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Mainzer Journal. Nr. 175. Mainz, 28. Dezember 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 175. Freitag, den 29. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 24. December. ( A. Z. ) Gerüchte der seltsamsten Art
waren seit gestern hier in Umlauf, man ließ das croatische Ar-
meecorps unter Jellachich zersprengt, ihn selbst gefangen seyn,
die Ungarn sollten sogar schon bis nach Wiener=Neustadt vorge-
drungen seyn und das Ausbleiben der Armeebulletins verschaffte
den Gerüchten Glauben. Jch schreibe Jhnen nur in Eile wenige
Minuten vor Abgang der Post einzig in der Absicht um falsche
Berichte zu widerlegen. So eben ( 4 Uhr ) erscheint beifolgen-
der officieller Bericht, aus welchem die Stellung der kaiser-
lichen Armee ersichtlich ist. Somit wäre auch Raab von sei-
nen Vertheidigern im Stiche gelassen worden. Die Armee
befindet sich auf der Heerstraße nach Pesth, und wir wüßten
nicht, was sie auf ihrem Marsche aufhalten sollte, wenn
sie, was wahrscheinlich ist, es nicht scheute, Komorn bei
Seite und im Rücken zu lassen. Pesther Briefe melden noch im-
mer, daß man unten in vollkommener Sorglosigkeit lebt. Kossuths
Placate sprechen von einer Hungersnoth in Wien, von einer to-
talen Auflösung der kaiserlichen Armee, von der Gefangenschaft
des Kaisers in Olmütz; die Journale erzählen ihren Lesern auch
nur angenehme Dinge und so ist man in Pesth voll Hoffnung von
Tag zu Tag, daß ein Wunder für Ungarn geschehen müsse. So
war es im October in Wien, und wie bei uns jetzt wird es im
Januar in Pesth seyn. Fürst Windischgrätz will Neujahr schon
in Pesth sein Quartier aufschlagen.

Viertes Armeebulletin. Nach den so eben aus dem
Hauptquartiere Ungarisch=Altenburg eingetroffenen Nachrichten
des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz ist das erste und
zweite Armeecorps zwischen Hochstraß und Raab schlagfertig
aufgestellt und die Avantgarde bis über die Rabnitz vorgerückt
ohne auf einen Feind zu stoßen. Vor Leopoldstadt ist die
Division des Feldmarschalllieutenants Simonich, um Preß-
burg jene des Feldmarschalllieutenants Kempen aufgestellt. Von
O[l]denburg ist das Corps des Obersten Horvath gegen Güns vor-
gerückt, um einer feindlichen Colonne unter dem Rebellen Perczel,
die sich gedrängt von der untern Mur über Körmend, Stein=am-
anger und Papa mit den Jnsurgenten bei Raab zu vereinigen
suchte, in die Flanke zu fallen. Während des Verweilens der Ar-
mee in ihrer letzten Stellung ist in jener ganzen Strecke, welche
die Truppen auf beiden Ufern der Donau besetzten, d. h. im
Preßburger, Wieselburger und Oedenburger Comitat, die Ent-
waffnung des Landvolkes bewirkt, die gesetzliche Ordnung herge-
stellt und die Einsetzung der königlichen Regierungscommissäre ge-
schehen. Wien am 24. December 1848. Vom Civil= und Mili-
tärgouverneur Welden, Feldmarschalllieutenant.

sqrt Frankfurt 28. December. Aus der unbedeutenden heu-
tigen Sitzung der Nationalversammlung entnehmen wir blos die
Antwort, welche der Reichskriegsminister v. Peucker auf die
Jnterpellationen von Hönniger aus Rudolstadt und Würth
aus Sigmaringen gegeben hat. "Der Hr. Abgeordnete Hönniger
aus Rudolstadt hat an das Reichskriegsministerium die Frage
gerichtet, bis zu welchem Zeitpunkte die in jeder Beziehung unnö-
thige Besetzung des Fürstenthumes Schwarzburg=Rudolstadt mit
Reichstruppen fortdauern solle. Jch habe die Ehre hierauf sol-
gende Erklärung abzugeben: Es ist bekannt, daß im October d.
J. die Zustände in Thüringen die dortigen Landesregierungen
und darunter auch die fürstl. Schwarzburg=Rudolstädtische veran-
laßt haben, die Unterstützung der Centralgewalt in Anspruch zu
nehmen und daß dem zufolge ein Aufgebot von Reichstruppen
erfolgt ist, an welchem die dortigen Landestruppen selbst Theil
nehmen und deren specielle Verwendung durch einen Reichscom-
missarius geleitet wird. Nach Maßgabe dessen wie vom Reichs-
commissarius die gesetzliche Ordnung wieder befestigt, insonders
aber die Organisation der Bürgerwehren wiederum gekräftigt
erachtet wird, nimmt das Reichsministerium unausgesetzt darauf
Bedacht, eine Verminderung des Truppenaufgebotes eintreten zu
lassen, welches zur Zeit bereits bis unter die Hälfte der anfäng-
lichen Stärke reducirt worden ist. Es bleiben demgemäß, nach den
letzten Dislocationsanordnungen, die gesammten Schwarz-
burg=Rudolstädtischen Lande,
sowohl die obere als die
untere Herrschaft mit überhaupt nur drei Compagnien
besetzt. Weitere Entschließungen müssen vom fernern Verlaufe
der Umstände abhängig bleiben."

"Jn analoger Weise hat Herr Würth aus Sigmaringen dem
[Spaltenumbruch] Ministerium die Frage vorgelegt, wozu die lästige und in neuerer
Zeit auch von der Regierung gemißbilligte Besetzung von Sig-
maringen mit Reichstruppen diene, und daran einen Antrag auf
alsbaldige Zurückberufung der Truppen geknüpft. Auf diese Jn-
terpellation habe ich die Ehre folgende Erklärung abzugeben. Die
anarchischen Zustände im Fürstenthume Hohenzollern=Sigmarin-
gen, in deren Folge der Landsfürst flüchten mußte, nöthigten vor
einigen Monaten zu einer Besetzung des Landes mit Reichstrnppen,
welche indessen nach Maßgabe der Wiederbefestigung der gesetzli-
chen Ordnung nach und nach bis auf zwei Compagnien
verringert worden sind. Eine noch weitere Verringerung der Trup-
pen ist zur Zeit schon um deswillen nicht als zulässig zu erachten,
weil die Landestruppen des Fürstenthumes sich noch in einem Zu-
stande völliger Auflösung befinden, und das Reichskriegsministe-
rium sich genöthigt gesehen hat, zur Reorganisation derselben einen
militärischen Reichscommissär dahin zu senden. ( Zeichen von Hei-
terkeit in der Versammlung. ) Nach den Berichten dieses Commissärs
sind im März d. J. die Mannschaften des fürstlichen Contingents
wegen einer Meuterei beurlaubt worden und noch hat gegen die
Schuldigen gerichtlich nicht eingeschritten werden können. Außer-
dem aber sind schon seit einigen Jahren die militärischen Bundes-
pflichten des Fürstenthumes so weit vernachlässigt worden, daß
selbst die gewöhnlichen Ersatzmannschaften der Jahrgänge 1846
und 1847 nicht eingeübt worden sind. Das Reichskriegsministe-
rium muß daher in Erfüllung seiner Pflicht die gewiß nicht über-
mäßige Besetzung des Fürstenthumes mit zwei Compagnien
noch fortdauern lassen. Dafür, daß die Verpflegung baar ver-
gütet wurde, ist die entsprechende Fürsorge getroffen worden."

Stimme vom Platze: "Jch bin mit diesen Erklärungen durch-
aus nicht zufrieden!" ( Gelächter. ) Sodann bestiegen nachein-
ander Hönniger aus Rudolstadt und Würth von Sigmaringen
die Tribune, um zu erkennen zu geben, daß sie sich ihre Anträge
an das Reichsministerium vorbehalten.

Frankreich.

* * * Paris 26. December. Zur Charakteristik der Roth-
republikaner, Socialisten und aller dieser Helden der Brüderlich-
keit und Liebe dient nichts besser als ein Schreiben, welches dieser
Tage von einem Pariser Arbeiter veröffentlicht worden ist, der
sich der von Cabet gegründeten Communisten=Colonie in Jkarien
( Texas ) angeschlossen hatte und nun, nachdem er die schrecklichsten
Mißhandlungen ausgehalten, enttäuscht nach Frankreich zurück-
gekehrt ist. Sie werden daraus ersehen, wie all' dieses Gesindel
die "Liebe und Brüderlichkeit" versteht und was die demokratisch-
socialistische Republik leisten würde, wenn ein größeres Etablisse-
ment derselben je in Europa zu Stande kommen sollte. Das in
Rede stehende Schreiben lautet wie folgt: "Ehre und Ruhm dem
Pascha Cabet und seinen Janitscharen! Jkarien ist begründet,
Jkarien existirt, es ist ein Eden, ein wahres irdisches Paradies;
o, wenn Jhr Jkarien sehen würdet! so lauten die enthusiastischen
Reden, mit welchen die Schafe, welche darauf hören, verlockt
und dann geschoren werden sollten. "Jhr müßt mir blind ver-
trauen," sagt der Pascha von Jkarien. Auch ich habe wie so
viele Andere bescheiden die Augen zugedrückt und mich weder um
die Hilfsquellen des Landes, noch um den Zustand der Casse be-
kümmert. Keiner der Passagiere kannte die Einnahmen und Aus-
gaben, eben so wenig war uns die Urkunde über den Erwerb
einer Million Acres Land vorgelegt worden, wir reisten ab wie
wahre Hämmel. Kaum waren wir indessen auf der See, so er-
klärte mir der Stellvertreter von Cabet, daß diese angebliche Con-
cession von einer Million Acres Land gar nicht existire. Es war
dieses die erste Täuschung. Bei unserer Ankunft in Neu=Orleans
erfuhr ich, daß die Waarenniederlage zu Shrewport und die Uhren
der Jkarier für 1000 Franes versetzt seyen. Zweite Täuschung.
Da ich krank war, so verlangte ich einen Arzt; der Oberjanitschar
Favard antwortete mir aber, in Neu=Orleans seyen die Aerzte
alle Quacksalber, meine Krankheit sey auch nicht so bedeutend,
daß ich mich deshalb aufhalten sollte, ich solle darum nur nach
Jkarien gehen und mich dort von dem Arzte der Gesellschaft be-
handeln lassen. Später erfuhr ich indessen, daß der Janitschar
Favard sich nie um einen Arzt bekümmert, daß er vielmehr er-
klärt hatte, er habe kein Geld um einen Doctor zu bezahlen.
Dritte Täuschung. Wie wurde ich aber erst überrascht, als ich
nach Shrewport kam und das zur Aufnahme der Frauen be-
stimmte Gebäude sah. Es befindet sich in einem solchen Zustande,
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 175. Freitag, den 29. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 24. December. ( A. Z. ) Gerüchte der seltsamsten Art
waren seit gestern hier in Umlauf, man ließ das croatische Ar-
meecorps unter Jellachich zersprengt, ihn selbst gefangen seyn,
die Ungarn sollten sogar schon bis nach Wiener=Neustadt vorge-
drungen seyn und das Ausbleiben der Armeebulletins verschaffte
den Gerüchten Glauben. Jch schreibe Jhnen nur in Eile wenige
Minuten vor Abgang der Post einzig in der Absicht um falsche
Berichte zu widerlegen. So eben ( 4 Uhr ) erscheint beifolgen-
der officieller Bericht, aus welchem die Stellung der kaiser-
lichen Armee ersichtlich ist. Somit wäre auch Raab von sei-
nen Vertheidigern im Stiche gelassen worden. Die Armee
befindet sich auf der Heerstraße nach Pesth, und wir wüßten
nicht, was sie auf ihrem Marsche aufhalten sollte, wenn
sie, was wahrscheinlich ist, es nicht scheute, Komorn bei
Seite und im Rücken zu lassen. Pesther Briefe melden noch im-
mer, daß man unten in vollkommener Sorglosigkeit lebt. Kossuths
Placate sprechen von einer Hungersnoth in Wien, von einer to-
talen Auflösung der kaiserlichen Armee, von der Gefangenschaft
des Kaisers in Olmütz; die Journale erzählen ihren Lesern auch
nur angenehme Dinge und so ist man in Pesth voll Hoffnung von
Tag zu Tag, daß ein Wunder für Ungarn geschehen müsse. So
war es im October in Wien, und wie bei uns jetzt wird es im
Januar in Pesth seyn. Fürst Windischgrätz will Neujahr schon
in Pesth sein Quartier aufschlagen.

Viertes Armeebulletin. Nach den so eben aus dem
Hauptquartiere Ungarisch=Altenburg eingetroffenen Nachrichten
des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz ist das erste und
zweite Armeecorps zwischen Hochstraß und Raab schlagfertig
aufgestellt und die Avantgarde bis über die Rabnitz vorgerückt
ohne auf einen Feind zu stoßen. Vor Leopoldstadt ist die
Division des Feldmarschalllieutenants Simonich, um Preß-
burg jene des Feldmarschalllieutenants Kempen aufgestellt. Von
O[l]denburg ist das Corps des Obersten Horvath gegen Güns vor-
gerückt, um einer feindlichen Colonne unter dem Rebellen Perczel,
die sich gedrängt von der untern Mur über Körmend, Stein=am-
anger und Papa mit den Jnsurgenten bei Raab zu vereinigen
suchte, in die Flanke zu fallen. Während des Verweilens der Ar-
mee in ihrer letzten Stellung ist in jener ganzen Strecke, welche
die Truppen auf beiden Ufern der Donau besetzten, d. h. im
Preßburger, Wieselburger und Oedenburger Comitat, die Ent-
waffnung des Landvolkes bewirkt, die gesetzliche Ordnung herge-
stellt und die Einsetzung der königlichen Regierungscommissäre ge-
schehen. Wien am 24. December 1848. Vom Civil= und Mili-
tärgouverneur Welden, Feldmarschalllieutenant.

√ Frankfurt 28. December. Aus der unbedeutenden heu-
tigen Sitzung der Nationalversammlung entnehmen wir blos die
Antwort, welche der Reichskriegsminister v. Peucker auf die
Jnterpellationen von Hönniger aus Rudolstadt und Würth
aus Sigmaringen gegeben hat. „Der Hr. Abgeordnete Hönniger
aus Rudolstadt hat an das Reichskriegsministerium die Frage
gerichtet, bis zu welchem Zeitpunkte die in jeder Beziehung unnö-
thige Besetzung des Fürstenthumes Schwarzburg=Rudolstadt mit
Reichstruppen fortdauern solle. Jch habe die Ehre hierauf sol-
gende Erklärung abzugeben: Es ist bekannt, daß im October d.
J. die Zustände in Thüringen die dortigen Landesregierungen
und darunter auch die fürstl. Schwarzburg=Rudolstädtische veran-
laßt haben, die Unterstützung der Centralgewalt in Anspruch zu
nehmen und daß dem zufolge ein Aufgebot von Reichstruppen
erfolgt ist, an welchem die dortigen Landestruppen selbst Theil
nehmen und deren specielle Verwendung durch einen Reichscom-
missarius geleitet wird. Nach Maßgabe dessen wie vom Reichs-
commissarius die gesetzliche Ordnung wieder befestigt, insonders
aber die Organisation der Bürgerwehren wiederum gekräftigt
erachtet wird, nimmt das Reichsministerium unausgesetzt darauf
Bedacht, eine Verminderung des Truppenaufgebotes eintreten zu
lassen, welches zur Zeit bereits bis unter die Hälfte der anfäng-
lichen Stärke reducirt worden ist. Es bleiben demgemäß, nach den
letzten Dislocationsanordnungen, die gesammten Schwarz-
burg=Rudolstädtischen Lande,
sowohl die obere als die
untere Herrschaft mit überhaupt nur drei Compagnien
besetzt. Weitere Entschließungen müssen vom fernern Verlaufe
der Umstände abhängig bleiben.“

„Jn analoger Weise hat Herr Würth aus Sigmaringen dem
[Spaltenumbruch] Ministerium die Frage vorgelegt, wozu die lästige und in neuerer
Zeit auch von der Regierung gemißbilligte Besetzung von Sig-
maringen mit Reichstruppen diene, und daran einen Antrag auf
alsbaldige Zurückberufung der Truppen geknüpft. Auf diese Jn-
terpellation habe ich die Ehre folgende Erklärung abzugeben. Die
anarchischen Zustände im Fürstenthume Hohenzollern=Sigmarin-
gen, in deren Folge der Landsfürst flüchten mußte, nöthigten vor
einigen Monaten zu einer Besetzung des Landes mit Reichstrnppen,
welche indessen nach Maßgabe der Wiederbefestigung der gesetzli-
chen Ordnung nach und nach bis auf zwei Compagnien
verringert worden sind. Eine noch weitere Verringerung der Trup-
pen ist zur Zeit schon um deswillen nicht als zulässig zu erachten,
weil die Landestruppen des Fürstenthumes sich noch in einem Zu-
stande völliger Auflösung befinden, und das Reichskriegsministe-
rium sich genöthigt gesehen hat, zur Reorganisation derselben einen
militärischen Reichscommissär dahin zu senden. ( Zeichen von Hei-
terkeit in der Versammlung. ) Nach den Berichten dieses Commissärs
sind im März d. J. die Mannschaften des fürstlichen Contingents
wegen einer Meuterei beurlaubt worden und noch hat gegen die
Schuldigen gerichtlich nicht eingeschritten werden können. Außer-
dem aber sind schon seit einigen Jahren die militärischen Bundes-
pflichten des Fürstenthumes so weit vernachlässigt worden, daß
selbst die gewöhnlichen Ersatzmannschaften der Jahrgänge 1846
und 1847 nicht eingeübt worden sind. Das Reichskriegsministe-
rium muß daher in Erfüllung seiner Pflicht die gewiß nicht über-
mäßige Besetzung des Fürstenthumes mit zwei Compagnien
noch fortdauern lassen. Dafür, daß die Verpflegung baar ver-
gütet wurde, ist die entsprechende Fürsorge getroffen worden.“

Stimme vom Platze: „Jch bin mit diesen Erklärungen durch-
aus nicht zufrieden!“ ( Gelächter. ) Sodann bestiegen nachein-
ander Hönniger aus Rudolstadt und Würth von Sigmaringen
die Tribune, um zu erkennen zu geben, daß sie sich ihre Anträge
an das Reichsministerium vorbehalten.

Frankreich.

* * * Paris 26. December. Zur Charakteristik der Roth-
republikaner, Socialisten und aller dieser Helden der Brüderlich-
keit und Liebe dient nichts besser als ein Schreiben, welches dieser
Tage von einem Pariser Arbeiter veröffentlicht worden ist, der
sich der von Cabet gegründeten Communisten=Colonie in Jkarien
( Texas ) angeschlossen hatte und nun, nachdem er die schrecklichsten
Mißhandlungen ausgehalten, enttäuscht nach Frankreich zurück-
gekehrt ist. Sie werden daraus ersehen, wie all' dieses Gesindel
die „Liebe und Brüderlichkeit“ versteht und was die demokratisch-
socialistische Republik leisten würde, wenn ein größeres Etablisse-
ment derselben je in Europa zu Stande kommen sollte. Das in
Rede stehende Schreiben lautet wie folgt: „Ehre und Ruhm dem
Pascha Cabet und seinen Janitscharen! Jkarien ist begründet,
Jkarien existirt, es ist ein Eden, ein wahres irdisches Paradies;
o, wenn Jhr Jkarien sehen würdet! so lauten die enthusiastischen
Reden, mit welchen die Schafe, welche darauf hören, verlockt
und dann geschoren werden sollten. „Jhr müßt mir blind ver-
trauen,“ sagt der Pascha von Jkarien. Auch ich habe wie so
viele Andere bescheiden die Augen zugedrückt und mich weder um
die Hilfsquellen des Landes, noch um den Zustand der Casse be-
kümmert. Keiner der Passagiere kannte die Einnahmen und Aus-
gaben, eben so wenig war uns die Urkunde über den Erwerb
einer Million Acres Land vorgelegt worden, wir reisten ab wie
wahre Hämmel. Kaum waren wir indessen auf der See, so er-
klärte mir der Stellvertreter von Cabet, daß diese angebliche Con-
cession von einer Million Acres Land gar nicht existire. Es war
dieses die erste Täuschung. Bei unserer Ankunft in Neu=Orleans
erfuhr ich, daß die Waarenniederlage zu Shrewport und die Uhren
der Jkarier für 1000 Franes versetzt seyen. Zweite Täuschung.
Da ich krank war, so verlangte ich einen Arzt; der Oberjanitschar
Favard antwortete mir aber, in Neu=Orleans seyen die Aerzte
alle Quacksalber, meine Krankheit sey auch nicht so bedeutend,
daß ich mich deshalb aufhalten sollte, ich solle darum nur nach
Jkarien gehen und mich dort von dem Arzte der Gesellschaft be-
handeln lassen. Später erfuhr ich indessen, daß der Janitschar
Favard sich nie um einen Arzt bekümmert, daß er vielmehr er-
klärt hatte, er habe kein Geld um einen Doctor zu bezahlen.
Dritte Täuschung. Wie wurde ich aber erst überrascht, als ich
nach Shrewport kam und das zur Aufnahme der Frauen be-
stimmte Gebäude sah. Es befindet sich in einem solchen Zustande,
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 175. Freitag, den 29. December. 1848. Deutschland. Wien 24. December. ( A. Z. ) Gerüchte der seltsamsten Art waren seit gestern hier in Umlauf, man ließ das croatische Ar- meecorps unter Jellachich zersprengt, ihn selbst gefangen seyn, die Ungarn sollten sogar schon bis nach Wiener=Neustadt vorge- drungen seyn und das Ausbleiben der Armeebulletins verschaffte den Gerüchten Glauben. Jch schreibe Jhnen nur in Eile wenige Minuten vor Abgang der Post einzig in der Absicht um falsche Berichte zu widerlegen. So eben ( 4 Uhr ) erscheint beifolgen- der officieller Bericht, aus welchem die Stellung der kaiser- lichen Armee ersichtlich ist. Somit wäre auch Raab von sei- nen Vertheidigern im Stiche gelassen worden. Die Armee befindet sich auf der Heerstraße nach Pesth, und wir wüßten nicht, was sie auf ihrem Marsche aufhalten sollte, wenn sie, was wahrscheinlich ist, es nicht scheute, Komorn bei Seite und im Rücken zu lassen. Pesther Briefe melden noch im- mer, daß man unten in vollkommener Sorglosigkeit lebt. Kossuths Placate sprechen von einer Hungersnoth in Wien, von einer to- talen Auflösung der kaiserlichen Armee, von der Gefangenschaft des Kaisers in Olmütz; die Journale erzählen ihren Lesern auch nur angenehme Dinge und so ist man in Pesth voll Hoffnung von Tag zu Tag, daß ein Wunder für Ungarn geschehen müsse. So war es im October in Wien, und wie bei uns jetzt wird es im Januar in Pesth seyn. Fürst Windischgrätz will Neujahr schon in Pesth sein Quartier aufschlagen. Viertes Armeebulletin. Nach den so eben aus dem Hauptquartiere Ungarisch=Altenburg eingetroffenen Nachrichten des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz ist das erste und zweite Armeecorps zwischen Hochstraß und Raab schlagfertig aufgestellt und die Avantgarde bis über die Rabnitz vorgerückt ohne auf einen Feind zu stoßen. Vor Leopoldstadt ist die Division des Feldmarschalllieutenants Simonich, um Preß- burg jene des Feldmarschalllieutenants Kempen aufgestellt. Von Oldenburg ist das Corps des Obersten Horvath gegen Güns vor- gerückt, um einer feindlichen Colonne unter dem Rebellen Perczel, die sich gedrängt von der untern Mur über Körmend, Stein=am- anger und Papa mit den Jnsurgenten bei Raab zu vereinigen suchte, in die Flanke zu fallen. Während des Verweilens der Ar- mee in ihrer letzten Stellung ist in jener ganzen Strecke, welche die Truppen auf beiden Ufern der Donau besetzten, d. h. im Preßburger, Wieselburger und Oedenburger Comitat, die Ent- waffnung des Landvolkes bewirkt, die gesetzliche Ordnung herge- stellt und die Einsetzung der königlichen Regierungscommissäre ge- schehen. Wien am 24. December 1848. Vom Civil= und Mili- tärgouverneur Welden, Feldmarschalllieutenant. √ Frankfurt 28. December. Aus der unbedeutenden heu- tigen Sitzung der Nationalversammlung entnehmen wir blos die Antwort, welche der Reichskriegsminister v. Peucker auf die Jnterpellationen von Hönniger aus Rudolstadt und Würth aus Sigmaringen gegeben hat. „Der Hr. Abgeordnete Hönniger aus Rudolstadt hat an das Reichskriegsministerium die Frage gerichtet, bis zu welchem Zeitpunkte die in jeder Beziehung unnö- thige Besetzung des Fürstenthumes Schwarzburg=Rudolstadt mit Reichstruppen fortdauern solle. Jch habe die Ehre hierauf sol- gende Erklärung abzugeben: Es ist bekannt, daß im October d. J. die Zustände in Thüringen die dortigen Landesregierungen und darunter auch die fürstl. Schwarzburg=Rudolstädtische veran- laßt haben, die Unterstützung der Centralgewalt in Anspruch zu nehmen und daß dem zufolge ein Aufgebot von Reichstruppen erfolgt ist, an welchem die dortigen Landestruppen selbst Theil nehmen und deren specielle Verwendung durch einen Reichscom- missarius geleitet wird. Nach Maßgabe dessen wie vom Reichs- commissarius die gesetzliche Ordnung wieder befestigt, insonders aber die Organisation der Bürgerwehren wiederum gekräftigt erachtet wird, nimmt das Reichsministerium unausgesetzt darauf Bedacht, eine Verminderung des Truppenaufgebotes eintreten zu lassen, welches zur Zeit bereits bis unter die Hälfte der anfäng- lichen Stärke reducirt worden ist. Es bleiben demgemäß, nach den letzten Dislocationsanordnungen, die gesammten Schwarz- burg=Rudolstädtischen Lande, sowohl die obere als die untere Herrschaft mit überhaupt nur drei Compagnien besetzt. Weitere Entschließungen müssen vom fernern Verlaufe der Umstände abhängig bleiben.“ „Jn analoger Weise hat Herr Würth aus Sigmaringen dem Ministerium die Frage vorgelegt, wozu die lästige und in neuerer Zeit auch von der Regierung gemißbilligte Besetzung von Sig- maringen mit Reichstruppen diene, und daran einen Antrag auf alsbaldige Zurückberufung der Truppen geknüpft. Auf diese Jn- terpellation habe ich die Ehre folgende Erklärung abzugeben. Die anarchischen Zustände im Fürstenthume Hohenzollern=Sigmarin- gen, in deren Folge der Landsfürst flüchten mußte, nöthigten vor einigen Monaten zu einer Besetzung des Landes mit Reichstrnppen, welche indessen nach Maßgabe der Wiederbefestigung der gesetzli- chen Ordnung nach und nach bis auf zwei Compagnien verringert worden sind. Eine noch weitere Verringerung der Trup- pen ist zur Zeit schon um deswillen nicht als zulässig zu erachten, weil die Landestruppen des Fürstenthumes sich noch in einem Zu- stande völliger Auflösung befinden, und das Reichskriegsministe- rium sich genöthigt gesehen hat, zur Reorganisation derselben einen militärischen Reichscommissär dahin zu senden. ( Zeichen von Hei- terkeit in der Versammlung. ) Nach den Berichten dieses Commissärs sind im März d. J. die Mannschaften des fürstlichen Contingents wegen einer Meuterei beurlaubt worden und noch hat gegen die Schuldigen gerichtlich nicht eingeschritten werden können. Außer- dem aber sind schon seit einigen Jahren die militärischen Bundes- pflichten des Fürstenthumes so weit vernachlässigt worden, daß selbst die gewöhnlichen Ersatzmannschaften der Jahrgänge 1846 und 1847 nicht eingeübt worden sind. Das Reichskriegsministe- rium muß daher in Erfüllung seiner Pflicht die gewiß nicht über- mäßige Besetzung des Fürstenthumes mit zwei Compagnien noch fortdauern lassen. Dafür, daß die Verpflegung baar ver- gütet wurde, ist die entsprechende Fürsorge getroffen worden.“ Stimme vom Platze: „Jch bin mit diesen Erklärungen durch- aus nicht zufrieden!“ ( Gelächter. ) Sodann bestiegen nachein- ander Hönniger aus Rudolstadt und Würth von Sigmaringen die Tribune, um zu erkennen zu geben, daß sie sich ihre Anträge an das Reichsministerium vorbehalten. Frankreich. * * * Paris 26. December. Zur Charakteristik der Roth- republikaner, Socialisten und aller dieser Helden der Brüderlich- keit und Liebe dient nichts besser als ein Schreiben, welches dieser Tage von einem Pariser Arbeiter veröffentlicht worden ist, der sich der von Cabet gegründeten Communisten=Colonie in Jkarien ( Texas ) angeschlossen hatte und nun, nachdem er die schrecklichsten Mißhandlungen ausgehalten, enttäuscht nach Frankreich zurück- gekehrt ist. Sie werden daraus ersehen, wie all' dieses Gesindel die „Liebe und Brüderlichkeit“ versteht und was die demokratisch- socialistische Republik leisten würde, wenn ein größeres Etablisse- ment derselben je in Europa zu Stande kommen sollte. Das in Rede stehende Schreiben lautet wie folgt: „Ehre und Ruhm dem Pascha Cabet und seinen Janitscharen! Jkarien ist begründet, Jkarien existirt, es ist ein Eden, ein wahres irdisches Paradies; o, wenn Jhr Jkarien sehen würdet! so lauten die enthusiastischen Reden, mit welchen die Schafe, welche darauf hören, verlockt und dann geschoren werden sollten. „Jhr müßt mir blind ver- trauen,“ sagt der Pascha von Jkarien. Auch ich habe wie so viele Andere bescheiden die Augen zugedrückt und mich weder um die Hilfsquellen des Landes, noch um den Zustand der Casse be- kümmert. Keiner der Passagiere kannte die Einnahmen und Aus- gaben, eben so wenig war uns die Urkunde über den Erwerb einer Million Acres Land vorgelegt worden, wir reisten ab wie wahre Hämmel. Kaum waren wir indessen auf der See, so er- klärte mir der Stellvertreter von Cabet, daß diese angebliche Con- cession von einer Million Acres Land gar nicht existire. Es war dieses die erste Täuschung. Bei unserer Ankunft in Neu=Orleans erfuhr ich, daß die Waarenniederlage zu Shrewport und die Uhren der Jkarier für 1000 Franes versetzt seyen. Zweite Täuschung. Da ich krank war, so verlangte ich einen Arzt; der Oberjanitschar Favard antwortete mir aber, in Neu=Orleans seyen die Aerzte alle Quacksalber, meine Krankheit sey auch nicht so bedeutend, daß ich mich deshalb aufhalten sollte, ich solle darum nur nach Jkarien gehen und mich dort von dem Arzte der Gesellschaft be- handeln lassen. Später erfuhr ich indessen, daß der Janitschar Favard sich nie um einen Arzt bekümmert, daß er vielmehr er- klärt hatte, er habe kein Geld um einen Doctor zu bezahlen. Dritte Täuschung. Wie wurde ich aber erst überrascht, als ich nach Shrewport kam und das zur Aufnahme der Frauen be- stimmte Gebäude sah. Es befindet sich in einem solchen Zustande,

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 175. Mainz, 28. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal175_1848/5>, abgerufen am 19.05.2024.