Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite

[Beginn Spaltensatz] die protestantische Christenheit um Beisteuer zu einem Neu-
bau anzugehen, der im gothischen Styl ausgeführt werden
soll. Es handelt sich hier nicht, wie man anderwärts ge-
sagt, um einen zweiten Dombau, sondern nur um eine
Kirche, welche nicht nur dem Bedürfniß der Gemeinde
entspräche, sondern auch ein würdiges Denkmal auf dem
historisch merkwürdigen Boden abgäbe.

Da in diesen Blättern unlängst ausführlich von dem
Schillerhause in Oggersheim die Rede war, so will ich hier
doch nicht versäumen zu berichten, daß die Gedenktafel, de-
ren Anfertigung König Ludwig dem dortigen Bürgermeister
wiederholt empfahl, nunmehr an jenem Hause angebracht
ist. Sie ist ganz einfach und trägt die Jnschrift: "Jn
diesem Hause wohnte Friedrich v. Schiller, der Dichtkunst
in erwünschter Verborgenheit lebend, A. D. 1782." Von
unbekannter Hand ist darauf hin schon ein Bildniß des
Dichters gestiftet und in dem Zimmer aufgehängt worden,
das er einst mit seinem getreuen Streicher bewohnte. Jch
habe inzwischen Gelegenheit gehabt, die noch lebende Tochter
des damaligen Viehhofwirths Schuhmann zu sprechen. Sie
hat mir erzählt von dem Bande, das Schiller von einem
Gange nach Frankenthal nicht ihr, sondern ihrer älteren
Schwester mitgebracht hatte, und das so geschmacklos ge-
wesen seyn soll, daß man sich höchlich darüber wunderte,
wie ein so ästhetisch gebildeter Mann, ein so großer Dichter
ein derartiges Geschenk kaufen konnte. Dagegen, daß es
in Schillers Zimmer so ausgesehen habe, wie Rank es
beschreibt, wehrt sich die alte Frau ganz entschieden, da
in ihrem Vaterhause von zerbrochenen Fensterscheiben, die
durch Papierbogen ersetzt werden mußten, und von einem
Haufen Kartoffeln im Zimmer eben so wenig die Rede seyn
könne, als von einem Tische, dem zwei Beine gefehlt ha-
ben sollen.

Wir haben in jüngster Zeit einen andern Dichter
Schiller, der aber den Vornamen Johannes trägt, auf
pfälzischem Boden auftreten sehen. Er ist ein geborener
Regensburger, evangelischer Landpfarrex und in der ganzen
Pfalz als ein geistreich origineller Kauz und als entschie-
dene, kräftige und biedere Natur bekannt, der durch seine
geharnischten Predigten gegen die Revolution den Heckern
und Freischärlern im Lande ein rechter Dorn im Auge war,
den aber der König dafür mit einem Orden belohnte. Auch
als Kalendermann durch seinen "Sickinger Boten" bekannt
und beliebt, ist er mit einer Sammlung Gedichte hervor-
getreten, deren Titel: "Hie Schwert des Herrn und Gideon,"
schon errathen läßt, daß er sich besonders auf geistlichem
[Spaltenumbruch] Gebiete bewegt. Die derb geführten, scharfen Hiebe dieses
Schwertes fliegen rechts und links gegen kirchliche und so-
ciale Gebrechen der Zeit, ohne daß der Schläger eben
fragt, ob sie immer regelrecht geführt sind. Jedenfalls ist
das Buch eine eigenthümliche Erscheinung und als solche
interessant. -- Auch unser Landsmann Oskar v. Redwitz
läßt neuerdings von sich hören. Jch habe seine neue
Tragödie, Thomas Morus, noch nicht zu Gesicht bekom-
men. Nun, man wird in Bälde hören, was die Kritik
für und wider dieselbe zu sagen hat, denn es wird ihr,
wie den übrigen Produkten des Dichters, weder an Lobern
noch an Tadlern fehlen.

Unser geistreicher Culturhistoriker Riehl aus München
hat auch in diesem Herbst wieder einen Ausflug in die
Pfalz gemacht, um seine Studien über diese Provinz zu
vollenden. Er soll dießmal besonders den architektonischen
Denkmalen, die leider nicht mehr in allzugroßer Zahl,
aber doch noch in einzelnen höchst interessanten Eremplaren
vorhanden sind, seine Aufmerksamkeit zugewendet haben.
So haben wir denn auch auf diesem Gebiete neue Auf-
schlüsse aus der Feder dieses bedeutenden Mannes zu er-
warten, und die Pfalz wird nicht länger hinter jenen Ge-
bieten des deutschen Vaterlandes zurück stehen müssen,
deren architektonische Schätze bereits von kundigen Händen
gewürdigt und dem Publikum, das sich für solche interessirt,
zugänglich gemacht worden sind.

Und nun lassen Sie mich damit schließen, daß ich
noch einer freundlichen Erscheinung aus den höchsten Re-
gionen der Gesellschaft gedenke, die das Pfälzerland vor-
übergehend durch ihre Gegenwart erfreute. Jch meine die
Prinzessin von Preußen, die sich den ganzen Monat Okto-
ber zu Dürkheim aufhielt, um die Traubenkur zu gebrau-
chen, und während dieser Zeit Besuche von ihrem Gemahl,
dem Herzoge Bernhard von Sachen = Weimar und andern
hohen Personen empfing. Aehnlich den fürstlichen Be-
wohnern der Villa Ludwigshöhe, hat die hohe Frau
durch ihr freundliches Wesen viele Herzen gewonnen. Vor
allen werden die armen Kinder des Waisenhauses Max-
stift in Dürkheim derselben dankbar gedenken, da sie sie
nicht nur besuchte und beschenkte, sondern alle diese Kin-
der sogar zu sich kommen ließ, um sie zu bewirthen und
ihnen einen rechten Freudentag zu bereiten. Da der Prin-
zessin der Aufenthalt in der schönen Gegend nicht nur
sehr wohl gefiel, sondern auch körperlich sehr wohl be-
kam, so dürfen wir wohl hoffen, sie nicht zum letzten mal
auf pfälzischem Boden gesehen zu haben.

[Ende Spaltensatz]



Verantwortlicher Redakteur: Hauff.
Druck der Buchdruckerei der J. G. Cotta' schen Buchhandlung in Stuttgart.

[Beginn Spaltensatz] die protestantische Christenheit um Beisteuer zu einem Neu-
bau anzugehen, der im gothischen Styl ausgeführt werden
soll. Es handelt sich hier nicht, wie man anderwärts ge-
sagt, um einen zweiten Dombau, sondern nur um eine
Kirche, welche nicht nur dem Bedürfniß der Gemeinde
entspräche, sondern auch ein würdiges Denkmal auf dem
historisch merkwürdigen Boden abgäbe.

Da in diesen Blättern unlängst ausführlich von dem
Schillerhause in Oggersheim die Rede war, so will ich hier
doch nicht versäumen zu berichten, daß die Gedenktafel, de-
ren Anfertigung König Ludwig dem dortigen Bürgermeister
wiederholt empfahl, nunmehr an jenem Hause angebracht
ist. Sie ist ganz einfach und trägt die Jnschrift: „Jn
diesem Hause wohnte Friedrich v. Schiller, der Dichtkunst
in erwünschter Verborgenheit lebend, A. D. 1782.« Von
unbekannter Hand ist darauf hin schon ein Bildniß des
Dichters gestiftet und in dem Zimmer aufgehängt worden,
das er einst mit seinem getreuen Streicher bewohnte. Jch
habe inzwischen Gelegenheit gehabt, die noch lebende Tochter
des damaligen Viehhofwirths Schuhmann zu sprechen. Sie
hat mir erzählt von dem Bande, das Schiller von einem
Gange nach Frankenthal nicht ihr, sondern ihrer älteren
Schwester mitgebracht hatte, und das so geschmacklos ge-
wesen seyn soll, daß man sich höchlich darüber wunderte,
wie ein so ästhetisch gebildeter Mann, ein so großer Dichter
ein derartiges Geschenk kaufen konnte. Dagegen, daß es
in Schillers Zimmer so ausgesehen habe, wie Rank es
beschreibt, wehrt sich die alte Frau ganz entschieden, da
in ihrem Vaterhause von zerbrochenen Fensterscheiben, die
durch Papierbogen ersetzt werden mußten, und von einem
Haufen Kartoffeln im Zimmer eben so wenig die Rede seyn
könne, als von einem Tische, dem zwei Beine gefehlt ha-
ben sollen.

Wir haben in jüngster Zeit einen andern Dichter
Schiller, der aber den Vornamen Johannes trägt, auf
pfälzischem Boden auftreten sehen. Er ist ein geborener
Regensburger, evangelischer Landpfarrex und in der ganzen
Pfalz als ein geistreich origineller Kauz und als entschie-
dene, kräftige und biedere Natur bekannt, der durch seine
geharnischten Predigten gegen die Revolution den Heckern
und Freischärlern im Lande ein rechter Dorn im Auge war,
den aber der König dafür mit einem Orden belohnte. Auch
als Kalendermann durch seinen „Sickinger Boten“ bekannt
und beliebt, ist er mit einer Sammlung Gedichte hervor-
getreten, deren Titel: „Hie Schwert des Herrn und Gideon,“
schon errathen läßt, daß er sich besonders auf geistlichem
[Spaltenumbruch] Gebiete bewegt. Die derb geführten, scharfen Hiebe dieses
Schwertes fliegen rechts und links gegen kirchliche und so-
ciale Gebrechen der Zeit, ohne daß der Schläger eben
fragt, ob sie immer regelrecht geführt sind. Jedenfalls ist
das Buch eine eigenthümliche Erscheinung und als solche
interessant. — Auch unser Landsmann Oskar v. Redwitz
läßt neuerdings von sich hören. Jch habe seine neue
Tragödie, Thomas Morus, noch nicht zu Gesicht bekom-
men. Nun, man wird in Bälde hören, was die Kritik
für und wider dieselbe zu sagen hat, denn es wird ihr,
wie den übrigen Produkten des Dichters, weder an Lobern
noch an Tadlern fehlen.

Unser geistreicher Culturhistoriker Riehl aus München
hat auch in diesem Herbst wieder einen Ausflug in die
Pfalz gemacht, um seine Studien über diese Provinz zu
vollenden. Er soll dießmal besonders den architektonischen
Denkmalen, die leider nicht mehr in allzugroßer Zahl,
aber doch noch in einzelnen höchst interessanten Eremplaren
vorhanden sind, seine Aufmerksamkeit zugewendet haben.
So haben wir denn auch auf diesem Gebiete neue Auf-
schlüsse aus der Feder dieses bedeutenden Mannes zu er-
warten, und die Pfalz wird nicht länger hinter jenen Ge-
bieten des deutschen Vaterlandes zurück stehen müssen,
deren architektonische Schätze bereits von kundigen Händen
gewürdigt und dem Publikum, das sich für solche interessirt,
zugänglich gemacht worden sind.

Und nun lassen Sie mich damit schließen, daß ich
noch einer freundlichen Erscheinung aus den höchsten Re-
gionen der Gesellschaft gedenke, die das Pfälzerland vor-
übergehend durch ihre Gegenwart erfreute. Jch meine die
Prinzessin von Preußen, die sich den ganzen Monat Okto-
ber zu Dürkheim aufhielt, um die Traubenkur zu gebrau-
chen, und während dieser Zeit Besuche von ihrem Gemahl,
dem Herzoge Bernhard von Sachen = Weimar und andern
hohen Personen empfing. Aehnlich den fürstlichen Be-
wohnern der Villa Ludwigshöhe, hat die hohe Frau
durch ihr freundliches Wesen viele Herzen gewonnen. Vor
allen werden die armen Kinder des Waisenhauses Max-
stift in Dürkheim derselben dankbar gedenken, da sie sie
nicht nur besuchte und beschenkte, sondern alle diese Kin-
der sogar zu sich kommen ließ, um sie zu bewirthen und
ihnen einen rechten Freudentag zu bereiten. Da der Prin-
zessin der Aufenthalt in der schönen Gegend nicht nur
sehr wohl gefiel, sondern auch körperlich sehr wohl be-
kam, so dürfen wir wohl hoffen, sie nicht zum letzten mal
auf pfälzischem Boden gesehen zu haben.

[Ende Spaltensatz]



Verantwortlicher Redakteur: Hauff.
Druck der Buchdruckerei der J. G. Cotta' schen Buchhandlung in Stuttgart.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0024" n="1152"/><fw type="pageNum" place="top">1152</fw><cb type="start"/>
die protestantische Christenheit um Beisteuer zu einem Neu-<lb/>
bau anzugehen, der im gothischen Styl ausgeführt werden<lb/>
soll. Es handelt sich hier nicht, wie man anderwärts ge-<lb/>
sagt, um einen zweiten Dombau, sondern nur um eine<lb/>
Kirche, welche nicht nur dem Bedürfniß der Gemeinde<lb/>
entspräche, sondern auch ein würdiges Denkmal auf dem<lb/>
historisch merkwürdigen Boden abgäbe.   </p><lb/>
          <p>Da in diesen Blättern unlängst ausführlich von dem<lb/>
Schillerhause in Oggersheim die Rede war, so will ich hier<lb/>
doch nicht versäumen zu berichten, daß die Gedenktafel, de-<lb/>
ren Anfertigung König Ludwig dem dortigen Bürgermeister<lb/>
wiederholt empfahl, nunmehr an jenem Hause angebracht<lb/>
ist. Sie ist ganz einfach und trägt die Jnschrift: &#x201E;Jn<lb/>
diesem Hause wohnte Friedrich v. Schiller, der Dichtkunst<lb/>
in erwünschter Verborgenheit lebend, <hi rendition="#aq">A. D</hi>. 1782.« Von<lb/>
unbekannter Hand ist darauf hin schon ein Bildniß des<lb/>
Dichters gestiftet und in dem Zimmer aufgehängt worden,<lb/>
das er einst mit seinem getreuen Streicher bewohnte. Jch<lb/>
habe inzwischen Gelegenheit gehabt, die noch lebende Tochter<lb/>
des damaligen Viehhofwirths Schuhmann zu sprechen. Sie<lb/>
hat mir erzählt von dem Bande, das Schiller von einem<lb/>
Gange nach Frankenthal nicht ihr, sondern ihrer älteren<lb/>
Schwester mitgebracht hatte, und das so geschmacklos ge-<lb/>
wesen seyn soll, daß man sich höchlich darüber wunderte,<lb/>
wie ein so ästhetisch gebildeter Mann, ein so großer Dichter<lb/>
ein derartiges Geschenk kaufen konnte. Dagegen, daß es<lb/>
in Schillers Zimmer so ausgesehen habe, wie Rank es<lb/>
beschreibt, wehrt sich die alte Frau ganz entschieden, da<lb/>
in ihrem Vaterhause von zerbrochenen Fensterscheiben, die<lb/>
durch Papierbogen ersetzt werden mußten, und von einem<lb/>
Haufen Kartoffeln im Zimmer eben so wenig die Rede seyn<lb/>
könne, als von einem Tische, dem zwei Beine gefehlt ha-<lb/>
ben sollen. </p><lb/>
          <p>Wir haben in jüngster Zeit einen andern Dichter<lb/><hi rendition="#g">Schiller,</hi> der aber den Vornamen Johannes trägt, auf<lb/>
pfälzischem Boden auftreten sehen. Er ist ein geborener<lb/>
Regensburger, evangelischer Landpfarrex und in der ganzen<lb/>
Pfalz als ein geistreich origineller Kauz und als entschie-<lb/>
dene, kräftige und biedere Natur bekannt, der durch seine<lb/>
geharnischten Predigten gegen die Revolution den Heckern<lb/>
und Freischärlern im Lande ein rechter Dorn im Auge war,<lb/>
den aber der König dafür mit einem Orden belohnte. Auch<lb/>
als Kalendermann durch seinen &#x201E;Sickinger Boten&#x201C; bekannt<lb/>
und beliebt, ist er mit einer Sammlung Gedichte hervor-<lb/>
getreten, deren Titel: &#x201E;Hie Schwert des Herrn und Gideon,&#x201C;<lb/>
schon errathen läßt, daß er sich besonders auf geistlichem<lb/><cb n="2"/>
Gebiete bewegt. Die derb geführten, scharfen Hiebe dieses<lb/>
Schwertes fliegen rechts und links gegen kirchliche und so-<lb/>
ciale Gebrechen der Zeit, ohne daß der Schläger eben<lb/>
fragt, ob sie immer regelrecht geführt sind. Jedenfalls ist<lb/>
das Buch eine eigenthümliche Erscheinung und als solche<lb/>
interessant. &#x2014; Auch unser Landsmann Oskar v. Redwitz<lb/>
läßt neuerdings von sich hören. Jch habe seine neue<lb/>
Tragödie, Thomas Morus, noch nicht zu Gesicht bekom-<lb/>
men. Nun, man wird in Bälde hören, was die Kritik<lb/>
für und wider dieselbe zu sagen hat, denn es wird ihr,<lb/>
wie den übrigen Produkten des Dichters, weder an Lobern<lb/>
noch an Tadlern fehlen.   </p><lb/>
          <p>Unser geistreicher Culturhistoriker Riehl aus München<lb/>
hat auch in diesem Herbst wieder einen Ausflug in die<lb/>
Pfalz gemacht, um seine Studien über diese Provinz zu<lb/>
vollenden. Er soll dießmal besonders den architektonischen<lb/>
Denkmalen, die leider nicht mehr in allzugroßer Zahl,<lb/>
aber doch noch in einzelnen höchst interessanten Eremplaren<lb/>
vorhanden sind, seine Aufmerksamkeit zugewendet haben.<lb/>
So haben wir denn auch auf diesem Gebiete neue Auf-<lb/>
schlüsse aus der Feder dieses bedeutenden Mannes zu er-<lb/>
warten, und die Pfalz wird nicht länger hinter jenen Ge-<lb/>
bieten des deutschen Vaterlandes zurück stehen müssen,<lb/>
deren architektonische Schätze bereits von kundigen Händen<lb/>
gewürdigt und dem Publikum, das sich für solche interessirt,<lb/>
zugänglich gemacht worden sind.   </p><lb/>
          <p>Und nun lassen Sie mich damit schließen, daß ich<lb/>
noch einer freundlichen Erscheinung aus den höchsten Re-<lb/>
gionen der Gesellschaft gedenke, die das Pfälzerland vor-<lb/>
übergehend durch ihre Gegenwart erfreute. Jch meine die<lb/>
Prinzessin von Preußen, die sich den ganzen Monat Okto-<lb/>
ber zu Dürkheim aufhielt, um die Traubenkur zu gebrau-<lb/>
chen, und während dieser Zeit Besuche von ihrem Gemahl,<lb/>
dem Herzoge Bernhard von Sachen = Weimar und andern<lb/>
hohen Personen empfing. Aehnlich den fürstlichen Be-<lb/>
wohnern der Villa Ludwigshöhe, hat die hohe Frau<lb/>
durch ihr freundliches Wesen viele Herzen gewonnen. Vor<lb/>
allen werden die armen Kinder des Waisenhauses Max-<lb/>
stift in Dürkheim derselben dankbar gedenken, da sie sie<lb/>
nicht nur besuchte und beschenkte, sondern alle diese Kin-<lb/>
der sogar zu sich kommen ließ, um sie zu bewirthen und<lb/>
ihnen einen rechten Freudentag zu bereiten. Da der Prin-<lb/>
zessin der Aufenthalt in der schönen Gegend nicht nur<lb/>
sehr wohl gefiel, sondern auch körperlich sehr wohl be-<lb/>
kam, so dürfen wir wohl hoffen, sie nicht zum letzten mal<lb/>
auf pfälzischem Boden gesehen zu haben.   </p>
        </div>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <space dim="vertical"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <space dim="vertical"/>
    </body>
    <back>
      <div type="imprint" n="1">
        <p> <hi rendition="#c">Verantwortlicher Redakteur: <hi rendition="#g">Hauff.</hi><lb/>
Druck der Buchdruckerei der J. G. <hi rendition="#g">Cotta'</hi> schen Buchhandlung in Stuttgart.</hi> </p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[1152/0024] 1152 die protestantische Christenheit um Beisteuer zu einem Neu- bau anzugehen, der im gothischen Styl ausgeführt werden soll. Es handelt sich hier nicht, wie man anderwärts ge- sagt, um einen zweiten Dombau, sondern nur um eine Kirche, welche nicht nur dem Bedürfniß der Gemeinde entspräche, sondern auch ein würdiges Denkmal auf dem historisch merkwürdigen Boden abgäbe. Da in diesen Blättern unlängst ausführlich von dem Schillerhause in Oggersheim die Rede war, so will ich hier doch nicht versäumen zu berichten, daß die Gedenktafel, de- ren Anfertigung König Ludwig dem dortigen Bürgermeister wiederholt empfahl, nunmehr an jenem Hause angebracht ist. Sie ist ganz einfach und trägt die Jnschrift: „Jn diesem Hause wohnte Friedrich v. Schiller, der Dichtkunst in erwünschter Verborgenheit lebend, A. D. 1782.« Von unbekannter Hand ist darauf hin schon ein Bildniß des Dichters gestiftet und in dem Zimmer aufgehängt worden, das er einst mit seinem getreuen Streicher bewohnte. Jch habe inzwischen Gelegenheit gehabt, die noch lebende Tochter des damaligen Viehhofwirths Schuhmann zu sprechen. Sie hat mir erzählt von dem Bande, das Schiller von einem Gange nach Frankenthal nicht ihr, sondern ihrer älteren Schwester mitgebracht hatte, und das so geschmacklos ge- wesen seyn soll, daß man sich höchlich darüber wunderte, wie ein so ästhetisch gebildeter Mann, ein so großer Dichter ein derartiges Geschenk kaufen konnte. Dagegen, daß es in Schillers Zimmer so ausgesehen habe, wie Rank es beschreibt, wehrt sich die alte Frau ganz entschieden, da in ihrem Vaterhause von zerbrochenen Fensterscheiben, die durch Papierbogen ersetzt werden mußten, und von einem Haufen Kartoffeln im Zimmer eben so wenig die Rede seyn könne, als von einem Tische, dem zwei Beine gefehlt ha- ben sollen. Wir haben in jüngster Zeit einen andern Dichter Schiller, der aber den Vornamen Johannes trägt, auf pfälzischem Boden auftreten sehen. Er ist ein geborener Regensburger, evangelischer Landpfarrex und in der ganzen Pfalz als ein geistreich origineller Kauz und als entschie- dene, kräftige und biedere Natur bekannt, der durch seine geharnischten Predigten gegen die Revolution den Heckern und Freischärlern im Lande ein rechter Dorn im Auge war, den aber der König dafür mit einem Orden belohnte. Auch als Kalendermann durch seinen „Sickinger Boten“ bekannt und beliebt, ist er mit einer Sammlung Gedichte hervor- getreten, deren Titel: „Hie Schwert des Herrn und Gideon,“ schon errathen läßt, daß er sich besonders auf geistlichem Gebiete bewegt. Die derb geführten, scharfen Hiebe dieses Schwertes fliegen rechts und links gegen kirchliche und so- ciale Gebrechen der Zeit, ohne daß der Schläger eben fragt, ob sie immer regelrecht geführt sind. Jedenfalls ist das Buch eine eigenthümliche Erscheinung und als solche interessant. — Auch unser Landsmann Oskar v. Redwitz läßt neuerdings von sich hören. Jch habe seine neue Tragödie, Thomas Morus, noch nicht zu Gesicht bekom- men. Nun, man wird in Bälde hören, was die Kritik für und wider dieselbe zu sagen hat, denn es wird ihr, wie den übrigen Produkten des Dichters, weder an Lobern noch an Tadlern fehlen. Unser geistreicher Culturhistoriker Riehl aus München hat auch in diesem Herbst wieder einen Ausflug in die Pfalz gemacht, um seine Studien über diese Provinz zu vollenden. Er soll dießmal besonders den architektonischen Denkmalen, die leider nicht mehr in allzugroßer Zahl, aber doch noch in einzelnen höchst interessanten Eremplaren vorhanden sind, seine Aufmerksamkeit zugewendet haben. So haben wir denn auch auf diesem Gebiete neue Auf- schlüsse aus der Feder dieses bedeutenden Mannes zu er- warten, und die Pfalz wird nicht länger hinter jenen Ge- bieten des deutschen Vaterlandes zurück stehen müssen, deren architektonische Schätze bereits von kundigen Händen gewürdigt und dem Publikum, das sich für solche interessirt, zugänglich gemacht worden sind. Und nun lassen Sie mich damit schließen, daß ich noch einer freundlichen Erscheinung aus den höchsten Re- gionen der Gesellschaft gedenke, die das Pfälzerland vor- übergehend durch ihre Gegenwart erfreute. Jch meine die Prinzessin von Preußen, die sich den ganzen Monat Okto- ber zu Dürkheim aufhielt, um die Traubenkur zu gebrau- chen, und während dieser Zeit Besuche von ihrem Gemahl, dem Herzoge Bernhard von Sachen = Weimar und andern hohen Personen empfing. Aehnlich den fürstlichen Be- wohnern der Villa Ludwigshöhe, hat die hohe Frau durch ihr freundliches Wesen viele Herzen gewonnen. Vor allen werden die armen Kinder des Waisenhauses Max- stift in Dürkheim derselben dankbar gedenken, da sie sie nicht nur besuchte und beschenkte, sondern alle diese Kin- der sogar zu sich kommen ließ, um sie zu bewirthen und ihnen einen rechten Freudentag zu bereiten. Da der Prin- zessin der Aufenthalt in der schönen Gegend nicht nur sehr wohl gefiel, sondern auch körperlich sehr wohl be- kam, so dürfen wir wohl hoffen, sie nicht zum letzten mal auf pfälzischem Boden gesehen zu haben. Verantwortlicher Redakteur: Hauff. Druck der Buchdruckerei der J. G. Cotta' schen Buchhandlung in Stuttgart.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt48_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt48_1856/24
Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856, S. 1152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt48_1856/24>, abgerufen am 28.05.2024.