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Mainzer Journal. Nr. 167. Mainz, 18. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz]

Der Präsident H. v. Gagern ist inzwischen in der Ver-
sammlung erschienen. Vicepräsident Beseler verliest folgendes
in demselben Augenblicke dem Präsidium der Reichsversammlung
zugekommene Schreiben: "Herr Präsident. Jch theile Jhnen zum
Behufe der Bekanntmachung an die Mitglieder der Reichsver-
sammlung mit, daß ich den Herrn Reichsminister des Jnnern und
der auswärtigen Angelegenheiten, Ritter Anton v. Schmer-
ling
und den Hrn. Unterstaatssecretär J. v. Würth ihren
Wünschen gemäß von den ihnen anvertrauten Stellen enthoben
habe. Frankfurt a. M. 16. December 1848. Der Reichsverweser.
Erzherzog Johann. Gez. Peucker. " Tiefe Stille in der
Versammlung. Präsident H. v. Gagern betritt die Tribune:
"Einer hohen Versammlung habe ich über die gegenwärtige Stel-
lung des Reichsministeriums eine Mittheilung zu machen. Jn
Folge des Programmes des österreichischen Ministeriums d. d.
27. November 1848 erkannte das Reichsministerium die Noth-
wendigkeit, daß die Stellung der Reichsgewalt zu Oesterreich auf
einer Grundlage geordnet werde, die den obwaltenden Verhält-
nissen entspreche. Der Herr Reichsminister v. Schmerling ging
im Reichsministerium mit der Erklärung voraus, daß er als
Oesterreicher nicht der geeignete Leiter dieser Frage sey. Das
Ministerium beschloß daher übereinstimmend, Sr. kaiserl. Hoh-
heit dem Erzherzog Reichsverweser vorzuschlagen, mich in das
Ministerium zu berufen. Jn dieser Lage der Sache wurde
mir von Herrn v. Schmerling die erste Eröffnung gemacht.
Jch erwiederte, daß ich als Leiter für die österreichische Frage
zur Zeit nicht in das Ministerium eintreten könne, da ich be-
züglich des künftigen Verhältnisses des deutschen Bundesstaates
zu Oesterreich, als dieses principiell bei Berathung der Ver-
fassung zur Sprache gekommen, mit meiner Ansicht in der Mi-
norität geblieben sey. Sollte aber in Folge des erwähnten Pro-
grammes des österreichischen Ministeriums, in Folge der Aufnahme,
die es bei dem österreichischen Reichstage in Kremsier, und wie
es scheint, auch bei der großen Mehrheit der Bevölkerung der
deutsch=österreichischen Lande gefunden, die Ansicht der National-
versammlung über die Wahrscheinlichkeit der Stellung Oester-
reichs zu dem übrigen Deutschland sich ändern, so würde ich es mir
zur Ehre rechnen, wenn Se. kaiserliche Hoheit der Erzherzog
Reichsverweser mich berufen, und ebenso wie die Mitglieder des
Ministeriums meine politische Richtung billigen würden. -- mit den
Männern im Ministerium zusammenzuwirken, die bisher in Aus-
übung ihrer Berufspflichten die höchste Achtung verdient und die
vollste Anerkennung sich erworben hätten. Seitdem hat sich die
Lage der Sache dadurch geändert, daß zu meinem großen Be-
dauern der Herr Reichsminister von Schmerling und der Herr
Unterstaatssecretär v. Würth ihre Entlassung aus dem Ministe-
rium nehmen zu müssen geglaubt haben. Die übrigen Mitglieder
des Ministeriums waren nun der Ansicht, vor der Wiederver-
vollständigung des Ministerums eine politische Maßregel von Be-
deutung der hohen Versammlung nicht vorschlagen zu sollen. Jch
wurde gestern zu Sr. kais. Hoheit dem Erzherzog Reichsverweser
beschieden, und hielt es für meine durch die Umstände gebotene
Pflicht, dem mir gewordenen Auftrage, das Ministerium zu er-
gänzen, mich zu unterziehen. Noch habe ich diesem Auftrage nicht
genügen können, und indem ich einer hohen Nationalversammlung
von diesem Stande der Dinge vorläufige Mittheilung mache, und
damit die schuldige Anzeige verbinde, daß ich das mir auf die Dauer
dieses Monates übertragene Amt eines ersten Vorsitzenden dieser
hohen Versammlung schon heute niederzulegen mich genöthigt sehe,
bitte ich zugleich Namens des Ministeriums zu entschuldigen, wenn
mehrere vorliegende Jnterpellationen heute unbeantwortet bleiben,
auch der Tag ihrer Beantwortung heute nicht angekündigt werden
kann. -- Meine Herren! nicht Ehrgeiz spornt mich, eine Mission
von so großer Wichtigkeit zu übernehmen. Mein Ehrgeiz, so weit
er reicht, fand volle Befriedigung in dieser hohen Versammlung,
in der mir durch Jhre wiederholte Wahl die ehrenvollste Stellung
ward, die einem Bürger geboten werden kann. Auch von einer Ueber-
schätzung meiner schwachen Kräfte fühle ich mich frei. Jch rechne
wesentlich auf die Unterstützung Sr. kaiserl. Hoheit des Erzher-
zogs Reichsverwesers, auf die Unterstützung dieser hohen Ver-
sammlung und auf die Fortdauer des Vertrauens, das mir zu
meinem tiefgefühlten Danke entgegengekommen ist und das ich
mir zu erhalten bestrebt seyn werde." ( Lebhafter Beifall auf
allen Seiten des Hauses. ) Die Versammlung entscheidet sich für
die Vertagung der Verhandlung. Ein dringlicher Antrag, die
Reichsversammlung möge die Centralgewalt beauftragen, über
die Stellung Oesterreichs zu Deutschland mit der österreichischen
Regierung in Unterhandlung zu treten, wird dem Ausschusse für
die österreichische Frage zugewiesen. Die Wahl eines ersten Prä-
sidenten wird für die nächste Sitzung festgesetzt.



[Spaltenumbruch]
Deutschland.

Berlin 16. December. ( V. Z. ) Jn der Stadt ist seit vor-
gestern vielfach das Gerücht von Unruhen verbreitet, welche in
Wien entstanden seyn sollen, bis jetzt fehlt jede Bestätigung dieses
Gerüchtes und scheint dasselbe lediglich behufs einer schlechten
Börsenspeculation ausgesprengt zu seyn. -- Unsere Börsenwelt
schien heute noch immer nicht im Stande, sich über die Präsiden-
tenwahl in Frankreich ein Urtheil zu bilden. Man staunte trotz
des für Louis Bonaparte überraschend günstigen Resultates, die
Rente aus Paris merklich besser notirt zu sehen. Dies machte je-
doch wenig Eindruck und die Börse blieb in auffallender Passivi-
tät mit wenig veränderten Coursen. Fonds und Actien blieben
angeboten.

Die untergrabene Achtung vor den Gesetzen, die in manchen
Provinzen so trauriger Weise eingetreten ist, hat sich nicht nur in
Massenhandlungen gezeigt, sondern tritt auch durch leider sich
häufende einzelne Verbrechen hervor. Namentlich werden die
Raubanfälle häufig. Am 11. December wurde in dem Dorfe
Wittgendorf im Landshuter Kreise eine dergleichen in der Be-
hausung des Bauer Pestinger verübt. Drei Männer waren in
der Nacht eingedrungen und gelangten bis an das Bett des
Pestinger, wo dieser nebst seiner Frau schlief. Er erwachte von
dem Geräusche, doch einer der Räuber packte ihn sogleich an die
Kehle und würgte ihn, bis er den Geist aufgab. Die beiden An-
deren packten die Frau und zwangen sie durch Faustschläge auf
den Mund und ins Auge, sowie durch Drohung mit einem Mes-
ser, das sie ihr auf die Brust setzten, anzugeben, wo das Geld
aufbewahrt sey. Die Unglückliche, die ihren Tod vor Augen sah,
zeigte ihnen ein Wandschränkchen, in denen sich etwa 70 Thaler
befanden, welche die Verbrecher nahmen und damit flüchteten. Die
Frau hatte keinen von ihnen gekannt. Noch hat man keine Spur
der Thäter.

Breslau 13. December. Der deutsche Volksverein beabsich-
tigt eine Todtenfeier für R. Blum zu veranstalten. -- Der Bür-
gerwehr=Congreß von Preußen wird Freitag den 15. December,
Morgens 9 Uhr, im Saale zum deutschen Kaiser eröffnet werden.
-- Jn unserer Stadt wie auf dem Lande kommen gegenwärtig
schaudererregend viel Raubanfälle und Diebstähle vor.

Köln 14. December. ( W. Z. ) Jhre Leser entsinnen sich, wie
tief aufgeregt vor einem Monate die Stimmung der Rheinprovinz
war, wie man Adresse auf Adresse an den Landtag sandte, um
ihm die innigsten Sympathien der Bevölkerung kund zu thun.
Welch ein Wechsel zwischen jetzt und damals! Aus den damals
aufgeregtesten Orten aus Coblenz, aus Düsseldorf, aus Köln
gehen jetzt Dankadressen an den König. Von hier hat der
Gemeinderath ( mit 22 gegen 2 Stimmen ) und der Bürgerverein
eine solche Dankadresse beschlossen, zwei Versammlungen, die vor
einem Monate Adressen und Deputationen gerade im entgegen-
gesetzten Sinne an die Nationalversammlung sandten, und ähn-
lich wie hier, geht es auch anderswo! Man braucht nur die
zahllosen Adressen in unseren Zeitungen anzusehen, um sich von
dem totalen Umschwunge der Ansichten zu überzeugen.

^ Aus der bayerischen Pfalz 16. December. Wer erinnert
sich nicht, wie Landau's deutsche Bürger unlängst ihren Ver-
treter Glaß aus der Reichsversammlung abriefen und an seiner
Statt einen Stockrepublikaner wählten? -- Nun ja, Glaß war
eben kein Republikaner; was konnte er die republikanisch gesinnten
Landauer nutzen? sie hatten Recht. Wer erinnert sich aber auch
nicht, wie Landau's deutsche Bürger -- es ist noch nicht acht
Monate her -- in voller Begeisterung dem constitutionell=monar-
chischen Glaubensbekenntnisse ihres jetzt moralisch gemordeten
Vertreters Glaß den entschiedensten Beifall zujubelten? Und
wer erinnert sich endlich nicht jener Adresse, die Landau's deutsche
Bürger in den vergangenen Märztagen an Münchens Bürger,
Studenten und Künstler schickten, in welcher, wie es sich von selbst
versteht, die Schlagwörter: "gesinnungstüchtig, charakterfest,
Bürgertugend, Duldsamkeit u. d. g." keine unbedeutende Stelle
einnahmen; in welcher Landau's Bürger den jenseitigen Brüdern
über den alten Vater Rhein die deutsche Rechte bieten zum ge-
meinsamen Handeln und mit heiliger Begeisterung der constitu-
tionellen Monarchie das Wort sprechen. Möge hier eine Stelle
aus jener Adresse wörtlich folgen: "Jn entschiedener Gesinnung
lasset uns Alle fort zusammenstehen als Brüder, die mit Ernst
und Charakterfestigkeit das große Vaterhaus ordnen und schirmen
helfen, -- die in einer Monarchie eine Staatsform erblicken,
welche sich selbst und das Volk achten muß." -- Das sind die
Volksbeglücker, die sich von der Windsbraut jeder falschen Tages-
meinung mit fortreißen lassen! Was ist von diesen Leuten zu er-
warten; wo ist ihre Consequenz, wo ihre Charakterfestigkeit, wo
ihre Gesinnungstüchtigkeit, wo ihre deutsche Bürgertugend? --
O armes Deutschland, daß du blind bist und von solchen Leuten
dein Glück hoffst! Wahrlich, nicht die künftige deutsche Republik
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

Der Präsident H. v. Gagern ist inzwischen in der Ver-
sammlung erschienen. Vicepräsident Beseler verliest folgendes
in demselben Augenblicke dem Präsidium der Reichsversammlung
zugekommene Schreiben: „Herr Präsident. Jch theile Jhnen zum
Behufe der Bekanntmachung an die Mitglieder der Reichsver-
sammlung mit, daß ich den Herrn Reichsminister des Jnnern und
der auswärtigen Angelegenheiten, Ritter Anton v. Schmer-
ling
und den Hrn. Unterstaatssecretär J. v. Würth ihren
Wünschen gemäß von den ihnen anvertrauten Stellen enthoben
habe. Frankfurt a. M. 16. December 1848. Der Reichsverweser.
Erzherzog Johann. Gez. Peucker. “ Tiefe Stille in der
Versammlung. Präsident H. v. Gagern betritt die Tribune:
„Einer hohen Versammlung habe ich über die gegenwärtige Stel-
lung des Reichsministeriums eine Mittheilung zu machen. Jn
Folge des Programmes des österreichischen Ministeriums d. d.
27. November 1848 erkannte das Reichsministerium die Noth-
wendigkeit, daß die Stellung der Reichsgewalt zu Oesterreich auf
einer Grundlage geordnet werde, die den obwaltenden Verhält-
nissen entspreche. Der Herr Reichsminister v. Schmerling ging
im Reichsministerium mit der Erklärung voraus, daß er als
Oesterreicher nicht der geeignete Leiter dieser Frage sey. Das
Ministerium beschloß daher übereinstimmend, Sr. kaiserl. Hoh-
heit dem Erzherzog Reichsverweser vorzuschlagen, mich in das
Ministerium zu berufen. Jn dieser Lage der Sache wurde
mir von Herrn v. Schmerling die erste Eröffnung gemacht.
Jch erwiederte, daß ich als Leiter für die österreichische Frage
zur Zeit nicht in das Ministerium eintreten könne, da ich be-
züglich des künftigen Verhältnisses des deutschen Bundesstaates
zu Oesterreich, als dieses principiell bei Berathung der Ver-
fassung zur Sprache gekommen, mit meiner Ansicht in der Mi-
norität geblieben sey. Sollte aber in Folge des erwähnten Pro-
grammes des österreichischen Ministeriums, in Folge der Aufnahme,
die es bei dem österreichischen Reichstage in Kremsier, und wie
es scheint, auch bei der großen Mehrheit der Bevölkerung der
deutsch=österreichischen Lande gefunden, die Ansicht der National-
versammlung über die Wahrscheinlichkeit der Stellung Oester-
reichs zu dem übrigen Deutschland sich ändern, so würde ich es mir
zur Ehre rechnen, wenn Se. kaiserliche Hoheit der Erzherzog
Reichsverweser mich berufen, und ebenso wie die Mitglieder des
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Männern im Ministerium zusammenzuwirken, die bisher in Aus-
übung ihrer Berufspflichten die höchste Achtung verdient und die
vollste Anerkennung sich erworben hätten. Seitdem hat sich die
Lage der Sache dadurch geändert, daß zu meinem großen Be-
dauern der Herr Reichsminister von Schmerling und der Herr
Unterstaatssecretär v. Würth ihre Entlassung aus dem Ministe-
rium nehmen zu müssen geglaubt haben. Die übrigen Mitglieder
des Ministeriums waren nun der Ansicht, vor der Wiederver-
vollständigung des Ministerums eine politische Maßregel von Be-
deutung der hohen Versammlung nicht vorschlagen zu sollen. Jch
wurde gestern zu Sr. kais. Hoheit dem Erzherzog Reichsverweser
beschieden, und hielt es für meine durch die Umstände gebotene
Pflicht, dem mir gewordenen Auftrage, das Ministerium zu er-
gänzen, mich zu unterziehen. Noch habe ich diesem Auftrage nicht
genügen können, und indem ich einer hohen Nationalversammlung
von diesem Stande der Dinge vorläufige Mittheilung mache, und
damit die schuldige Anzeige verbinde, daß ich das mir auf die Dauer
dieses Monates übertragene Amt eines ersten Vorsitzenden dieser
hohen Versammlung schon heute niederzulegen mich genöthigt sehe,
bitte ich zugleich Namens des Ministeriums zu entschuldigen, wenn
mehrere vorliegende Jnterpellationen heute unbeantwortet bleiben,
auch der Tag ihrer Beantwortung heute nicht angekündigt werden
kann. — Meine Herren! nicht Ehrgeiz spornt mich, eine Mission
von so großer Wichtigkeit zu übernehmen. Mein Ehrgeiz, so weit
er reicht, fand volle Befriedigung in dieser hohen Versammlung,
in der mir durch Jhre wiederholte Wahl die ehrenvollste Stellung
ward, die einem Bürger geboten werden kann. Auch von einer Ueber-
schätzung meiner schwachen Kräfte fühle ich mich frei. Jch rechne
wesentlich auf die Unterstützung Sr. kaiserl. Hoheit des Erzher-
zogs Reichsverwesers, auf die Unterstützung dieser hohen Ver-
sammlung und auf die Fortdauer des Vertrauens, das mir zu
meinem tiefgefühlten Danke entgegengekommen ist und das ich
mir zu erhalten bestrebt seyn werde.“ ( Lebhafter Beifall auf
allen Seiten des Hauses. ) Die Versammlung entscheidet sich für
die Vertagung der Verhandlung. Ein dringlicher Antrag, die
Reichsversammlung möge die Centralgewalt beauftragen, über
die Stellung Oesterreichs zu Deutschland mit der österreichischen
Regierung in Unterhandlung zu treten, wird dem Ausschusse für
die österreichische Frage zugewiesen. Die Wahl eines ersten Prä-
sidenten wird für die nächste Sitzung festgesetzt.



[Spaltenumbruch]
Deutschland.

Berlin 16. December. ( V. Z. ) Jn der Stadt ist seit vor-
gestern vielfach das Gerücht von Unruhen verbreitet, welche in
Wien entstanden seyn sollen, bis jetzt fehlt jede Bestätigung dieses
Gerüchtes und scheint dasselbe lediglich behufs einer schlechten
Börsenspeculation ausgesprengt zu seyn. — Unsere Börsenwelt
schien heute noch immer nicht im Stande, sich über die Präsiden-
tenwahl in Frankreich ein Urtheil zu bilden. Man staunte trotz
des für Louis Bonaparte überraschend günstigen Resultates, die
Rente aus Paris merklich besser notirt zu sehen. Dies machte je-
doch wenig Eindruck und die Börse blieb in auffallender Passivi-
tät mit wenig veränderten Coursen. Fonds und Actien blieben
angeboten.

Die untergrabene Achtung vor den Gesetzen, die in manchen
Provinzen so trauriger Weise eingetreten ist, hat sich nicht nur in
Massenhandlungen gezeigt, sondern tritt auch durch leider sich
häufende einzelne Verbrechen hervor. Namentlich werden die
Raubanfälle häufig. Am 11. December wurde in dem Dorfe
Wittgendorf im Landshuter Kreise eine dergleichen in der Be-
hausung des Bauer Pestinger verübt. Drei Männer waren in
der Nacht eingedrungen und gelangten bis an das Bett des
Pestinger, wo dieser nebst seiner Frau schlief. Er erwachte von
dem Geräusche, doch einer der Räuber packte ihn sogleich an die
Kehle und würgte ihn, bis er den Geist aufgab. Die beiden An-
deren packten die Frau und zwangen sie durch Faustschläge auf
den Mund und ins Auge, sowie durch Drohung mit einem Mes-
ser, das sie ihr auf die Brust setzten, anzugeben, wo das Geld
aufbewahrt sey. Die Unglückliche, die ihren Tod vor Augen sah,
zeigte ihnen ein Wandschränkchen, in denen sich etwa 70 Thaler
befanden, welche die Verbrecher nahmen und damit flüchteten. Die
Frau hatte keinen von ihnen gekannt. Noch hat man keine Spur
der Thäter.

Breslau 13. December. Der deutsche Volksverein beabsich-
tigt eine Todtenfeier für R. Blum zu veranstalten. — Der Bür-
gerwehr=Congreß von Preußen wird Freitag den 15. December,
Morgens 9 Uhr, im Saale zum deutschen Kaiser eröffnet werden.
— Jn unserer Stadt wie auf dem Lande kommen gegenwärtig
schaudererregend viel Raubanfälle und Diebstähle vor.

Köln 14. December. ( W. Z. ) Jhre Leser entsinnen sich, wie
tief aufgeregt vor einem Monate die Stimmung der Rheinprovinz
war, wie man Adresse auf Adresse an den Landtag sandte, um
ihm die innigsten Sympathien der Bevölkerung kund zu thun.
Welch ein Wechsel zwischen jetzt und damals! Aus den damals
aufgeregtesten Orten aus Coblenz, aus Düsseldorf, aus Köln
gehen jetzt Dankadressen an den König. Von hier hat der
Gemeinderath ( mit 22 gegen 2 Stimmen ) und der Bürgerverein
eine solche Dankadresse beschlossen, zwei Versammlungen, die vor
einem Monate Adressen und Deputationen gerade im entgegen-
gesetzten Sinne an die Nationalversammlung sandten, und ähn-
lich wie hier, geht es auch anderswo! Man braucht nur die
zahllosen Adressen in unseren Zeitungen anzusehen, um sich von
dem totalen Umschwunge der Ansichten zu überzeugen.

△ Aus der bayerischen Pfalz 16. December. Wer erinnert
sich nicht, wie Landau's deutsche Bürger unlängst ihren Ver-
treter Glaß aus der Reichsversammlung abriefen und an seiner
Statt einen Stockrepublikaner wählten? — Nun ja, Glaß war
eben kein Republikaner; was konnte er die republikanisch gesinnten
Landauer nutzen? sie hatten Recht. Wer erinnert sich aber auch
nicht, wie Landau's deutsche Bürger — es ist noch nicht acht
Monate her — in voller Begeisterung dem constitutionell=monar-
chischen Glaubensbekenntnisse ihres jetzt moralisch gemordeten
Vertreters Glaß den entschiedensten Beifall zujubelten? Und
wer erinnert sich endlich nicht jener Adresse, die Landau's deutsche
Bürger in den vergangenen Märztagen an Münchens Bürger,
Studenten und Künstler schickten, in welcher, wie es sich von selbst
versteht, die Schlagwörter: „gesinnungstüchtig, charakterfest,
Bürgertugend, Duldsamkeit u. d. g.“ keine unbedeutende Stelle
einnahmen; in welcher Landau's Bürger den jenseitigen Brüdern
über den alten Vater Rhein die deutsche Rechte bieten zum ge-
meinsamen Handeln und mit heiliger Begeisterung der constitu-
tionellen Monarchie das Wort sprechen. Möge hier eine Stelle
aus jener Adresse wörtlich folgen: „Jn entschiedener Gesinnung
lasset uns Alle fort zusammenstehen als Brüder, die mit Ernst
und Charakterfestigkeit das große Vaterhaus ordnen und schirmen
helfen, — die in einer Monarchie eine Staatsform erblicken,
welche sich selbst und das Volk achten muß.“ — Das sind die
Volksbeglücker, die sich von der Windsbraut jeder falschen Tages-
meinung mit fortreißen lassen! Was ist von diesen Leuten zu er-
warten; wo ist ihre Consequenz, wo ihre Charakterfestigkeit, wo
ihre Gesinnungstüchtigkeit, wo ihre deutsche Bürgertugend? —
O armes Deutschland, daß du blind bist und von solchen Leuten
dein Glück hoffst! Wahrlich, nicht die künftige deutsche Republik
[Ende Spaltensatz]

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[0003] Der Präsident H. v. Gagern ist inzwischen in der Ver- sammlung erschienen. Vicepräsident Beseler verliest folgendes in demselben Augenblicke dem Präsidium der Reichsversammlung zugekommene Schreiben: „Herr Präsident. Jch theile Jhnen zum Behufe der Bekanntmachung an die Mitglieder der Reichsver- sammlung mit, daß ich den Herrn Reichsminister des Jnnern und der auswärtigen Angelegenheiten, Ritter Anton v. Schmer- ling und den Hrn. Unterstaatssecretär J. v. Würth ihren Wünschen gemäß von den ihnen anvertrauten Stellen enthoben habe. Frankfurt a. M. 16. December 1848. Der Reichsverweser. Erzherzog Johann. Gez. Peucker. “ Tiefe Stille in der Versammlung. Präsident H. v. Gagern betritt die Tribune: „Einer hohen Versammlung habe ich über die gegenwärtige Stel- lung des Reichsministeriums eine Mittheilung zu machen. Jn Folge des Programmes des österreichischen Ministeriums d. d. 27. November 1848 erkannte das Reichsministerium die Noth- wendigkeit, daß die Stellung der Reichsgewalt zu Oesterreich auf einer Grundlage geordnet werde, die den obwaltenden Verhält- nissen entspreche. Der Herr Reichsminister v. Schmerling ging im Reichsministerium mit der Erklärung voraus, daß er als Oesterreicher nicht der geeignete Leiter dieser Frage sey. Das Ministerium beschloß daher übereinstimmend, Sr. kaiserl. Hoh- heit dem Erzherzog Reichsverweser vorzuschlagen, mich in das Ministerium zu berufen. Jn dieser Lage der Sache wurde mir von Herrn v. Schmerling die erste Eröffnung gemacht. Jch erwiederte, daß ich als Leiter für die österreichische Frage zur Zeit nicht in das Ministerium eintreten könne, da ich be- züglich des künftigen Verhältnisses des deutschen Bundesstaates zu Oesterreich, als dieses principiell bei Berathung der Ver- fassung zur Sprache gekommen, mit meiner Ansicht in der Mi- norität geblieben sey. Sollte aber in Folge des erwähnten Pro- grammes des österreichischen Ministeriums, in Folge der Aufnahme, die es bei dem österreichischen Reichstage in Kremsier, und wie es scheint, auch bei der großen Mehrheit der Bevölkerung der deutsch=österreichischen Lande gefunden, die Ansicht der National- versammlung über die Wahrscheinlichkeit der Stellung Oester- reichs zu dem übrigen Deutschland sich ändern, so würde ich es mir zur Ehre rechnen, wenn Se. kaiserliche Hoheit der Erzherzog Reichsverweser mich berufen, und ebenso wie die Mitglieder des Ministeriums meine politische Richtung billigen würden. — mit den Männern im Ministerium zusammenzuwirken, die bisher in Aus- übung ihrer Berufspflichten die höchste Achtung verdient und die vollste Anerkennung sich erworben hätten. Seitdem hat sich die Lage der Sache dadurch geändert, daß zu meinem großen Be- dauern der Herr Reichsminister von Schmerling und der Herr Unterstaatssecretär v. Würth ihre Entlassung aus dem Ministe- rium nehmen zu müssen geglaubt haben. Die übrigen Mitglieder des Ministeriums waren nun der Ansicht, vor der Wiederver- vollständigung des Ministerums eine politische Maßregel von Be- deutung der hohen Versammlung nicht vorschlagen zu sollen. Jch wurde gestern zu Sr. kais. Hoheit dem Erzherzog Reichsverweser beschieden, und hielt es für meine durch die Umstände gebotene Pflicht, dem mir gewordenen Auftrage, das Ministerium zu er- gänzen, mich zu unterziehen. Noch habe ich diesem Auftrage nicht genügen können, und indem ich einer hohen Nationalversammlung von diesem Stande der Dinge vorläufige Mittheilung mache, und damit die schuldige Anzeige verbinde, daß ich das mir auf die Dauer dieses Monates übertragene Amt eines ersten Vorsitzenden dieser hohen Versammlung schon heute niederzulegen mich genöthigt sehe, bitte ich zugleich Namens des Ministeriums zu entschuldigen, wenn mehrere vorliegende Jnterpellationen heute unbeantwortet bleiben, auch der Tag ihrer Beantwortung heute nicht angekündigt werden kann. — Meine Herren! nicht Ehrgeiz spornt mich, eine Mission von so großer Wichtigkeit zu übernehmen. Mein Ehrgeiz, so weit er reicht, fand volle Befriedigung in dieser hohen Versammlung, in der mir durch Jhre wiederholte Wahl die ehrenvollste Stellung ward, die einem Bürger geboten werden kann. Auch von einer Ueber- schätzung meiner schwachen Kräfte fühle ich mich frei. Jch rechne wesentlich auf die Unterstützung Sr. kaiserl. Hoheit des Erzher- zogs Reichsverwesers, auf die Unterstützung dieser hohen Ver- sammlung und auf die Fortdauer des Vertrauens, das mir zu meinem tiefgefühlten Danke entgegengekommen ist und das ich mir zu erhalten bestrebt seyn werde.“ ( Lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses. ) Die Versammlung entscheidet sich für die Vertagung der Verhandlung. Ein dringlicher Antrag, die Reichsversammlung möge die Centralgewalt beauftragen, über die Stellung Oesterreichs zu Deutschland mit der österreichischen Regierung in Unterhandlung zu treten, wird dem Ausschusse für die österreichische Frage zugewiesen. Die Wahl eines ersten Prä- sidenten wird für die nächste Sitzung festgesetzt. Deutschland. Berlin 16. December. ( V. Z. ) Jn der Stadt ist seit vor- gestern vielfach das Gerücht von Unruhen verbreitet, welche in Wien entstanden seyn sollen, bis jetzt fehlt jede Bestätigung dieses Gerüchtes und scheint dasselbe lediglich behufs einer schlechten Börsenspeculation ausgesprengt zu seyn. — Unsere Börsenwelt schien heute noch immer nicht im Stande, sich über die Präsiden- tenwahl in Frankreich ein Urtheil zu bilden. Man staunte trotz des für Louis Bonaparte überraschend günstigen Resultates, die Rente aus Paris merklich besser notirt zu sehen. Dies machte je- doch wenig Eindruck und die Börse blieb in auffallender Passivi- tät mit wenig veränderten Coursen. Fonds und Actien blieben angeboten. Die untergrabene Achtung vor den Gesetzen, die in manchen Provinzen so trauriger Weise eingetreten ist, hat sich nicht nur in Massenhandlungen gezeigt, sondern tritt auch durch leider sich häufende einzelne Verbrechen hervor. Namentlich werden die Raubanfälle häufig. Am 11. December wurde in dem Dorfe Wittgendorf im Landshuter Kreise eine dergleichen in der Be- hausung des Bauer Pestinger verübt. Drei Männer waren in der Nacht eingedrungen und gelangten bis an das Bett des Pestinger, wo dieser nebst seiner Frau schlief. Er erwachte von dem Geräusche, doch einer der Räuber packte ihn sogleich an die Kehle und würgte ihn, bis er den Geist aufgab. Die beiden An- deren packten die Frau und zwangen sie durch Faustschläge auf den Mund und ins Auge, sowie durch Drohung mit einem Mes- ser, das sie ihr auf die Brust setzten, anzugeben, wo das Geld aufbewahrt sey. Die Unglückliche, die ihren Tod vor Augen sah, zeigte ihnen ein Wandschränkchen, in denen sich etwa 70 Thaler befanden, welche die Verbrecher nahmen und damit flüchteten. Die Frau hatte keinen von ihnen gekannt. Noch hat man keine Spur der Thäter. Breslau 13. December. Der deutsche Volksverein beabsich- tigt eine Todtenfeier für R. Blum zu veranstalten. — Der Bür- gerwehr=Congreß von Preußen wird Freitag den 15. December, Morgens 9 Uhr, im Saale zum deutschen Kaiser eröffnet werden. — Jn unserer Stadt wie auf dem Lande kommen gegenwärtig schaudererregend viel Raubanfälle und Diebstähle vor. Köln 14. December. ( W. Z. ) Jhre Leser entsinnen sich, wie tief aufgeregt vor einem Monate die Stimmung der Rheinprovinz war, wie man Adresse auf Adresse an den Landtag sandte, um ihm die innigsten Sympathien der Bevölkerung kund zu thun. Welch ein Wechsel zwischen jetzt und damals! Aus den damals aufgeregtesten Orten aus Coblenz, aus Düsseldorf, aus Köln gehen jetzt Dankadressen an den König. Von hier hat der Gemeinderath ( mit 22 gegen 2 Stimmen ) und der Bürgerverein eine solche Dankadresse beschlossen, zwei Versammlungen, die vor einem Monate Adressen und Deputationen gerade im entgegen- gesetzten Sinne an die Nationalversammlung sandten, und ähn- lich wie hier, geht es auch anderswo! Man braucht nur die zahllosen Adressen in unseren Zeitungen anzusehen, um sich von dem totalen Umschwunge der Ansichten zu überzeugen. △ Aus der bayerischen Pfalz 16. December. Wer erinnert sich nicht, wie Landau's deutsche Bürger unlängst ihren Ver- treter Glaß aus der Reichsversammlung abriefen und an seiner Statt einen Stockrepublikaner wählten? — Nun ja, Glaß war eben kein Republikaner; was konnte er die republikanisch gesinnten Landauer nutzen? sie hatten Recht. Wer erinnert sich aber auch nicht, wie Landau's deutsche Bürger — es ist noch nicht acht Monate her — in voller Begeisterung dem constitutionell=monar- chischen Glaubensbekenntnisse ihres jetzt moralisch gemordeten Vertreters Glaß den entschiedensten Beifall zujubelten? Und wer erinnert sich endlich nicht jener Adresse, die Landau's deutsche Bürger in den vergangenen Märztagen an Münchens Bürger, Studenten und Künstler schickten, in welcher, wie es sich von selbst versteht, die Schlagwörter: „gesinnungstüchtig, charakterfest, Bürgertugend, Duldsamkeit u. d. g.“ keine unbedeutende Stelle einnahmen; in welcher Landau's Bürger den jenseitigen Brüdern über den alten Vater Rhein die deutsche Rechte bieten zum ge- meinsamen Handeln und mit heiliger Begeisterung der constitu- tionellen Monarchie das Wort sprechen. Möge hier eine Stelle aus jener Adresse wörtlich folgen: „Jn entschiedener Gesinnung lasset uns Alle fort zusammenstehen als Brüder, die mit Ernst und Charakterfestigkeit das große Vaterhaus ordnen und schirmen helfen, — die in einer Monarchie eine Staatsform erblicken, welche sich selbst und das Volk achten muß.“ — Das sind die Volksbeglücker, die sich von der Windsbraut jeder falschen Tages- meinung mit fortreißen lassen! Was ist von diesen Leuten zu er- warten; wo ist ihre Consequenz, wo ihre Charakterfestigkeit, wo ihre Gesinnungstüchtigkeit, wo ihre deutsche Bürgertugend? — O armes Deutschland, daß du blind bist und von solchen Leuten dein Glück hoffst! Wahrlich, nicht die künftige deutsche Republik

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 167. Mainz, 18. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal167_1848/3>, abgerufen am 20.05.2024.