalversammlung hat erklärt, es sey
besser geachtet worden, allgemeine Grundsätze und Normen für
die kirchliche Freiheit aufzustellen, und das Einzelne der Zeitent-
wickelung zu überlassen. Jch theile diese Meinung. Denn das
Uebel ist weit größer, wenn nach einigen Richtungen hin detail-
lirte Bestimmungen aufgenommen werden, während man die
wichtigsten Punkte übergeht oder zweideutig läßt. Es gibt viele
Dinge, viele einfache Folgerungen, die sich von selbst verstehen,
wo es nur gilt, sein Recht thatsächlich auszuüben. So hat ein der
Kirche gar nicht günstiger Staatsmann meinen Klagen einmal
erwiedert: "Die Kirche hat ja Rechte genug, das Ordinariat soll
sie nur ausüben; aber wenn man bei uns darum anfragt, dann
müssen wir es natürlich verweigern."

Man hat uns bemerkt, das Princip sey auch bezüglich der
Schulfrage gerettet worden, denn auch bisher wären die Geist-
lichen nicht als solche Schulinspectoren gewesen, sondern durch
eine gewöhnliche Staatsbegünstigung. Nicht in allen Ländern
sind aber gleiche Verhältnisse, und es ist eine große Anzahl von
Lehrern nicht durchdrungen vom lebendigen Geiste und Gefühle
des Christenthums, darum unfähig, die Jugend im christlichen
Geiste zu erziehen.

Jch lasse mich nicht ein auf das weite Gebiet der socialen
[Spaltenumbruch] Fragen, worüber ich unmöglich der Rede meines Vorgängers
noch etwas Neues beifügen könnte. Nur an Eines möchte ich Sie
mahnen: "Wachen, Kämpfen, Beten," das war das Losungs-
wort, welches von dieser Stelle mit inniger Rührung vernommen
wurde. Ein gemeinschaftliches Gebet möge die Vereine auch vor
Gott verbinden, das war ein vielfach ausgesprochener Wunsch
des Volkes. Dem gemeinschaftlichen Gebete ist die Gnade Gottes
vorzüglich zugedacht. Nähere Bestimmungen darüber möchte ich
dem Ausschuß anheimgeben. Eine zweite Aufgabe wäre, dahin zu
wirken, wohin in Schlesien mit so großer Kraft gewirkt worden
ist durch die Mäßigkeitsvereine. Der Branntwein vergiftet die
leibliche und geistige Gesundheit der jetzigen und der künftigen
Generationen. Ja, es ist ein noch mehr beklagenswerthes Uebel
der in dieser Seuche wuchernde Seelenraub. Lassen Sie uns See-
len retten, so viel wir können. Es ist ein trauriges Vorurtheil, der
katholische Glaube dürfe nur im Stillen wirken, müsse sich in ver-
borgene Winkel zurückziehen. Nein, gehen wir auf den Markt,
auf die Straße mit unserer Liebe, retten wir öffentlich die Seelen,
die durch das schleichende Verderben im Stillen hingeschlachtet
werden, dann hat der Verein seine höchste Aufgabe gelößt.

Präsident. Wir haben noch keine Erwähnung gethan, noch
kein Wort des Dankes gesprochen den edlen Frauen von
Mainz, die mit so rührender Theilnahme den Verhandlungen bei-
wohnen. Wir wollen den Fehler wenigstens einigermaßen gut
machen. Möchten doch die Herren auf der Einen Seite die Fenster öff-
nen, damit wenigstens den Damen Kühlung werde! ( Heiterkeit. )

Osterrath von Danzig: Von den Ufern der Ostsee bin ich
gesandt, von Preußen, das von St. Adalbertus, seinem Märty-
rer, das Christenthum empfangen. Dort wohnen unter einer
Mehrzahl von Protestanten 800,000 Katholiken in den Diöcesen
Kulm und Ermeland. Als die Märzereignisse wie elektrische
Funken ganz Deutschland durchzuckten, da entstanden auch in
Preußen mancherlei Vereine für Freiheit. Aber bald ward es
auch uns klar, daß das Festhalten und Erringen der politischen
Freiheit nicht das ist, was allein an sich das Volk glücklich ma-
chen kann. Freiheit ist ein Zauberklang für alle Herzen; aber die
Geschichte zeigt auch ein häufiges Mißverständniß dieses Wortes.
Es hat Zeiten und Völker gegeben, wo man von Freiheit trunken
war, während man die Priester erwürgte, welche sich die Freiheit
nahmen, ihre Pflicht zu thun. Das Wort Freiheit ist auch einer
von den dunkeln, der verschiedensten Deutungen fähigen Be-
griffen. Man versteht darunter oft nur die persönliche Theil-
nahme an der Ordnung und Erhaltung der Staatsverfassung:
aber der Mensch gehört dem Staate eigentlich doch nur an
nach seinen äußeren Verhältnissen, sein Jnneres, sein Gewissen,
seine Religion, das ist sein eigenstes Heiligthum, sein Herzens-
glaube, das ist die schönste Blüthe seiner Seele. Wenn wir uns
klar machten die Veränderungen im Staatsleben, das Aufgeben
des christlichen Staates, dann erkannten wir, es könne das bis-
herige Verhältniß nicht bestehen bleiben. Eine Anzahl Katholiken
in Danzig erkannte die Nothwendigkeit einer Vereinigung zur
Sicherung der kirchlichen Rechte, zur Erringung der Freiheit.
Sie legten die Statuten des Mainzer Piusvereines zu Grunde,
jedoch mit Einer großen Abweichung. Die Statuten des hiesigen
Vereines setzen fest: Nur Katholiken können als Mitglieder auf-
genommen werden. Aber es haben auch nicht=katholische Re-
ligionsgesellschaften das Bedürfniß der Befreiung vom Staate,
der auch sie, wie die katholische Kirche, umarmt und gedrückt hat,
so daß ihnen alles Lebensblut beinahe erstorben ist. Wenn Viele
glauben, die protestantischen Confessionen könnten ohne die
Hülfe der Staatsaufsicht nicht bestehen, so machte sich dagegen der
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 106. Samstag, den 7. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Generalversammlung der katholischen Vereine
Deutschlands für religiöse Freiheit.
Zweite öffentliche Sitzung am 4. October 1848.
( Fortsetzung. )

Staat und Kirche, fuhr der Freiherr von Andlaw fort,
müssen immer in Beziehung, in Wechselwirkung stehen, ein und
dasselbe Volk umfassend und ruhend auf einem und demselben
Volke. Von dieser Verbindung kann die Kirche sich niemals los-
sagen. Sie löst ihre Aufgabe gar nicht, wenn sie nicht alle Le-
bensverhältnisse, mithin auch den Staat durchdringt. Jst Staat
gleich Regierung? Wohl, eine gewaltsame Trennung von einer
bestehenden Regierung müßte üble Folgen haben. Dürfte aber
darum die Kirche nicht selbstständig seyn? Die Kirche trennt sich
nicht, wenn aber die Regierung sich trennen, wenn sie keinen
Rechtsboden mehr gönnen will, wird man da nicht versuchen
müssen, auf eigenen Füßen zu stehen. Eine feindliche Stellung der
Staatsgewalt ist möglich; es kann vorkommen, daß im Auftrage
der Staatsgewalt katholische Priester erwürgt, Laien in das
Elend geschickt und ihre Häuser geplündert werden; da würde
nur noch die Trennung erübrigen.

Eine andere Einwendung ist die, es komme nicht so wohl
darauf an, ob die Kirche mehr oder weniger Rechte besitze, die
Hauptsache sey eine christliche Erziehung. Geschriebenes Recht,
das nicht im Volksgefühle wurzelt, verspricht keine Dauer. So-
bald der natürliche Sinn auch für das bestverbriefte Recht nicht
mehr in den Herzen lebt, braucht es nur eines kleinen Sturmes,
um es zerrissen uns vor die Füße zu werfen. Führet erst einmal
die Pädagogik dahin, das Rechtsgefühl im Volke fest und tief
wieder zu gründen, dann wird auch das kirchliche Recht wieder
auf festem Boden ruhen. Das muß unser Streben seyn, daß die
Anerkennung des Rechtes, der Sinn für Aufrechthaltung der
Ordnung und Verträge in den Volksvereinen und durch sie ge-
deihe.

Aber eben darum handelt es sich ja, ob der Kirche das Recht
zustehen solle, diese Pädagogik, diese Erziehung der Menschheit
fortzusetzen und zu vollenden, ohne welche dauernde Achtung des
Rechtes nicht zu hoffen ist.

Ein Mitglied der Nationalversammlung hat erklärt, es sey
besser geachtet worden, allgemeine Grundsätze und Normen für
die kirchliche Freiheit aufzustellen, und das Einzelne der Zeitent-
wickelung zu überlassen. Jch theile diese Meinung. Denn das
Uebel ist weit größer, wenn nach einigen Richtungen hin detail-
lirte Bestimmungen aufgenommen werden, während man die
wichtigsten Punkte übergeht oder zweideutig läßt. Es gibt viele
Dinge, viele einfache Folgerungen, die sich von selbst verstehen,
wo es nur gilt, sein Recht thatsächlich auszuüben. So hat ein der
Kirche gar nicht günstiger Staatsmann meinen Klagen einmal
erwiedert: „Die Kirche hat ja Rechte genug, das Ordinariat soll
sie nur ausüben; aber wenn man bei uns darum anfragt, dann
müssen wir es natürlich verweigern.“

Man hat uns bemerkt, das Princip sey auch bezüglich der
Schulfrage gerettet worden, denn auch bisher wären die Geist-
lichen nicht als solche Schulinspectoren gewesen, sondern durch
eine gewöhnliche Staatsbegünstigung. Nicht in allen Ländern
sind aber gleiche Verhältnisse, und es ist eine große Anzahl von
Lehrern nicht durchdrungen vom lebendigen Geiste und Gefühle
des Christenthums, darum unfähig, die Jugend im christlichen
Geiste zu erziehen.

Jch lasse mich nicht ein auf das weite Gebiet der socialen
[Spaltenumbruch] Fragen, worüber ich unmöglich der Rede meines Vorgängers
noch etwas Neues beifügen könnte. Nur an Eines möchte ich Sie
mahnen: „Wachen, Kämpfen, Beten,“ das war das Losungs-
wort, welches von dieser Stelle mit inniger Rührung vernommen
wurde. Ein gemeinschaftliches Gebet möge die Vereine auch vor
Gott verbinden, das war ein vielfach ausgesprochener Wunsch
des Volkes. Dem gemeinschaftlichen Gebete ist die Gnade Gottes
vorzüglich zugedacht. Nähere Bestimmungen darüber möchte ich
dem Ausschuß anheimgeben. Eine zweite Aufgabe wäre, dahin zu
wirken, wohin in Schlesien mit so großer Kraft gewirkt worden
ist durch die Mäßigkeitsvereine. Der Branntwein vergiftet die
leibliche und geistige Gesundheit der jetzigen und der künftigen
Generationen. Ja, es ist ein noch mehr beklagenswerthes Uebel
der in dieser Seuche wuchernde Seelenraub. Lassen Sie uns See-
len retten, so viel wir können. Es ist ein trauriges Vorurtheil, der
katholische Glaube dürfe nur im Stillen wirken, müsse sich in ver-
borgene Winkel zurückziehen. Nein, gehen wir auf den Markt,
auf die Straße mit unserer Liebe, retten wir öffentlich die Seelen,
die durch das schleichende Verderben im Stillen hingeschlachtet
werden, dann hat der Verein seine höchste Aufgabe gelößt.

Präsident. Wir haben noch keine Erwähnung gethan, noch
kein Wort des Dankes gesprochen den edlen Frauen von
Mainz, die mit so rührender Theilnahme den Verhandlungen bei-
wohnen. Wir wollen den Fehler wenigstens einigermaßen gut
machen. Möchten doch die Herren auf der Einen Seite die Fenster öff-
nen, damit wenigstens den Damen Kühlung werde! ( Heiterkeit. )

Osterrath von Danzig: Von den Ufern der Ostsee bin ich
gesandt, von Preußen, das von St. Adalbertus, seinem Märty-
rer, das Christenthum empfangen. Dort wohnen unter einer
Mehrzahl von Protestanten 800,000 Katholiken in den Diöcesen
Kulm und Ermeland. Als die Märzereignisse wie elektrische
Funken ganz Deutschland durchzuckten, da entstanden auch in
Preußen mancherlei Vereine für Freiheit. Aber bald ward es
auch uns klar, daß das Festhalten und Erringen der politischen
Freiheit nicht das ist, was allein an sich das Volk glücklich ma-
chen kann. Freiheit ist ein Zauberklang für alle Herzen; aber die
Geschichte zeigt auch ein häufiges Mißverständniß dieses Wortes.
Es hat Zeiten und Völker gegeben, wo man von Freiheit trunken
war, während man die Priester erwürgte, welche sich die Freiheit
nahmen, ihre Pflicht zu thun. Das Wort Freiheit ist auch einer
von den dunkeln, der verschiedensten Deutungen fähigen Be-
griffen. Man versteht darunter oft nur die persönliche Theil-
nahme an der Ordnung und Erhaltung der Staatsverfassung:
aber der Mensch gehört dem Staate eigentlich doch nur an
nach seinen äußeren Verhältnissen, sein Jnneres, sein Gewissen,
seine Religion, das ist sein eigenstes Heiligthum, sein Herzens-
glaube, das ist die schönste Blüthe seiner Seele. Wenn wir uns
klar machten die Veränderungen im Staatsleben, das Aufgeben
des christlichen Staates, dann erkannten wir, es könne das bis-
herige Verhältniß nicht bestehen bleiben. Eine Anzahl Katholiken
in Danzig erkannte die Nothwendigkeit einer Vereinigung zur
Sicherung der kirchlichen Rechte, zur Erringung der Freiheit.
Sie legten die Statuten des Mainzer Piusvereines zu Grunde,
jedoch mit Einer großen Abweichung. Die Statuten des hiesigen
Vereines setzen fest: Nur Katholiken können als Mitglieder auf-
genommen werden. Aber es haben auch nicht=katholische Re-
ligionsgesellschaften das Bedürfniß der Befreiung vom Staate,
der auch sie, wie die katholische Kirche, umarmt und gedrückt hat,
so daß ihnen alles Lebensblut beinahe erstorben ist. Wenn Viele
glauben, die protestantischen Confessionen könnten ohne die
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[Ende Spaltensatz]

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( Fortsetzung. ) Staat und Kirche, fuhr der Freiherr von Andlaw fort, müssen immer in Beziehung, in Wechselwirkung stehen, ein und dasselbe Volk umfassend und ruhend auf einem und demselben Volke. Von dieser Verbindung kann die Kirche sich niemals los- sagen. Sie löst ihre Aufgabe gar nicht, wenn sie nicht alle Le- bensverhältnisse, mithin auch den Staat durchdringt. Jst Staat gleich Regierung? Wohl, eine gewaltsame Trennung von einer bestehenden Regierung müßte üble Folgen haben. Dürfte aber darum die Kirche nicht selbstständig seyn? Die Kirche trennt sich nicht, wenn aber die Regierung sich trennen, wenn sie keinen Rechtsboden mehr gönnen will, wird man da nicht versuchen müssen, auf eigenen Füßen zu stehen. Eine feindliche Stellung der Staatsgewalt ist möglich; es kann vorkommen, daß im Auftrage der Staatsgewalt katholische Priester erwürgt, Laien in das Elend geschickt und ihre Häuser geplündert werden; da würde nur noch die Trennung erübrigen. Eine andere Einwendung ist die, es komme nicht so wohl darauf an, ob die Kirche mehr oder weniger Rechte besitze, die Hauptsache sey eine christliche Erziehung. Geschriebenes Recht, das nicht im Volksgefühle wurzelt, verspricht keine Dauer. So- bald der natürliche Sinn auch für das bestverbriefte Recht nicht mehr in den Herzen lebt, braucht es nur eines kleinen Sturmes, um es zerrissen uns vor die Füße zu werfen. Führet erst einmal die Pädagogik dahin, das Rechtsgefühl im Volke fest und tief wieder zu gründen, dann wird auch das kirchliche Recht wieder auf festem Boden ruhen. Das muß unser Streben seyn, daß die Anerkennung des Rechtes, der Sinn für Aufrechthaltung der Ordnung und Verträge in den Volksvereinen und durch sie ge- deihe. Aber eben darum handelt es sich ja, ob der Kirche das Recht zustehen solle, diese Pädagogik, diese Erziehung der Menschheit fortzusetzen und zu vollenden, ohne welche dauernde Achtung des Rechtes nicht zu hoffen ist. Ein Mitglied der Nationalversammlung hat erklärt, es sey besser geachtet worden, allgemeine Grundsätze und Normen für die kirchliche Freiheit aufzustellen, und das Einzelne der Zeitent- wickelung zu überlassen. Jch theile diese Meinung. Denn das Uebel ist weit größer, wenn nach einigen Richtungen hin detail- lirte Bestimmungen aufgenommen werden, während man die wichtigsten Punkte übergeht oder zweideutig läßt. Es gibt viele Dinge, viele einfache Folgerungen, die sich von selbst verstehen, wo es nur gilt, sein Recht thatsächlich auszuüben. So hat ein der Kirche gar nicht günstiger Staatsmann meinen Klagen einmal erwiedert: „Die Kirche hat ja Rechte genug, das Ordinariat soll sie nur ausüben; aber wenn man bei uns darum anfragt, dann müssen wir es natürlich verweigern.“ Man hat uns bemerkt, das Princip sey auch bezüglich der Schulfrage gerettet worden, denn auch bisher wären die Geist- lichen nicht als solche Schulinspectoren gewesen, sondern durch eine gewöhnliche Staatsbegünstigung. Nicht in allen Ländern sind aber gleiche Verhältnisse, und es ist eine große Anzahl von Lehrern nicht durchdrungen vom lebendigen Geiste und Gefühle des Christenthums, darum unfähig, die Jugend im christlichen Geiste zu erziehen. Jch lasse mich nicht ein auf das weite Gebiet der socialen Fragen, worüber ich unmöglich der Rede meines Vorgängers noch etwas Neues beifügen könnte. Nur an Eines möchte ich Sie mahnen: „Wachen, Kämpfen, Beten,“ das war das Losungs- wort, welches von dieser Stelle mit inniger Rührung vernommen wurde. Ein gemeinschaftliches Gebet möge die Vereine auch vor Gott verbinden, das war ein vielfach ausgesprochener Wunsch des Volkes. Dem gemeinschaftlichen Gebete ist die Gnade Gottes vorzüglich zugedacht. Nähere Bestimmungen darüber möchte ich dem Ausschuß anheimgeben. Eine zweite Aufgabe wäre, dahin zu wirken, wohin in Schlesien mit so großer Kraft gewirkt worden ist durch die Mäßigkeitsvereine. Der Branntwein vergiftet die leibliche und geistige Gesundheit der jetzigen und der künftigen Generationen. Ja, es ist ein noch mehr beklagenswerthes Uebel der in dieser Seuche wuchernde Seelenraub. Lassen Sie uns See- len retten, so viel wir können. Es ist ein trauriges Vorurtheil, der katholische Glaube dürfe nur im Stillen wirken, müsse sich in ver- borgene Winkel zurückziehen. Nein, gehen wir auf den Markt, auf die Straße mit unserer Liebe, retten wir öffentlich die Seelen, die durch das schleichende Verderben im Stillen hingeschlachtet werden, dann hat der Verein seine höchste Aufgabe gelößt. Präsident. Wir haben noch keine Erwähnung gethan, noch kein Wort des Dankes gesprochen den edlen Frauen von Mainz, die mit so rührender Theilnahme den Verhandlungen bei- wohnen. Wir wollen den Fehler wenigstens einigermaßen gut machen. Möchten doch die Herren auf der Einen Seite die Fenster öff- nen, damit wenigstens den Damen Kühlung werde! ( Heiterkeit. ) Osterrath von Danzig: Von den Ufern der Ostsee bin ich gesandt, von Preußen, das von St. Adalbertus, seinem Märty- rer, das Christenthum empfangen. Dort wohnen unter einer Mehrzahl von Protestanten 800,000 Katholiken in den Diöcesen Kulm und Ermeland. Als die Märzereignisse wie elektrische Funken ganz Deutschland durchzuckten, da entstanden auch in Preußen mancherlei Vereine für Freiheit. Aber bald ward es auch uns klar, daß das Festhalten und Erringen der politischen Freiheit nicht das ist, was allein an sich das Volk glücklich ma- chen kann. Freiheit ist ein Zauberklang für alle Herzen; aber die Geschichte zeigt auch ein häufiges Mißverständniß dieses Wortes. Es hat Zeiten und Völker gegeben, wo man von Freiheit trunken war, während man die Priester erwürgte, welche sich die Freiheit nahmen, ihre Pflicht zu thun. Das Wort Freiheit ist auch einer von den dunkeln, der verschiedensten Deutungen fähigen Be- griffen. Man versteht darunter oft nur die persönliche Theil- nahme an der Ordnung und Erhaltung der Staatsverfassung: aber der Mensch gehört dem Staate eigentlich doch nur an nach seinen äußeren Verhältnissen, sein Jnneres, sein Gewissen, seine Religion, das ist sein eigenstes Heiligthum, sein Herzens- glaube, das ist die schönste Blüthe seiner Seele. Wenn wir uns klar machten die Veränderungen im Staatsleben, das Aufgeben des christlichen Staates, dann erkannten wir, es könne das bis- herige Verhältniß nicht bestehen bleiben. Eine Anzahl Katholiken in Danzig erkannte die Nothwendigkeit einer Vereinigung zur Sicherung der kirchlichen Rechte, zur Erringung der Freiheit. Sie legten die Statuten des Mainzer Piusvereines zu Grunde, jedoch mit Einer großen Abweichung. Die Statuten des hiesigen Vereines setzen fest: Nur Katholiken können als Mitglieder auf- genommen werden. Aber es haben auch nicht=katholische Re- ligionsgesellschaften das Bedürfniß der Befreiung vom Staate, der auch sie, wie die katholische Kirche, umarmt und gedrückt hat, so daß ihnen alles Lebensblut beinahe erstorben ist. Wenn Viele glauben, die protestantischen Confessionen könnten ohne die Hülfe der Staatsaufsicht nicht bestehen, so machte sich dagegen der

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 106. Mainz, 7. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal106_1848/1>, abgerufen am 09.05.2024.