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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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und überhaupt ist es auffallend, daß die Reizbarkeit der Theile des Halses minder
groß seyn muß, indem es Menschen giebt, welche Kaffe trinken können, der
bis auf 45° R. heiß ist.

Diese Flexibilität gegen die verschiedenen Grade der Wärme, ist aber den
Menschen nicht allein eigen; auch Thiere theilen dieselbe, wenn auch nicht in
demselben Maaße, wie Hunde und Pferde davon ein Beispiel geben. Bei al-
len Racen der Menschen ist sich diese Biegsamkeit aber keinesweges gleich, und
es scheint fast, als wenn sie mit der Kultur zunehmend wäre. Es ist gefähr-
lich für die Eingebohrnen Amerika's sich, an den Bergen aufsteigend, einer
Klimaverschiedenheit auszusetzen, die für einen Weißen ganz unschädlich ist.
Die menschlichen Leyes de los Indios verbieten daher ganz ausdrücklich, die
Indier durch gewisse Thäler zu schicken. Aber freilich sind diese Thäler auch von
einer Tiefe, daß der Pic von Teneriffa darin stehen könnte, ohne sie auszufüllen.
Eine der größten Schwierigkeiten welche sich den Missionen entgegensetzt ist
die unbegreifliche Sterblichkeit welche in den neuen Ansiedelungen einzureißen
pflegt, wenn die Eingebohrnen aus ihren dichten Waldungen hervorgehend, zuerst
den Sonnenstrahlen einer baumlosen Steppe ausgesetzt werden.

Wir gehen nun zur Betrachtung der organischen Theile unseres Erd-
bodens über. Alle Erscheinungen welche die Atmosphäre und der Ocean uns
erkennen ließen, waren gewaltsam und stürmisch, in ihrem Wechsel an-
scheinend keinem Gesetze unterworfen. Im Bereiche der organischen Ent-
wickelung entdecken wir Gesetze und Regeln; die Welt der Pflanzen ins-
besondere enthüllt das stille innere Treiben der Natur, die seit Jahrhun-

derten

und überhaupt ist es auffallend, daß die Reizbarkeit der Theile des Halses minder
groß seyn muß, indem es Menschen giebt, welche Kaffe trinken können, der
bis auf 45° R. heiß ist.

Diese Flexibilität gegen die verschiedenen Grade der Wärme, ist aber den
Menschen nicht allein eigen; auch Thiere theilen dieselbe, wenn auch nicht in
demselben Maaße, wie Hunde und Pferde davon ein Beispiel geben. Bei al-
len Racen der Menschen ist sich diese Biegsamkeit aber keinesweges gleich, und
es scheint fast, als wenn sie mit der Kultur zunehmend wäre. Es ist gefähr-
lich für die Eingebohrnen Amerika’s sich, an den Bergen aufsteigend, einer
Klimaverschiedenheit auszusetzen, die für einen Weißen ganz unschädlich ist.
Die menschlichen Leyes de los Indios verbieten daher ganz ausdrücklich, die
Indier durch gewisse Thäler zu schicken. Aber freilich sind diese Thäler auch von
einer Tiefe, daß der Pic von Teneriffa darin stehen könnte, ohne sie auszufüllen.
Eine der größten Schwierigkeiten welche sich den Missionen entgegensetzt ist
die unbegreifliche Sterblichkeit welche in den neuen Ansiedelungen einzureißen
pflegt, wenn die Eingebohrnen aus ihren dichten Waldungen hervorgehend, zuerst
den Sonnenstrahlen einer baumlosen Steppe ausgesetzt werden.

Wir gehen nun zur Betrachtung der organischen Theile unseres Erd-
bodens über. Alle Erscheinungen welche die Atmosphäre und der Ocean uns
erkennen ließen, waren gewaltsam und stürmisch, in ihrem Wechsel an-
scheinend keinem Gesetze unterworfen. Im Bereiche der organischen Ent-
wickelung entdecken wir Gesetze und Regeln; die Welt der Pflanzen ins-
besondere enthüllt das stille innere Treiben der Natur, die seit Jahrhun-

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[34r/0071] und überhaupt ist es auffallend, daß die Reizbarkeit der Theile des Halses minder groß seyn muß, indem es Menschen giebt, welche Kaffe trinken können, der bis auf 45° R. heiß ist. Diese Flexibilität gegen die verschiedenen Grade der Wärme, ist aber den Menschen nicht allein eigen; auch Thiere theilen dieselbe, wenn auch nicht in demselben Maaße, wie Hunde und Pferde davon ein Beispiel geben. Bei al- len Racen der Menschen ist sich diese Biegsamkeit aber keinesweges gleich, u. es scheint fast, als wenn sie mit der Kultur zunehmend wäre. Es ist gefähr- lich für die Eingebohrnen Amerika’s sich, an den Bergen aufsteigend, einer Klimaverschiedenheit auszusetzen, die für einen Weißen ganz unschädlich ist. Die menschlichen Leyes de los Indios verbieten daher ganz ausdrücklich, die Indier durch gewisse Thäler zu schicken. Aber freilich sind diese Thäler auch von einer Tiefe, daß der Pic von Teneriffa darin stehen könnte, ohne sie auszufüllen. Eine der größten Schwierigkeiten welche sich den Missionen entgegensetzt ist die unbegreifliche Sterblichkeit welche in den neuen Ansiedelungen einzureißen pflegt, wenn die Eingebohrnen aus ihren dichten Waldungen hervorgehend, zuerst den Sonnenstrahlen einer baumlosen Steppe ausgesetzt werden. Wir gehen nun zur Betrachtung der organischen Theile unseres Erd- bodens über. Alle Erscheinungen welche die Atmosphäre und der Ocean uns erkennen ließen, waren gewaltsam und stürmisch, in ihrem Wechsel an- scheinend keinem Gesetze unterworfen. Im Bereiche der organischen Ent- wickelung entdecken wir Gesetze und Regeln; die Welt der Pflanzen ins- besondere enthüllt das stille innere Treiben der Natur, die seit Jahrhun- derten

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 34r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/71>, abgerufen am 27.04.2024.