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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 105. Köln, 17. September 1848.

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[Deutschland]

[Fortsetzung] Tertianers Man hätte es gefährlich erachtet, Beschlüsse fassen zu lassen von der konstituirenden Versammlung, während man noch nicht einmal wisse, wer in dem Lande Befehle zu geben haben würde. Er beleuchtet die Frage: wie es damit steht, daß Preußen eine unumschränkte Vollmacht erhalten habe, wie das Berliner Ministerium behauptet hat.

Das Reichsministerium konnte die Hoffnung hegen auf eine Identitätsbill der Nationalversammlung bei Ertheilung der Vollmacht, da ja am 9. Juli sogar der etwaige Friede mit Dänemark ganz in die Hände der Centralgewalt gelegt worden ist. (Vor der Kirche Tumult. Die Versammlung zeigt Theilnahmlosigkeit und Unruhe.) Er sucht die Vorwürfe zu widerlegen, die man in Bezug auf die Vollmacht dem Reichsministerium gemacht hat. Preußen habe ja nie das Vertrauen Deutschlands verscherzt. (Unruhe.) Auf den Vorwurf: warum das Ministerium nicht selbstständig über Annahme oder Nichtannahme beschlossen hätte, antwortet er: verwerfen konnten wir ihn nicht aus höhern (und deshalb unsichtbaren!) Gründen für das Wohl Deutschlands; annehmen auch nicht. Geht zur Prüfung des Waffenstillstandes selbst und nimmt die einzelnen Bedingungen durch, die er nach alter Advokatenmanier zu rechtfertigen sucht. Bezüglich der 7 Monate ist die Centralgewalt auf den ersten Anblick schmerzlich überrascht gewesen. Preußen, so meine ich, war sogar selbst überrascht. (Gelächter!) Als Grund giebt man: Schweden habe genügende Zeit verlangt, um seine Truppen zu dispansiren. (Gelächter.) Auch in der Trennung der schleswigschen Truppen von den holsteinischen findet er keinen Grund zur Unzufriedenheit, vielmehr findet er dies sehr gut, um die dänischen Elemente von den deutschen zu trennen!

(Sehr gut!) In Bezug auf Artikel VII., die Administration der Herzogthümer: Auch uns war der Artikel unwillkommen, aber man muß billig sein. Moltke hätte mit Recht Unzufriedenheit erregt (Wahrhaftig!) Gegen die anderen Regierungsmitglieder nichts Wesentliches zu erinnern. Aus seiner Beleuchtung müsse es klar geworden sein, daß das Ministerium für Annahme des Waffenstillstandes stimmen mußte. Die Nachtheile des Gegentheils sind: 1. Bruch mit Preußen, dessen Ehre verpfändet. (Unterbrechungen. Tumult an der Kirchenthür.) "Preußens Ehre ist gewissermaßen engagirt," dies sind die Worte des Exministers. 2. Zerrissenheit, Entzweiung Deutschlands. 3. Die Fortführung der Krieges etc. bei Fortführung des Krieges zu Gunsten Preußens. (Links: Nein!)

Ich stehe hier im Bewußtsein, nie und nimmer in meiner Amtsführung gefehlt zu haben. Der deutsche Gesandte in London, und der offiziöse Gesandte Englands hier, werden mir (mit weinender Stimme) das Zeugniß geben. Zum Schluß heult Hr. Heckscher, weil kein anderes Mittel ihm übrig bleibt. (Fortwährender Tumult vor der Kirche.) Alle Mächte Europas haben mit Krieg gedroht. Keine Drohung gilt bei mir, aber das Wohl Deutschlands. Bedenken Sie, daß ein Waffenstillstand kein Friede ist. Ich begreife nicht, wie die deutsche Ehre dadurch verloren gehen kann. (Gelächter.) Selbst wenn kein Krieg zu fürchten, müssen wir Rücksicht nehmen auf die andern Länder Europas, in deren Verband Deutschland als Neuling tritt. (Zischen.) Endlich sucht er noch durch ein Rechenexempel zu beweisen, daß die Majoritöt des Ausschusses keine Majorität sei, weil er nicht mitgestimmt.

Vogt: Ich bitte die Namen der Redner zu verlesen. - Gagern: Nein! - (Auf dem Platz des Herrn Radowitz sitzt ein Sekretär der emsig nachschreibt.- Radowitz selbst fehlt.

Venedey wird weniger von der Ehre Dänemarks, (wie Heckscher) als von der Ehre Deutschlands sprechen. - Wird auch die Aktenstücke durchnehmen und das Gegentheil von Herrn Heckscher beweisen! - (Die Bänke ken der Abgeordneten lichten sich.) v. Arnim (früher Gesander in Paris) und Wrangel erwähnt er rühmend in dieser Sache. - Aus einer Note Bunsen's beweist er daß derselbe, einer der besten Staatsmänner Deutschlands, die Bedingungen des Waffenstillstandes für ganz verwerflich erklärt hat. (Links: Hört! Hört!) - Auerswald in einer Note spricht von der Centralgewalt und National-Versammlung als von einer dritten Macht, die sich in diese Angelegenheit mischt. - Er hat sich auf den Standpunkt des Auslands in dieser Frage gestellt. - Von Allem spricht er darin, nur nicht von Uns! - Ebenso verhält es sich mit Herrn Camphausen. - (Während der Rede Venedeys gehen die meisten Volksvertreter spazieren.) Die auswärtigen Mächte alle, glauben mit uns wohlfeiles Spiel zu haben, man verachtet uns, man tritt uns auf den Füßen herum. (Schallendes Bravo auf den Gallerien.) Wer die Vollmacht gemacht und gegeben hat, hat unser erstes Recht mit Füßen getreten. (Sehr gut!) Heckschers Vertheidigung des alten Ministeriums sei so schwach, daß er sich scheue dasselbe noch anzugreifen. - Mit Max von Gagern habe man sein Spiel in Schleswig getrieben. - Wenn es uns nicht gelingt, uns wieder Achtung zu verschaffen, wird es mit der Achtung Preußens auch vorüber sein. Preußen ist nur eine deutsche Provinz. (Schallender Beifall) Präs: der Beifall der Gallerien ist verboten. Einer auf der Gallerie ruft: (Nicht verboten und wird von den Constablern heraus geschmissen! -)

Arndt.(Aufregung.) Diesseits und jenseits ist in meiner Abwesenheit in dieser Sache geredet worden. Heute z. B. von dem wailand Reichsminister Heckscher. (Gelächter.) Ich will nur von der Stellung des Hauses in dieser Sache sprechen. Er denkt mit Wehmuth an die Küstenländer, in denen er geboren ist. - Unser Zustand des Augenblicks hat mich bewegt in dieser Sache meine Meinung zu ändern.- Seit vierzehn Tagen haben wir keine Regierung, kein Ministerium! (Gelächter - ) Dies ist ein gefährlicher Zustand. - In großen Gefahren hat mein altes Herz nie gezittert, immer die rechte Entscheidung gefunden. - Der alte Mann redet immer confuser in's Blaue und wird von dem Präsidenten zur Sache ermahnt. - (Das Haus lacht.) - Zuletzt scheint er sich (denn er faßt dies sehr dunkel) für die Anträge der Majorität, die er selbst mit unterzeichnet hat, zu erklären. -

Präs: (zur Linken.) M. H. ich bin erbötig die Petitionen vorlesen zu lassen. Rechts: Nein!

Eisenmann. Ebenso wie Arndt fühlt er sich gezwungen in dieser Sache seine Meinung zu ändern. - Norddeutsche Blätter meinen, es gäbe bei diesem Waffenstillstand noch geheime Artikel. (Rechts: Gelächter!) Er bewundert die schnellen Fortschritte die Heckscher in der Diplomatie gemacht.(Schwerin und Vinke gebärden sich ungezogen.) Endlich fragt sich, ob man über so einen absurd geschlossenen Waffenstillstand erst zu entscheiden nöthig hätte. - Einheit über Alles ist mein Grundsatz. Ich stelle sie sogar fast noch höher als die Freiheit. (Bravo links) Preußen anlangend; - was ist denn Preußen ohne die Centralgewalt. - Erinnern sie sich, wie Preußens Regierung nach den Märztagen schwankte, wie es eben die Centralgewalt wieder aufrichtete; und wie hat Preußen dies gelohnt! - Er erinnert daran, daß Preußen (hört! hört!) die Berliner Versammlung auseinander sprengen wolle, wenn sie nicht jenem trotzigen Cabinet folgt. (v. Schwerin und Vinke Unterbrechungen. - Links Bravo!) Es scheint es gibt Männer und Regierungen. die nur dann des Volkes Stimme hören, wenn es von den Barrikaden zu ihnen spricht. (Links: Bravo!) Wenn der Volksvertreter sich überzeugt, daß die große Menge des Volks hinter ihm; enn ist es Pflicht seine Meinung darnach zu richten. Unter der Legion [Spaltenumbruch] von Petitionen werden sie sehr gewichtige Stimmen finden. - Endlich! Was ziehen sie vor? Ein Zerwürfniß mit Preußen oder eines mit Deutschland? - Preußen ist mit Deutschland stark, ohne Deutschland ein Zwerg! Wir haben den festen Punkt endlich gefunden, von dem aus wir, wie Archimed mit der Welt thun wollte, die Reaktion und den Despotismus aus ihren Angeln heben wollen. - Der Punkt ist das Volk! (fortwährendes Bravo links begleitet die Rede.) Schließlich stellt Eisenmann selbstständige Anträge, auf vorläufige Verwerfung des Waffenstillstand's und Abschließung eines solchen Seitens der Centralgewalt.- (Links und Gallerien Bravo! -)

Franke,Regierungs-Präsid. aus Schleswig (mit sehr unvernehmlicher Stimme) (laut!) hat zwar für Sistirung des Waffenstillstands gestimmt, - aus Dankbarkeit für Preußen (Zischen links und Galerie - rechts und diplomatische Tribüne bravo! -) Der edle König von Preußen (langes Zischen! furchtbares Bravo von Schwerin und von Vinke,) ist in der Bewegung Deutschland ja immer vorausgegangen. - Theilt die Furcht vor dem Ausland und den inneren Zerwürfnissen. - Einige Punkte im Waffenstillstand findet er außerordentlich vortheilhaft. Alle Punkte übrigens präjudiciren ja dem Frieden nicht. - (Langes Zischen begleitet ihn von der Tribüne.)

von Maltzahn Landgerichts-Direktor von Küstrin. Die Sorge für sein engeres Vaterland (Preußen) treibt ihn auf die Tribüne. - Er hat am 5. September mit der Minorität gestimmt, weil er die Akten noch nicht kannte. -

Wenn Moltke an der Spitze in Schleswig-Holstein geblieben wäre und die Centralgewalt (Vertreterin eines Volkes von 45 Millionen) in dem Waffenstillstand ganz vernachläßigt wäre, so würde er ihn wohl auch mißbilligt haben. Aber seit dem 5 habe sich vieles geändert. Er stellt die Anträge: In Erwägung, daß der Waffenstillstand theils unausführbar, theils den Wünschen des Volks nicht entsprechend ist, - soll der Waffenstillstand doch genehmigt werden, aber mit Modifikationen. -

von Hermann(Vicepräsid.) Vor der Vollmacht hätte das Reichsministerium sollen der Nat.-Vers. die Bedingungen vorlesen. -

Man hat einen Bevollmächtigen (Max Gagern) in die Nähe der Verhandlungen geschickt, hätte man ihn doch so nahe geschickt, daß er sie mit angehört hätte - Ich hätte mich (wenn ich das Ministerium gewesen wäre) (hört!) an die preußische Regierung gewendet und ihr voraus gesagt, solche Bedingungen können nicht ratifizirt werden - (Links sehr gut!) Man hat gesagt, Preußens Ehre sei verloren, wenn wir nicht ratifiziren. Nein! Es handelt sich nur um die Ehre einiger Minister. Warum haben sie einen ungeschickten Vertrag geschlossen? - In der Nichtratifizirung liegt gerade Preußens Ehrenrettung! (allgemeines lautes Bravo! Warmer Beifall! Zischen rechts!) Das gewesene Ministerium hat gemeint es habe immer gewissenhaft gehandelt man kann gewissenhaft handeln, und doch viele Fehler machen. (Gelächter Bravo!) -

Ich bin bei Camphausen gewesen, und habe ihn gefragt, ob kein Ausweg möglich, keine Vereinbarung der verschiedenen Anträge, durch Aenderung der Artikel. -

Camphausen hat sich nur für Modalitäten bei der Ausführung des Waffenstillstandes, nicht für Aenderung einzelner Artikel erklärt. Ich habe unter den Fraktionen dieses Hauses herumgehört, ob ein vermittelnder Antrag möglich sei der die Meinungen vereint. Ich habe mich von der Unmöglichkeit überzeugt. - (Links: hört!) Deshalb trete ich in meine alte Stellung zurück, und erkläre mich für den Antrag der Majorität des Ausschusses. (Lauter Beifall!) - Wir sprechen einfach aus, wir genehmigen nicht, so hat die ganze Sache ein Ende! Man hat der Sache eine übergroße Wichtigkeit beigelegt; - man hat uns mit Preußen gedroht - Das Gefühl was sich in Preußen (hier und da) kund giebt ist eine übertriebene Tugend. - An einen Krieg zwischen deutschen Stämmen glaube ich überhaupt nicht. Meine Herren, wollte Preußen einen Krieg, es würde den Feind in seinen eignen Lagern haben, nämlich alle Freunde der Einheit, alle Freunde der Freiheit. (Stürmischer Beifall.) Danemark diese kleine Macht, die obendrein noch den Krieg mit Unrecht führte, hat sich, ich sage es unverhohlen, die Achtung aller europäischen Mächte erworben, durch seine Energie! - Ahmen Sie es darin nach;- hüten sie sich daß man ihnen nicht eines Tages nachsagt: "sie sind zum Kinderspott geworden!" - (Endloser Beifall von allen Seiten des Hauses außer etwa 15 Mitgliedern der Rechten und der Diplomatentribüne.)

Schmerling(wailand Minister) greift, statt über die Sache selbst zu reden, unter fortwährendem Ruf: "zur Sache!" mit bissigen Worten Hermann an, den er den neuen Ministerkandidaten nennt. Sucht das alte Ministerium zu rechtfertigen. Seine kurze Rede athmet das, was man "Brodneid!" nennt.

Nach Schmerling wird die Diskussion bis Morgen um 9 Uhr vertagt. - Schluß um 1/2 4 Uhr.

103 Berlin, 14. Sept.

Die Ministerkrisis dauert noch fort. Nach einem Schreiben, welches der Minister-Präsident an den Präsidenten der Vereinbarer-Versammlung heute gerichtet und welches nach Eröffnung der heutigen Sitzung verlesen wurde, wird Herr von Beckerath erst morgen Nachmittag hier erwartet und da das neue Ministerium demnach noch nicht gebildet ist, stellt der Minister-Präsident anheim, die Sitzungen noch ferner auszusetzen. - Da der Umzug nach dem Konzertsaal des Schauspielhauses morgen beginnt und bis Dienstag beendet sein wird, so ist die nächste Sitzung zu Dienstag Vormittag 9 Uhr anberaumt worden.

Auf Antrag von 18 Mitgliedern der linken Seite, daß das Präsidium während der Zeit des Umzuges aus dem jetzigen Lokal in das neue für ein passendes Versammlungslokal Sorge tragen möchte, für den Fall, daß es nothwendig wäre, daß sich die Vereinbarer versammeln müßten, hat das Präsidium die Aula der Universität zu diesem Zwecke bestimmt und vom Rektor der Universität auch die Genehmigung dazu erhalten. Nachdem diese kurze Mittheilungen heute gemacht waren, wurde die Sitzung wieder geschlossen.

- Nicht nur in dem formellen Justizwesen sondern auch in der Gesetzgebung schreitet die Reform vorwärts. Der Entwurf zu einer neuen Hypothekenordnung ist beendigt, der Entwurf zur Gerichtsordnung aber befindet sich bereits unter der Presse. Wie man hört, soll dieser Entwurf aus nicht mehr als 900 Paragraphen bestehen. Die alte Gerichtsordnung zählt nicht weniger als 5160 Paragraphen. Rechnet man dazu die seit 33 Jahren her ergangene ungeheure Anzahl von ergänzenden und erläuternden Gesetzen und Rescripten, so kann man schon hieraus die ganze Schwerfällig- [Spaltenumbruch] keit unserer formellen Gesetzgebung ermessen und wie ein Zurechtfinden darin den Richtern kaum mehr möglich ist, geschweige denn dem nicht juristisch gebildeten Bürger. - Wie man hofft, werden wir bis zum Schlusse dieses Jahres Geschwornengerichte nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Lande erhalten, wenigstens vorläufig gewiß bei allen politischen und Preßprozessen. Was die Aufstellung der Geschwornenlisten zu den Assisen anbetrifft, so scheint man dahin übereingekommen zu sein, diese für jetzt durch die aus dem Wahlgesetze vom 8. April hervorgegangenen Wahlmänner vornehmen zu lassen.

(Publicist.)

- *

Die "Vossische Ztg." berichtet aus Köln, Freiligrath sei "nicht wegen Majestätsbeleidigung, sondern wegen Erregung von Mißvergnügen und Unzufriedenheit" angeklagt - so wenigstens soll Hr. Nikolovius einer Deputation des Arbeitervereins gesagt haben. Die gute "Vossische", die ihre angebornen Landrechtskategorieen von "Majestätsbeleidigung", und "Erregung von Mißvergnügen" etc. etc. für die ganze Welt für maßgebend hält!

* Wien.

Unsere Wiener Briefe vom 11. waren uns gestern ausgeblieben, so daß wir die Reichstagssitzung nach den dürftigen Berichten norddeutscher Blätter mittheilen mußten. Heute kommen uns gleichzeitig die Briefe vom 11. und 12. zu, und wir vervollständigen daher noch nachträglich aus dem Schreiben unseres 61 -Korrespondenten die Reichstagsdebatten über die Berichte des Petitionsausschusses.

Doliak trägt als Berichterstatter das Gutachten des Kommissionsausschusses über eine Petition der Dalmatiner vor, worin verlangt wird, daß für die italienischen Abgeordneten die Fragestellungen, Anträge, Auszüge der Verhandlungen u. s. w. in ihre Sprache übersetzt werde.

Borrosch spricht sich in sehr satyrischer Weise dagegen aus, indem er auf die Schwierigkeiten der Ausführung und auf die Kosten aufmerksam macht, wenn alle Nationalitäten des Reichstags ein gleiches Verlangen stellten.(Palacki lacht höhnisch dabei).

Ambrosch stellt einen ähnlichen Antrag für die Südslaven in den deutschen Provinzen.

Hawlitschek will die Uebersetzung auch für die Polen und Ruthenen, indem er die Sprache, die jeder spreche, für die beste ausgibt. Die Mehrzahl verstehe polnisch und ruthenisch.

Trojan hält sich nicht für schlechter als ein Deutscher, schließt sich aber Borrosch's Antrag auf Ernennung einer Kommission an, die darüber entscheiden solle.

Potocki: Wir haben nie auf des Recht verzichtet, hier unsere Sprache zu reden; es fragt sich nur, ob es zweckmäßig ist, daß wir sie reden; das Unrecht ist nur da vorhanden, wo die Abgeordneten kein Deutsch verstehen.

FürstLubomirski, der poln. Demokratenrenegat: Wir haben freiwillig deutsch gesprochen, wir müssen also auch den guten Willen der Petenten anerkennen. Was für Viele ein Recht ist, kann nicht wegen Schwierigkeiten verweigert werden; es verursacht keine Verspätung, wenn die Uebersetzung auch in 30 Sprachen geschieht. (Dieser dreißigfache Dudelsack würde einen herrlichen Canon heulen).

Borrosch: Es ist an meine Gerechtigkeit appellirt worden, ich nehme die Berufung an. Aber die Gerechtigkeit ist nicht zu seziren; die politische Gerechtigkeit steht mit dem Vernünftigen auf einer Stufe. Wenn wir fortfahren, uns mit solchen Dingen abzugeben so wird die Knute über uns siegen; die Nationalität wird sehr oft als Hetze gemißbraucht. Wir sitzen schon 8 Wochen und sprechen deutsch. Wenn wir Polyglottie einführen, so ist dieser erste Reichstag auch der letzte. In Nordamerika, in der Schweiz gibt es auch Sprachen, aber keinen Sprachstreit. Kein französischer Republikaner hat jemals das abgeschmackte Verlangen gestellt, daß der Baske, der Provenzale in seiner Sprache reden könne. (Murren, Bravo, Zischen). Nur hier kommen Nationalitätsliebhabereien und reaktionäre Sonderbündeleien zum Vorschein. (Wüthendes Gebrüll unter den Czechen und einem Theil der Polen; sie erheben sich, ballen die Fäuste gegen Borrosch. Vor allen andern zeichnen sich dabei Rieger, Palacki, Lubomirski, Trojan, Klaudy u. s. w. aus. Ordnungsruf von allen Seiten; der Präsident klingelt verschiedenemale und ruft mit büreaukratisch-leidenschaftlicher Stimmung den unter diesem Gewitter mit stoischer Ruhe stehen gebliebenen Borrosch zur Ordnung).

Borrosch will, immer gegen den grimace-schneidenden Palacki gewendet, weiter reden; der Präsident ermahnt ihn in dem vorigen Tone, sich der; Geschäftsordnung gemäß gegen ihn zu wenden.

Borrosch (mit spöttischer Verbeugung): Ich werde dem Herrn Präsidenten geschäftsordnungsschuldig gehorchen und beantrage ein eigenes Gericht für Uebersetzertreue.

Der Schluß der Debatte wird beantragt.

Löhner beantragt eine Vertagung auf morgen.

Lasser dagegen, weil der Petitionsausschuß ohnehin schon Vorwürfe bekommen habe.

Goldmark unterstützt den Antrag auf Vertagung.

Ein Abgeordneter stellt den Antrag, über Löhners und Goldmarks Antrag zur Tagesordnung überzugehen.

Die Tagesordnung wird angenommen

Rieger (mit tiefausgeholter czechischer Entrüstung): Ich bin bewegt, empört uber die Worte, die hier entfallen; man hat sich nicht entblödet....(bei seiner Wuth kaum verständlich).

Borrosch. Ich ersuche den Herrn Präsidenten, den Abgeordneten Rieger zur Ordnung zu rufen.

Präsident ruft denselben zur Ordnung, weil Borrosch vorhin die Erklärung gegeben, daß er keine Nationalität habe angreifen wollen.

Rieger: Damit kann ich nicht zufrieden sein. Wollen die Deutschen die Gleichberechtigung so verstehen, daß nur sie das Recht haben sollen, in ihrer Sprache zu reden? Sie sind die Minorität, wir Sklaven bilden die Macht, von uns hängt das Schicksal der Monarchie ab. Es gibt keine Staatssprache, keine privilegirte Nation, also auch keine privilegirte Sprache. Wir haben die Zwangsjacke an, wenn wir nur diese Sprache reden sollen. Die Nationalität ist so heilig, wie die persönliche Freiheit und wenn die Versammlung die deutsche Sprache als Geschäftssprache anerkennt, so werde ich mich diesem Beschluß nicht fügen, denn sie kann mir nicht rauben, was mir angeboren ist. (Herr Rieger spricht übrigens so gutes deutsch, wie ein geborner Deutscher und seine flegelhaften Wuthausdrücke, welche die Verhandlung sehr widerlich machen, sind ebenfalls sehr national-deutsch.)

Löhner: Die diese Frage jetzt einbrachten, haben das Gewicht nicht bedacht, nicht die Folgen, die sie haben muß. Im Anfang des Reichstag's [Fortsetzung]

[Spaltenumbruch]

[Fortsetzung] sehr patriarchalisches. Man denke sich den kleinen Schnapphahnski " sporenklirrend, schnurrbartkräuselnd" mitten zwischen seine Schaafe und Böcke tretend. Zu seiner Rechten stehen die Schaafe, zu seiner Linken die Böcke. " Verehrte Mutterschaafe und Böcke," beginnt Schnapphahnski-" ich bin im höchsten Grade erfreut Euch wieder zu sehen. Ich habe viel gereis't und außerordentliche Thaten bezeichnen meine Laufbahn. In O. in Schlesien, setzte ich dem Grafen S. ein Paar Hörner auf". - hier unterbrach den Redner das freudige Geblöck sämmtlicher Böcke - In Troppau erschlug ich den wilden Menschenfresser, den Grafen G. (allgemeines Erstaunen). In Berlin genoß ich den Lilienleib Carlottens (alle Schaafe schlagen verschämt die Augen nieder). In Spanien erwarb ich mir unsterblichen Ruhm unter Don Carlos (Schaafe und Böcke brechen in Oho und Bravo aus). In München erschoß ich den Herzog von...... und wurde deswegen verbannt (schmerzliche Rührung auf allen Gesichtern). In Wien drohte mich die Liebe der Damen zu erdrücken-(die Böcke wedeln und beißen einander in die Ohren). Verehrte Heerde, theure Majorats-Mutterschaafe und Böcke! Ihr begreift, daß mich ein wehmüthig süßes Gefühl beschleichen muß, wenn ich nach so ungewöhnlichen Fahrten und Schicksalen endlich in Euren stillfriedlichen Kreis zurückkehre (stilles Einverständniß aller Seelen). O, es ist mir zu Muthe, wie einem jener alten Nomaden, die uns das Buch der Bücher in so trefflichen, arabeskenhaften Mährchen zu schildern sucht. Gleiche ich nicht einem Joseph, einem Benjamin oder lieber jenem:

- - - Sohne des Hethiten,
Der einst die Maulthier' in der Wüst erfand,
Als er des Vaters Esel mußte hüten?
(Allgemeines Interesse.)

O, ihr Gespielen meiner Jugend, ihr lieben Angehörigen der Familie Schnapphahnski, seid mir gegrüßt, ja, seid mir von Herzen willkommen! Mit Euch aufgewachsen bin ich, ihr unvergleich- [Spaltenumbruch] lichen Mutterschaafe, und gern denke ich noch daran, wie ich Euch oft so zärtlich an die Lämmerschwänzchen faßte. Ja, mit Euch habe ich mich entwickelt, ihr herrlichen Böcke und nie werde ich vergessen, daß ich von Euch alle meine tollen Sprünge lernte, bis ich endlich älter und erfahrener wurde, und zu einem großen Sündenbock gedieh (Rauschender Beifall.) Ihr Schaafe zur Rechten und ihr Böcke zur Linken, hört meine Rede! Beide liebe ich Euch, und es ist nur ans altadliger Courtoisie, daß ich mich gewöhnlich mehr der Rechten zuwende; ja, Euch ihr trefflichen Mutterschaafe, da ihr der Stamm und der Hort der ganzen Race seid. (Bravo! Bravo! auf der Rechten.) O, mein Enthusiasmus für Euch und für diese Versammlung kennt keine Gränzen. Mit Euch, ihr Schaafe und Böcke, will ich schaffen und wirken für alle Schaafe und Böcke außerhalb dieser Versammlung. (Stürmische Jubelunterbrechung.) Groß ist unsere Aufgabe, aber nichts wird uns erschüttern. Einer der kühnsten Streiter stehe ich unter Euch, heiter das Haupt erhebend, und nur eins, ach, kränkt mich und schnürt mir das Herz zusammen (peinliche Aufmerksamkeit und lautlose Stille). Ja, eins nur thut mir weh, daß Ihr herrlichen Merino-Mutterschaafe und Böcke alle miteinander hypothezirt seid, und daß ihr nicht geschoren werdet für mich."

Es wird meinen Lesern nicht entgangen sein, daß die Beredsamkeit unsres Helden namentlich in einer tieftraurigen elegischen Wehmuth ihren Hauptreiz hat. Viele der ausgezeichnetsten Schaafe und Böcke haben mir versichert, daß sie bei verschiedenen Gelegenheiten wahrhaft davon bezaubert gewesen seien und sich schon bereit gehalten hätten, den Demosthenes der Wasserpolakei mit einem Donner des Applauses auf seinen Sitz zu begleiten, wenn nicht wider Erwarten, trotz aller adlig-patriarchalischen Phrasen, schließlich der Finanznoth blasse Wehmuth, tiefe Trauer, zum Vorschein gekommen wäre und der ganze Sermon in einem unsterblichen Gelächter sein Ende erreicht hätte.

Ja, die Finanznoth! Sie spielt in dem Leben unseres Helden [Spaltenumbruch] eine eben so große Rolle als die Liebe. Die Finanznoth war es auch, welche Sr. Hochgeboren vor allen Dingen wieder nach Berlin trieb.

Es wäre hier die Stelle, näher auf die Festlichkeiten einzugehen, die bei der Huldigung im Spätjahre 1840 in Berlin statthatten. Wir unterlassen dies aber. Herr von Schapphahnski hatte sich natürlich sehr darauf gefreut. Er hoffte, daß man bei dem allgemeinen Tumult nicht mehr an seine seltsame Vergangenheit denken würde. Mit der angebornen liebenswürdigen Frechheit glaubte er das Verlorene wieder erobern zu können und dann auch schnell zu Amt, Ehre und Credit, kurz, zu Allem zu gelangen was sein Dasein wünschenswerth machte.

"In Berlin" - heißt es in unsern Manuscripten - "wartete Sr. Hochgeboren aber ein äußerst schlechter Empfang von Seiten der schlesischen Ritterschaft. Nach langen Debatten beschloß dieselbe nämlich, zu einem Diner, das sie als Korporation gab, Herrn von Schnapphahnski nicht zuzulassen. Unser Ritter fand sich aber dennoch ein und setzte sich mit zu Tische. Da erhob sich die ganze Ritterschaft...(Fortsetzung folgt.)

Die Petitionskommission der Vereinbarungsversammlung hat einen zweiten Bericht veröffentlicht. An Kuriositäten ist derselbe wo möglich noch reicher als der erste. Fast die meisten der in ihm besprochenen Petitionen erstreben eine Abhülfe der partikulärsten Noth, Geldunterstützungen, Erlaß von Pachtzinsen, Erdledigung lästiger Prozesse u. dgl. m. Ein Hr. v. Brandenburg zu Memel bittet sogar um Veranstaltung einer Kollekte zur Abhülfe seines Nothstandes, da er, "obgleich Verkünder einer bessern Temperatur, Entdecker der wahren Entstehungsursache der Cholera und Stifter eines neuen naturgemäßen Weltsystems, von der Vorsehung mit unüberschwänglichen Gaben ausgestattet, dennoch unbelohnt und arm geblieben sei."

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[Fortsetzung] Tertianers Man hätte es gefährlich erachtet, Beschlüsse fassen zu lassen von der konstituirenden Versammlung, während man noch nicht einmal wisse, wer in dem Lande Befehle zu geben haben würde. Er beleuchtet die Frage: wie es damit steht, daß Preußen eine unumschränkte Vollmacht erhalten habe, wie das Berliner Ministerium behauptet hat.

Das Reichsministerium konnte die Hoffnung hegen auf eine Identitätsbill der Nationalversammlung bei Ertheilung der Vollmacht, da ja am 9. Juli sogar der etwaige Friede mit Dänemark ganz in die Hände der Centralgewalt gelegt worden ist. (Vor der Kirche Tumult. Die Versammlung zeigt Theilnahmlosigkeit und Unruhe.) Er sucht die Vorwürfe zu widerlegen, die man in Bezug auf die Vollmacht dem Reichsministerium gemacht hat. Preußen habe ja nie das Vertrauen Deutschlands verscherzt. (Unruhe.) Auf den Vorwurf: warum das Ministerium nicht selbstständig über Annahme oder Nichtannahme beschlossen hätte, antwortet er: verwerfen konnten wir ihn nicht aus höhern (und deshalb unsichtbaren!) Gründen für das Wohl Deutschlands; annehmen auch nicht. Geht zur Prüfung des Waffenstillstandes selbst und nimmt die einzelnen Bedingungen durch, die er nach alter Advokatenmanier zu rechtfertigen sucht. Bezüglich der 7 Monate ist die Centralgewalt auf den ersten Anblick schmerzlich überrascht gewesen. Preußen, so meine ich, war sogar selbst überrascht. (Gelächter!) Als Grund giebt man: Schweden habe genügende Zeit verlangt, um seine Truppen zu dispansiren. (Gelächter.) Auch in der Trennung der schleswigschen Truppen von den holsteinischen findet er keinen Grund zur Unzufriedenheit, vielmehr findet er dies sehr gut, um die dänischen Elemente von den deutschen zu trennen!

(Sehr gut!) In Bezug auf Artikel VII., die Administration der Herzogthümer: Auch uns war der Artikel unwillkommen, aber man muß billig sein. Moltke hätte mit Recht Unzufriedenheit erregt (Wahrhaftig!) Gegen die anderen Regierungsmitglieder nichts Wesentliches zu erinnern. Aus seiner Beleuchtung müsse es klar geworden sein, daß das Ministerium für Annahme des Waffenstillstandes stimmen mußte. Die Nachtheile des Gegentheils sind: 1. Bruch mit Preußen, dessen Ehre verpfändet. (Unterbrechungen. Tumult an der Kirchenthür.) „Preußens Ehre ist gewissermaßen engagirt,“ dies sind die Worte des Exministers. 2. Zerrissenheit, Entzweiung Deutschlands. 3. Die Fortführung der Krieges etc. bei Fortführung des Krieges zu Gunsten Preußens. (Links: Nein!)

Ich stehe hier im Bewußtsein, nie und nimmer in meiner Amtsführung gefehlt zu haben. Der deutsche Gesandte in London, und der offiziöse Gesandte Englands hier, werden mir (mit weinender Stimme) das Zeugniß geben. Zum Schluß heult Hr. Heckscher, weil kein anderes Mittel ihm übrig bleibt. (Fortwährender Tumult vor der Kirche.) Alle Mächte Europas haben mit Krieg gedroht. Keine Drohung gilt bei mir, aber das Wohl Deutschlands. Bedenken Sie, daß ein Waffenstillstand kein Friede ist. Ich begreife nicht, wie die deutsche Ehre dadurch verloren gehen kann. (Gelächter.) Selbst wenn kein Krieg zu fürchten, müssen wir Rücksicht nehmen auf die andern Länder Europas, in deren Verband Deutschland als Neuling tritt. (Zischen.) Endlich sucht er noch durch ein Rechenexempel zu beweisen, daß die Majoritöt des Ausschusses keine Majorität sei, weil er nicht mitgestimmt.

Vogt: Ich bitte die Namen der Redner zu verlesen. ‒ Gagern: Nein! ‒ (Auf dem Platz des Herrn Radowitz sitzt ein Sekretär der emsig nachschreibt.‒ Radowitz selbst fehlt.

Venedey wird weniger von der Ehre Dänemarks, (wie Heckscher) als von der Ehre Deutschlands sprechen. ‒ Wird auch die Aktenstücke durchnehmen und das Gegentheil von Herrn Heckscher beweisen! ‒ (Die Bänke ken der Abgeordneten lichten sich.) v. Arnim (früher Gesander in Paris) und Wrangel erwähnt er rühmend in dieser Sache. ‒ Aus einer Note Bunsen's beweist er daß derselbe, einer der besten Staatsmänner Deutschlands, die Bedingungen des Waffenstillstandes für ganz verwerflich erklärt hat. (Links: Hört! Hört!) ‒ Auerswald in einer Note spricht von der Centralgewalt und National-Versammlung als von einer dritten Macht, die sich in diese Angelegenheit mischt. ‒ Er hat sich auf den Standpunkt des Auslands in dieser Frage gestellt. ‒ Von Allem spricht er darin, nur nicht von Uns! ‒ Ebenso verhält es sich mit Herrn Camphausen. ‒ (Während der Rede Venedeys gehen die meisten Volksvertreter spazieren.) Die auswärtigen Mächte alle, glauben mit uns wohlfeiles Spiel zu haben, man verachtet uns, man tritt uns auf den Füßen herum. (Schallendes Bravo auf den Gallerien.) Wer die Vollmacht gemacht und gegeben hat, hat unser erstes Recht mit Füßen getreten. (Sehr gut!) Heckschers Vertheidigung des alten Ministeriums sei so schwach, daß er sich scheue dasselbe noch anzugreifen. ‒ Mit Max von Gagern habe man sein Spiel in Schleswig getrieben. ‒ Wenn es uns nicht gelingt, uns wieder Achtung zu verschaffen, wird es mit der Achtung Preußens auch vorüber sein. Preußen ist nur eine deutsche Provinz. (Schallender Beifall) Präs: der Beifall der Gallerien ist verboten. Einer auf der Gallerie ruft: (Nicht verboten und wird von den Constablern heraus geschmissen! ‒)

Arndt.(Aufregung.) Diesseits und jenseits ist in meiner Abwesenheit in dieser Sache geredet worden. Heute z. B. von dem wailand Reichsminister Heckscher. (Gelächter.) Ich will nur von der Stellung des Hauses in dieser Sache sprechen. Er denkt mit Wehmuth an die Küstenländer, in denen er geboren ist. ‒ Unser Zustand des Augenblicks hat mich bewegt in dieser Sache meine Meinung zu ändern.‒ Seit vierzehn Tagen haben wir keine Regierung, kein Ministerium! (Gelächter ‒ ) Dies ist ein gefährlicher Zustand. ‒ In großen Gefahren hat mein altes Herz nie gezittert, immer die rechte Entscheidung gefunden. ‒ Der alte Mann redet immer confuser in's Blaue und wird von dem Präsidenten zur Sache ermahnt. ‒ (Das Haus lacht.) ‒ Zuletzt scheint er sich (denn er faßt dies sehr dunkel) für die Anträge der Majorität, die er selbst mit unterzeichnet hat, zu erklären. ‒

Präs: (zur Linken.) M. H. ich bin erbötig die Petitionen vorlesen zu lassen. Rechts: Nein!

Eisenmann. Ebenso wie Arndt fühlt er sich gezwungen in dieser Sache seine Meinung zu ändern. ‒ Norddeutsche Blätter meinen, es gäbe bei diesem Waffenstillstand noch geheime Artikel. (Rechts: Gelächter!) Er bewundert die schnellen Fortschritte die Heckscher in der Diplomatie gemacht.(Schwerin und Vinke gebärden sich ungezogen.) Endlich fragt sich, ob man über so einen absurd geschlossenen Waffenstillstand erst zu entscheiden nöthig hätte. ‒ Einheit über Alles ist mein Grundsatz. Ich stelle sie sogar fast noch höher als die Freiheit. (Bravo links) Preußen anlangend; ‒ was ist denn Preußen ohne die Centralgewalt. ‒ Erinnern sie sich, wie Preußens Regierung nach den Märztagen schwankte, wie es eben die Centralgewalt wieder aufrichtete; und wie hat Preußen dies gelohnt! ‒ Er erinnert daran, daß Preußen (hört! hört!) die Berliner Versammlung auseinander sprengen wolle, wenn sie nicht jenem trotzigen Cabinet folgt. (v. Schwerin und Vinke Unterbrechungen. ‒ Links Bravo!) Es scheint es gibt Männer und Regierungen. die nur dann des Volkes Stimme hören, wenn es von den Barrikaden zu ihnen spricht. (Links: Bravo!) Wenn der Volksvertreter sich überzeugt, daß die große Menge des Volks hinter ihm; enn ist es Pflicht seine Meinung darnach zu richten. Unter der Legion [Spaltenumbruch] von Petitionen werden sie sehr gewichtige Stimmen finden. ‒ Endlich! Was ziehen sie vor? Ein Zerwürfniß mit Preußen oder eines mit Deutschland? ‒ Preußen ist mit Deutschland stark, ohne Deutschland ein Zwerg! Wir haben den festen Punkt endlich gefunden, von dem aus wir, wie Archimed mit der Welt thun wollte, die Reaktion und den Despotismus aus ihren Angeln heben wollen. ‒ Der Punkt ist das Volk! (fortwährendes Bravo links begleitet die Rede.) Schließlich stellt Eisenmann selbstständige Anträge, auf vorläufige Verwerfung des Waffenstillstand's und Abschließung eines solchen Seitens der Centralgewalt.‒ (Links und Gallerien Bravo! ‒)

Franke,Regierungs-Präsid. aus Schleswig (mit sehr unvernehmlicher Stimme) (laut!) hat zwar für Sistirung des Waffenstillstands gestimmt, ‒ aus Dankbarkeit für Preußen (Zischen links und Galerie ‒ rechts und diplomatische Tribüne bravo! ‒) Der edle König von Preußen (langes Zischen! furchtbares Bravo von Schwerin und von Vinke,) ist in der Bewegung Deutschland ja immer vorausgegangen. ‒ Theilt die Furcht vor dem Ausland und den inneren Zerwürfnissen. ‒ Einige Punkte im Waffenstillstand findet er außerordentlich vortheilhaft. Alle Punkte übrigens präjudiciren ja dem Frieden nicht. ‒ (Langes Zischen begleitet ihn von der Tribüne.)

von Maltzahn Landgerichts-Direktor von Küstrin. Die Sorge für sein engeres Vaterland (Preußen) treibt ihn auf die Tribüne. ‒ Er hat am 5. September mit der Minorität gestimmt, weil er die Akten noch nicht kannte. ‒

Wenn Moltke an der Spitze in Schleswig-Holstein geblieben wäre und die Centralgewalt (Vertreterin eines Volkes von 45 Millionen) in dem Waffenstillstand ganz vernachläßigt wäre, so würde er ihn wohl auch mißbilligt haben. Aber seit dem 5 habe sich vieles geändert. Er stellt die Anträge: In Erwägung, daß der Waffenstillstand theils unausführbar, theils den Wünschen des Volks nicht entsprechend ist, ‒ soll der Waffenstillstand doch genehmigt werden, aber mit Modifikationen. ‒

von Hermann(Vicepräsid.) Vor der Vollmacht hätte das Reichsministerium sollen der Nat.-Vers. die Bedingungen vorlesen. ‒

Man hat einen Bevollmächtigen (Max Gagern) in die Nähe der Verhandlungen geschickt, hätte man ihn doch so nahe geschickt, daß er sie mit angehört hätte ‒ Ich hätte mich (wenn ich das Ministerium gewesen wäre) (hört!) an die preußische Regierung gewendet und ihr voraus gesagt, solche Bedingungen können nicht ratifizirt werden ‒ (Links sehr gut!) Man hat gesagt, Preußens Ehre sei verloren, wenn wir nicht ratifiziren. Nein! Es handelt sich nur um die Ehre einiger Minister. Warum haben sie einen ungeschickten Vertrag geschlossen? ‒ In der Nichtratifizirung liegt gerade Preußens Ehrenrettung! (allgemeines lautes Bravo! Warmer Beifall! Zischen rechts!) Das gewesene Ministerium hat gemeint es habe immer gewissenhaft gehandelt man kann gewissenhaft handeln, und doch viele Fehler machen. (Gelächter Bravo!) ‒

Ich bin bei Camphausen gewesen, und habe ihn gefragt, ob kein Ausweg möglich, keine Vereinbarung der verschiedenen Anträge, durch Aenderung der Artikel. ‒

Camphausen hat sich nur für Modalitäten bei der Ausführung des Waffenstillstandes, nicht für Aenderung einzelner Artikel erklärt. Ich habe unter den Fraktionen dieses Hauses herumgehört, ob ein vermittelnder Antrag möglich sei der die Meinungen vereint. Ich habe mich von der Unmöglichkeit überzeugt. ‒ (Links: hört!) Deshalb trete ich in meine alte Stellung zurück, und erkläre mich für den Antrag der Majorität des Ausschusses. (Lauter Beifall!) ‒ Wir sprechen einfach aus, wir genehmigen nicht, so hat die ganze Sache ein Ende! Man hat der Sache eine übergroße Wichtigkeit beigelegt; ‒ man hat uns mit Preußen gedroht ‒ Das Gefühl was sich in Preußen (hier und da) kund giebt ist eine übertriebene Tugend. ‒ An einen Krieg zwischen deutschen Stämmen glaube ich überhaupt nicht. Meine Herren, wollte Preußen einen Krieg, es würde den Feind in seinen eignen Lagern haben, nämlich alle Freunde der Einheit, alle Freunde der Freiheit. (Stürmischer Beifall.) Danemark diese kleine Macht, die obendrein noch den Krieg mit Unrecht führte, hat sich, ich sage es unverhohlen, die Achtung aller europäischen Mächte erworben, durch seine Energie! ‒ Ahmen Sie es darin nach;‒ hüten sie sich daß man ihnen nicht eines Tages nachsagt: „sie sind zum Kinderspott geworden!“ ‒ (Endloser Beifall von allen Seiten des Hauses außer etwa 15 Mitgliedern der Rechten und der Diplomatentribüne.)

Schmerling(wailand Minister) greift, statt über die Sache selbst zu reden, unter fortwährendem Ruf: „zur Sache!“ mit bissigen Worten Hermann an, den er den neuen Ministerkandidaten nennt. Sucht das alte Ministerium zu rechtfertigen. Seine kurze Rede athmet das, was man „Brodneid!“ nennt.

Nach Schmerling wird die Diskussion bis Morgen um 9 Uhr vertagt. ‒ Schluß um 1/2 4 Uhr.

103 Berlin, 14. Sept.

Die Ministerkrisis dauert noch fort. Nach einem Schreiben, welches der Minister-Präsident an den Präsidenten der Vereinbarer-Versammlung heute gerichtet und welches nach Eröffnung der heutigen Sitzung verlesen wurde, wird Herr von Beckerath erst morgen Nachmittag hier erwartet und da das neue Ministerium demnach noch nicht gebildet ist, stellt der Minister-Präsident anheim, die Sitzungen noch ferner auszusetzen. ‒ Da der Umzug nach dem Konzertsaal des Schauspielhauses morgen beginnt und bis Dienstag beendet sein wird, so ist die nächste Sitzung zu Dienstag Vormittag 9 Uhr anberaumt worden.

Auf Antrag von 18 Mitgliedern der linken Seite, daß das Präsidium während der Zeit des Umzuges aus dem jetzigen Lokal in das neue für ein passendes Versammlungslokal Sorge tragen möchte, für den Fall, daß es nothwendig wäre, daß sich die Vereinbarer versammeln müßten, hat das Präsidium die Aula der Universität zu diesem Zwecke bestimmt und vom Rektor der Universität auch die Genehmigung dazu erhalten. Nachdem diese kurze Mittheilungen heute gemacht waren, wurde die Sitzung wieder geschlossen.

‒ Nicht nur in dem formellen Justizwesen sondern auch in der Gesetzgebung schreitet die Reform vorwärts. Der Entwurf zu einer neuen Hypothekenordnung ist beendigt, der Entwurf zur Gerichtsordnung aber befindet sich bereits unter der Presse. Wie man hört, soll dieser Entwurf aus nicht mehr als 900 Paragraphen bestehen. Die alte Gerichtsordnung zählt nicht weniger als 5160 Paragraphen. Rechnet man dazu die seit 33 Jahren her ergangene ungeheure Anzahl von ergänzenden und erläuternden Gesetzen und Rescripten, so kann man schon hieraus die ganze Schwerfällig- [Spaltenumbruch] keit unserer formellen Gesetzgebung ermessen und wie ein Zurechtfinden darin den Richtern kaum mehr möglich ist, geschweige denn dem nicht juristisch gebildeten Bürger. ‒ Wie man hofft, werden wir bis zum Schlusse dieses Jahres Geschwornengerichte nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Lande erhalten, wenigstens vorläufig gewiß bei allen politischen und Preßprozessen. Was die Aufstellung der Geschwornenlisten zu den Assisen anbetrifft, so scheint man dahin übereingekommen zu sein, diese für jetzt durch die aus dem Wahlgesetze vom 8. April hervorgegangenen Wahlmänner vornehmen zu lassen.

(Publicist.)

*

Die „Vossische Ztg.“ berichtet aus Köln, Freiligrath sei „nicht wegen Majestätsbeleidigung, sondern wegen Erregung von Mißvergnügen und Unzufriedenheit“ angeklagt ‒ so wenigstens soll Hr. Nikolovius einer Deputation des Arbeitervereins gesagt haben. Die gute „Vossische“, die ihre angebornen Landrechtskategorieen von „Majestätsbeleidigung“, und „Erregung von Mißvergnügen“ etc. etc. für die ganze Welt für maßgebend hält!

* Wien.

Unsere Wiener Briefe vom 11. waren uns gestern ausgeblieben, so daß wir die Reichstagssitzung nach den dürftigen Berichten norddeutscher Blätter mittheilen mußten. Heute kommen uns gleichzeitig die Briefe vom 11. und 12. zu, und wir vervollständigen daher noch nachträglich aus dem Schreiben unseres 61 -Korrespondenten die Reichstagsdebatten über die Berichte des Petitionsausschusses.

Doliak trägt als Berichterstatter das Gutachten des Kommissionsausschusses über eine Petition der Dalmatiner vor, worin verlangt wird, daß für die italienischen Abgeordneten die Fragestellungen, Anträge, Auszüge der Verhandlungen u. s. w. in ihre Sprache übersetzt werde.

Borrosch spricht sich in sehr satyrischer Weise dagegen aus, indem er auf die Schwierigkeiten der Ausführung und auf die Kosten aufmerksam macht, wenn alle Nationalitäten des Reichstags ein gleiches Verlangen stellten.(Palacki lacht höhnisch dabei).

Ambrosch stellt einen ähnlichen Antrag für die Südslaven in den deutschen Provinzen.

Hawlitschek will die Uebersetzung auch für die Polen und Ruthenen, indem er die Sprache, die jeder spreche, für die beste ausgibt. Die Mehrzahl verstehe polnisch und ruthenisch.

Trojan hält sich nicht für schlechter als ein Deutscher, schließt sich aber Borrosch's Antrag auf Ernennung einer Kommission an, die darüber entscheiden solle.

Potocki: Wir haben nie auf des Recht verzichtet, hier unsere Sprache zu reden; es fragt sich nur, ob es zweckmäßig ist, daß wir sie reden; das Unrecht ist nur da vorhanden, wo die Abgeordneten kein Deutsch verstehen.

FürstLubomirski, der poln. Demokratenrenegat: Wir haben freiwillig deutsch gesprochen, wir müssen also auch den guten Willen der Petenten anerkennen. Was für Viele ein Recht ist, kann nicht wegen Schwierigkeiten verweigert werden; es verursacht keine Verspätung, wenn die Uebersetzung auch in 30 Sprachen geschieht. (Dieser dreißigfache Dudelsack würde einen herrlichen Canon heulen).

Borrosch: Es ist an meine Gerechtigkeit appellirt worden, ich nehme die Berufung an. Aber die Gerechtigkeit ist nicht zu seziren; die politische Gerechtigkeit steht mit dem Vernünftigen auf einer Stufe. Wenn wir fortfahren, uns mit solchen Dingen abzugeben so wird die Knute über uns siegen; die Nationalität wird sehr oft als Hetze gemißbraucht. Wir sitzen schon 8 Wochen und sprechen deutsch. Wenn wir Polyglottie einführen, so ist dieser erste Reichstag auch der letzte. In Nordamerika, in der Schweiz gibt es auch Sprachen, aber keinen Sprachstreit. Kein französischer Republikaner hat jemals das abgeschmackte Verlangen gestellt, daß der Baske, der Provenzale in seiner Sprache reden könne. (Murren, Bravo, Zischen). Nur hier kommen Nationalitätsliebhabereien und reaktionäre Sonderbündeleien zum Vorschein. (Wüthendes Gebrüll unter den Czechen und einem Theil der Polen; sie erheben sich, ballen die Fäuste gegen Borrosch. Vor allen andern zeichnen sich dabei Rieger, Palacki, Lubomirski, Trojan, Klaudy u. s. w. aus. Ordnungsruf von allen Seiten; der Präsident klingelt verschiedenemale und ruft mit büreaukratisch-leidenschaftlicher Stimmung den unter diesem Gewitter mit stoischer Ruhe stehen gebliebenen Borrosch zur Ordnung).

Borrosch will, immer gegen den grimace-schneidenden Palacki gewendet, weiter reden; der Präsident ermahnt ihn in dem vorigen Tone, sich der; Geschäftsordnung gemäß gegen ihn zu wenden.

Borrosch (mit spöttischer Verbeugung): Ich werde dem Herrn Präsidenten geschäftsordnungsschuldig gehorchen und beantrage ein eigenes Gericht für Uebersetzertreue.

Der Schluß der Debatte wird beantragt.

Löhner beantragt eine Vertagung auf morgen.

Lasser dagegen, weil der Petitionsausschuß ohnehin schon Vorwürfe bekommen habe.

Goldmark unterstützt den Antrag auf Vertagung.

Ein Abgeordneter stellt den Antrag, über Löhners und Goldmarks Antrag zur Tagesordnung überzugehen.

Die Tagesordnung wird angenommen

Rieger (mit tiefausgeholter czechischer Entrüstung): Ich bin bewegt, empört uber die Worte, die hier entfallen; man hat sich nicht entblödet....(bei seiner Wuth kaum verständlich).

Borrosch. Ich ersuche den Herrn Präsidenten, den Abgeordneten Rieger zur Ordnung zu rufen.

Präsident ruft denselben zur Ordnung, weil Borrosch vorhin die Erklärung gegeben, daß er keine Nationalität habe angreifen wollen.

Rieger: Damit kann ich nicht zufrieden sein. Wollen die Deutschen die Gleichberechtigung so verstehen, daß nur sie das Recht haben sollen, in ihrer Sprache zu reden? Sie sind die Minorität, wir Sklaven bilden die Macht, von uns hängt das Schicksal der Monarchie ab. Es gibt keine Staatssprache, keine privilegirte Nation, also auch keine privilegirte Sprache. Wir haben die Zwangsjacke an, wenn wir nur diese Sprache reden sollen. Die Nationalität ist so heilig, wie die persönliche Freiheit und wenn die Versammlung die deutsche Sprache als Geschäftssprache anerkennt, so werde ich mich diesem Beschluß nicht fügen, denn sie kann mir nicht rauben, was mir angeboren ist. (Herr Rieger spricht übrigens so gutes deutsch, wie ein geborner Deutscher und seine flegelhaften Wuthausdrücke, welche die Verhandlung sehr widerlich machen, sind ebenfalls sehr national-deutsch.)

Löhner: Die diese Frage jetzt einbrachten, haben das Gewicht nicht bedacht, nicht die Folgen, die sie haben muß. Im Anfang des Reichstag's [Fortsetzung]

[Spaltenumbruch]

[Fortsetzung] sehr patriarchalisches. Man denke sich den kleinen Schnapphahnski „ sporenklirrend, schnurrbartkräuselnd“ mitten zwischen seine Schaafe und Böcke tretend. Zu seiner Rechten stehen die Schaafe, zu seiner Linken die Böcke. „ Verehrte Mutterschaafe und Böcke,“ beginnt Schnapphahnski‒„ ich bin im höchsten Grade erfreut Euch wieder zu sehen. Ich habe viel gereis't und außerordentliche Thaten bezeichnen meine Laufbahn. In O. in Schlesien, setzte ich dem Grafen S. ein Paar Hörner auf“. ‒ hier unterbrach den Redner das freudige Geblöck sämmtlicher Böcke ‒ In Troppau erschlug ich den wilden Menschenfresser, den Grafen G. (allgemeines Erstaunen). In Berlin genoß ich den Lilienleib Carlottens (alle Schaafe schlagen verschämt die Augen nieder). In Spanien erwarb ich mir unsterblichen Ruhm unter Don Carlos (Schaafe und Böcke brechen in Oho und Bravo aus). In München erschoß ich den Herzog von...... und wurde deswegen verbannt (schmerzliche Rührung auf allen Gesichtern). In Wien drohte mich die Liebe der Damen zu erdrücken‒(die Böcke wedeln und beißen einander in die Ohren). Verehrte Heerde, theure Majorats-Mutterschaafe und Böcke! Ihr begreift, daß mich ein wehmüthig süßes Gefühl beschleichen muß, wenn ich nach so ungewöhnlichen Fahrten und Schicksalen endlich in Euren stillfriedlichen Kreis zurückkehre (stilles Einverständniß aller Seelen). O, es ist mir zu Muthe, wie einem jener alten Nomaden, die uns das Buch der Bücher in so trefflichen, arabeskenhaften Mährchen zu schildern sucht. Gleiche ich nicht einem Joseph, einem Benjamin oder lieber jenem:

‒ ‒ ‒ Sohne des Hethiten,
Der einst die Maulthier' in der Wüst erfand,
Als er des Vaters Esel mußte hüten?
(Allgemeines Interesse.)

O, ihr Gespielen meiner Jugend, ihr lieben Angehörigen der Familie Schnapphahnski, seid mir gegrüßt, ja, seid mir von Herzen willkommen! Mit Euch aufgewachsen bin ich, ihr unvergleich- [Spaltenumbruch] lichen Mutterschaafe, und gern denke ich noch daran, wie ich Euch oft so zärtlich an die Lämmerschwänzchen faßte. Ja, mit Euch habe ich mich entwickelt, ihr herrlichen Böcke und nie werde ich vergessen, daß ich von Euch alle meine tollen Sprünge lernte, bis ich endlich älter und erfahrener wurde, und zu einem großen Sündenbock gedieh (Rauschender Beifall.) Ihr Schaafe zur Rechten und ihr Böcke zur Linken, hört meine Rede! Beide liebe ich Euch, und es ist nur ans altadliger Courtoisie, daß ich mich gewöhnlich mehr der Rechten zuwende; ja, Euch ihr trefflichen Mutterschaafe, da ihr der Stamm und der Hort der ganzen Race seid. (Bravo! Bravo! auf der Rechten.) O, mein Enthusiasmus für Euch und für diese Versammlung kennt keine Gränzen. Mit Euch, ihr Schaafe und Böcke, will ich schaffen und wirken für alle Schaafe und Böcke außerhalb dieser Versammlung. (Stürmische Jubelunterbrechung.) Groß ist unsere Aufgabe, aber nichts wird uns erschüttern. Einer der kühnsten Streiter stehe ich unter Euch, heiter das Haupt erhebend, und nur eins, ach, kränkt mich und schnürt mir das Herz zusammen (peinliche Aufmerksamkeit und lautlose Stille). Ja, eins nur thut mir weh, daß Ihr herrlichen Merino-Mutterschaafe und Böcke alle miteinander hypothezirt seid, und daß ihr nicht geschoren werdet für mich.“

Es wird meinen Lesern nicht entgangen sein, daß die Beredsamkeit unsres Helden namentlich in einer tieftraurigen elegischen Wehmuth ihren Hauptreiz hat. Viele der ausgezeichnetsten Schaafe und Böcke haben mir versichert, daß sie bei verschiedenen Gelegenheiten wahrhaft davon bezaubert gewesen seien und sich schon bereit gehalten hätten, den Demosthenes der Wasserpolakei mit einem Donner des Applauses auf seinen Sitz zu begleiten, wenn nicht wider Erwarten, trotz aller adlig-patriarchalischen Phrasen, schließlich der Finanznoth blasse Wehmuth, tiefe Trauer, zum Vorschein gekommen wäre und der ganze Sermon in einem unsterblichen Gelächter sein Ende erreicht hätte.

Ja, die Finanznoth! Sie spielt in dem Leben unseres Helden [Spaltenumbruch] eine eben so große Rolle als die Liebe. Die Finanznoth war es auch, welche Sr. Hochgeboren vor allen Dingen wieder nach Berlin trieb.

Es wäre hier die Stelle, näher auf die Festlichkeiten einzugehen, die bei der Huldigung im Spätjahre 1840 in Berlin statthatten. Wir unterlassen dies aber. Herr von Schapphahnski hatte sich natürlich sehr darauf gefreut. Er hoffte, daß man bei dem allgemeinen Tumult nicht mehr an seine seltsame Vergangenheit denken würde. Mit der angebornen liebenswürdigen Frechheit glaubte er das Verlorene wieder erobern zu können und dann auch schnell zu Amt, Ehre und Credit, kurz, zu Allem zu gelangen was sein Dasein wünschenswerth machte.

„In Berlin“ ‒ heißt es in unsern Manuscripten ‒ „wartete Sr. Hochgeboren aber ein äußerst schlechter Empfang von Seiten der schlesischen Ritterschaft. Nach langen Debatten beschloß dieselbe nämlich, zu einem Diner, das sie als Korporation gab, Herrn von Schnapphahnski nicht zuzulassen. Unser Ritter fand sich aber dennoch ein und setzte sich mit zu Tische. Da erhob sich die ganze Ritterschaft…(Fortsetzung folgt.)

Die Petitionskommission der Vereinbarungsversammlung hat einen zweiten Bericht veröffentlicht. An Kuriositäten ist derselbe wo möglich noch reicher als der erste. Fast die meisten der in ihm besprochenen Petitionen erstreben eine Abhülfe der partikulärsten Noth, Geldunterstützungen, Erlaß von Pachtzinsen, Erdledigung lästiger Prozesse u. dgl. m. Ein Hr. v. Brandenburg zu Memel bittet sogar um Veranstaltung einer Kollekte zur Abhülfe seines Nothstandes, da er, „obgleich Verkünder einer bessern Temperatur, Entdecker der wahren Entstehungsursache der Cholera und Stifter eines neuen naturgemäßen Weltsystems, von der Vorsehung mit unüberschwänglichen Gaben ausgestattet, dennoch unbelohnt und arm geblieben sei.“

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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Tertianers Man hätte es gefährlich erachtet,       Beschlüsse fassen zu lassen von der konstituirenden Versammlung, während man noch nicht einmal       wisse, wer in dem Lande Befehle zu geben haben würde. Er beleuchtet die Frage: wie es damit       steht, daß Preußen eine unumschränkte Vollmacht erhalten habe, wie das Berliner Ministerium       behauptet hat.</p>
          <p>Das Reichsministerium konnte die Hoffnung hegen auf eine Identitätsbill der       Nationalversammlung bei Ertheilung der Vollmacht, da ja am 9. Juli sogar der etwaige Friede       mit Dänemark ganz in die Hände der Centralgewalt gelegt worden ist. (Vor der Kirche Tumult.       Die Versammlung zeigt Theilnahmlosigkeit und Unruhe.) Er sucht die Vorwürfe zu widerlegen, die       man in Bezug auf die Vollmacht dem Reichsministerium gemacht hat. Preußen habe ja nie das       Vertrauen Deutschlands verscherzt. (Unruhe.) Auf den Vorwurf: warum das Ministerium nicht       selbstständig über Annahme oder Nichtannahme beschlossen hätte, antwortet er: verwerfen       konnten wir ihn nicht aus höhern (und deshalb unsichtbaren!) Gründen für das Wohl       Deutschlands; annehmen auch nicht. Geht zur Prüfung des Waffenstillstandes selbst und nimmt       die einzelnen Bedingungen durch, die er nach alter Advokatenmanier zu rechtfertigen sucht.       Bezüglich der 7 Monate ist die Centralgewalt auf den ersten Anblick schmerzlich überrascht       gewesen. Preußen, so meine ich, war sogar selbst überrascht. (Gelächter!) Als Grund giebt man:       Schweden habe genügende Zeit verlangt, um seine Truppen zu dispansiren. (Gelächter.) Auch in       der Trennung der schleswigschen Truppen von den holsteinischen findet er keinen Grund zur       Unzufriedenheit, vielmehr findet er dies sehr gut, um die dänischen Elemente von den deutschen       zu trennen!</p>
          <p>(Sehr gut!) In Bezug auf Artikel VII., die Administration der Herzogthümer: Auch uns war der       Artikel unwillkommen, aber man muß billig sein. Moltke hätte mit Recht Unzufriedenheit erregt       (Wahrhaftig!) Gegen die anderen Regierungsmitglieder nichts Wesentliches zu erinnern. Aus       seiner Beleuchtung müsse es klar geworden sein, daß das Ministerium für Annahme des       Waffenstillstandes stimmen mußte. Die Nachtheile des Gegentheils sind: 1. Bruch mit Preußen,       dessen Ehre verpfändet. (Unterbrechungen. Tumult an der Kirchenthür.) &#x201E;Preußens Ehre ist       gewissermaßen engagirt,&#x201C; dies sind die Worte des Exministers. 2. Zerrissenheit, Entzweiung       Deutschlands. 3. Die Fortführung der Krieges etc. bei Fortführung des Krieges zu Gunsten       Preußens. (Links: Nein!)</p>
          <p>Ich stehe hier im Bewußtsein, nie und nimmer in meiner Amtsführung gefehlt zu haben. Der       deutsche Gesandte in London, und der offiziöse Gesandte Englands hier, werden mir (mit       weinender Stimme) das Zeugniß geben. Zum Schluß heult Hr. Heckscher, weil kein anderes Mittel       ihm übrig bleibt. (Fortwährender Tumult vor der Kirche.) Alle Mächte Europas haben mit Krieg       gedroht. Keine Drohung gilt bei mir, aber das Wohl Deutschlands. Bedenken Sie, daß ein       Waffenstillstand kein Friede ist. Ich begreife nicht, wie die deutsche Ehre dadurch verloren       gehen kann. (Gelächter.) Selbst wenn kein Krieg zu fürchten, müssen wir Rücksicht nehmen auf       die andern Länder Europas, in deren Verband Deutschland als Neuling tritt. (Zischen.) Endlich       sucht er noch durch ein Rechenexempel zu beweisen, daß die Majoritöt des Ausschusses keine       Majorität sei, weil er nicht mitgestimmt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt:</hi> Ich bitte die Namen der Redner zu verlesen. &#x2012; Gagern: Nein! &#x2012;       (Auf dem Platz des Herrn Radowitz sitzt ein Sekretär der emsig nachschreibt.&#x2012; Radowitz selbst       fehlt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Venedey</hi> wird weniger von der Ehre Dänemarks, (wie Heckscher) als von       der Ehre Deutschlands sprechen. &#x2012; Wird auch die Aktenstücke durchnehmen und das Gegentheil von       Herrn Heckscher beweisen! &#x2012; (Die Bänke ken der Abgeordneten lichten sich.) v. Arnim (früher       Gesander in Paris) und Wrangel erwähnt er rühmend in dieser Sache. &#x2012; Aus einer Note Bunsen's       beweist er daß derselbe, einer der besten Staatsmänner Deutschlands, die Bedingungen des       Waffenstillstandes für ganz verwerflich erklärt hat. (Links: Hört! Hört!) &#x2012; Auerswald in einer       Note spricht von der Centralgewalt und National-Versammlung als von einer dritten Macht, die       sich in diese Angelegenheit mischt. &#x2012; Er hat sich auf den Standpunkt des Auslands in dieser       Frage gestellt. &#x2012; Von Allem spricht er darin, nur nicht von Uns! &#x2012; Ebenso verhält es sich mit       Herrn Camphausen. &#x2012; (Während der Rede Venedeys gehen die meisten Volksvertreter spazieren.)       Die auswärtigen Mächte alle, glauben mit uns wohlfeiles Spiel zu haben, man verachtet uns, man       tritt uns auf den Füßen herum. (Schallendes Bravo auf den Gallerien.) Wer die Vollmacht       gemacht und gegeben hat, hat unser erstes Recht mit Füßen getreten. (Sehr gut!) Heckschers       Vertheidigung des alten Ministeriums sei so schwach, daß er sich scheue dasselbe noch       anzugreifen. &#x2012; Mit Max von Gagern habe man sein Spiel in Schleswig getrieben. &#x2012; Wenn es uns       nicht gelingt, uns wieder Achtung zu verschaffen, wird es mit der Achtung Preußens auch       vorüber sein. Preußen ist nur eine deutsche Provinz. (Schallender Beifall) Präs: der Beifall       der Gallerien ist verboten. Einer auf der Gallerie ruft: (Nicht verboten und wird von den       Constablern heraus geschmissen! &#x2012;)</p>
          <p><hi rendition="#g">Arndt.</hi>(Aufregung.) Diesseits und jenseits ist in meiner Abwesenheit       in dieser Sache geredet worden. Heute z. B. von dem wailand Reichsminister Heckscher.       (Gelächter.) Ich will nur von der Stellung des Hauses in dieser Sache sprechen. Er denkt mit       Wehmuth an die Küstenländer, in denen er geboren ist. &#x2012; Unser Zustand des Augenblicks hat mich       bewegt in dieser Sache meine Meinung zu ändern.&#x2012; Seit vierzehn Tagen haben wir keine       Regierung, kein Ministerium! (Gelächter &#x2012; ) Dies ist ein gefährlicher Zustand. &#x2012; In großen       Gefahren hat mein altes Herz nie gezittert, immer die rechte Entscheidung gefunden. &#x2012; Der alte       Mann redet immer confuser in's Blaue und wird von dem Präsidenten zur Sache ermahnt. &#x2012; (Das       Haus lacht.) &#x2012; Zuletzt scheint er sich (denn er faßt dies sehr dunkel) für die Anträge der       Majorität, die er selbst mit unterzeichnet hat, zu erklären. &#x2012;</p>
          <p><hi rendition="#g">Präs:</hi> (zur Linken.) M. H. ich bin erbötig die Petitionen vorlesen zu       lassen. Rechts: Nein!</p>
          <p><hi rendition="#g">Eisenmann.</hi> Ebenso wie Arndt fühlt er sich gezwungen in dieser Sache       seine Meinung zu ändern. &#x2012; Norddeutsche Blätter meinen, es gäbe bei diesem Waffenstillstand       noch geheime Artikel. (Rechts: Gelächter!) Er bewundert die schnellen Fortschritte die       Heckscher in der Diplomatie gemacht.(Schwerin und Vinke gebärden sich ungezogen.) Endlich       fragt sich, ob man über so einen absurd geschlossenen Waffenstillstand erst zu entscheiden       nöthig hätte. &#x2012; Einheit über Alles ist mein Grundsatz. Ich stelle sie sogar fast noch höher       als die Freiheit. (Bravo links) Preußen anlangend; &#x2012; was ist denn Preußen ohne die       Centralgewalt. &#x2012; Erinnern sie sich, wie Preußens Regierung nach den Märztagen schwankte, wie       es eben die Centralgewalt wieder aufrichtete; und wie hat Preußen dies gelohnt! &#x2012; Er erinnert       daran, daß Preußen (hört! hört!) die Berliner Versammlung auseinander sprengen wolle, wenn sie       nicht jenem trotzigen Cabinet folgt. (v. Schwerin und Vinke Unterbrechungen. &#x2012; Links Bravo!)       Es scheint es gibt Männer und Regierungen. die nur dann des Volkes Stimme hören, wenn es von       den Barrikaden zu ihnen spricht. (Links: Bravo!) Wenn der Volksvertreter sich überzeugt, daß       die große Menge des Volks hinter ihm; enn ist es Pflicht seine Meinung darnach zu richten.       Unter der Legion <cb n="2"/>
von Petitionen werden sie sehr gewichtige Stimmen finden. &#x2012;       Endlich! Was ziehen sie vor? Ein Zerwürfniß mit Preußen oder eines mit Deutschland? &#x2012; Preußen       ist mit Deutschland stark, ohne Deutschland ein Zwerg! Wir haben den festen Punkt endlich       gefunden, von dem aus wir, wie Archimed mit der Welt thun wollte, die Reaktion und den       Despotismus aus ihren Angeln heben wollen. &#x2012; Der Punkt ist das Volk! (fortwährendes Bravo       links begleitet die Rede.) Schließlich stellt Eisenmann selbstständige Anträge, auf vorläufige       Verwerfung des Waffenstillstand's und Abschließung eines solchen Seitens der Centralgewalt.&#x2012;       (Links und Gallerien Bravo! &#x2012;)</p>
          <p><hi rendition="#g">Franke,</hi>Regierungs-Präsid. aus Schleswig (mit sehr unvernehmlicher       Stimme) (laut!) hat zwar für Sistirung des Waffenstillstands gestimmt, &#x2012; aus Dankbarkeit für       Preußen (Zischen links und Galerie &#x2012; rechts und diplomatische Tribüne bravo! &#x2012;) Der edle König       von Preußen (langes Zischen! furchtbares Bravo von Schwerin und von Vinke,) ist in der       Bewegung Deutschland ja immer vorausgegangen. &#x2012; Theilt die Furcht vor dem Ausland und den       inneren Zerwürfnissen. &#x2012; Einige Punkte im Waffenstillstand findet er außerordentlich       vortheilhaft. Alle Punkte übrigens präjudiciren ja dem Frieden nicht. &#x2012; (Langes Zischen       begleitet ihn von der Tribüne.)</p>
          <p><hi rendition="#g">von Maltzahn</hi> Landgerichts-Direktor von Küstrin. Die Sorge für sein       engeres Vaterland (Preußen) treibt ihn auf die Tribüne. &#x2012; Er hat am 5. September mit der       Minorität gestimmt, weil er die Akten noch nicht kannte. &#x2012;</p>
          <p>Wenn Moltke an der Spitze in Schleswig-Holstein geblieben wäre und die Centralgewalt       (Vertreterin eines Volkes von 45 Millionen) in dem Waffenstillstand ganz vernachläßigt wäre,       so würde er ihn wohl auch mißbilligt haben. Aber seit dem 5 habe sich vieles geändert. Er       stellt die Anträge: In Erwägung, daß der Waffenstillstand theils unausführbar, theils den       Wünschen des Volks nicht entsprechend ist, &#x2012; soll der Waffenstillstand doch genehmigt werden,       aber mit Modifikationen. &#x2012;</p>
          <p><hi rendition="#g">von Hermann</hi>(Vicepräsid.) Vor der Vollmacht hätte das       Reichsministerium sollen der Nat.-Vers. die Bedingungen vorlesen. &#x2012;</p>
          <p>Man hat einen Bevollmächtigen (Max Gagern) in die Nähe der Verhandlungen geschickt, hätte       man ihn doch so nahe geschickt, daß er sie mit angehört hätte &#x2012; Ich hätte mich (wenn ich das       Ministerium gewesen wäre) (hört!) an die preußische Regierung gewendet und ihr voraus gesagt,       solche Bedingungen können nicht ratifizirt werden &#x2012; (Links sehr gut!) Man hat gesagt, Preußens       Ehre sei verloren, wenn wir nicht ratifiziren. Nein! Es handelt sich nur um die Ehre einiger       Minister. Warum haben sie einen ungeschickten Vertrag geschlossen? &#x2012; In der Nichtratifizirung       liegt gerade Preußens Ehrenrettung! (allgemeines lautes Bravo! Warmer Beifall! Zischen       rechts!) Das gewesene Ministerium hat gemeint es habe immer gewissenhaft gehandelt man kann       gewissenhaft handeln, und doch viele Fehler machen. (Gelächter Bravo!) &#x2012;</p>
          <p>Ich bin bei Camphausen gewesen, und habe ihn gefragt, ob kein Ausweg möglich, keine       Vereinbarung der verschiedenen Anträge, durch Aenderung der Artikel. &#x2012;</p>
          <p>Camphausen hat sich nur für Modalitäten bei der Ausführung des Waffenstillstandes, nicht für       Aenderung einzelner Artikel erklärt. Ich habe unter den Fraktionen dieses Hauses herumgehört,       ob ein vermittelnder Antrag möglich sei der die Meinungen vereint. Ich habe mich von der       Unmöglichkeit überzeugt. &#x2012; (Links: hört!) Deshalb trete ich in meine alte Stellung zurück, und       erkläre mich für den Antrag der Majorität des Ausschusses. (Lauter Beifall!) &#x2012; Wir sprechen       einfach aus, wir genehmigen <hi rendition="#g">nicht</hi>, so hat die ganze Sache ein Ende!       Man hat der Sache eine übergroße Wichtigkeit beigelegt; &#x2012; man hat uns mit Preußen gedroht &#x2012;       Das Gefühl was sich in Preußen (hier und da) kund giebt ist eine übertriebene Tugend. &#x2012; An       einen Krieg zwischen deutschen Stämmen glaube ich überhaupt nicht. Meine Herren, wollte       Preußen einen Krieg, es würde den Feind in seinen eignen Lagern haben, nämlich alle Freunde       der Einheit, alle Freunde der Freiheit. (Stürmischer Beifall.) Danemark diese kleine Macht,       die obendrein noch den Krieg mit Unrecht führte, hat sich, ich sage es unverhohlen, die       Achtung aller europäischen Mächte erworben, durch seine Energie! &#x2012; Ahmen Sie es darin nach;&#x2012;       hüten sie sich daß man ihnen nicht eines Tages nachsagt: &#x201E;sie sind zum Kinderspott geworden!&#x201C;       &#x2012; (Endloser Beifall von allen Seiten des Hauses außer etwa 15 Mitgliedern der Rechten und der       Diplomatentribüne.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Schmerling</hi>(wailand Minister) greift, statt über die Sache selbst zu       reden, unter fortwährendem Ruf: &#x201E;zur Sache!&#x201C; mit bissigen Worten Hermann an, den er den neuen       Ministerkandidaten nennt. Sucht das alte Ministerium zu rechtfertigen. Seine kurze Rede athmet       das, was man &#x201E;Brodneid!&#x201C; nennt.</p>
          <p>Nach Schmerling wird die Diskussion bis Morgen um 9 Uhr vertagt. &#x2012; Schluß um 1/2 4 Uhr.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar105_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 14. Sept.</head>
          <p>Die Ministerkrisis dauert noch fort. Nach einem Schreiben, welches der Minister-Präsident an       den Präsidenten der Vereinbarer-Versammlung heute gerichtet und welches nach Eröffnung der       heutigen Sitzung verlesen wurde, wird Herr von Beckerath erst morgen Nachmittag hier erwartet       und da das neue Ministerium demnach noch nicht gebildet ist, stellt der Minister-Präsident       anheim, die Sitzungen noch ferner auszusetzen. &#x2012; Da der Umzug nach dem Konzertsaal des       Schauspielhauses morgen beginnt und bis Dienstag beendet sein wird, so ist die nächste Sitzung       zu Dienstag Vormittag 9 Uhr anberaumt worden.</p>
          <p>Auf Antrag von 18 Mitgliedern der linken Seite, daß das Präsidium während der Zeit des       Umzuges aus dem jetzigen Lokal in das neue für ein passendes Versammlungslokal Sorge tragen       möchte, für den Fall, daß es nothwendig wäre, daß sich die Vereinbarer versammeln müßten, hat       das Präsidium die Aula der Universität zu diesem Zwecke bestimmt und vom Rektor der       Universität auch die Genehmigung dazu erhalten. Nachdem diese kurze Mittheilungen heute       gemacht waren, wurde die Sitzung wieder geschlossen.</p>
          <p>&#x2012; Nicht nur in dem formellen Justizwesen sondern auch in der Gesetzgebung schreitet die       Reform vorwärts. Der Entwurf zu einer neuen Hypothekenordnung ist beendigt, der Entwurf zur       Gerichtsordnung aber befindet sich bereits unter der Presse. Wie man hört, soll dieser Entwurf       aus nicht mehr als 900 Paragraphen bestehen. Die alte Gerichtsordnung zählt nicht weniger als       5160 Paragraphen. Rechnet man dazu die seit 33 Jahren her ergangene ungeheure Anzahl von       ergänzenden und erläuternden Gesetzen und Rescripten, so kann man schon hieraus die ganze       Schwerfällig- <cb n="3"/>
keit unserer formellen Gesetzgebung ermessen und wie ein       Zurechtfinden darin den Richtern kaum mehr möglich ist, geschweige denn dem nicht juristisch       gebildeten Bürger. &#x2012; Wie man hofft, werden wir bis zum Schlusse dieses Jahres       Geschwornengerichte nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Lande erhalten, wenigstens       vorläufig gewiß bei allen politischen und Preßprozessen. Was die Aufstellung der       Geschwornenlisten zu den Assisen anbetrifft, so scheint man dahin übereingekommen zu sein,       diese für jetzt durch die aus dem Wahlgesetze vom 8. April hervorgegangenen Wahlmänner       vornehmen zu lassen.</p>
          <p>(Publicist.)</p>
        </div>
        <div xml:id="ar105_007" type="jArticle">
          <head>&#x2012; <bibl><author>*</author></bibl>                </head>
          <p>Die &#x201E;Vossische Ztg.&#x201C; berichtet aus Köln, Freiligrath sei &#x201E;nicht wegen <hi rendition="#g">Majestätsbeleidigung,</hi> sondern wegen Erregung von Mißvergnügen und Unzufriedenheit&#x201C;       angeklagt &#x2012; so wenigstens soll Hr. Nikolovius einer Deputation des Arbeitervereins gesagt       haben. Die gute &#x201E;Vossische&#x201C;, die ihre angebornen Landrechtskategorieen von       &#x201E;Majestätsbeleidigung&#x201C;, und &#x201E;Erregung von Mißvergnügen&#x201C; etc. etc. für die ganze Welt für       maßgebend hält!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar105_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien.</head>
          <p>Unsere Wiener Briefe vom 11. waren uns gestern ausgeblieben, so daß wir die       Reichstagssitzung nach den dürftigen Berichten norddeutscher Blätter mittheilen mußten. Heute       kommen uns gleichzeitig die Briefe vom 11. und 12. zu, und wir vervollständigen daher noch       nachträglich aus dem Schreiben unseres <bibl><author>61</author></bibl> -Korrespondenten die       Reichstagsdebatten über die Berichte des Petitionsausschusses.</p>
          <p><hi rendition="#g">Doliak</hi> trägt als Berichterstatter das Gutachten des       Kommissionsausschusses über eine Petition der Dalmatiner vor, worin verlangt wird, daß für die       italienischen Abgeordneten die Fragestellungen, Anträge, Auszüge der Verhandlungen u. s. w. in       ihre Sprache übersetzt werde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi> spricht sich in sehr satyrischer Weise dagegen aus, indem       er auf die Schwierigkeiten der Ausführung und auf die Kosten aufmerksam macht, wenn alle       Nationalitäten des Reichstags ein gleiches Verlangen stellten.(Palacki lacht höhnisch       dabei).</p>
          <p><hi rendition="#g">Ambrosch</hi> stellt einen ähnlichen Antrag für die Südslaven in den       deutschen Provinzen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Hawlitschek</hi> will die Uebersetzung auch für die Polen und Ruthenen,       indem er die Sprache, die jeder spreche, für die beste ausgibt. Die Mehrzahl verstehe polnisch       und ruthenisch.</p>
          <p><hi rendition="#g">Trojan</hi> hält sich nicht für schlechter als ein Deutscher, schließt       sich aber Borrosch's Antrag auf Ernennung einer Kommission an, die darüber entscheiden       solle.</p>
          <p><hi rendition="#g">Potocki:</hi> Wir haben nie auf des Recht verzichtet, hier unsere Sprache       zu reden; es fragt sich nur, ob es zweckmäßig ist, daß wir sie reden; das Unrecht ist nur da       vorhanden, wo die Abgeordneten kein Deutsch verstehen.</p>
          <p>Fürst<hi rendition="#g">Lubomirski,</hi> der poln. Demokratenrenegat: Wir haben freiwillig       deutsch gesprochen, wir müssen also auch den guten Willen der Petenten anerkennen. Was für       Viele ein Recht ist, kann nicht wegen Schwierigkeiten verweigert werden; es verursacht keine       Verspätung, wenn die Uebersetzung auch in 30 Sprachen geschieht. (Dieser dreißigfache       Dudelsack würde einen herrlichen Canon heulen).</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch:</hi> Es ist an meine Gerechtigkeit appellirt worden, ich nehme       die Berufung an. Aber die Gerechtigkeit ist nicht zu seziren; die politische Gerechtigkeit       steht mit dem Vernünftigen auf einer Stufe. Wenn wir fortfahren, uns mit solchen Dingen       abzugeben so wird die Knute über uns siegen; die Nationalität wird sehr oft als Hetze       gemißbraucht. Wir sitzen schon 8 Wochen und sprechen deutsch. Wenn wir Polyglottie einführen,       so ist dieser erste Reichstag auch der letzte. In Nordamerika, in der Schweiz gibt es auch       Sprachen, aber keinen Sprachstreit. Kein französischer Republikaner hat jemals das       abgeschmackte Verlangen gestellt, daß der Baske, der Provenzale in seiner Sprache reden könne.       (Murren, Bravo, Zischen). Nur hier kommen Nationalitätsliebhabereien und reaktionäre       Sonderbündeleien zum Vorschein. (Wüthendes Gebrüll unter den Czechen und einem Theil der       Polen; sie erheben sich, ballen die Fäuste gegen Borrosch. Vor allen andern zeichnen sich       dabei Rieger, Palacki, Lubomirski, Trojan, Klaudy u. s. w. aus. Ordnungsruf von allen Seiten;       der Präsident klingelt verschiedenemale und ruft mit büreaukratisch-leidenschaftlicher       Stimmung den unter diesem Gewitter mit stoischer Ruhe stehen gebliebenen Borrosch zur       Ordnung).</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi> will, immer gegen den grimace-schneidenden Palacki       gewendet, weiter reden; der Präsident ermahnt ihn in dem vorigen Tone, sich der;       Geschäftsordnung gemäß gegen ihn zu wenden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi> (mit spöttischer Verbeugung): Ich werde dem Herrn       Präsidenten geschäftsordnungsschuldig gehorchen und beantrage ein eigenes Gericht für       Uebersetzertreue.</p>
          <p>Der Schluß der Debatte wird beantragt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Löhner</hi> beantragt eine Vertagung auf morgen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Lasser</hi> dagegen, weil der Petitionsausschuß ohnehin schon Vorwürfe       bekommen habe.</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark</hi> unterstützt den Antrag auf Vertagung.</p>
          <p>Ein Abgeordneter stellt den Antrag, über Löhners und Goldmarks Antrag zur Tagesordnung       überzugehen.</p>
          <p>Die Tagesordnung wird angenommen</p>
          <p><hi rendition="#g">Rieger</hi> (mit tiefausgeholter czechischer Entrüstung): Ich bin bewegt,       empört uber die Worte, die hier entfallen; man hat sich nicht entblödet....(bei seiner Wuth       kaum verständlich).</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch.</hi> Ich ersuche den Herrn Präsidenten, den Abgeordneten Rieger       zur Ordnung zu rufen.</p>
          <p>Präsident ruft denselben zur Ordnung, weil Borrosch vorhin die Erklärung gegeben, daß er       keine Nationalität habe angreifen wollen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Rieger:</hi> Damit kann ich nicht zufrieden sein. Wollen die Deutschen       die Gleichberechtigung so verstehen, daß nur sie das Recht haben sollen, in ihrer Sprache zu       reden? Sie sind die Minorität, wir Sklaven bilden die Macht, von uns hängt das Schicksal der       Monarchie ab. Es gibt keine Staatssprache, keine privilegirte Nation, also auch keine       privilegirte Sprache. Wir haben die Zwangsjacke an, wenn wir nur diese Sprache reden sollen.       Die Nationalität ist so heilig, wie die persönliche Freiheit und wenn die Versammlung die       deutsche Sprache als Geschäftssprache anerkennt, so werde ich mich diesem Beschluß nicht       fügen, denn sie kann mir nicht rauben, was mir angeboren ist. (Herr Rieger spricht übrigens so       gutes deutsch, wie ein geborner Deutscher und seine flegelhaften Wuthausdrücke, welche die       Verhandlung sehr widerlich machen, sind ebenfalls sehr national-deutsch.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Löhner:</hi> Die diese Frage jetzt einbrachten, haben das Gewicht nicht       bedacht, nicht die Folgen, die sie haben muß. Im Anfang des Reichstag's <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
        </div>
        <cb n="4"/>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar105_009" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> sehr patriarchalisches. Man denke sich den kleinen       Schnapphahnski &#x201E; sporenklirrend, schnurrbartkräuselnd&#x201C; mitten zwischen seine Schaafe und Böcke       tretend. Zu seiner Rechten stehen die Schaafe, zu seiner Linken die Böcke. &#x201E; Verehrte       Mutterschaafe und Böcke,&#x201C; beginnt Schnapphahnski&#x2012;&#x201E; ich bin im höchsten Grade erfreut Euch       wieder zu sehen. Ich habe viel gereis't und außerordentliche Thaten bezeichnen meine Laufbahn.       In O. in Schlesien, setzte ich dem Grafen S. ein Paar Hörner auf&#x201C;. &#x2012; hier unterbrach den       Redner das freudige Geblöck sämmtlicher Böcke &#x2012; In Troppau erschlug ich den wilden       Menschenfresser, den Grafen G. (allgemeines Erstaunen). In Berlin genoß ich den Lilienleib       Carlottens (alle Schaafe schlagen verschämt die Augen nieder). In Spanien erwarb ich mir       unsterblichen Ruhm unter Don Carlos (Schaafe und Böcke brechen in Oho und Bravo aus). In       München erschoß ich den Herzog von...... und wurde deswegen verbannt (schmerzliche Rührung auf       allen Gesichtern). In Wien drohte mich die Liebe der Damen zu erdrücken&#x2012;(die Böcke wedeln und       beißen einander in die Ohren). Verehrte Heerde, theure Majorats-Mutterschaafe und Böcke! Ihr       begreift, daß mich ein wehmüthig süßes Gefühl beschleichen muß, wenn ich nach so       ungewöhnlichen Fahrten und Schicksalen endlich in Euren stillfriedlichen Kreis zurückkehre       (stilles Einverständniß aller Seelen). O, es ist mir zu Muthe, wie einem jener alten Nomaden,       die uns das Buch der Bücher in so trefflichen, arabeskenhaften Mährchen zu schildern sucht.       Gleiche ich nicht einem Joseph, einem Benjamin oder lieber jenem:</p>
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            <l>&#x2012; &#x2012; &#x2012; Sohne des Hethiten,</l><lb/>
            <l>Der einst die Maulthier' in der Wüst erfand,</l><lb/>
            <l>Als er des Vaters Esel mußte hüten?</l><lb/>
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          <bibl>(Allgemeines Interesse.)</bibl>
          <p>O, ihr Gespielen meiner Jugend, ihr lieben Angehörigen der Familie Schnapphahnski, seid mir       gegrüßt, ja, seid mir von Herzen willkommen! Mit Euch aufgewachsen bin ich, ihr unvergleich-        <cb n="5"/>
lichen Mutterschaafe, und gern denke ich noch daran, wie ich Euch oft so zärtlich       an die Lämmerschwänzchen faßte. Ja, mit Euch habe ich mich entwickelt, ihr herrlichen Böcke       und nie werde ich vergessen, daß ich von Euch alle meine tollen Sprünge lernte, bis ich       endlich älter und erfahrener wurde, und zu einem <hi rendition="#g">großen Sündenbock</hi> gedieh (Rauschender Beifall.) Ihr Schaafe zur Rechten und ihr Böcke zur Linken, hört meine       Rede! Beide liebe ich Euch, und es ist nur ans altadliger Courtoisie, daß ich mich gewöhnlich       mehr der Rechten zuwende; ja, Euch ihr trefflichen Mutterschaafe, da ihr der Stamm und der       Hort der ganzen Race seid. (Bravo! Bravo! auf der Rechten.) O, mein Enthusiasmus für Euch und       für diese Versammlung kennt keine Gränzen. Mit Euch, ihr Schaafe und Böcke, will ich schaffen       und wirken für alle Schaafe und Böcke außerhalb dieser Versammlung. (Stürmische       Jubelunterbrechung.) Groß ist unsere Aufgabe, aber nichts wird uns erschüttern. Einer der       kühnsten Streiter stehe ich unter Euch, heiter das Haupt erhebend, und nur eins, ach, kränkt       mich und schnürt mir das Herz zusammen (peinliche Aufmerksamkeit und lautlose Stille). Ja,       eins nur thut mir weh, daß Ihr herrlichen Merino-Mutterschaafe und Böcke alle miteinander       hypothezirt seid, und daß ihr nicht geschoren werdet für mich.&#x201C;</p>
          <p>Es wird meinen Lesern nicht entgangen sein, daß die Beredsamkeit unsres Helden namentlich in       einer tieftraurigen elegischen Wehmuth ihren Hauptreiz hat. Viele der ausgezeichnetsten       Schaafe und Böcke haben mir versichert, daß sie bei verschiedenen Gelegenheiten wahrhaft davon       bezaubert gewesen seien und sich schon bereit gehalten hätten, den Demosthenes der       Wasserpolakei mit einem Donner des Applauses auf seinen Sitz zu begleiten, wenn nicht wider       Erwarten, trotz aller adlig-patriarchalischen Phrasen, schließlich der Finanznoth blasse       Wehmuth, tiefe Trauer, zum Vorschein gekommen wäre und der ganze Sermon in einem unsterblichen       Gelächter sein Ende erreicht hätte.</p>
          <p>Ja, die Finanznoth! Sie spielt in dem Leben unseres Helden <cb n="6"/>
eine eben so große       Rolle als die Liebe. Die Finanznoth war es auch, welche Sr. Hochgeboren vor allen Dingen       wieder nach Berlin trieb.</p>
          <p>Es wäre hier die Stelle, näher auf die Festlichkeiten einzugehen, die bei der Huldigung im       Spätjahre 1840 in Berlin statthatten. Wir unterlassen dies aber. Herr von Schapphahnski hatte       sich natürlich sehr darauf gefreut. Er hoffte, daß man bei dem allgemeinen Tumult nicht mehr       an seine seltsame Vergangenheit denken würde. Mit der angebornen liebenswürdigen Frechheit       glaubte er das Verlorene wieder erobern zu können und dann auch schnell zu Amt, Ehre und       Credit, kurz, zu Allem zu gelangen was sein Dasein wünschenswerth machte.</p>
          <p>&#x201E;In Berlin&#x201C; &#x2012; heißt es in unsern Manuscripten &#x2012; &#x201E;wartete Sr. Hochgeboren aber ein äußerst       schlechter Empfang von Seiten der schlesischen Ritterschaft. Nach langen Debatten beschloß       dieselbe nämlich, zu einem Diner, das sie als Korporation gab, Herrn von Schnapphahnski <hi rendition="#g">nicht</hi> zuzulassen. Unser Ritter fand sich aber dennoch ein und setzte sich       mit zu Tische. Da erhob sich die ganze Ritterschaft&#x2026;(Fortsetzung folgt.)</p>
        </div>
        <div xml:id="ar105_010" type="jArticle">
          <p>Die Petitionskommission der Vereinbarungsversammlung hat einen zweiten Bericht       veröffentlicht. An Kuriositäten ist derselbe wo möglich noch reicher als der erste. Fast die       meisten der in ihm besprochenen Petitionen erstreben eine Abhülfe der partikulärsten Noth,       Geldunterstützungen, Erlaß von Pachtzinsen, Erdledigung lästiger Prozesse u. dgl. m. Ein Hr.       v. Brandenburg zu Memel bittet sogar um Veranstaltung einer Kollekte zur Abhülfe seines       Nothstandes, da er, &#x201E;obgleich Verkünder einer bessern Temperatur, Entdecker der wahren       Entstehungsursache der Cholera und Stifter eines neuen naturgemäßen Weltsystems, von der       Vorsehung mit unüberschwänglichen Gaben ausgestattet, dennoch unbelohnt und arm geblieben       sei.&#x201C;</p>
        </div>
      </div>
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  </text>
</TEI>
[0522/0002] [Deutschland] [Fortsetzung] Tertianers Man hätte es gefährlich erachtet, Beschlüsse fassen zu lassen von der konstituirenden Versammlung, während man noch nicht einmal wisse, wer in dem Lande Befehle zu geben haben würde. Er beleuchtet die Frage: wie es damit steht, daß Preußen eine unumschränkte Vollmacht erhalten habe, wie das Berliner Ministerium behauptet hat. Das Reichsministerium konnte die Hoffnung hegen auf eine Identitätsbill der Nationalversammlung bei Ertheilung der Vollmacht, da ja am 9. Juli sogar der etwaige Friede mit Dänemark ganz in die Hände der Centralgewalt gelegt worden ist. (Vor der Kirche Tumult. Die Versammlung zeigt Theilnahmlosigkeit und Unruhe.) Er sucht die Vorwürfe zu widerlegen, die man in Bezug auf die Vollmacht dem Reichsministerium gemacht hat. Preußen habe ja nie das Vertrauen Deutschlands verscherzt. (Unruhe.) Auf den Vorwurf: warum das Ministerium nicht selbstständig über Annahme oder Nichtannahme beschlossen hätte, antwortet er: verwerfen konnten wir ihn nicht aus höhern (und deshalb unsichtbaren!) Gründen für das Wohl Deutschlands; annehmen auch nicht. Geht zur Prüfung des Waffenstillstandes selbst und nimmt die einzelnen Bedingungen durch, die er nach alter Advokatenmanier zu rechtfertigen sucht. Bezüglich der 7 Monate ist die Centralgewalt auf den ersten Anblick schmerzlich überrascht gewesen. Preußen, so meine ich, war sogar selbst überrascht. (Gelächter!) Als Grund giebt man: Schweden habe genügende Zeit verlangt, um seine Truppen zu dispansiren. (Gelächter.) Auch in der Trennung der schleswigschen Truppen von den holsteinischen findet er keinen Grund zur Unzufriedenheit, vielmehr findet er dies sehr gut, um die dänischen Elemente von den deutschen zu trennen! (Sehr gut!) In Bezug auf Artikel VII., die Administration der Herzogthümer: Auch uns war der Artikel unwillkommen, aber man muß billig sein. Moltke hätte mit Recht Unzufriedenheit erregt (Wahrhaftig!) Gegen die anderen Regierungsmitglieder nichts Wesentliches zu erinnern. Aus seiner Beleuchtung müsse es klar geworden sein, daß das Ministerium für Annahme des Waffenstillstandes stimmen mußte. Die Nachtheile des Gegentheils sind: 1. Bruch mit Preußen, dessen Ehre verpfändet. (Unterbrechungen. Tumult an der Kirchenthür.) „Preußens Ehre ist gewissermaßen engagirt,“ dies sind die Worte des Exministers. 2. Zerrissenheit, Entzweiung Deutschlands. 3. Die Fortführung der Krieges etc. bei Fortführung des Krieges zu Gunsten Preußens. (Links: Nein!) Ich stehe hier im Bewußtsein, nie und nimmer in meiner Amtsführung gefehlt zu haben. Der deutsche Gesandte in London, und der offiziöse Gesandte Englands hier, werden mir (mit weinender Stimme) das Zeugniß geben. Zum Schluß heult Hr. Heckscher, weil kein anderes Mittel ihm übrig bleibt. (Fortwährender Tumult vor der Kirche.) Alle Mächte Europas haben mit Krieg gedroht. Keine Drohung gilt bei mir, aber das Wohl Deutschlands. Bedenken Sie, daß ein Waffenstillstand kein Friede ist. Ich begreife nicht, wie die deutsche Ehre dadurch verloren gehen kann. (Gelächter.) Selbst wenn kein Krieg zu fürchten, müssen wir Rücksicht nehmen auf die andern Länder Europas, in deren Verband Deutschland als Neuling tritt. (Zischen.) Endlich sucht er noch durch ein Rechenexempel zu beweisen, daß die Majoritöt des Ausschusses keine Majorität sei, weil er nicht mitgestimmt. Vogt: Ich bitte die Namen der Redner zu verlesen. ‒ Gagern: Nein! ‒ (Auf dem Platz des Herrn Radowitz sitzt ein Sekretär der emsig nachschreibt.‒ Radowitz selbst fehlt. Venedey wird weniger von der Ehre Dänemarks, (wie Heckscher) als von der Ehre Deutschlands sprechen. ‒ Wird auch die Aktenstücke durchnehmen und das Gegentheil von Herrn Heckscher beweisen! ‒ (Die Bänke ken der Abgeordneten lichten sich.) v. Arnim (früher Gesander in Paris) und Wrangel erwähnt er rühmend in dieser Sache. ‒ Aus einer Note Bunsen's beweist er daß derselbe, einer der besten Staatsmänner Deutschlands, die Bedingungen des Waffenstillstandes für ganz verwerflich erklärt hat. (Links: Hört! Hört!) ‒ Auerswald in einer Note spricht von der Centralgewalt und National-Versammlung als von einer dritten Macht, die sich in diese Angelegenheit mischt. ‒ Er hat sich auf den Standpunkt des Auslands in dieser Frage gestellt. ‒ Von Allem spricht er darin, nur nicht von Uns! ‒ Ebenso verhält es sich mit Herrn Camphausen. ‒ (Während der Rede Venedeys gehen die meisten Volksvertreter spazieren.) Die auswärtigen Mächte alle, glauben mit uns wohlfeiles Spiel zu haben, man verachtet uns, man tritt uns auf den Füßen herum. (Schallendes Bravo auf den Gallerien.) Wer die Vollmacht gemacht und gegeben hat, hat unser erstes Recht mit Füßen getreten. (Sehr gut!) Heckschers Vertheidigung des alten Ministeriums sei so schwach, daß er sich scheue dasselbe noch anzugreifen. ‒ Mit Max von Gagern habe man sein Spiel in Schleswig getrieben. ‒ Wenn es uns nicht gelingt, uns wieder Achtung zu verschaffen, wird es mit der Achtung Preußens auch vorüber sein. Preußen ist nur eine deutsche Provinz. (Schallender Beifall) Präs: der Beifall der Gallerien ist verboten. Einer auf der Gallerie ruft: (Nicht verboten und wird von den Constablern heraus geschmissen! ‒) Arndt.(Aufregung.) Diesseits und jenseits ist in meiner Abwesenheit in dieser Sache geredet worden. Heute z. B. von dem wailand Reichsminister Heckscher. (Gelächter.) Ich will nur von der Stellung des Hauses in dieser Sache sprechen. Er denkt mit Wehmuth an die Küstenländer, in denen er geboren ist. ‒ Unser Zustand des Augenblicks hat mich bewegt in dieser Sache meine Meinung zu ändern.‒ Seit vierzehn Tagen haben wir keine Regierung, kein Ministerium! (Gelächter ‒ ) Dies ist ein gefährlicher Zustand. ‒ In großen Gefahren hat mein altes Herz nie gezittert, immer die rechte Entscheidung gefunden. ‒ Der alte Mann redet immer confuser in's Blaue und wird von dem Präsidenten zur Sache ermahnt. ‒ (Das Haus lacht.) ‒ Zuletzt scheint er sich (denn er faßt dies sehr dunkel) für die Anträge der Majorität, die er selbst mit unterzeichnet hat, zu erklären. ‒ Präs: (zur Linken.) M. H. ich bin erbötig die Petitionen vorlesen zu lassen. Rechts: Nein! Eisenmann. Ebenso wie Arndt fühlt er sich gezwungen in dieser Sache seine Meinung zu ändern. ‒ Norddeutsche Blätter meinen, es gäbe bei diesem Waffenstillstand noch geheime Artikel. (Rechts: Gelächter!) Er bewundert die schnellen Fortschritte die Heckscher in der Diplomatie gemacht.(Schwerin und Vinke gebärden sich ungezogen.) Endlich fragt sich, ob man über so einen absurd geschlossenen Waffenstillstand erst zu entscheiden nöthig hätte. ‒ Einheit über Alles ist mein Grundsatz. Ich stelle sie sogar fast noch höher als die Freiheit. (Bravo links) Preußen anlangend; ‒ was ist denn Preußen ohne die Centralgewalt. ‒ Erinnern sie sich, wie Preußens Regierung nach den Märztagen schwankte, wie es eben die Centralgewalt wieder aufrichtete; und wie hat Preußen dies gelohnt! ‒ Er erinnert daran, daß Preußen (hört! hört!) die Berliner Versammlung auseinander sprengen wolle, wenn sie nicht jenem trotzigen Cabinet folgt. (v. Schwerin und Vinke Unterbrechungen. ‒ Links Bravo!) Es scheint es gibt Männer und Regierungen. die nur dann des Volkes Stimme hören, wenn es von den Barrikaden zu ihnen spricht. (Links: Bravo!) Wenn der Volksvertreter sich überzeugt, daß die große Menge des Volks hinter ihm; enn ist es Pflicht seine Meinung darnach zu richten. Unter der Legion von Petitionen werden sie sehr gewichtige Stimmen finden. ‒ Endlich! Was ziehen sie vor? Ein Zerwürfniß mit Preußen oder eines mit Deutschland? ‒ Preußen ist mit Deutschland stark, ohne Deutschland ein Zwerg! Wir haben den festen Punkt endlich gefunden, von dem aus wir, wie Archimed mit der Welt thun wollte, die Reaktion und den Despotismus aus ihren Angeln heben wollen. ‒ Der Punkt ist das Volk! (fortwährendes Bravo links begleitet die Rede.) Schließlich stellt Eisenmann selbstständige Anträge, auf vorläufige Verwerfung des Waffenstillstand's und Abschließung eines solchen Seitens der Centralgewalt.‒ (Links und Gallerien Bravo! ‒) Franke,Regierungs-Präsid. aus Schleswig (mit sehr unvernehmlicher Stimme) (laut!) hat zwar für Sistirung des Waffenstillstands gestimmt, ‒ aus Dankbarkeit für Preußen (Zischen links und Galerie ‒ rechts und diplomatische Tribüne bravo! ‒) Der edle König von Preußen (langes Zischen! furchtbares Bravo von Schwerin und von Vinke,) ist in der Bewegung Deutschland ja immer vorausgegangen. ‒ Theilt die Furcht vor dem Ausland und den inneren Zerwürfnissen. ‒ Einige Punkte im Waffenstillstand findet er außerordentlich vortheilhaft. Alle Punkte übrigens präjudiciren ja dem Frieden nicht. ‒ (Langes Zischen begleitet ihn von der Tribüne.) von Maltzahn Landgerichts-Direktor von Küstrin. Die Sorge für sein engeres Vaterland (Preußen) treibt ihn auf die Tribüne. ‒ Er hat am 5. September mit der Minorität gestimmt, weil er die Akten noch nicht kannte. ‒ Wenn Moltke an der Spitze in Schleswig-Holstein geblieben wäre und die Centralgewalt (Vertreterin eines Volkes von 45 Millionen) in dem Waffenstillstand ganz vernachläßigt wäre, so würde er ihn wohl auch mißbilligt haben. Aber seit dem 5 habe sich vieles geändert. Er stellt die Anträge: In Erwägung, daß der Waffenstillstand theils unausführbar, theils den Wünschen des Volks nicht entsprechend ist, ‒ soll der Waffenstillstand doch genehmigt werden, aber mit Modifikationen. ‒ von Hermann(Vicepräsid.) Vor der Vollmacht hätte das Reichsministerium sollen der Nat.-Vers. die Bedingungen vorlesen. ‒ Man hat einen Bevollmächtigen (Max Gagern) in die Nähe der Verhandlungen geschickt, hätte man ihn doch so nahe geschickt, daß er sie mit angehört hätte ‒ Ich hätte mich (wenn ich das Ministerium gewesen wäre) (hört!) an die preußische Regierung gewendet und ihr voraus gesagt, solche Bedingungen können nicht ratifizirt werden ‒ (Links sehr gut!) Man hat gesagt, Preußens Ehre sei verloren, wenn wir nicht ratifiziren. Nein! Es handelt sich nur um die Ehre einiger Minister. Warum haben sie einen ungeschickten Vertrag geschlossen? ‒ In der Nichtratifizirung liegt gerade Preußens Ehrenrettung! (allgemeines lautes Bravo! Warmer Beifall! Zischen rechts!) Das gewesene Ministerium hat gemeint es habe immer gewissenhaft gehandelt man kann gewissenhaft handeln, und doch viele Fehler machen. (Gelächter Bravo!) ‒ Ich bin bei Camphausen gewesen, und habe ihn gefragt, ob kein Ausweg möglich, keine Vereinbarung der verschiedenen Anträge, durch Aenderung der Artikel. ‒ Camphausen hat sich nur für Modalitäten bei der Ausführung des Waffenstillstandes, nicht für Aenderung einzelner Artikel erklärt. Ich habe unter den Fraktionen dieses Hauses herumgehört, ob ein vermittelnder Antrag möglich sei der die Meinungen vereint. Ich habe mich von der Unmöglichkeit überzeugt. ‒ (Links: hört!) Deshalb trete ich in meine alte Stellung zurück, und erkläre mich für den Antrag der Majorität des Ausschusses. (Lauter Beifall!) ‒ Wir sprechen einfach aus, wir genehmigen nicht, so hat die ganze Sache ein Ende! Man hat der Sache eine übergroße Wichtigkeit beigelegt; ‒ man hat uns mit Preußen gedroht ‒ Das Gefühl was sich in Preußen (hier und da) kund giebt ist eine übertriebene Tugend. ‒ An einen Krieg zwischen deutschen Stämmen glaube ich überhaupt nicht. Meine Herren, wollte Preußen einen Krieg, es würde den Feind in seinen eignen Lagern haben, nämlich alle Freunde der Einheit, alle Freunde der Freiheit. (Stürmischer Beifall.) Danemark diese kleine Macht, die obendrein noch den Krieg mit Unrecht führte, hat sich, ich sage es unverhohlen, die Achtung aller europäischen Mächte erworben, durch seine Energie! ‒ Ahmen Sie es darin nach;‒ hüten sie sich daß man ihnen nicht eines Tages nachsagt: „sie sind zum Kinderspott geworden!“ ‒ (Endloser Beifall von allen Seiten des Hauses außer etwa 15 Mitgliedern der Rechten und der Diplomatentribüne.) Schmerling(wailand Minister) greift, statt über die Sache selbst zu reden, unter fortwährendem Ruf: „zur Sache!“ mit bissigen Worten Hermann an, den er den neuen Ministerkandidaten nennt. Sucht das alte Ministerium zu rechtfertigen. Seine kurze Rede athmet das, was man „Brodneid!“ nennt. Nach Schmerling wird die Diskussion bis Morgen um 9 Uhr vertagt. ‒ Schluß um 1/2 4 Uhr. 103 Berlin, 14. Sept. Die Ministerkrisis dauert noch fort. Nach einem Schreiben, welches der Minister-Präsident an den Präsidenten der Vereinbarer-Versammlung heute gerichtet und welches nach Eröffnung der heutigen Sitzung verlesen wurde, wird Herr von Beckerath erst morgen Nachmittag hier erwartet und da das neue Ministerium demnach noch nicht gebildet ist, stellt der Minister-Präsident anheim, die Sitzungen noch ferner auszusetzen. ‒ Da der Umzug nach dem Konzertsaal des Schauspielhauses morgen beginnt und bis Dienstag beendet sein wird, so ist die nächste Sitzung zu Dienstag Vormittag 9 Uhr anberaumt worden. Auf Antrag von 18 Mitgliedern der linken Seite, daß das Präsidium während der Zeit des Umzuges aus dem jetzigen Lokal in das neue für ein passendes Versammlungslokal Sorge tragen möchte, für den Fall, daß es nothwendig wäre, daß sich die Vereinbarer versammeln müßten, hat das Präsidium die Aula der Universität zu diesem Zwecke bestimmt und vom Rektor der Universität auch die Genehmigung dazu erhalten. Nachdem diese kurze Mittheilungen heute gemacht waren, wurde die Sitzung wieder geschlossen. ‒ Nicht nur in dem formellen Justizwesen sondern auch in der Gesetzgebung schreitet die Reform vorwärts. Der Entwurf zu einer neuen Hypothekenordnung ist beendigt, der Entwurf zur Gerichtsordnung aber befindet sich bereits unter der Presse. Wie man hört, soll dieser Entwurf aus nicht mehr als 900 Paragraphen bestehen. Die alte Gerichtsordnung zählt nicht weniger als 5160 Paragraphen. Rechnet man dazu die seit 33 Jahren her ergangene ungeheure Anzahl von ergänzenden und erläuternden Gesetzen und Rescripten, so kann man schon hieraus die ganze Schwerfällig- keit unserer formellen Gesetzgebung ermessen und wie ein Zurechtfinden darin den Richtern kaum mehr möglich ist, geschweige denn dem nicht juristisch gebildeten Bürger. ‒ Wie man hofft, werden wir bis zum Schlusse dieses Jahres Geschwornengerichte nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Lande erhalten, wenigstens vorläufig gewiß bei allen politischen und Preßprozessen. Was die Aufstellung der Geschwornenlisten zu den Assisen anbetrifft, so scheint man dahin übereingekommen zu sein, diese für jetzt durch die aus dem Wahlgesetze vom 8. April hervorgegangenen Wahlmänner vornehmen zu lassen. (Publicist.) ‒ * Die „Vossische Ztg.“ berichtet aus Köln, Freiligrath sei „nicht wegen Majestätsbeleidigung, sondern wegen Erregung von Mißvergnügen und Unzufriedenheit“ angeklagt ‒ so wenigstens soll Hr. Nikolovius einer Deputation des Arbeitervereins gesagt haben. Die gute „Vossische“, die ihre angebornen Landrechtskategorieen von „Majestätsbeleidigung“, und „Erregung von Mißvergnügen“ etc. etc. für die ganze Welt für maßgebend hält! * Wien. Unsere Wiener Briefe vom 11. waren uns gestern ausgeblieben, so daß wir die Reichstagssitzung nach den dürftigen Berichten norddeutscher Blätter mittheilen mußten. Heute kommen uns gleichzeitig die Briefe vom 11. und 12. zu, und wir vervollständigen daher noch nachträglich aus dem Schreiben unseres 61 -Korrespondenten die Reichstagsdebatten über die Berichte des Petitionsausschusses. Doliak trägt als Berichterstatter das Gutachten des Kommissionsausschusses über eine Petition der Dalmatiner vor, worin verlangt wird, daß für die italienischen Abgeordneten die Fragestellungen, Anträge, Auszüge der Verhandlungen u. s. w. in ihre Sprache übersetzt werde. Borrosch spricht sich in sehr satyrischer Weise dagegen aus, indem er auf die Schwierigkeiten der Ausführung und auf die Kosten aufmerksam macht, wenn alle Nationalitäten des Reichstags ein gleiches Verlangen stellten.(Palacki lacht höhnisch dabei). Ambrosch stellt einen ähnlichen Antrag für die Südslaven in den deutschen Provinzen. Hawlitschek will die Uebersetzung auch für die Polen und Ruthenen, indem er die Sprache, die jeder spreche, für die beste ausgibt. Die Mehrzahl verstehe polnisch und ruthenisch. Trojan hält sich nicht für schlechter als ein Deutscher, schließt sich aber Borrosch's Antrag auf Ernennung einer Kommission an, die darüber entscheiden solle. Potocki: Wir haben nie auf des Recht verzichtet, hier unsere Sprache zu reden; es fragt sich nur, ob es zweckmäßig ist, daß wir sie reden; das Unrecht ist nur da vorhanden, wo die Abgeordneten kein Deutsch verstehen. FürstLubomirski, der poln. Demokratenrenegat: Wir haben freiwillig deutsch gesprochen, wir müssen also auch den guten Willen der Petenten anerkennen. Was für Viele ein Recht ist, kann nicht wegen Schwierigkeiten verweigert werden; es verursacht keine Verspätung, wenn die Uebersetzung auch in 30 Sprachen geschieht. (Dieser dreißigfache Dudelsack würde einen herrlichen Canon heulen). Borrosch: Es ist an meine Gerechtigkeit appellirt worden, ich nehme die Berufung an. Aber die Gerechtigkeit ist nicht zu seziren; die politische Gerechtigkeit steht mit dem Vernünftigen auf einer Stufe. Wenn wir fortfahren, uns mit solchen Dingen abzugeben so wird die Knute über uns siegen; die Nationalität wird sehr oft als Hetze gemißbraucht. Wir sitzen schon 8 Wochen und sprechen deutsch. Wenn wir Polyglottie einführen, so ist dieser erste Reichstag auch der letzte. In Nordamerika, in der Schweiz gibt es auch Sprachen, aber keinen Sprachstreit. Kein französischer Republikaner hat jemals das abgeschmackte Verlangen gestellt, daß der Baske, der Provenzale in seiner Sprache reden könne. (Murren, Bravo, Zischen). Nur hier kommen Nationalitätsliebhabereien und reaktionäre Sonderbündeleien zum Vorschein. (Wüthendes Gebrüll unter den Czechen und einem Theil der Polen; sie erheben sich, ballen die Fäuste gegen Borrosch. Vor allen andern zeichnen sich dabei Rieger, Palacki, Lubomirski, Trojan, Klaudy u. s. w. aus. Ordnungsruf von allen Seiten; der Präsident klingelt verschiedenemale und ruft mit büreaukratisch-leidenschaftlicher Stimmung den unter diesem Gewitter mit stoischer Ruhe stehen gebliebenen Borrosch zur Ordnung). Borrosch will, immer gegen den grimace-schneidenden Palacki gewendet, weiter reden; der Präsident ermahnt ihn in dem vorigen Tone, sich der; Geschäftsordnung gemäß gegen ihn zu wenden. Borrosch (mit spöttischer Verbeugung): Ich werde dem Herrn Präsidenten geschäftsordnungsschuldig gehorchen und beantrage ein eigenes Gericht für Uebersetzertreue. Der Schluß der Debatte wird beantragt. Löhner beantragt eine Vertagung auf morgen. Lasser dagegen, weil der Petitionsausschuß ohnehin schon Vorwürfe bekommen habe. Goldmark unterstützt den Antrag auf Vertagung. Ein Abgeordneter stellt den Antrag, über Löhners und Goldmarks Antrag zur Tagesordnung überzugehen. Die Tagesordnung wird angenommen Rieger (mit tiefausgeholter czechischer Entrüstung): Ich bin bewegt, empört uber die Worte, die hier entfallen; man hat sich nicht entblödet....(bei seiner Wuth kaum verständlich). Borrosch. Ich ersuche den Herrn Präsidenten, den Abgeordneten Rieger zur Ordnung zu rufen. Präsident ruft denselben zur Ordnung, weil Borrosch vorhin die Erklärung gegeben, daß er keine Nationalität habe angreifen wollen. Rieger: Damit kann ich nicht zufrieden sein. Wollen die Deutschen die Gleichberechtigung so verstehen, daß nur sie das Recht haben sollen, in ihrer Sprache zu reden? Sie sind die Minorität, wir Sklaven bilden die Macht, von uns hängt das Schicksal der Monarchie ab. Es gibt keine Staatssprache, keine privilegirte Nation, also auch keine privilegirte Sprache. Wir haben die Zwangsjacke an, wenn wir nur diese Sprache reden sollen. Die Nationalität ist so heilig, wie die persönliche Freiheit und wenn die Versammlung die deutsche Sprache als Geschäftssprache anerkennt, so werde ich mich diesem Beschluß nicht fügen, denn sie kann mir nicht rauben, was mir angeboren ist. (Herr Rieger spricht übrigens so gutes deutsch, wie ein geborner Deutscher und seine flegelhaften Wuthausdrücke, welche die Verhandlung sehr widerlich machen, sind ebenfalls sehr national-deutsch.) Löhner: Die diese Frage jetzt einbrachten, haben das Gewicht nicht bedacht, nicht die Folgen, die sie haben muß. Im Anfang des Reichstag's [Fortsetzung] [Fortsetzung] sehr patriarchalisches. Man denke sich den kleinen Schnapphahnski „ sporenklirrend, schnurrbartkräuselnd“ mitten zwischen seine Schaafe und Böcke tretend. Zu seiner Rechten stehen die Schaafe, zu seiner Linken die Böcke. „ Verehrte Mutterschaafe und Böcke,“ beginnt Schnapphahnski‒„ ich bin im höchsten Grade erfreut Euch wieder zu sehen. Ich habe viel gereis't und außerordentliche Thaten bezeichnen meine Laufbahn. In O. in Schlesien, setzte ich dem Grafen S. ein Paar Hörner auf“. ‒ hier unterbrach den Redner das freudige Geblöck sämmtlicher Böcke ‒ In Troppau erschlug ich den wilden Menschenfresser, den Grafen G. (allgemeines Erstaunen). In Berlin genoß ich den Lilienleib Carlottens (alle Schaafe schlagen verschämt die Augen nieder). In Spanien erwarb ich mir unsterblichen Ruhm unter Don Carlos (Schaafe und Böcke brechen in Oho und Bravo aus). In München erschoß ich den Herzog von...... und wurde deswegen verbannt (schmerzliche Rührung auf allen Gesichtern). In Wien drohte mich die Liebe der Damen zu erdrücken‒(die Böcke wedeln und beißen einander in die Ohren). Verehrte Heerde, theure Majorats-Mutterschaafe und Böcke! Ihr begreift, daß mich ein wehmüthig süßes Gefühl beschleichen muß, wenn ich nach so ungewöhnlichen Fahrten und Schicksalen endlich in Euren stillfriedlichen Kreis zurückkehre (stilles Einverständniß aller Seelen). O, es ist mir zu Muthe, wie einem jener alten Nomaden, die uns das Buch der Bücher in so trefflichen, arabeskenhaften Mährchen zu schildern sucht. Gleiche ich nicht einem Joseph, einem Benjamin oder lieber jenem: ‒ ‒ ‒ Sohne des Hethiten, Der einst die Maulthier' in der Wüst erfand, Als er des Vaters Esel mußte hüten? (Allgemeines Interesse.) O, ihr Gespielen meiner Jugend, ihr lieben Angehörigen der Familie Schnapphahnski, seid mir gegrüßt, ja, seid mir von Herzen willkommen! Mit Euch aufgewachsen bin ich, ihr unvergleich- lichen Mutterschaafe, und gern denke ich noch daran, wie ich Euch oft so zärtlich an die Lämmerschwänzchen faßte. Ja, mit Euch habe ich mich entwickelt, ihr herrlichen Böcke und nie werde ich vergessen, daß ich von Euch alle meine tollen Sprünge lernte, bis ich endlich älter und erfahrener wurde, und zu einem großen Sündenbock gedieh (Rauschender Beifall.) Ihr Schaafe zur Rechten und ihr Böcke zur Linken, hört meine Rede! Beide liebe ich Euch, und es ist nur ans altadliger Courtoisie, daß ich mich gewöhnlich mehr der Rechten zuwende; ja, Euch ihr trefflichen Mutterschaafe, da ihr der Stamm und der Hort der ganzen Race seid. (Bravo! Bravo! auf der Rechten.) O, mein Enthusiasmus für Euch und für diese Versammlung kennt keine Gränzen. Mit Euch, ihr Schaafe und Böcke, will ich schaffen und wirken für alle Schaafe und Böcke außerhalb dieser Versammlung. (Stürmische Jubelunterbrechung.) Groß ist unsere Aufgabe, aber nichts wird uns erschüttern. Einer der kühnsten Streiter stehe ich unter Euch, heiter das Haupt erhebend, und nur eins, ach, kränkt mich und schnürt mir das Herz zusammen (peinliche Aufmerksamkeit und lautlose Stille). Ja, eins nur thut mir weh, daß Ihr herrlichen Merino-Mutterschaafe und Böcke alle miteinander hypothezirt seid, und daß ihr nicht geschoren werdet für mich.“ Es wird meinen Lesern nicht entgangen sein, daß die Beredsamkeit unsres Helden namentlich in einer tieftraurigen elegischen Wehmuth ihren Hauptreiz hat. Viele der ausgezeichnetsten Schaafe und Böcke haben mir versichert, daß sie bei verschiedenen Gelegenheiten wahrhaft davon bezaubert gewesen seien und sich schon bereit gehalten hätten, den Demosthenes der Wasserpolakei mit einem Donner des Applauses auf seinen Sitz zu begleiten, wenn nicht wider Erwarten, trotz aller adlig-patriarchalischen Phrasen, schließlich der Finanznoth blasse Wehmuth, tiefe Trauer, zum Vorschein gekommen wäre und der ganze Sermon in einem unsterblichen Gelächter sein Ende erreicht hätte. Ja, die Finanznoth! Sie spielt in dem Leben unseres Helden eine eben so große Rolle als die Liebe. Die Finanznoth war es auch, welche Sr. Hochgeboren vor allen Dingen wieder nach Berlin trieb. Es wäre hier die Stelle, näher auf die Festlichkeiten einzugehen, die bei der Huldigung im Spätjahre 1840 in Berlin statthatten. Wir unterlassen dies aber. Herr von Schapphahnski hatte sich natürlich sehr darauf gefreut. Er hoffte, daß man bei dem allgemeinen Tumult nicht mehr an seine seltsame Vergangenheit denken würde. Mit der angebornen liebenswürdigen Frechheit glaubte er das Verlorene wieder erobern zu können und dann auch schnell zu Amt, Ehre und Credit, kurz, zu Allem zu gelangen was sein Dasein wünschenswerth machte. „In Berlin“ ‒ heißt es in unsern Manuscripten ‒ „wartete Sr. Hochgeboren aber ein äußerst schlechter Empfang von Seiten der schlesischen Ritterschaft. Nach langen Debatten beschloß dieselbe nämlich, zu einem Diner, das sie als Korporation gab, Herrn von Schnapphahnski nicht zuzulassen. Unser Ritter fand sich aber dennoch ein und setzte sich mit zu Tische. Da erhob sich die ganze Ritterschaft…(Fortsetzung folgt.) Die Petitionskommission der Vereinbarungsversammlung hat einen zweiten Bericht veröffentlicht. An Kuriositäten ist derselbe wo möglich noch reicher als der erste. Fast die meisten der in ihm besprochenen Petitionen erstreben eine Abhülfe der partikulärsten Noth, Geldunterstützungen, Erlaß von Pachtzinsen, Erdledigung lästiger Prozesse u. dgl. m. Ein Hr. v. Brandenburg zu Memel bittet sogar um Veranstaltung einer Kollekte zur Abhülfe seines Nothstandes, da er, „obgleich Verkünder einer bessern Temperatur, Entdecker der wahren Entstehungsursache der Cholera und Stifter eines neuen naturgemäßen Weltsystems, von der Vorsehung mit unüberschwänglichen Gaben ausgestattet, dennoch unbelohnt und arm geblieben sei.“

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 105. Köln, 17. September 1848, S. 0522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz105_1848/2>, abgerufen am 29.04.2024.