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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 66. Köln, 5. August 1848.

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[Deutschland]

[Fortsetzung] Beseler fährt fort unter Bravo rechts und Gezisch und Verlachung der Linken und Gallerien. Es folgen Gefühlsrodomontaden. Er kommt auf die Orden zu sprechen: Werden sie den alten Kriegern das eiserne Kreuz von der Brust reißen wollen? (ohne Eindruck!) Man solle solche Kleinigkeiten weglassen, die Grundrechte in gröberen Zügen entwerfen.

Minima non curat praetor! - Das Waffenrecht betreffend, dies sei zu keiner Zeit, unter keiner Regierung sehr beschränkt gewesen. (Bewunderung und Widerspruch). Die Linkeund Hr. v. Stavenhagen bekommen vom Präsidenten Rüffel wegen der in Beselers Rede eingestreuten Pfefferkörner. Bei Beselers Abtritt langes Bravo rechts, längeres Zischen links, und ein ganz langer Pfiff auf den Gallerien.

Benedey betritt empört die Tribüne und bemerkt unter langem Bravorufen, Hr. Beseler habe keinen Bericht erstattet, sondern die Parteien in seiner Jeremiade theils zu verletzen, theils zu reizen, theils zu übertölpeln gesucht.

Jetzt bringt auch Hr. Wiegard einen Protest, gegen die Weigerung der National-Versammlung, einen Berichterstatter des Minoritäts-Gutachtens am Schluß der Debatte hören zu wollen.

Dieser gerechte Protest wird von dem über Hrn. Benedeys und Wiegards Anmaßungen erbosten Präsidenten ad Akta gelegt, mit der Bemerkung: Minoritäts-Gutachten seien nicht mehr zu berücksichtigen wie Amendements einzelner. Hierdurch, d. h. durch diesen Ausspruch und dies Benehmen von Gagern's (des Edlen) und durch die Approbation der Rechten und Centren, der Sklaven des Gottes, wird das gerechte Verlangen Wiegards, und die Möglichkeit der Motivirung des Minoritäts-Gutachtens, auf despotische Weise verweigert! -

Jetzt werden die verschiedenen Amendements verlesen. - Dann folgt die gewöhnliche (diesmal dreiviertelstündige) Abstimmung-und Formdebatte worin dem Präsidenten sein Logik-Mangel demonstrirt wird. Wohl, Briegleb, v. Soiron, Schaffrath, Schwetschke, Plathner nehmen daran Theil. -

Abstimmung (enfin!)

1) Der Satz des Ausschusses: Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz. Angenommen fast einstimmig

2) Zweiter Ausschußsatz: Standesprivilegien finden nicht statt. Angenommen.

Folgt eine weitere Unterbrechung in der Abstimmung, ob nun das Minoritäts-Gutachten oder Mohls Amendement kommen solle.

Cell aus Trier will namentliche Abstimmung über das Minoritäts-Gutachten. (Rechts und Centren:zu spät!)

v. Gagern gewährt die namentliche Abstimmung aus eigener Machtvollkommenheit. Folgt also:

3) Namentliche Abstimmung, über das Minoritäts-Gutachten: "Alle Standesprivilegien, sowie der Adel selbst sind aufgehoben.

Anwesend waren 449 Stimmen.

Verworfen haben 282 Stimmen.

Angenommen 167 Stimmen.

Also der Adel bleibt! (Ich nenne Ihnen einige Stimmen: Für Beibehaltung des Adels haben unter andern gestimmt, Uhland, der deutsche Dichter. Die Bassermanns, die Mathy, Welker, Mittermeier und Konsorten. Der Hr. Schriftsteller Laube (um der Frau v. Rumptsch keinen Tort anzuthun). Der Fürstenfreund Sylvester Jordan. Der berühmte Hr. Leue. Hr. v. Beckerrath, dessen Wiege am Webstuhl seines Vaters gestanden, und der keinen Ahnen kennt! - Jahn, Arndt, v. Binke und Lychnowsky unter heiterem Ausbruch der Freude der Gallerien.

Gegen den Adel: Siskra, v. Jostein, (unter Bravo) v. Trützschler, v. Wydenbrugk (unter lautem Bravo), Stedtmann (mit furchtsamer Stimme), v. Goltz, Rösler (Dels), Franz Raveaur u. s. w.

4) Jacob Grimms Amendement verworfen. Es lautet: Aller rechtliche Unterschied zwischen Adel, Bürger und Bauer hört auf, Erhebung in den Adelstand und Erhöhung von niederem in höheren Adel findet nicht statt.

5) Vogt's Hohn-Amendement: daß jeder der Lust hat sich adeln könne, verworfen. 6. 7. 8. 9. Amendements von Dewes, Grimm, Ahrens und Mölling verworfen.

Die weitere Abstimmung haben unsere Leser in der gestrigen Nummer gefunden.

* Frankfurt, 3. Aug., 6 Uhr Nachm.

So eben kommt der Reichsverweser hier wieder an.

* Frankfurt, 3. Aug.

In der heutigen Sitzung der National-Versammlung wurde der Bericht des Ausschusses über die Wahl Hecker's in Thiengen vorgelegt. Der Ausschuß beantragt, die Wahl für ungültig und unwirksam zu erklären, und die badische Regierung zur Anordnung einer neuen Wahl zu veranlassen. Nach Erstattung dieses Berichts wurde die Berathung über § 7 der Grundrechte eröffnet.

103 Berlin, 2. Aug.

Da die Sekretäre der Vereinbarerversammlung bei Anfertigung der Protokolle sehr oft sich des Wortes "Kammer" bedienten, welches auch in dem gestern verlesenen wiederholt geschah, so stellte der Abgeordnete Schulze von Wanzleben den Antrag, dieses Wort aus den Protokollen fortan zu verbannen und statt dessen nur "Versammlung" zu gebrauchen, und wurde durch Abstimmung angenommen. Der Präsident verkündigte unter großer Heiterkeit das Ergebniß jener Abstimmung dahin: "die Kammer ist also beschlußmäßig aus unserer Versammlung verbannt." Nach dreimonatlichen Verhandlungen ist die Versammlung jetzt demnach so weit gekommen die eine Hälfte ihres Namens festzustellen. Vielleicht erfahren wir nach den nächsten drei Monaten die andere Hälfte.

Es war allgemein aufgefallen, daß der "Staats-Anzeiger" vom 24. Juli in seinem "amtlichen Theile" die Ankunft des Staats-Ministers Camphausen anzeigte. Man ist allgemein der Ansicht, daß in allen konstitutionellen Staaten ein Minister, der seine Entlassung nimmt, nichts anderes bleibt als Bürger, in diesem Falle zugleich Abgeordneter oder Vereinbarer. In Folge dessen hat sich auch der Abgeordnete Petersen veranlaßt gefunden folgenden dringenden Gesetzvorschlag zu beantragen:

"Jeder Minister, welcher sein Amt niederlegt, verliert damit das Recht auf den Titel und Rang eines Ministers und hat aus seinem Amte kein Recht auf anderweite Anstellung im Staatsdienst.

"Nur wenn der ausscheidende Minister vor seinem Eintritt in das Ministerium ein unmittelbares Staatsamt verwaltet hat, findet hiervon insofern eine Ausnahme statt, als der ausscheidende Minister befugt ist, eine Anstellung gleichen Ranges und Gehaltes mit dieser früheren Stellung zu verlangen.

"Der Fall der Pensionirung nach dem Pensions-Reglement fällt nicht unter dieses Gesetz."

Mit Eintritt Preußens in die konstitutionelle-monarchische Staatsform, läßt sich nach den Erscheinungen anderer Länder abnehmen, daß ein Personenwechsel in dem Ministerium viel häufiger als früher eintreten wird, wenigstens möglich ist. Es ist daher erforderlich, daß der Staat gegen die hieraus hervorgehenden Uebelstände in Bezug auf die abtretenden Minister gesichert werde. Die Ausnahme der ferneren Anstellungspflicht für die früheren Beamten rechtfertigt wohl die Billigkeit.

Eine Anzahl politischer und Preß-Prozesse sind wieder zur öffentlichen Verhandlung herangereift. Der Handlungsdiener Müller, welcher beschuldigt ist, die Arbeiter am Plötzensee zur gewaltsamen Befreiung des jüngern Schlöffel aufgefordert zu haben, wird in diesen Tagen vor den Schranken erscheinen. Ueber den Schriftsteller Thiele, (genannt Leid-Brandt) wegen des von ihm verfaßten Flugblattes, "der König und das Volk," sowie über den Verleger und Drucker des Blattes, den Buchhändler Schlesinger und den Druckereibesitzer Schiementz, hat die Anklagekammer des Kriminalgerichts jetzt gleichfalls die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen. Ein Bürger ist der Majestätsbeleidigung durch mündliche Aeußerung angeklagt. Das Verfahren gegen alle diese Personen gründet sich auf die Denunciationen des Generalmajors Plümicke, der sich als Vorsitzender des Preußenvereins das Denunciren zum Berufe gemacht hat, und auf dessen wiederholte Eingaben die Anklage gegen den Drucker und Verleger des obengenannten Flugblattes erhoben werden mußte, da er sich auf einen veralteten Landsrechtsparagraphen bezieht.

Die Vereinbarer machen Riesenfortschritte. Am Anfange dieses Berichtes machen wir die Mittheilung, daß die Vereinbarer schon so weit gekommen sind, die eine Hälfte ihres Namens festzustellen. Soeben kommt uns aber die Mittheilung zu, daß der Abgeordnete Pastor Müller folgenden Antrag gestellt hat, der aber wohl erst in einigen Wochen zur Berathung kommen wird.

Antrag: "Die Namen der hohen Versammlung betreffend, und dahinzielend an die Stelle zweier unpassend gewordenen Namen einen passenden und definitiven für dieselbe zu sanctioniren."

In Erwägung, daß die Krone selbst längst den Wirkungskreis der zunächst zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung berufenen Versammlung über die in diesem Namen bezeichnete Grenze der Wirksamkeit erweitert hat;

In Erwägung, daß es auch das preußische Volk nicht anders weiß und versteht, als daß diese Versammlung, im Verein mit der Krone, eine konstituirende in jeder Hinsicht und im vollen Umfange sei, beschließt die hohe Versammlung, nach zuvor nachgesuchter und erfolgter Zustimmung der Krone, den Namen einer Versammlung zur Vereinbarungder Preußischen Staatsverfassung abzulegen.

In ferner Erwägung, daß es nur eine deutsche Nation gibt und geben kann, die in der Nationalversammlung zu Frankfurt nunmehr ihre volle Vertretung, und in der dort begründeten Centralgewalt auch eine gemeinsame Verwaltung für ihre Gesammtinteressen gefunden hat, und demnach auch der in Gebrauch gekommene Name "Preußische Nationalversammlung" nicht länger passend erscheint, beschließt die hohe Versammlung auch diesen Namen außer Gebrauch zu setzen.

In schließlicher Erwägung, daß die hohe Versammlung nicht ohne Namen bleiben kann, und daß ihr Name der Würde der Krone, wie ihrer eigenen, der Bedeutung Preußens als einer der Großmächte Europas, seiner glorreichen Geschichte, die es längst zum Reiche machte, entsprechen, zugleich aber auch ihre Wirksamkeit erschöpfend bezeichnen muß, beschließt die hohe Versammlung, nach zuvor nachgesuchter und erfolgter Zustimmung der Krone, "sich die erste Preußische konstituirende Reichstagsversammlung" zu nennen.

15 Berlin, 2. Aug.

Er ist da! - oder vielmehr er war da. - Wer war da? Der Prinz. Welcher Prinz? Der Prinz von Preußen. Er hätte schon früher kommen sollen, aber er konnte nicht kommen. Heute endlich langte er, von einem kleinen Häuflein treuer, mit ellenlangen schwarz-weißen Kokarden bewaffneter Preußen und Konstabler mit Hurrah empfangen, mit seiner Frau und seinem Sohne hier an. Die Rührung und Freude, die den erlauchten Gästen allseitig entgegenkam, war eine mehr innerliche, da sie sich äußerlich fast gar nicht kund gab. Leider war es uns auch diesmal nicht vergönnt, uns der hohen Herrschaften länger als einige Stunden zu erfreuen, da Se. k. Hoh. bereits um 11 Uhr sich nach dem Stettiner Bahnhof begab, um zu den ihm sehnsüchtig entgegenharrenden Pommern zu reisen. Möge der Prinz in Stettin mit ebenso viel Segenswünschen empfangen werden, als man ihm hier nachschickt!

Berlin, 2. August.

Die Offiziere, deren Verurtheilung durch das Kriegsgericht bereits gemeldet ist, befinden sich jetzt schon auf den ihnen zuerkannten Festungen, nämlich Hauptmann Ratzmer in Colberg, Lieutenant Techow in Magdeburg und der Lieutenant Arnould in Stettin.

- Die große Mehrzahl der Bürgerwehr-Kompagnien hat sich jetzt dahin erklärt, die neue oder Königswache dem Militär zur Besetzung überlassen zu wollen.

(B. Z.)
119 Berlin, 2. August.

Eine Anzahl Studenten war nach einem Etablissement hinter Charlottenburg hinausgefahren, um dort ein kleines Gelage zu feiern. Als sie spät Abends, die Wagen mit schwarz-roth-goldenen Fahnen geschmückt, durch Charlottenburg zurückfuhren, wo bekanntlich einige Bataillone des zweiten Garderegiments in Garnison liegen, da stürzte plötzlich ein Grenadier auf den ersten Wagen los, riß die aufgesteckte deutsche Fahne herunter und lief mit seinem Raube davon. Die Studenten sprangen sofort vom Wagen, eilten dem Soldaten nach und nahmen ihm die Fahne wieder ab. In demselben Augenblicke aber brachen aus allen Ecken und Häusern Soldaten hervor, vollständig bewaffnet, fielen mit dem Ausruf: "das sind die verfluchten Barrikadenbauer! Schlagt sie todt!" über die Studenten her, stachen mit den Bajonetten und hieben mit den Kolben auf sie los. Die anwesenden Offiziere wollten die Gemeinen von dem Exzesse abhalten, fanden jedoch keinen Gehorsam. Es entspann sich ein hitziger Kampf, in dem die Studenten mit ihren Stöcken, Pfeifen und den Waffen, die sie den Soldaten abnahmen, sich wacker vertheidigten, bis die Charlottenburger Bürgerwehr herannahte, Studenten und Soldaten vom Platze trieb und den Kampfplatz behauptete. In Folge dieses Attentats wurde heute eine zahlreich besuchte Studentenversammlung abgehalten, in der man beschloß, den Verlauf der ganzen Angelegenheit an das Ministerium zu berichten und auf strenge Bestrafung der Schuldigen zu dringen. Außerdem beschloß man, um sich sofort eine vorläufige Genugthuung zu verschaffen, einen großen Zug nach Charlottenburg für heute Abend mit einer großen deutschen Fahne.

In derselben Studentenversammlung ward noch eine sehr interessante Notiz mitgetheilt. Der Rektor Müller (der große Johannes Müller!) nämlich hätte einige Studenten zu sich kommen lassen, und ihnen angezeigt, daß am 3. August, am Geburtstage des verstorbenen Königs, eine patriotische Feier stattfinden, d. h. die schwarz-weiße Fahne auf dem Balkon der Universität aufgezogen werden solle. Es würde, meinte er, sehr übel von obenher aufgenommen werden, wenn dies nicht geschähe. Die Studenten erklärten, dieser Akt würde großen Widerspruch in der Studentenschaft hervorrufen. Und so ist auch heute in der Versammlung beschlossen worden, wenn die schwarz-weiße Fahne am 3. wirklich aufgezogen wird, so soll ein Plakat die Berliner Bevölkerung davon in Kenntniß setzen, daß es nicht mit der Zustimmung der Studentenschaft geschehen sei.

Berlin, 2. August.

Ritter Bunsen ist hier angekommen und Camphausen nach Köln abgereist.

- Heute hat sich ein zweiter Cholerafall in der Stadt ereignet. Der Kranke zeigte ganz die gewöhnlichen Cholerasymptome. Wie wir erfahren, soll derselbe, um im Publikum keine Scheu vor der Charite hervorzubringen, nach dem Krankenhause gebracht werden.

(B.Z.H.)

- * Unser Korrespondenzbericht über die gestrige Sitzung der Vereinbarungsversammlung kommt uns zufällig erst heute zu. Da wir bei Empfang der stenographischen Berichte ohnehin darauf zurückkommen, lassen wir diese verspätete Mittheilung ganz weg.

Stettin, 31. Juli.

Die hier herrschende Stimmung ist nicht geeignet den Prinzen von Preußen, abgesehen von dessen Unwohlsein, zu veranlassen, seinen Plan hierherzukommen, bald zu verwirklichen. Wie man hört, haben auf die Veranlassung der erwarteten Ankunft des Prinzen, unter der Bürgerwehr, die aufgefordert wurde, sich in Parade aufzustellen, starke Differenzen sich kund gegeben, und hat ein ansehnlicher Theil erklärt, nicht daran, wie überhaupt nicht an Paraden theilnehmen zu wollen. Unsere Stadtverordneten, die gestern zur Berathung über die Empfangsfeierlichkeiten zusammenberufen waren, erschienen so spärlich, daß die Versammlung nicht beschlußfähig war.

(B. Z.)
X Aus Franken, 29. Juli.

Immer herrlicher, immer duftender brechen die "edlen Blüthen" des Partikularismus und der Reaktion in unserm Polizeistaate hervor. Die Demokraten verschwinden mehr und mehr, haben's auch sehr nöthig: denn man hat endlich die Entdeckung gemacht, daß nur diese verdammten Wühler Schuld daran sind, daß so wenig Kinderspielwaaren u. s. w. verkauft wurden in den letzten wir Monaten. Um so zahlloser wird das Herr der Gensd'armen mit und ohne Livree. Der Presse ist das Amt des Hetzers und Denucianten zugetheilt. "Wie lange soll es noch dauern?" ruft der Korrespondent von und für Deutschland jeden andern Tag in einem Denunciantenartikel, bis nämlich die Demokraten sammt und sonders gefangen und gehängt werden. Er jammert unaufhörlich über die "unbegreifliche Gleichgültigkeit" der Behörden gegen die Umtriebe der Wühler. Ein anderes würdiges Exemplar der fränkischen Tagspresse, der Nürnberger Kurier, verbirgt seine Ausfälle gegen die Demokraten unter Strömmen eines kanngießernder Liberalismus: [Fortsetzung]

[Fortsetzung] O Land, Land, Land! höre des Herrn Wort.

(Jerem. 22, 29.)

1) " Niemand kann zweien Herren dienen. Entweder er wird einen hassen und den andern lieben, oder wird einem anhangen und den andern verachten." Matth. 6, 24. Wer das liest, der merke jetzt darauf!

2) "Wer das Schwert nimmt (Gewalt sich anmaßt gegen die Obrigkeit), der soll durchs Schwert umkommen" (Todesstrafe erleiden durch die Obrigkeit. Röm. 13, 2. 4.) Matth. 26, 52. Wer das liest, der merke jetzt darauf! denn so spricht der, dem "alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden" (Matth. 28, 18.) und der kein Gesetz, auch nicht das vom Gewissen bezeugte und ins Herz geschriebene Vernunftgesetz (Röm. 2, 15.) je auflöst (Matth. 5, 17.), der Richter der Lebendigen und der Todten.

Dr. W. Bötticher.

Herrliche unverstümmelte Anzeige! Ist dieser Dr. Bötticher nicht bibelfest? Wie viele protestantisch-pietistische Kränzchen und Conventikelchen hat der Herr Doktor nicht durchmachen müssen, ehe es ihm gelang, so gewandt mit Bibel-Citaten um sich zu werfen! Dieser hamsterfromme Doktor ist nicht weniger gegen die Schwarz-Roth-Goldenen erbos't, als der tapfere Schlesinger. "Niemand kann zweien Herrn dienen" sagt der Herr Doktor uns: "wer sich Gewalt anmaßt, der soll durch's Schwert umkommen". Entweder müßt ihr zu dem Schwarz-Weißen oder zu dem Schwarz-Roth-Goldenen treten. Der blasse, theeberauschte Doktor ist unerbittlich. "Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!" O ihr Schwarz-Weißen, hört des Herrn Wort, des Dr. Bötticher!

Wenn der Dr. Bötticher vor lauter Bibelsprüchen eigentlich gar nicht zu Worte kommt, so drückt sich der vormalige Gymnasiallehrer A. Drahn um so verständlicher und kürzer aus.

"Warum aus einem Lande einen Fürsten wählen, wo bis jetzt der Stock regierte?" Stockfisch von einem Gymnasiallehrer, hast du nicht selbst dein halbes Leben lang den Stock geführt und deine Jungen geprügelt? Die Vossische ist unerschöpflich. Auch in Versen führt sie die Schwarz-Weiße Begeisterung Berlins mit sich. Da singt ein Mensch, Namens Julius Spatz:

"Es schallt dem Landesvater,
Ein dreifach donnernd Hoch!
Es ist der beste Rather,
Doch ach, ein Volk es log.
Sein Herz bleibt groß und edel
Er manches gleich vergißt,
Sonst müßte mancher Schädel
Längst hängen am Gericht."

Es graußt uns. Selig der, welcher vergessen kann! Mit Herr v. H. in einer andern Annonce rufen wir aus: "Vergessen wir die Vergangenheit, schwarz wie die tief ergreifende Sonnenfinsterniß." Kann man sich etwas schöneres denken? - "schwarz wie die tief ergreifende Sonnenfinsterniß!" Man sieht, daß die Schwarz-Weißen köstliche Kerle zu ihren Vertheidigern haben. Tief ergreift uns ihre schwarze Verstandesfinsterniß.

Ein außerordentliches Schriftstück ist indeß auch noch "der letzte Wunsch eines 94jährigen preußischen Veteranen":

Gnädiger Gott, gewähre die letzte der Bitten,

Einem zitternden Greis, der treu im Dienste des Staates

Gekämpft, geblutet für seine geliebten Monarchen! -

Laß ihn noch sehen vor seinem nahen Ende,

Seinen König und Herrn gebietend, doch auch geliebet

Von seinem Volk, und herrschend im preußischen Lande! -

Nicht unterthänig sei Er dem fremden Fürstengeschlechte,

Nicht unterthänig Sein Volk, das kühn errang sich die Freiheit. -

Laßt ihn noch sehen, wie frei der preußische Adler

Hebet sein Haupt, dreist zu der Sonne empor,

Ohne die Fänge des Doppeladlers zu fürchten,

Noch sie zu suchen zum Schutz, weder von Ost noch von Süd. -

Potsdam, im Juli 1848.

z. P.

Die Poesie dieses alten Maulwurfs hat etwas rührendes. Einem 94jährigen Veteranen ist es nicht übel zu nehmen, daß er Schwarz-Weiß bleiben will sein Leben lang, und daß er die Schwarz-Roth-Goldne Kouleure haßt, die Farbe, die er einst an Pfeifenquästen sah, und an revolutionären Pfeifenköpfen.

Mit geschwungener Krücke steht dieser 94jährige Veteran vor der Thür seiner Hütte, brummend und polternd, um sich die junge, lasterhafte Welt vom Leibe zu halten, die mit ihren Gelusten so frech vorüberstürmt, und auch gern den alten Mann mit hinein in ihren Strudel reißen mögte. Was bei dem sommersprossigen Wehrreiter der reine Schnaps-Enthusiasmus, was bei den Landwehrmännern des Conitzer Kreises die bloße Komißbrodbegeisterung, was bei Herrn von Bülow und Herr Brm die göttliche berlinische Affektation, was bei dem Dr. W. Böttiger der blasse, protestantische Thee-Pietismus und was bei den Dichtern Schatz und v. H. die tiefergreifende schwarz-weiße Verstandesverfinsterung zuwege brachte, das kommt in dem zornigen Gebet des 94jährigen Veteranen endlich als etwas Natürliches, wirklich Empfundenes zum Vorschein und der Spott geht uns aus, die Waffe des Humors versagt uns den Dienst, wir eilen dem würdigen Veteranen entgegen, wir drücken ihm die Hand und wir bitten ihn, sich ruhig in sein ehrliches Grab zu legen, wo Niemand seinen Schlummer stören wird,

bis zu der Stund,
Wo die Posaune tönet
Und wo des Himmels goldner Grund
Vom Schritt der Helden dröhnet.

So haben wir denn die Vossische Zeitung mit ihren Annoncen und Kriegserklärungen so aufmerksam wie möglich durchstudirt.

Wir sehnten uns nach Berlin - aber auf einmal vergeht uns wieder alle Luft.

Am Ufer des schönsten aller Ströme stehen wir; die Sonne lacht herab auf unsere Hügel, unsere Thäler. Wir schwingen unsre Römer und die kleinen lustigen Gassenbuben singen durch die Straßen der alten, der heiligen Stadt Köln:

"Freiheit und Republik,
Wären wir erst die Preußen quick. "
[Spaltenumbruch]
[Deutschland]

[Fortsetzung] Beseler fährt fort unter Bravo rechts und Gezisch und Verlachung der Linken und Gallerien. Es folgen Gefühlsrodomontaden. Er kommt auf die Orden zu sprechen: Werden sie den alten Kriegern das eiserne Kreuz von der Brust reißen wollen? (ohne Eindruck!) Man solle solche Kleinigkeiten weglassen, die Grundrechte in gröberen Zügen entwerfen.

Minima non curat praetor! ‒ Das Waffenrecht betreffend, dies sei zu keiner Zeit, unter keiner Regierung sehr beschränkt gewesen. (Bewunderung und Widerspruch). Die Linkeund Hr. v. Stavenhagen bekommen vom Präsidenten Rüffel wegen der in Beselers Rede eingestreuten Pfefferkörner. Bei Beselers Abtritt langes Bravo rechts, längeres Zischen links, und ein ganz langer Pfiff auf den Gallerien.

Benedey betritt empört die Tribüne und bemerkt unter langem Bravorufen, Hr. Beseler habe keinen Bericht erstattet, sondern die Parteien in seiner Jeremiade theils zu verletzen, theils zu reizen, theils zu übertölpeln gesucht.

Jetzt bringt auch Hr. Wiegard einen Protest, gegen die Weigerung der National-Versammlung, einen Berichterstatter des Minoritäts-Gutachtens am Schluß der Debatte hören zu wollen.

Dieser gerechte Protest wird von dem über Hrn. Benedeys und Wiegards Anmaßungen erbosten Präsidenten ad Akta gelegt, mit der Bemerkung: Minoritäts-Gutachten seien nicht mehr zu berücksichtigen wie Amendements einzelner. Hierdurch, d. h. durch diesen Ausspruch und dies Benehmen von Gagern's (des Edlen) und durch die Approbation der Rechten und Centren, der Sklaven des Gottes, wird das gerechte Verlangen Wiegards, und die Möglichkeit der Motivirung des Minoritäts-Gutachtens, auf despotische Weise verweigert! ‒

Jetzt werden die verschiedenen Amendements verlesen. ‒ Dann folgt die gewöhnliche (diesmal dreiviertelstündige) Abstimmung-und Formdebatte worin dem Präsidenten sein Logik-Mangel demonstrirt wird. Wohl, Briegleb, v. Soiron, Schaffrath, Schwetschke, Plathner nehmen daran Theil. ‒

Abstimmung (enfin!)

1) Der Satz des Ausschusses: Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz. Angenommen fast einstimmig

2) Zweiter Ausschußsatz: Standesprivilegien finden nicht statt. Angenommen.

Folgt eine weitere Unterbrechung in der Abstimmung, ob nun das Minoritäts-Gutachten oder Mohls Amendement kommen solle.

Cell aus Trier will namentliche Abstimmung über das Minoritäts-Gutachten. (Rechts und Centren:zu spät!)

v. Gagern gewährt die namentliche Abstimmung aus eigener Machtvollkommenheit. Folgt also:

3) Namentliche Abstimmung, über das Minoritäts-Gutachten: „Alle Standesprivilegien, sowie der Adel selbst sind aufgehoben.

Anwesend waren 449 Stimmen.

Verworfen haben 282 Stimmen.

Angenommen 167 Stimmen.

Also der Adel bleibt! (Ich nenne Ihnen einige Stimmen: Für Beibehaltung des Adels haben unter andern gestimmt, Uhland, der deutsche Dichter. Die Bassermanns, die Mathy, Welker, Mittermeier und Konsorten. Der Hr. Schriftsteller Laube (um der Frau v. Rumptsch keinen Tort anzuthun). Der Fürstenfreund Sylvester Jordan. Der berühmte Hr. Leue. Hr. v. Beckerrath, dessen Wiege am Webstuhl seines Vaters gestanden, und der keinen Ahnen kennt! ‒ Jahn, Arndt, v. Binke und Lychnowsky unter heiterem Ausbruch der Freude der Gallerien.

Gegen den Adel: Siskra, v. Jostein, (unter Bravo) v. Trützschler, v. Wydenbrugk (unter lautem Bravo), Stedtmann (mit furchtsamer Stimme), v. Goltz, Rösler (Dels), Franz Raveaur u. s. w.

4) Jacob Grimms Amendement verworfen. Es lautet: Aller rechtliche Unterschied zwischen Adel, Bürger und Bauer hört auf, Erhebung in den Adelstand und Erhöhung von niederem in höheren Adel findet nicht statt.

5) Vogt's Hohn-Amendement: daß jeder der Lust hat sich adeln könne, verworfen. 6. 7. 8. 9. Amendements von Dewes, Grimm, Ahrens und Mölling verworfen.

Die weitere Abstimmung haben unsere Leser in der gestrigen Nummer gefunden.

* Frankfurt, 3. Aug., 6 Uhr Nachm.

So eben kommt der Reichsverweser hier wieder an.

* Frankfurt, 3. Aug.

In der heutigen Sitzung der National-Versammlung wurde der Bericht des Ausschusses über die Wahl Hecker's in Thiengen vorgelegt. Der Ausschuß beantragt, die Wahl für ungültig und unwirksam zu erklären, und die badische Regierung zur Anordnung einer neuen Wahl zu veranlassen. Nach Erstattung dieses Berichts wurde die Berathung über § 7 der Grundrechte eröffnet.

103 Berlin, 2. Aug.

Da die Sekretäre der Vereinbarerversammlung bei Anfertigung der Protokolle sehr oft sich des Wortes „Kammer“ bedienten, welches auch in dem gestern verlesenen wiederholt geschah, so stellte der Abgeordnete Schulze von Wanzleben den Antrag, dieses Wort aus den Protokollen fortan zu verbannen und statt dessen nur „Versammlung“ zu gebrauchen, und wurde durch Abstimmung angenommen. Der Präsident verkündigte unter großer Heiterkeit das Ergebniß jener Abstimmung dahin: „die Kammer ist also beschlußmäßig aus unserer Versammlung verbannt.“ Nach dreimonatlichen Verhandlungen ist die Versammlung jetzt demnach so weit gekommen die eine Hälfte ihres Namens festzustellen. Vielleicht erfahren wir nach den nächsten drei Monaten die andere Hälfte.

Es war allgemein aufgefallen, daß der „Staats-Anzeiger“ vom 24. Juli in seinem „amtlichen Theile“ die Ankunft des Staats-Ministers Camphausen anzeigte. Man ist allgemein der Ansicht, daß in allen konstitutionellen Staaten ein Minister, der seine Entlassung nimmt, nichts anderes bleibt als Bürger, in diesem Falle zugleich Abgeordneter oder Vereinbarer. In Folge dessen hat sich auch der Abgeordnete Petersen veranlaßt gefunden folgenden dringenden Gesetzvorschlag zu beantragen:

„Jeder Minister, welcher sein Amt niederlegt, verliert damit das Recht auf den Titel und Rang eines Ministers und hat aus seinem Amte kein Recht auf anderweite Anstellung im Staatsdienst.

„Nur wenn der ausscheidende Minister vor seinem Eintritt in das Ministerium ein unmittelbares Staatsamt verwaltet hat, findet hiervon insofern eine Ausnahme statt, als der ausscheidende Minister befugt ist, eine Anstellung gleichen Ranges und Gehaltes mit dieser früheren Stellung zu verlangen.

„Der Fall der Pensionirung nach dem Pensions-Reglement fällt nicht unter dieses Gesetz.“

Mit Eintritt Preußens in die konstitutionelle-monarchische Staatsform, läßt sich nach den Erscheinungen anderer Länder abnehmen, daß ein Personenwechsel in dem Ministerium viel häufiger als früher eintreten wird, wenigstens möglich ist. Es ist daher erforderlich, daß der Staat gegen die hieraus hervorgehenden Uebelstände in Bezug auf die abtretenden Minister gesichert werde. Die Ausnahme der ferneren Anstellungspflicht für die früheren Beamten rechtfertigt wohl die Billigkeit.

Eine Anzahl politischer und Preß-Prozesse sind wieder zur öffentlichen Verhandlung herangereift. Der Handlungsdiener Müller, welcher beschuldigt ist, die Arbeiter am Plötzensee zur gewaltsamen Befreiung des jüngern Schlöffel aufgefordert zu haben, wird in diesen Tagen vor den Schranken erscheinen. Ueber den Schriftsteller Thiele, (genannt Leid-Brandt) wegen des von ihm verfaßten Flugblattes, „der König und das Volk,“ sowie über den Verleger und Drucker des Blattes, den Buchhändler Schlesinger und den Druckereibesitzer Schiementz, hat die Anklagekammer des Kriminalgerichts jetzt gleichfalls die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen. Ein Bürger ist der Majestätsbeleidigung durch mündliche Aeußerung angeklagt. Das Verfahren gegen alle diese Personen gründet sich auf die Denunciationen des Generalmajors Plümicke, der sich als Vorsitzender des Preußenvereins das Denunciren zum Berufe gemacht hat, und auf dessen wiederholte Eingaben die Anklage gegen den Drucker und Verleger des obengenannten Flugblattes erhoben werden mußte, da er sich auf einen veralteten Landsrechtsparagraphen bezieht.

Die Vereinbarer machen Riesenfortschritte. Am Anfange dieses Berichtes machen wir die Mittheilung, daß die Vereinbarer schon so weit gekommen sind, die eine Hälfte ihres Namens festzustellen. Soeben kommt uns aber die Mittheilung zu, daß der Abgeordnete Pastor Müller folgenden Antrag gestellt hat, der aber wohl erst in einigen Wochen zur Berathung kommen wird.

Antrag: „Die Namen der hohen Versammlung betreffend, und dahinzielend an die Stelle zweier unpassend gewordenen Namen einen passenden und definitiven für dieselbe zu sanctioniren.“

In Erwägung, daß die Krone selbst längst den Wirkungskreis der zunächst zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung berufenen Versammlung über die in diesem Namen bezeichnete Grenze der Wirksamkeit erweitert hat;

In Erwägung, daß es auch das preußische Volk nicht anders weiß und versteht, als daß diese Versammlung, im Verein mit der Krone, eine konstituirende in jeder Hinsicht und im vollen Umfange sei, beschließt die hohe Versammlung, nach zuvor nachgesuchter und erfolgter Zustimmung der Krone, den Namen einer Versammlung zur Vereinbarungder Preußischen Staatsverfassung abzulegen.

In ferner Erwägung, daß es nur eine deutsche Nation gibt und geben kann, die in der Nationalversammlung zu Frankfurt nunmehr ihre volle Vertretung, und in der dort begründeten Centralgewalt auch eine gemeinsame Verwaltung für ihre Gesammtinteressen gefunden hat, und demnach auch der in Gebrauch gekommene Name „Preußische Nationalversammlung“ nicht länger passend erscheint, beschließt die hohe Versammlung auch diesen Namen außer Gebrauch zu setzen.

In schließlicher Erwägung, daß die hohe Versammlung nicht ohne Namen bleiben kann, und daß ihr Name der Würde der Krone, wie ihrer eigenen, der Bedeutung Preußens als einer der Großmächte Europas, seiner glorreichen Geschichte, die es längst zum Reiche machte, entsprechen, zugleich aber auch ihre Wirksamkeit erschöpfend bezeichnen muß, beschließt die hohe Versammlung, nach zuvor nachgesuchter und erfolgter Zustimmung der Krone, „sich die erste Preußische konstituirende Reichstagsversammlung“ zu nennen.

15 Berlin, 2. Aug.

Er ist da! ‒ oder vielmehr er war da. ‒ Wer war da? Der Prinz. Welcher Prinz? Der Prinz von Preußen. Er hätte schon früher kommen sollen, aber er konnte nicht kommen. Heute endlich langte er, von einem kleinen Häuflein treuer, mit ellenlangen schwarz-weißen Kokarden bewaffneter Preußen und Konstabler mit Hurrah empfangen, mit seiner Frau und seinem Sohne hier an. Die Rührung und Freude, die den erlauchten Gästen allseitig entgegenkam, war eine mehr innerliche, da sie sich äußerlich fast gar nicht kund gab. Leider war es uns auch diesmal nicht vergönnt, uns der hohen Herrschaften länger als einige Stunden zu erfreuen, da Se. k. Hoh. bereits um 11 Uhr sich nach dem Stettiner Bahnhof begab, um zu den ihm sehnsüchtig entgegenharrenden Pommern zu reisen. Möge der Prinz in Stettin mit ebenso viel Segenswünschen empfangen werden, als man ihm hier nachschickt!

Berlin, 2. August.

Die Offiziere, deren Verurtheilung durch das Kriegsgericht bereits gemeldet ist, befinden sich jetzt schon auf den ihnen zuerkannten Festungen, nämlich Hauptmann Ratzmer in Colberg, Lieutenant Techow in Magdeburg und der Lieutenant Arnould in Stettin.

‒ Die große Mehrzahl der Bürgerwehr-Kompagnien hat sich jetzt dahin erklärt, die neue oder Königswache dem Militär zur Besetzung überlassen zu wollen.

(B. Z.)
119 Berlin, 2. August.

Eine Anzahl Studenten war nach einem Etablissement hinter Charlottenburg hinausgefahren, um dort ein kleines Gelage zu feiern. Als sie spät Abends, die Wagen mit schwarz-roth-goldenen Fahnen geschmückt, durch Charlottenburg zurückfuhren, wo bekanntlich einige Bataillone des zweiten Garderegiments in Garnison liegen, da stürzte plötzlich ein Grenadier auf den ersten Wagen los, riß die aufgesteckte deutsche Fahne herunter und lief mit seinem Raube davon. Die Studenten sprangen sofort vom Wagen, eilten dem Soldaten nach und nahmen ihm die Fahne wieder ab. In demselben Augenblicke aber brachen aus allen Ecken und Häusern Soldaten hervor, vollständig bewaffnet, fielen mit dem Ausruf: „das sind die verfluchten Barrikadenbauer! Schlagt sie todt!“ über die Studenten her, stachen mit den Bajonetten und hieben mit den Kolben auf sie los. Die anwesenden Offiziere wollten die Gemeinen von dem Exzesse abhalten, fanden jedoch keinen Gehorsam. Es entspann sich ein hitziger Kampf, in dem die Studenten mit ihren Stöcken, Pfeifen und den Waffen, die sie den Soldaten abnahmen, sich wacker vertheidigten, bis die Charlottenburger Bürgerwehr herannahte, Studenten und Soldaten vom Platze trieb und den Kampfplatz behauptete. In Folge dieses Attentats wurde heute eine zahlreich besuchte Studentenversammlung abgehalten, in der man beschloß, den Verlauf der ganzen Angelegenheit an das Ministerium zu berichten und auf strenge Bestrafung der Schuldigen zu dringen. Außerdem beschloß man, um sich sofort eine vorläufige Genugthuung zu verschaffen, einen großen Zug nach Charlottenburg für heute Abend mit einer großen deutschen Fahne.

In derselben Studentenversammlung ward noch eine sehr interessante Notiz mitgetheilt. Der Rektor Müller (der große Johannes Müller!) nämlich hätte einige Studenten zu sich kommen lassen, und ihnen angezeigt, daß am 3. August, am Geburtstage des verstorbenen Königs, eine patriotische Feier stattfinden, d. h. die schwarz-weiße Fahne auf dem Balkon der Universität aufgezogen werden solle. Es würde, meinte er, sehr übel von obenher aufgenommen werden, wenn dies nicht geschähe. Die Studenten erklärten, dieser Akt würde großen Widerspruch in der Studentenschaft hervorrufen. Und so ist auch heute in der Versammlung beschlossen worden, wenn die schwarz-weiße Fahne am 3. wirklich aufgezogen wird, so soll ein Plakat die Berliner Bevölkerung davon in Kenntniß setzen, daß es nicht mit der Zustimmung der Studentenschaft geschehen sei.

Berlin, 2. August.

Ritter Bunsen ist hier angekommen und Camphausen nach Köln abgereist.

‒ Heute hat sich ein zweiter Cholerafall in der Stadt ereignet. Der Kranke zeigte ganz die gewöhnlichen Cholerasymptome. Wie wir erfahren, soll derselbe, um im Publikum keine Scheu vor der Charité hervorzubringen, nach dem Krankenhause gebracht werden.

(B.Z.H.)

* Unser Korrespondenzbericht über die gestrige Sitzung der Vereinbarungsversammlung kommt uns zufällig erst heute zu. Da wir bei Empfang der stenographischen Berichte ohnehin darauf zurückkommen, lassen wir diese verspätete Mittheilung ganz weg.

Stettin, 31. Juli.

Die hier herrschende Stimmung ist nicht geeignet den Prinzen von Preußen, abgesehen von dessen Unwohlsein, zu veranlassen, seinen Plan hierherzukommen, bald zu verwirklichen. Wie man hört, haben auf die Veranlassung der erwarteten Ankunft des Prinzen, unter der Bürgerwehr, die aufgefordert wurde, sich in Parade aufzustellen, starke Differenzen sich kund gegeben, und hat ein ansehnlicher Theil erklärt, nicht daran, wie überhaupt nicht an Paraden theilnehmen zu wollen. Unsere Stadtverordneten, die gestern zur Berathung über die Empfangsfeierlichkeiten zusammenberufen waren, erschienen so spärlich, daß die Versammlung nicht beschlußfähig war.

(B. Z.)
X Aus Franken, 29. Juli.

Immer herrlicher, immer duftender brechen die „edlen Blüthen“ des Partikularismus und der Reaktion in unserm Polizeistaate hervor. Die Demokraten verschwinden mehr und mehr, haben's auch sehr nöthig: denn man hat endlich die Entdeckung gemacht, daß nur diese verdammten Wühler Schuld daran sind, daß so wenig Kinderspielwaaren u. s. w. verkauft wurden in den letzten wir Monaten. Um so zahlloser wird das Herr der Gensd'armen mit und ohne Livree. Der Presse ist das Amt des Hetzers und Denucianten zugetheilt. „Wie lange soll es noch dauern?“ ruft der Korrespondent von und für Deutschland jeden andern Tag in einem Denunciantenartikel, bis nämlich die Demokraten sammt und sonders gefangen und gehängt werden. Er jammert unaufhörlich über die „unbegreifliche Gleichgültigkeit“ der Behörden gegen die Umtriebe der Wühler. Ein anderes würdiges Exemplar der fränkischen Tagspresse, der Nürnberger Kurier, verbirgt seine Ausfälle gegen die Demokraten unter Strömmen eines kanngießernder Liberalismus: [Fortsetzung]

[Fortsetzung] O Land, Land, Land! höre des Herrn Wort.

(Jerem. 22, 29.)

1) „ Niemand kann zweien Herren dienen. Entweder er wird einen hassen und den andern lieben, oder wird einem anhangen und den andern verachten.“ Matth. 6, 24. Wer das liest, der merke jetzt darauf!

2) „Wer das Schwert nimmt (Gewalt sich anmaßt gegen die Obrigkeit), der soll durchs Schwert umkommen“ (Todesstrafe erleiden durch die Obrigkeit. Röm. 13, 2. 4.) Matth. 26, 52. Wer das liest, der merke jetzt darauf! denn so spricht der, dem „alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden“ (Matth. 28, 18.) und der kein Gesetz, auch nicht das vom Gewissen bezeugte und ins Herz geschriebene Vernunftgesetz (Röm. 2, 15.) je auflöst (Matth. 5, 17.), der Richter der Lebendigen und der Todten.

Dr. W. Bötticher.

Herrliche unverstümmelte Anzeige! Ist dieser Dr. Bötticher nicht bibelfest? Wie viele protestantisch-pietistische Kränzchen und Conventikelchen hat der Herr Doktor nicht durchmachen müssen, ehe es ihm gelang, so gewandt mit Bibel-Citaten um sich zu werfen! Dieser hamsterfromme Doktor ist nicht weniger gegen die Schwarz-Roth-Goldenen erbos't, als der tapfere Schlesinger. „Niemand kann zweien Herrn dienen“ sagt der Herr Doktor uns: „wer sich Gewalt anmaßt, der soll durch's Schwert umkommen“. Entweder müßt ihr zu dem Schwarz-Weißen oder zu dem Schwarz-Roth-Goldenen treten. Der blasse, theeberauschte Doktor ist unerbittlich. „Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!“ O ihr Schwarz-Weißen, hört des Herrn Wort, des Dr. Bötticher!

Wenn der Dr. Bötticher vor lauter Bibelsprüchen eigentlich gar nicht zu Worte kommt, so drückt sich der vormalige Gymnasiallehrer A. Drahn um so verständlicher und kürzer aus.

„Warum aus einem Lande einen Fürsten wählen, wo bis jetzt der Stock regierte?“ Stockfisch von einem Gymnasiallehrer, hast du nicht selbst dein halbes Leben lang den Stock geführt und deine Jungen geprügelt? Die Vossische ist unerschöpflich. Auch in Versen führt sie die Schwarz-Weiße Begeisterung Berlins mit sich. Da singt ein Mensch, Namens Julius Spatz:

„Es schallt dem Landesvater,
Ein dreifach donnernd Hoch!
Es ist der beste Rather,
Doch ach, ein Volk es log.
Sein Herz bleibt groß und edel
Er manches gleich vergißt,
Sonst müßte mancher Schädel
Längst hängen am Gericht.“

Es graußt uns. Selig der, welcher vergessen kann! Mit Herr v. H. in einer andern Annonce rufen wir aus: „Vergessen wir die Vergangenheit, schwarz wie die tief ergreifende Sonnenfinsterniß.“ Kann man sich etwas schöneres denken? ‒ „schwarz wie die tief ergreifende Sonnenfinsterniß!“ Man sieht, daß die Schwarz-Weißen köstliche Kerle zu ihren Vertheidigern haben. Tief ergreift uns ihre schwarze Verstandesfinsterniß.

Ein außerordentliches Schriftstück ist indeß auch noch „der letzte Wunsch eines 94jährigen preußischen Veteranen“:

Gnädiger Gott, gewähre die letzte der Bitten,

Einem zitternden Greis, der treu im Dienste des Staates

Gekämpft, geblutet für seine geliebten Monarchen! ‒

Laß ihn noch sehen vor seinem nahen Ende,

Seinen König und Herrn gebietend, doch auch geliebet

Von seinem Volk, und herrschend im preußischen Lande! ‒

Nicht unterthänig sei Er dem fremden Fürstengeschlechte,

Nicht unterthänig Sein Volk, das kühn errang sich die Freiheit. ‒

Laßt ihn noch sehen, wie frei der preußische Adler

Hebet sein Haupt, dreist zu der Sonne empor,

Ohne die Fänge des Doppeladlers zu fürchten,

Noch sie zu suchen zum Schutz, weder von Ost noch von Süd. ‒

Potsdam, im Juli 1848.

z. P.

Die Poesie dieses alten Maulwurfs hat etwas rührendes. Einem 94jährigen Veteranen ist es nicht übel zu nehmen, daß er Schwarz-Weiß bleiben will sein Leben lang, und daß er die Schwarz-Roth-Goldne Kouleure haßt, die Farbe, die er einst an Pfeifenquästen sah, und an revolutionären Pfeifenköpfen.

Mit geschwungener Krücke steht dieser 94jährige Veteran vor der Thür seiner Hütte, brummend und polternd, um sich die junge, lasterhafte Welt vom Leibe zu halten, die mit ihren Gelusten so frech vorüberstürmt, und auch gern den alten Mann mit hinein in ihren Strudel reißen mögte. Was bei dem sommersprossigen Wehrreiter der reine Schnaps-Enthusiasmus, was bei den Landwehrmännern des Conitzer Kreises die bloße Komißbrodbegeisterung, was bei Herrn von Bülow und Herr Brm die göttliche berlinische Affektation, was bei dem Dr. W. Böttiger der blasse, protestantische Thee-Pietismus und was bei den Dichtern Schatz und v. H. die tiefergreifende schwarz-weiße Verstandesverfinsterung zuwege brachte, das kommt in dem zornigen Gebet des 94jährigen Veteranen endlich als etwas Natürliches, wirklich Empfundenes zum Vorschein und der Spott geht uns aus, die Waffe des Humors versagt uns den Dienst, wir eilen dem würdigen Veteranen entgegen, wir drücken ihm die Hand und wir bitten ihn, sich ruhig in sein ehrliches Grab zu legen, wo Niemand seinen Schlummer stören wird,

bis zu der Stund,
Wo die Posaune tönet
Und wo des Himmels goldner Grund
Vom Schritt der Helden dröhnet.

So haben wir denn die Vossische Zeitung mit ihren Annoncen und Kriegserklärungen so aufmerksam wie möglich durchstudirt.

Wir sehnten uns nach Berlin ‒ aber auf einmal vergeht uns wieder alle Luft.

Am Ufer des schönsten aller Ströme stehen wir; die Sonne lacht herab auf unsere Hügel, unsere Thäler. Wir schwingen unsre Römer und die kleinen lustigen Gassenbuben singen durch die Straßen der alten, der heiligen Stadt Köln:

„Freiheit und Republik,
Wären wir erst die Preußen quick. “
<TEI>
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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Beseler fährt fort unter Bravo rechts und Gezisch       und Verlachung der Linken und Gallerien. Es folgen Gefühlsrodomontaden. Er kommt auf die Orden       zu sprechen: Werden sie den alten Kriegern das eiserne Kreuz von der Brust reißen wollen?       (ohne Eindruck!) Man solle solche Kleinigkeiten weglassen, die Grundrechte in gröberen Zügen       entwerfen.</p>
          <p>Minima non curat praetor! &#x2012; Das Waffenrecht betreffend, dies sei zu keiner Zeit, unter       keiner Regierung sehr beschränkt gewesen. (Bewunderung und Widerspruch). Die <hi rendition="#g">Linke</hi>und Hr. v. Stavenhagen bekommen vom Präsidenten Rüffel wegen der in       Beselers Rede eingestreuten Pfefferkörner. Bei Beselers Abtritt langes Bravo rechts, längeres       Zischen links, und ein ganz langer Pfiff auf den Gallerien.</p>
          <p><hi rendition="#g">Benedey</hi> betritt empört die Tribüne und bemerkt unter langem       Bravorufen, Hr. Beseler habe keinen Bericht erstattet, sondern die Parteien in seiner       Jeremiade theils zu verletzen, theils zu reizen, theils zu übertölpeln gesucht.</p>
          <p>Jetzt bringt auch Hr. Wiegard einen Protest, gegen die Weigerung der National-Versammlung,       einen Berichterstatter des Minoritäts-Gutachtens am Schluß der Debatte hören zu wollen.</p>
          <p>Dieser gerechte Protest wird von dem über Hrn. Benedeys und Wiegards Anmaßungen erbosten       Präsidenten ad Akta gelegt, mit der Bemerkung: <hi rendition="#g">Minoritäts-Gutachten seien        nicht mehr zu berücksichtigen wie Amendements</hi> einzelner. Hierdurch, d. h. durch diesen       Ausspruch und dies Benehmen von Gagern's (des Edlen) und durch die Approbation der Rechten und       Centren, der Sklaven des Gottes, wird das gerechte Verlangen Wiegards, und die Möglichkeit der       Motivirung des Minoritäts-Gutachtens, auf despotische Weise verweigert! &#x2012;</p>
          <p>Jetzt werden die verschiedenen Amendements verlesen. &#x2012; Dann folgt die gewöhnliche (diesmal       dreiviertelstündige) Abstimmung-und Formdebatte worin dem Präsidenten sein Logik-Mangel       demonstrirt wird. Wohl, Briegleb, v. Soiron, Schaffrath, Schwetschke, Plathner nehmen daran       Theil. &#x2012;</p>
          <p><hi rendition="#g">Abstimmung</hi> (enfin!)</p>
          <p>1) Der Satz <hi rendition="#g">des Ausschusses: Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz.        Angenommen</hi> fast einstimmig</p>
          <p>2) Zweiter <hi rendition="#g">Ausschußsatz: Standesprivilegien</hi> finden nicht statt. <hi rendition="#g">Angenommen.</hi> </p>
          <p>Folgt eine weitere Unterbrechung in der Abstimmung, ob nun das Minoritäts-Gutachten oder       Mohls Amendement kommen solle.</p>
          <p><hi rendition="#g">Cell</hi> aus Trier will namentliche Abstimmung über das       Minoritäts-Gutachten. (Rechts <hi rendition="#g">und Centren</hi>:zu spät!)</p>
          <p><hi rendition="#g">v. Gagern</hi> gewährt die namentliche Abstimmung aus eigener       Machtvollkommenheit. Folgt also:</p>
          <p>3) Namentliche Abstimmung, über das <hi rendition="#g">Minoritäts-Gutachten:</hi> &#x201E;Alle       Standesprivilegien, sowie der <hi rendition="#g">Adel selbst</hi> sind aufgehoben.</p>
          <p>Anwesend waren 449 Stimmen.</p>
          <p>Verworfen haben 282 Stimmen.</p>
          <p>Angenommen 167 Stimmen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Also der Adel bleibt!</hi> (Ich nenne Ihnen einige Stimmen: Für       Beibehaltung des Adels haben unter andern gestimmt, <hi rendition="#g">Uhland,</hi> der       deutsche Dichter. Die Bassermanns, die Mathy, Welker, Mittermeier und Konsorten. Der Hr.       Schriftsteller Laube (um der Frau v. Rumptsch keinen Tort anzuthun). Der Fürstenfreund       Sylvester <hi rendition="#g">Jordan.</hi> Der berühmte Hr. Leue. Hr. <hi rendition="#b">v.        Beckerrath,</hi> <hi rendition="#g">dessen Wiege am Webstuhl seines Vaters gestanden,</hi> und       der keinen Ahnen kennt! &#x2012; Jahn, Arndt, v. Binke und Lychnowsky unter heiterem Ausbruch der       Freude der Gallerien.</p>
          <p><hi rendition="#g">Gegen den Adel:</hi> Siskra, v. Jostein, (unter Bravo) v. Trützschler, v.       Wydenbrugk (unter lautem Bravo), Stedtmann (mit furchtsamer Stimme), v. Goltz, Rösler (Dels),       Franz Raveaur u. s. w.</p>
          <p>4) Jacob Grimms Amendement <hi rendition="#g">verworfen.</hi> Es lautet: Aller rechtliche       Unterschied zwischen Adel, Bürger und Bauer hört auf, Erhebung in den Adelstand und Erhöhung       von niederem in höheren Adel findet nicht statt.</p>
          <p>5) Vogt's Hohn-Amendement: daß jeder der Lust hat sich adeln könne, verworfen. 6. 7. 8. 9.       Amendements von Dewes, Grimm, Ahrens und Mölling verworfen.</p>
          <p>Die weitere Abstimmung haben unsere Leser in der gestrigen Nummer gefunden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar066_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 3. Aug., 6 Uhr Nachm. </head>
          <p>So eben kommt der Reichsverweser hier wieder an.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar066_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 3. Aug.</head>
          <p>In der heutigen Sitzung der National-Versammlung wurde der Bericht des Ausschusses über die       Wahl <hi rendition="#g">Hecker's</hi> in Thiengen vorgelegt. Der Ausschuß beantragt, die Wahl       für ungültig und unwirksam zu erklären, und die badische Regierung zur Anordnung einer neuen       Wahl zu veranlassen. Nach Erstattung dieses Berichts wurde die Berathung über § 7 der       Grundrechte eröffnet.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar066_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 2. Aug.</head>
          <p>Da die Sekretäre der Vereinbarerversammlung bei Anfertigung der Protokolle sehr oft sich des       Wortes &#x201E;Kammer&#x201C; bedienten, welches auch in dem gestern verlesenen wiederholt geschah, so       stellte der Abgeordnete <hi rendition="#g">Schulze</hi> von Wanzleben den Antrag, dieses Wort       aus den Protokollen fortan zu verbannen und statt dessen nur &#x201E;<hi rendition="#g">Versammlung</hi>&#x201C; zu gebrauchen, und wurde durch Abstimmung angenommen. Der Präsident       verkündigte unter großer Heiterkeit das Ergebniß jener Abstimmung dahin: &#x201E;die <hi rendition="#g">Kammer</hi> ist also beschlußmäßig aus unserer <hi rendition="#g">Versammlung</hi> verbannt.&#x201C; Nach dreimonatlichen Verhandlungen ist die Versammlung jetzt       demnach so weit gekommen die eine Hälfte ihres Namens festzustellen. Vielleicht erfahren wir       nach den nächsten drei Monaten die andere Hälfte.</p>
          <p>Es war allgemein aufgefallen, daß der &#x201E;Staats-Anzeiger&#x201C; vom 24. Juli in seinem &#x201E;amtlichen       Theile&#x201C; die Ankunft des <hi rendition="#g">Staats-Ministers</hi> Camphausen anzeigte. Man ist       allgemein der Ansicht, daß in allen konstitutionellen Staaten ein Minister, der seine       Entlassung nimmt, nichts anderes bleibt als Bürger, in diesem Falle zugleich Abgeordneter oder       Vereinbarer. In Folge dessen hat sich auch der Abgeordnete <hi rendition="#g">Petersen</hi> veranlaßt gefunden folgenden dringenden Gesetzvorschlag zu beantragen:</p>
          <p>&#x201E;Jeder Minister, welcher sein Amt niederlegt, verliert damit das Recht auf den Titel und       Rang eines Ministers und hat aus seinem Amte kein Recht auf anderweite Anstellung im       Staatsdienst.</p>
          <p>&#x201E;Nur wenn der ausscheidende Minister vor seinem Eintritt in das Ministerium ein       unmittelbares Staatsamt verwaltet hat, findet hiervon insofern eine Ausnahme statt, als der       ausscheidende Minister befugt ist, eine Anstellung gleichen Ranges und Gehaltes mit dieser       früheren Stellung zu verlangen.</p>
          <p>&#x201E;Der Fall der Pensionirung nach dem Pensions-Reglement fällt nicht unter dieses Gesetz.&#x201C;</p>
          <p>Mit Eintritt Preußens in die konstitutionelle-monarchische Staatsform, läßt sich nach den       Erscheinungen anderer Länder abnehmen, daß ein Personenwechsel in dem Ministerium viel       häufiger als früher eintreten wird, wenigstens möglich ist. Es ist daher erforderlich, daß der       Staat gegen die hieraus hervorgehenden Uebelstände in Bezug auf die abtretenden Minister       gesichert werde. Die Ausnahme der ferneren Anstellungspflicht für die früheren Beamten       rechtfertigt wohl die Billigkeit.</p>
          <p>Eine Anzahl politischer und Preß-Prozesse sind wieder zur öffentlichen Verhandlung       herangereift. Der Handlungsdiener <hi rendition="#g">Müller,</hi> welcher beschuldigt ist, die       Arbeiter am Plötzensee zur gewaltsamen Befreiung des jüngern <hi rendition="#g">Schlöffel</hi> aufgefordert zu haben, wird in diesen Tagen vor den Schranken erscheinen. Ueber den       Schriftsteller <hi rendition="#g">Thiele,</hi> (genannt Leid-Brandt) wegen des von ihm       verfaßten Flugblattes, &#x201E;der König und das Volk,&#x201C; sowie über den Verleger und Drucker des       Blattes, den Buchhändler <hi rendition="#g">Schlesinger</hi> und den Druckereibesitzer <hi rendition="#g">Schiementz,</hi> hat die Anklagekammer des Kriminalgerichts jetzt gleichfalls       die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen. Ein Bürger ist der Majestätsbeleidigung       durch mündliche Aeußerung angeklagt. Das Verfahren gegen alle diese Personen gründet sich auf       die Denunciationen des Generalmajors <hi rendition="#g">Plümicke,</hi> der sich als       Vorsitzender des Preußenvereins das Denunciren zum Berufe gemacht hat, und auf dessen       wiederholte Eingaben die Anklage gegen den Drucker und Verleger des obengenannten Flugblattes       erhoben werden mußte, da er sich auf einen veralteten Landsrechtsparagraphen bezieht.</p>
          <p>Die Vereinbarer machen Riesenfortschritte. Am Anfange dieses Berichtes machen wir die       Mittheilung, daß die Vereinbarer schon so weit gekommen sind, die eine Hälfte ihres Namens       festzustellen. Soeben kommt uns aber die Mittheilung zu, daß der Abgeordnete Pastor <hi rendition="#g">Müller</hi> folgenden Antrag gestellt hat, der aber wohl erst in einigen       Wochen zur Berathung kommen wird.</p>
          <p>Antrag: <hi rendition="#g">&#x201E;Die Namen der hohen Versammlung betreffend, und dahinzielend an        die Stelle zweier unpassend gewordenen Namen einen passenden und definitiven für dieselbe zu        sanctioniren.&#x201C;</hi> </p>
          <p>In Erwägung, daß die Krone selbst längst den Wirkungskreis der zunächst zur Vereinbarung der       preußischen Staatsverfassung berufenen Versammlung über die in diesem Namen bezeichnete Grenze       der Wirksamkeit erweitert hat;</p>
          <p>In Erwägung, daß es auch das preußische Volk nicht anders weiß und versteht, als daß diese       Versammlung, im Verein mit der Krone, eine konstituirende in jeder Hinsicht und im vollen       Umfange sei, beschließt die hohe Versammlung, <hi rendition="#g">nach zuvor nachgesuchter und        erfolgter Zustimmung der Krone, den Namen einer Versammlung zur Vereinbarung</hi>der       Preußischen Staatsverfassung abzulegen.</p>
          <p>In ferner Erwägung, daß es nur eine deutsche Nation gibt und geben kann, die in der       Nationalversammlung zu Frankfurt nunmehr ihre volle Vertretung, und in der dort begründeten       Centralgewalt auch eine gemeinsame Verwaltung für ihre Gesammtinteressen gefunden hat, und       demnach auch der in Gebrauch gekommene Name &#x201E;Preußische Nationalversammlung&#x201C; nicht länger       passend erscheint, beschließt die hohe Versammlung <hi rendition="#g">auch diesen Namen außer        Gebrauch zu setzen.</hi> </p>
          <p>In schließlicher Erwägung, daß die hohe Versammlung nicht ohne Namen bleiben kann, und daß       ihr Name der Würde der Krone, wie ihrer eigenen, der Bedeutung Preußens als einer der       Großmächte Europas, seiner glorreichen Geschichte, die es längst zum Reiche machte,       entsprechen, zugleich aber auch ihre Wirksamkeit erschöpfend bezeichnen muß, beschließt die       hohe Versammlung, nach zuvor nachgesuchter und erfolgter Zustimmung der Krone, &#x201E;<hi rendition="#g">sich die erste Preußische konstituirende Reichstagsversammlung</hi>&#x201C; zu       nennen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar066_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin, 2. Aug.</head>
          <p>Er ist da! &#x2012; oder vielmehr er war da. &#x2012; Wer war da? Der Prinz. Welcher Prinz? Der Prinz von       Preußen. Er hätte schon früher kommen sollen, aber er konnte nicht kommen. Heute endlich       langte er, von einem kleinen Häuflein treuer, mit ellenlangen schwarz-weißen Kokarden       bewaffneter Preußen und Konstabler mit Hurrah empfangen, mit seiner Frau und seinem Sohne hier       an. Die Rührung und Freude, die den erlauchten Gästen allseitig entgegenkam, war eine mehr       innerliche, da sie sich äußerlich fast gar nicht kund gab. Leider war es uns auch diesmal       nicht vergönnt, uns der hohen Herrschaften länger als einige Stunden zu erfreuen, da Se. k.       Hoh. bereits um 11 Uhr sich nach dem Stettiner Bahnhof begab, um zu den ihm sehnsüchtig       entgegenharrenden Pommern zu reisen. Möge der Prinz in Stettin mit ebenso viel Segenswünschen       empfangen werden, als man ihm hier nachschickt!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar066_011" type="jArticle">
          <head>Berlin, 2. August.</head>
          <p>Die Offiziere, deren Verurtheilung durch das Kriegsgericht bereits gemeldet ist, befinden       sich jetzt schon auf den ihnen zuerkannten Festungen, nämlich Hauptmann Ratzmer in Colberg,       Lieutenant Techow in Magdeburg und der Lieutenant Arnould in Stettin.</p>
          <p>&#x2012; Die große Mehrzahl der Bürgerwehr-Kompagnien hat sich jetzt dahin erklärt, die neue oder       Königswache dem Militär zur Besetzung überlassen zu wollen.</p>
          <bibl>(B. Z.)</bibl>
        </div>
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          <head><bibl><author>119</author></bibl>Berlin, 2. August.</head>
          <p>Eine Anzahl Studenten war nach einem Etablissement hinter Charlottenburg hinausgefahren, um       dort ein kleines Gelage zu feiern. Als sie spät Abends, die Wagen mit schwarz-roth-goldenen       Fahnen geschmückt, durch Charlottenburg zurückfuhren, wo bekanntlich einige Bataillone des       zweiten Garderegiments in Garnison liegen, da stürzte plötzlich ein Grenadier auf den ersten       Wagen los, riß die aufgesteckte deutsche Fahne herunter und lief mit seinem Raube davon. Die       Studenten sprangen sofort vom Wagen, eilten dem Soldaten nach und nahmen ihm die Fahne wieder       ab. In demselben Augenblicke aber brachen aus allen Ecken und Häusern Soldaten hervor,       vollständig bewaffnet, fielen mit dem Ausruf: &#x201E;das sind die verfluchten Barrikadenbauer!       Schlagt sie todt!&#x201C; über die Studenten her, stachen mit den Bajonetten und hieben mit den       Kolben auf sie los. Die anwesenden Offiziere wollten die Gemeinen von dem Exzesse abhalten,       fanden jedoch keinen Gehorsam. Es entspann sich ein hitziger Kampf, in dem die Studenten mit       ihren Stöcken, Pfeifen und den Waffen, die sie den Soldaten abnahmen, sich wacker       vertheidigten, bis die Charlottenburger Bürgerwehr herannahte, Studenten und Soldaten vom       Platze trieb und den Kampfplatz behauptete. In Folge dieses Attentats wurde heute eine       zahlreich besuchte Studentenversammlung abgehalten, in der man beschloß, den Verlauf der       ganzen Angelegenheit an das Ministerium zu berichten und auf strenge Bestrafung der Schuldigen       zu dringen. Außerdem beschloß man, um sich sofort eine vorläufige Genugthuung zu verschaffen,       einen großen Zug nach Charlottenburg für heute Abend mit einer großen deutschen Fahne.</p>
          <p> In derselben Studentenversammlung ward noch eine sehr interessante Notiz mitgetheilt. Der       Rektor Müller (der große Johannes Müller!) nämlich hätte einige Studenten zu sich kommen       lassen, und ihnen angezeigt, daß am 3. August, am Geburtstage des verstorbenen Königs, eine       patriotische Feier stattfinden, d. h. die schwarz-weiße Fahne auf dem Balkon der Universität       aufgezogen werden solle. Es würde, meinte er, sehr übel von obenher aufgenommen werden, wenn       dies nicht geschähe. Die Studenten erklärten, dieser Akt würde großen Widerspruch in der       Studentenschaft hervorrufen. Und so ist auch heute in der Versammlung beschlossen worden, wenn       die schwarz-weiße Fahne am 3. wirklich aufgezogen wird, so soll ein Plakat die Berliner       Bevölkerung davon in Kenntniß setzen, daß es nicht mit der Zustimmung der Studentenschaft       geschehen sei.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar066_013" type="jArticle">
          <head>Berlin, 2. August.</head>
          <p><hi rendition="#g">Ritter Bunsen</hi> ist hier angekommen und Camphausen nach Köln       abgereist.</p>
          <p>&#x2012; Heute hat sich ein zweiter Cholerafall in der Stadt ereignet. Der Kranke zeigte ganz die       gewöhnlichen Cholerasymptome. Wie wir erfahren, soll derselbe, um im Publikum keine Scheu vor       der Charité hervorzubringen, nach dem Krankenhause gebracht werden.</p>
          <bibl>(B.Z.H.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar066_014" type="jArticle">
          <p>&#x2012; <bibl><author>*</author></bibl> Unser Korrespondenzbericht über die gestrige Sitzung der       Vereinbarungsversammlung kommt uns zufällig erst heute zu. Da wir bei Empfang der       stenographischen Berichte ohnehin darauf zurückkommen, lassen wir diese verspätete Mittheilung       ganz weg.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar066_015" type="jArticle">
          <head>Stettin, 31. Juli.</head>
          <p>Die hier herrschende Stimmung ist nicht geeignet den Prinzen von Preußen, abgesehen von       dessen Unwohlsein, zu veranlassen, seinen Plan hierherzukommen, bald zu verwirklichen. Wie man       hört, haben auf die Veranlassung der erwarteten Ankunft des Prinzen, unter der Bürgerwehr, die       aufgefordert wurde, sich in Parade aufzustellen, starke Differenzen sich kund gegeben, und hat       ein ansehnlicher Theil erklärt, nicht daran, wie überhaupt nicht an Paraden theilnehmen zu       wollen. Unsere Stadtverordneten, die gestern zur Berathung über die Empfangsfeierlichkeiten       zusammenberufen waren, erschienen so spärlich, daß die Versammlung nicht beschlußfähig war. </p>
          <bibl>(B. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar066_016" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Aus Franken, 29. Juli.</head>
          <p>Immer herrlicher, immer duftender brechen die &#x201E;edlen Blüthen&#x201C; des Partikularismus und der       Reaktion in unserm Polizeistaate hervor. Die Demokraten verschwinden mehr und mehr, haben's       auch sehr nöthig: denn man hat endlich die Entdeckung gemacht, daß nur diese verdammten Wühler       Schuld daran sind, daß so wenig Kinderspielwaaren u. s. w. verkauft wurden in den letzten wir       Monaten. Um so zahlloser wird das Herr der Gensd'armen mit und ohne Livree. Der Presse ist das       Amt des Hetzers und Denucianten zugetheilt. &#x201E;Wie lange soll es noch dauern?&#x201C; ruft der       Korrespondent von und für Deutschland jeden andern Tag in einem Denunciantenartikel, bis       nämlich die Demokraten sammt und sonders gefangen und gehängt werden. Er jammert unaufhörlich       über die &#x201E;unbegreifliche Gleichgültigkeit&#x201C; der Behörden gegen die Umtriebe der Wühler. Ein       anderes würdiges Exemplar der fränkischen Tagspresse, der Nürnberger Kurier, verbirgt seine       Ausfälle gegen die Demokraten unter Strömmen eines kanngießernder Liberalismus: <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar066_017" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> O Land, Land, Land! höre des Herrn Wort.</p>
          <p>
            <bibl>(Jerem. 22, 29.)</bibl>
          </p>
          <p>1) &#x201E; Niemand kann zweien Herren dienen. Entweder er wird einen <hi rendition="#g">hassen</hi> und den andern <hi rendition="#g">lieben,</hi> oder wird einem <hi rendition="#g">anhangen</hi> und den andern <hi rendition="#g">verachten.</hi>&#x201C; Matth. 6, 24.       Wer das liest, der <hi rendition="#g">merke</hi> jetzt darauf!</p>
          <p>2) &#x201E;<hi rendition="#g">Wer das Schwert nimmt</hi> (Gewalt sich anmaßt gegen die Obrigkeit), <hi rendition="#g">der soll durchs Schwert umkommen</hi>&#x201C; (Todesstrafe erleiden durch die       Obrigkeit. Röm. 13, 2. 4.) Matth. 26, 52. Wer das liest, der <hi rendition="#g">merke</hi> jetzt darauf! denn so spricht der, dem &#x201E;alle <hi rendition="#g">Gewalt gegeben</hi> ist im <hi rendition="#g">Himmel</hi> und auf <hi rendition="#g">Erden</hi>&#x201C; (Matth. 28, 18.) und der <hi rendition="#g">kein</hi> Gesetz, auch nicht das vom <hi rendition="#g">Gewissen</hi> bezeugte und ins <hi rendition="#g">Herz</hi> geschriebene <hi rendition="#g">Vernunftgesetz</hi> (Röm. 2, 15.) je auflöst (Matth. 5, 17.), <hi rendition="#g">der Richter        der Lebendigen und der Todten.</hi> </p>
          <p>Dr. W. Bötticher.</p>
          <p>Herrliche unverstümmelte Anzeige! Ist dieser Dr. Bötticher nicht bibelfest? Wie viele       protestantisch-pietistische Kränzchen und Conventikelchen hat der Herr Doktor nicht       durchmachen müssen, ehe es ihm gelang, so gewandt mit Bibel-Citaten um sich zu werfen! Dieser       hamsterfromme Doktor ist nicht weniger gegen die Schwarz-Roth-Goldenen erbos't, als der       tapfere Schlesinger. &#x201E;Niemand kann zweien Herrn dienen&#x201C; sagt der Herr Doktor uns: &#x201E;wer sich       Gewalt anmaßt, der soll durch's Schwert umkommen&#x201C;. Entweder müßt ihr zu dem Schwarz-Weißen       oder zu dem Schwarz-Roth-Goldenen treten. Der blasse, theeberauschte Doktor ist unerbittlich.       &#x201E;Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!&#x201C; O ihr Schwarz-Weißen, hört des Herrn Wort, des Dr.       Bötticher!</p>
          <p>Wenn der Dr. Bötticher vor lauter Bibelsprüchen eigentlich gar nicht zu Worte kommt, so       drückt sich der vormalige Gymnasiallehrer A. Drahn um so verständlicher und kürzer aus. </p>
          <p>&#x201E;Warum aus einem Lande einen Fürsten wählen, wo bis jetzt der Stock regierte?&#x201C; Stockfisch       von einem Gymnasiallehrer, hast du nicht selbst dein halbes Leben lang den Stock geführt und       deine Jungen geprügelt? Die Vossische ist unerschöpflich. Auch in Versen führt sie die       Schwarz-Weiße Begeisterung Berlins mit sich. Da singt ein Mensch, Namens Julius Spatz:</p>
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              <l>&#x201E;Es schallt dem Landesvater,</l><lb/>
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          <p>Es graußt uns. Selig der, welcher vergessen kann! Mit Herr v. H. in einer andern Annonce       rufen wir aus: &#x201E;Vergessen wir die Vergangenheit, schwarz wie die tief ergreifende       Sonnenfinsterniß.&#x201C; Kann man sich etwas schöneres denken? &#x2012; &#x201E;schwarz wie die tief ergreifende       Sonnenfinsterniß!&#x201C; Man sieht, daß die Schwarz-Weißen köstliche Kerle zu ihren Vertheidigern       haben. Tief ergreift uns ihre schwarze Verstandesfinsterniß.</p>
          <p>Ein außerordentliches Schriftstück ist indeß auch noch &#x201E;der letzte Wunsch eines 94jährigen       preußischen Veteranen&#x201C;:</p>
          <p>Gnädiger Gott, gewähre die letzte der Bitten,</p>
          <p>Einem zitternden Greis, der treu im Dienste des Staates </p>
          <p>Gekämpft, geblutet für seine geliebten Monarchen! &#x2012; </p>
          <p>Laß ihn noch sehen vor seinem nahen Ende,</p>
          <p>Seinen König und Herrn <hi rendition="#g">gebietend,</hi> doch auch geliebet</p>
          <p>Von seinem Volk, und <hi rendition="#g">herrschend</hi> im <hi rendition="#g">preußischen</hi> Lande! &#x2012; </p>
          <p>Nicht unterthänig sei <hi rendition="#g">Er</hi> dem fremden Fürstengeschlechte, </p>
          <p>Nicht unterthänig Sein <hi rendition="#g">Volk</hi>, das kühn errang sich die Freiheit. &#x2012; </p>
          <p>Laßt ihn noch sehen, wie frei der preußische Adler </p>
          <p>Hebet sein Haupt, dreist zu der Sonne empor, </p>
          <p>Ohne die Fänge des Doppeladlers zu fürchten, </p>
          <p>Noch sie zu suchen zum Schutz, weder von Ost noch von Süd. &#x2012;</p>
          <p>Potsdam, im Juli 1848.</p>
          <p>z. P.</p>
          <p>Die Poesie dieses alten Maulwurfs hat etwas rührendes. Einem 94jährigen Veteranen ist es       nicht übel zu nehmen, daß er Schwarz-Weiß bleiben will sein Leben lang, und daß er die       Schwarz-Roth-Goldne Kouleure haßt, die Farbe, die er einst an Pfeifenquästen sah, und an       revolutionären Pfeifenköpfen.</p>
          <p>Mit geschwungener Krücke steht dieser 94jährige Veteran vor der Thür seiner Hütte, brummend       und polternd, um sich die junge, lasterhafte Welt vom Leibe zu halten, die mit ihren Gelusten       so frech vorüberstürmt, und auch gern den alten Mann mit hinein in ihren Strudel reißen mögte.       Was bei dem sommersprossigen Wehrreiter der reine Schnaps-Enthusiasmus, was bei den       Landwehrmännern des Conitzer Kreises die bloße Komißbrodbegeisterung, was bei Herrn von Bülow       und Herr Brm die göttliche berlinische Affektation, was bei dem Dr. W. Böttiger der blasse,       protestantische Thee-Pietismus und was bei den Dichtern Schatz und v. H. die tiefergreifende       schwarz-weiße Verstandesverfinsterung zuwege brachte, das kommt in dem zornigen Gebet des       94jährigen Veteranen endlich als etwas Natürliches, wirklich Empfundenes zum Vorschein und der       Spott geht uns aus, die Waffe des Humors versagt uns den Dienst, wir eilen dem würdigen       Veteranen entgegen, wir drücken ihm die Hand und wir bitten ihn, sich ruhig in sein ehrliches       Grab zu legen, wo Niemand seinen Schlummer stören wird,</p>
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            <l>bis zu der Stund,</l><lb/>
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            <l>Vom        Schritt der Helden dröhnet.</l><lb/>
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          <p>So haben wir denn die Vossische Zeitung mit ihren Annoncen und Kriegserklärungen so       aufmerksam wie möglich durchstudirt.</p>
          <p>Wir sehnten uns nach Berlin &#x2012; aber auf einmal vergeht uns wieder alle Luft.</p>
          <p>Am Ufer des schönsten aller Ströme stehen wir; die Sonne lacht herab auf unsere Hügel,       unsere Thäler. Wir schwingen unsre Römer und die kleinen lustigen Gassenbuben singen durch die       Straßen der alten, der heiligen Stadt Köln:</p>
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            <l>&#x201E;Freiheit und Republik,</l><lb/>
            <l>Wären wir erst die Preußen quick. &#x201C;</l><lb/>
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[0328/0002] [Deutschland] [Fortsetzung] Beseler fährt fort unter Bravo rechts und Gezisch und Verlachung der Linken und Gallerien. Es folgen Gefühlsrodomontaden. Er kommt auf die Orden zu sprechen: Werden sie den alten Kriegern das eiserne Kreuz von der Brust reißen wollen? (ohne Eindruck!) Man solle solche Kleinigkeiten weglassen, die Grundrechte in gröberen Zügen entwerfen. Minima non curat praetor! ‒ Das Waffenrecht betreffend, dies sei zu keiner Zeit, unter keiner Regierung sehr beschränkt gewesen. (Bewunderung und Widerspruch). Die Linkeund Hr. v. Stavenhagen bekommen vom Präsidenten Rüffel wegen der in Beselers Rede eingestreuten Pfefferkörner. Bei Beselers Abtritt langes Bravo rechts, längeres Zischen links, und ein ganz langer Pfiff auf den Gallerien. Benedey betritt empört die Tribüne und bemerkt unter langem Bravorufen, Hr. Beseler habe keinen Bericht erstattet, sondern die Parteien in seiner Jeremiade theils zu verletzen, theils zu reizen, theils zu übertölpeln gesucht. Jetzt bringt auch Hr. Wiegard einen Protest, gegen die Weigerung der National-Versammlung, einen Berichterstatter des Minoritäts-Gutachtens am Schluß der Debatte hören zu wollen. Dieser gerechte Protest wird von dem über Hrn. Benedeys und Wiegards Anmaßungen erbosten Präsidenten ad Akta gelegt, mit der Bemerkung: Minoritäts-Gutachten seien nicht mehr zu berücksichtigen wie Amendements einzelner. Hierdurch, d. h. durch diesen Ausspruch und dies Benehmen von Gagern's (des Edlen) und durch die Approbation der Rechten und Centren, der Sklaven des Gottes, wird das gerechte Verlangen Wiegards, und die Möglichkeit der Motivirung des Minoritäts-Gutachtens, auf despotische Weise verweigert! ‒ Jetzt werden die verschiedenen Amendements verlesen. ‒ Dann folgt die gewöhnliche (diesmal dreiviertelstündige) Abstimmung-und Formdebatte worin dem Präsidenten sein Logik-Mangel demonstrirt wird. Wohl, Briegleb, v. Soiron, Schaffrath, Schwetschke, Plathner nehmen daran Theil. ‒ Abstimmung (enfin!) 1) Der Satz des Ausschusses: Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz. Angenommen fast einstimmig 2) Zweiter Ausschußsatz: Standesprivilegien finden nicht statt. Angenommen. Folgt eine weitere Unterbrechung in der Abstimmung, ob nun das Minoritäts-Gutachten oder Mohls Amendement kommen solle. Cell aus Trier will namentliche Abstimmung über das Minoritäts-Gutachten. (Rechts und Centren:zu spät!) v. Gagern gewährt die namentliche Abstimmung aus eigener Machtvollkommenheit. Folgt also: 3) Namentliche Abstimmung, über das Minoritäts-Gutachten: „Alle Standesprivilegien, sowie der Adel selbst sind aufgehoben. Anwesend waren 449 Stimmen. Verworfen haben 282 Stimmen. Angenommen 167 Stimmen. Also der Adel bleibt! (Ich nenne Ihnen einige Stimmen: Für Beibehaltung des Adels haben unter andern gestimmt, Uhland, der deutsche Dichter. Die Bassermanns, die Mathy, Welker, Mittermeier und Konsorten. Der Hr. Schriftsteller Laube (um der Frau v. Rumptsch keinen Tort anzuthun). Der Fürstenfreund Sylvester Jordan. Der berühmte Hr. Leue. Hr. v. Beckerrath, dessen Wiege am Webstuhl seines Vaters gestanden, und der keinen Ahnen kennt! ‒ Jahn, Arndt, v. Binke und Lychnowsky unter heiterem Ausbruch der Freude der Gallerien. Gegen den Adel: Siskra, v. Jostein, (unter Bravo) v. Trützschler, v. Wydenbrugk (unter lautem Bravo), Stedtmann (mit furchtsamer Stimme), v. Goltz, Rösler (Dels), Franz Raveaur u. s. w. 4) Jacob Grimms Amendement verworfen. Es lautet: Aller rechtliche Unterschied zwischen Adel, Bürger und Bauer hört auf, Erhebung in den Adelstand und Erhöhung von niederem in höheren Adel findet nicht statt. 5) Vogt's Hohn-Amendement: daß jeder der Lust hat sich adeln könne, verworfen. 6. 7. 8. 9. Amendements von Dewes, Grimm, Ahrens und Mölling verworfen. Die weitere Abstimmung haben unsere Leser in der gestrigen Nummer gefunden. * Frankfurt, 3. Aug., 6 Uhr Nachm. So eben kommt der Reichsverweser hier wieder an. * Frankfurt, 3. Aug. In der heutigen Sitzung der National-Versammlung wurde der Bericht des Ausschusses über die Wahl Hecker's in Thiengen vorgelegt. Der Ausschuß beantragt, die Wahl für ungültig und unwirksam zu erklären, und die badische Regierung zur Anordnung einer neuen Wahl zu veranlassen. Nach Erstattung dieses Berichts wurde die Berathung über § 7 der Grundrechte eröffnet. 103 Berlin, 2. Aug. Da die Sekretäre der Vereinbarerversammlung bei Anfertigung der Protokolle sehr oft sich des Wortes „Kammer“ bedienten, welches auch in dem gestern verlesenen wiederholt geschah, so stellte der Abgeordnete Schulze von Wanzleben den Antrag, dieses Wort aus den Protokollen fortan zu verbannen und statt dessen nur „Versammlung“ zu gebrauchen, und wurde durch Abstimmung angenommen. Der Präsident verkündigte unter großer Heiterkeit das Ergebniß jener Abstimmung dahin: „die Kammer ist also beschlußmäßig aus unserer Versammlung verbannt.“ Nach dreimonatlichen Verhandlungen ist die Versammlung jetzt demnach so weit gekommen die eine Hälfte ihres Namens festzustellen. Vielleicht erfahren wir nach den nächsten drei Monaten die andere Hälfte. Es war allgemein aufgefallen, daß der „Staats-Anzeiger“ vom 24. Juli in seinem „amtlichen Theile“ die Ankunft des Staats-Ministers Camphausen anzeigte. Man ist allgemein der Ansicht, daß in allen konstitutionellen Staaten ein Minister, der seine Entlassung nimmt, nichts anderes bleibt als Bürger, in diesem Falle zugleich Abgeordneter oder Vereinbarer. In Folge dessen hat sich auch der Abgeordnete Petersen veranlaßt gefunden folgenden dringenden Gesetzvorschlag zu beantragen: „Jeder Minister, welcher sein Amt niederlegt, verliert damit das Recht auf den Titel und Rang eines Ministers und hat aus seinem Amte kein Recht auf anderweite Anstellung im Staatsdienst. „Nur wenn der ausscheidende Minister vor seinem Eintritt in das Ministerium ein unmittelbares Staatsamt verwaltet hat, findet hiervon insofern eine Ausnahme statt, als der ausscheidende Minister befugt ist, eine Anstellung gleichen Ranges und Gehaltes mit dieser früheren Stellung zu verlangen. „Der Fall der Pensionirung nach dem Pensions-Reglement fällt nicht unter dieses Gesetz.“ Mit Eintritt Preußens in die konstitutionelle-monarchische Staatsform, läßt sich nach den Erscheinungen anderer Länder abnehmen, daß ein Personenwechsel in dem Ministerium viel häufiger als früher eintreten wird, wenigstens möglich ist. Es ist daher erforderlich, daß der Staat gegen die hieraus hervorgehenden Uebelstände in Bezug auf die abtretenden Minister gesichert werde. Die Ausnahme der ferneren Anstellungspflicht für die früheren Beamten rechtfertigt wohl die Billigkeit. Eine Anzahl politischer und Preß-Prozesse sind wieder zur öffentlichen Verhandlung herangereift. Der Handlungsdiener Müller, welcher beschuldigt ist, die Arbeiter am Plötzensee zur gewaltsamen Befreiung des jüngern Schlöffel aufgefordert zu haben, wird in diesen Tagen vor den Schranken erscheinen. Ueber den Schriftsteller Thiele, (genannt Leid-Brandt) wegen des von ihm verfaßten Flugblattes, „der König und das Volk,“ sowie über den Verleger und Drucker des Blattes, den Buchhändler Schlesinger und den Druckereibesitzer Schiementz, hat die Anklagekammer des Kriminalgerichts jetzt gleichfalls die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen. Ein Bürger ist der Majestätsbeleidigung durch mündliche Aeußerung angeklagt. Das Verfahren gegen alle diese Personen gründet sich auf die Denunciationen des Generalmajors Plümicke, der sich als Vorsitzender des Preußenvereins das Denunciren zum Berufe gemacht hat, und auf dessen wiederholte Eingaben die Anklage gegen den Drucker und Verleger des obengenannten Flugblattes erhoben werden mußte, da er sich auf einen veralteten Landsrechtsparagraphen bezieht. Die Vereinbarer machen Riesenfortschritte. Am Anfange dieses Berichtes machen wir die Mittheilung, daß die Vereinbarer schon so weit gekommen sind, die eine Hälfte ihres Namens festzustellen. Soeben kommt uns aber die Mittheilung zu, daß der Abgeordnete Pastor Müller folgenden Antrag gestellt hat, der aber wohl erst in einigen Wochen zur Berathung kommen wird. Antrag: „Die Namen der hohen Versammlung betreffend, und dahinzielend an die Stelle zweier unpassend gewordenen Namen einen passenden und definitiven für dieselbe zu sanctioniren.“ In Erwägung, daß die Krone selbst längst den Wirkungskreis der zunächst zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung berufenen Versammlung über die in diesem Namen bezeichnete Grenze der Wirksamkeit erweitert hat; In Erwägung, daß es auch das preußische Volk nicht anders weiß und versteht, als daß diese Versammlung, im Verein mit der Krone, eine konstituirende in jeder Hinsicht und im vollen Umfange sei, beschließt die hohe Versammlung, nach zuvor nachgesuchter und erfolgter Zustimmung der Krone, den Namen einer Versammlung zur Vereinbarungder Preußischen Staatsverfassung abzulegen. In ferner Erwägung, daß es nur eine deutsche Nation gibt und geben kann, die in der Nationalversammlung zu Frankfurt nunmehr ihre volle Vertretung, und in der dort begründeten Centralgewalt auch eine gemeinsame Verwaltung für ihre Gesammtinteressen gefunden hat, und demnach auch der in Gebrauch gekommene Name „Preußische Nationalversammlung“ nicht länger passend erscheint, beschließt die hohe Versammlung auch diesen Namen außer Gebrauch zu setzen. In schließlicher Erwägung, daß die hohe Versammlung nicht ohne Namen bleiben kann, und daß ihr Name der Würde der Krone, wie ihrer eigenen, der Bedeutung Preußens als einer der Großmächte Europas, seiner glorreichen Geschichte, die es längst zum Reiche machte, entsprechen, zugleich aber auch ihre Wirksamkeit erschöpfend bezeichnen muß, beschließt die hohe Versammlung, nach zuvor nachgesuchter und erfolgter Zustimmung der Krone, „sich die erste Preußische konstituirende Reichstagsversammlung“ zu nennen. 15 Berlin, 2. Aug. Er ist da! ‒ oder vielmehr er war da. ‒ Wer war da? Der Prinz. Welcher Prinz? Der Prinz von Preußen. Er hätte schon früher kommen sollen, aber er konnte nicht kommen. Heute endlich langte er, von einem kleinen Häuflein treuer, mit ellenlangen schwarz-weißen Kokarden bewaffneter Preußen und Konstabler mit Hurrah empfangen, mit seiner Frau und seinem Sohne hier an. Die Rührung und Freude, die den erlauchten Gästen allseitig entgegenkam, war eine mehr innerliche, da sie sich äußerlich fast gar nicht kund gab. Leider war es uns auch diesmal nicht vergönnt, uns der hohen Herrschaften länger als einige Stunden zu erfreuen, da Se. k. Hoh. bereits um 11 Uhr sich nach dem Stettiner Bahnhof begab, um zu den ihm sehnsüchtig entgegenharrenden Pommern zu reisen. Möge der Prinz in Stettin mit ebenso viel Segenswünschen empfangen werden, als man ihm hier nachschickt! Berlin, 2. August. Die Offiziere, deren Verurtheilung durch das Kriegsgericht bereits gemeldet ist, befinden sich jetzt schon auf den ihnen zuerkannten Festungen, nämlich Hauptmann Ratzmer in Colberg, Lieutenant Techow in Magdeburg und der Lieutenant Arnould in Stettin. ‒ Die große Mehrzahl der Bürgerwehr-Kompagnien hat sich jetzt dahin erklärt, die neue oder Königswache dem Militär zur Besetzung überlassen zu wollen. (B. Z.) 119 Berlin, 2. August. Eine Anzahl Studenten war nach einem Etablissement hinter Charlottenburg hinausgefahren, um dort ein kleines Gelage zu feiern. Als sie spät Abends, die Wagen mit schwarz-roth-goldenen Fahnen geschmückt, durch Charlottenburg zurückfuhren, wo bekanntlich einige Bataillone des zweiten Garderegiments in Garnison liegen, da stürzte plötzlich ein Grenadier auf den ersten Wagen los, riß die aufgesteckte deutsche Fahne herunter und lief mit seinem Raube davon. Die Studenten sprangen sofort vom Wagen, eilten dem Soldaten nach und nahmen ihm die Fahne wieder ab. In demselben Augenblicke aber brachen aus allen Ecken und Häusern Soldaten hervor, vollständig bewaffnet, fielen mit dem Ausruf: „das sind die verfluchten Barrikadenbauer! Schlagt sie todt!“ über die Studenten her, stachen mit den Bajonetten und hieben mit den Kolben auf sie los. Die anwesenden Offiziere wollten die Gemeinen von dem Exzesse abhalten, fanden jedoch keinen Gehorsam. Es entspann sich ein hitziger Kampf, in dem die Studenten mit ihren Stöcken, Pfeifen und den Waffen, die sie den Soldaten abnahmen, sich wacker vertheidigten, bis die Charlottenburger Bürgerwehr herannahte, Studenten und Soldaten vom Platze trieb und den Kampfplatz behauptete. In Folge dieses Attentats wurde heute eine zahlreich besuchte Studentenversammlung abgehalten, in der man beschloß, den Verlauf der ganzen Angelegenheit an das Ministerium zu berichten und auf strenge Bestrafung der Schuldigen zu dringen. Außerdem beschloß man, um sich sofort eine vorläufige Genugthuung zu verschaffen, einen großen Zug nach Charlottenburg für heute Abend mit einer großen deutschen Fahne. In derselben Studentenversammlung ward noch eine sehr interessante Notiz mitgetheilt. Der Rektor Müller (der große Johannes Müller!) nämlich hätte einige Studenten zu sich kommen lassen, und ihnen angezeigt, daß am 3. August, am Geburtstage des verstorbenen Königs, eine patriotische Feier stattfinden, d. h. die schwarz-weiße Fahne auf dem Balkon der Universität aufgezogen werden solle. Es würde, meinte er, sehr übel von obenher aufgenommen werden, wenn dies nicht geschähe. Die Studenten erklärten, dieser Akt würde großen Widerspruch in der Studentenschaft hervorrufen. Und so ist auch heute in der Versammlung beschlossen worden, wenn die schwarz-weiße Fahne am 3. wirklich aufgezogen wird, so soll ein Plakat die Berliner Bevölkerung davon in Kenntniß setzen, daß es nicht mit der Zustimmung der Studentenschaft geschehen sei. Berlin, 2. August. Ritter Bunsen ist hier angekommen und Camphausen nach Köln abgereist. ‒ Heute hat sich ein zweiter Cholerafall in der Stadt ereignet. Der Kranke zeigte ganz die gewöhnlichen Cholerasymptome. Wie wir erfahren, soll derselbe, um im Publikum keine Scheu vor der Charité hervorzubringen, nach dem Krankenhause gebracht werden. (B.Z.H.) ‒ * Unser Korrespondenzbericht über die gestrige Sitzung der Vereinbarungsversammlung kommt uns zufällig erst heute zu. Da wir bei Empfang der stenographischen Berichte ohnehin darauf zurückkommen, lassen wir diese verspätete Mittheilung ganz weg. Stettin, 31. Juli. Die hier herrschende Stimmung ist nicht geeignet den Prinzen von Preußen, abgesehen von dessen Unwohlsein, zu veranlassen, seinen Plan hierherzukommen, bald zu verwirklichen. Wie man hört, haben auf die Veranlassung der erwarteten Ankunft des Prinzen, unter der Bürgerwehr, die aufgefordert wurde, sich in Parade aufzustellen, starke Differenzen sich kund gegeben, und hat ein ansehnlicher Theil erklärt, nicht daran, wie überhaupt nicht an Paraden theilnehmen zu wollen. Unsere Stadtverordneten, die gestern zur Berathung über die Empfangsfeierlichkeiten zusammenberufen waren, erschienen so spärlich, daß die Versammlung nicht beschlußfähig war. (B. Z.) X Aus Franken, 29. Juli. Immer herrlicher, immer duftender brechen die „edlen Blüthen“ des Partikularismus und der Reaktion in unserm Polizeistaate hervor. Die Demokraten verschwinden mehr und mehr, haben's auch sehr nöthig: denn man hat endlich die Entdeckung gemacht, daß nur diese verdammten Wühler Schuld daran sind, daß so wenig Kinderspielwaaren u. s. w. verkauft wurden in den letzten wir Monaten. Um so zahlloser wird das Herr der Gensd'armen mit und ohne Livree. Der Presse ist das Amt des Hetzers und Denucianten zugetheilt. „Wie lange soll es noch dauern?“ ruft der Korrespondent von und für Deutschland jeden andern Tag in einem Denunciantenartikel, bis nämlich die Demokraten sammt und sonders gefangen und gehängt werden. Er jammert unaufhörlich über die „unbegreifliche Gleichgültigkeit“ der Behörden gegen die Umtriebe der Wühler. Ein anderes würdiges Exemplar der fränkischen Tagspresse, der Nürnberger Kurier, verbirgt seine Ausfälle gegen die Demokraten unter Strömmen eines kanngießernder Liberalismus: [Fortsetzung] [Fortsetzung] O Land, Land, Land! höre des Herrn Wort. (Jerem. 22, 29.) 1) „ Niemand kann zweien Herren dienen. Entweder er wird einen hassen und den andern lieben, oder wird einem anhangen und den andern verachten.“ Matth. 6, 24. Wer das liest, der merke jetzt darauf! 2) „Wer das Schwert nimmt (Gewalt sich anmaßt gegen die Obrigkeit), der soll durchs Schwert umkommen“ (Todesstrafe erleiden durch die Obrigkeit. Röm. 13, 2. 4.) Matth. 26, 52. Wer das liest, der merke jetzt darauf! denn so spricht der, dem „alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden“ (Matth. 28, 18.) und der kein Gesetz, auch nicht das vom Gewissen bezeugte und ins Herz geschriebene Vernunftgesetz (Röm. 2, 15.) je auflöst (Matth. 5, 17.), der Richter der Lebendigen und der Todten. Dr. W. Bötticher. Herrliche unverstümmelte Anzeige! Ist dieser Dr. Bötticher nicht bibelfest? Wie viele protestantisch-pietistische Kränzchen und Conventikelchen hat der Herr Doktor nicht durchmachen müssen, ehe es ihm gelang, so gewandt mit Bibel-Citaten um sich zu werfen! Dieser hamsterfromme Doktor ist nicht weniger gegen die Schwarz-Roth-Goldenen erbos't, als der tapfere Schlesinger. „Niemand kann zweien Herrn dienen“ sagt der Herr Doktor uns: „wer sich Gewalt anmaßt, der soll durch's Schwert umkommen“. Entweder müßt ihr zu dem Schwarz-Weißen oder zu dem Schwarz-Roth-Goldenen treten. Der blasse, theeberauschte Doktor ist unerbittlich. „Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!“ O ihr Schwarz-Weißen, hört des Herrn Wort, des Dr. Bötticher! Wenn der Dr. Bötticher vor lauter Bibelsprüchen eigentlich gar nicht zu Worte kommt, so drückt sich der vormalige Gymnasiallehrer A. Drahn um so verständlicher und kürzer aus. „Warum aus einem Lande einen Fürsten wählen, wo bis jetzt der Stock regierte?“ Stockfisch von einem Gymnasiallehrer, hast du nicht selbst dein halbes Leben lang den Stock geführt und deine Jungen geprügelt? Die Vossische ist unerschöpflich. Auch in Versen führt sie die Schwarz-Weiße Begeisterung Berlins mit sich. Da singt ein Mensch, Namens Julius Spatz: „Es schallt dem Landesvater, Ein dreifach donnernd Hoch! Es ist der beste Rather, Doch ach, ein Volk es log. Sein Herz bleibt groß und edel Er manches gleich vergißt, Sonst müßte mancher Schädel Längst hängen am Gericht.“ Es graußt uns. Selig der, welcher vergessen kann! Mit Herr v. H. in einer andern Annonce rufen wir aus: „Vergessen wir die Vergangenheit, schwarz wie die tief ergreifende Sonnenfinsterniß.“ Kann man sich etwas schöneres denken? ‒ „schwarz wie die tief ergreifende Sonnenfinsterniß!“ Man sieht, daß die Schwarz-Weißen köstliche Kerle zu ihren Vertheidigern haben. Tief ergreift uns ihre schwarze Verstandesfinsterniß. Ein außerordentliches Schriftstück ist indeß auch noch „der letzte Wunsch eines 94jährigen preußischen Veteranen“: Gnädiger Gott, gewähre die letzte der Bitten, Einem zitternden Greis, der treu im Dienste des Staates Gekämpft, geblutet für seine geliebten Monarchen! ‒ Laß ihn noch sehen vor seinem nahen Ende, Seinen König und Herrn gebietend, doch auch geliebet Von seinem Volk, und herrschend im preußischen Lande! ‒ Nicht unterthänig sei Er dem fremden Fürstengeschlechte, Nicht unterthänig Sein Volk, das kühn errang sich die Freiheit. ‒ Laßt ihn noch sehen, wie frei der preußische Adler Hebet sein Haupt, dreist zu der Sonne empor, Ohne die Fänge des Doppeladlers zu fürchten, Noch sie zu suchen zum Schutz, weder von Ost noch von Süd. ‒ Potsdam, im Juli 1848. z. P. Die Poesie dieses alten Maulwurfs hat etwas rührendes. Einem 94jährigen Veteranen ist es nicht übel zu nehmen, daß er Schwarz-Weiß bleiben will sein Leben lang, und daß er die Schwarz-Roth-Goldne Kouleure haßt, die Farbe, die er einst an Pfeifenquästen sah, und an revolutionären Pfeifenköpfen. Mit geschwungener Krücke steht dieser 94jährige Veteran vor der Thür seiner Hütte, brummend und polternd, um sich die junge, lasterhafte Welt vom Leibe zu halten, die mit ihren Gelusten so frech vorüberstürmt, und auch gern den alten Mann mit hinein in ihren Strudel reißen mögte. Was bei dem sommersprossigen Wehrreiter der reine Schnaps-Enthusiasmus, was bei den Landwehrmännern des Conitzer Kreises die bloße Komißbrodbegeisterung, was bei Herrn von Bülow und Herr Brm die göttliche berlinische Affektation, was bei dem Dr. W. Böttiger der blasse, protestantische Thee-Pietismus und was bei den Dichtern Schatz und v. H. die tiefergreifende schwarz-weiße Verstandesverfinsterung zuwege brachte, das kommt in dem zornigen Gebet des 94jährigen Veteranen endlich als etwas Natürliches, wirklich Empfundenes zum Vorschein und der Spott geht uns aus, die Waffe des Humors versagt uns den Dienst, wir eilen dem würdigen Veteranen entgegen, wir drücken ihm die Hand und wir bitten ihn, sich ruhig in sein ehrliches Grab zu legen, wo Niemand seinen Schlummer stören wird, bis zu der Stund, Wo die Posaune tönet Und wo des Himmels goldner Grund Vom Schritt der Helden dröhnet. So haben wir denn die Vossische Zeitung mit ihren Annoncen und Kriegserklärungen so aufmerksam wie möglich durchstudirt. Wir sehnten uns nach Berlin ‒ aber auf einmal vergeht uns wieder alle Luft. Am Ufer des schönsten aller Ströme stehen wir; die Sonne lacht herab auf unsere Hügel, unsere Thäler. Wir schwingen unsre Römer und die kleinen lustigen Gassenbuben singen durch die Straßen der alten, der heiligen Stadt Köln: „Freiheit und Republik, Wären wir erst die Preußen quick. “

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 66. Köln, 5. August 1848, S. 0328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz066_1848/2>, abgerufen am 27.04.2024.