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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 199. Köln, 19. Januar 1849.

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sondern von ganzem Muth. Jedesmal wenn ich nachdenke über unsere Situation, bemerke ich in der Ferne, in vollster geschichtlicher Majestät und unvergänglicher Glorie, die seelengroßen, beherzten Männer, welche uns vorauswandelten auf dieser Bahn, und die unter ihre Leichname tief in den Boden hinein die Prinzipien der Revolution zu schlagen verstanden, so fest und gewaltiglich, daß sie immerdar aufrecht ragen und selbst Zweige und Blüthen über ganz Europa treiben trotz eines dreißigjährigen über sie hingebrausten Reaktions-Orkans. Uns, ja uns gehört die Jugend und die Kraft, uns folgt der schaffende Künstler, das arbeitende Volk, das Genie und das Wissen, ihnen allen enthüllt sich prophetisch die unvermeidlich heraufziehende Weltherrschaft der Demokratie! Muth! die bösen Stunden werden entfliehen, unsere Verfolger sind Greise, der Wahre nah, und die Zeit ist für sie noch härter als für uns; uns peinigt sie, läßt uns aber leben; sie aber erschöpft und tödtet sie." -- "Es ist gut (sagt Peuple souverain) den Leuten von Zeit zu Zeit zu zeigen, was ein Renegat ist. Wir halten diesen Marrast, Schreiber obiger Zeilen, und 14 Jahre später reaktionäres Mitglied im Provisorium, für einen der straffälligsten Menschen, die unsre Nation seit Chlodowig hervorgebracht hat. Wollte er nicht mehr Politik treiben, nun so konnte er in Ehren nach Amerika oder sonst wohin pilgern; wir können es uns vorstellen, daß manche Persönlichkeiten sich abnutzen durch Vorkämpfe, und sich matt fühlen, wenn der Kampf losbricht. Aber daß der Ermattete den Verräther spielt, muß er sühnen. Und da gibt es unter uns Revolutionären nur eine Sühne; Marrast kennt sie. Bevor aber die Stunde des Gerichts über die Volks-Renegaten schlägt, möge Frankreich sich das Sündenregister jedes Einzelnen ins Gedächtniß rufen. Wir z. B. werden fortan in dieser Weise die Schriftstücke derselben nach der Reihe dem Publikum in Revue vorbeiführen."

Abermals kommen der Democratie pacifique Beiträge für Blum zu: z. B. "französische Patrioten von den Hyerischen Inseln" 15 Fr. und "ein Zirkel Demokraten am atlantischen Ocean" in Rochefort 15 Fr. Eine große Menge polnischer Namen steht auf der 9. Liste. Blum hieß bei ihnen nur "der Freund" oder "der Advokat unsrer Nation;" wie denn fast auch alle Emissäre, die von Paris und London seit 1831 todtesmuthig nach Polen zogen, alle Broschüren und Proklamationen, alle Gelder und sonstige Sendungen durch Blum's gastliches Haus zu gehen pflegten. Verbannte Polen durften dreist auf seinen Rath und Beistand rechnen. Diese Notiz habe ich aus dem Munde eines glaubwürdigen polnischen Demokraten.

12 Paris, 16. Jan.

Nach Guizot Dupin; nach der Moral- und Staatsphilosophie die Rechtsphilosophie. Guizot spricht als Professor, Dupin als Generalprokurator. Guizot betitelt sein Buch: "Democratie en France", Dupin: "Commentarien zur Konstitution". Dupin war immer bekannt durch seine bon mots; bald Konservateur, bald in der Opposition, überhäufte er beide Theile mit seinen Sarkasmen, so lange die Frage eine politische war, so lange weder im Code civil noch im Code penal irgend ein Artikel zur Beleuchtung der Legitimitätsfrage enthalten war, so lange der Code civil wie der Code penal ebenso gut mit den ältern wie mit den jüngern Bourbonen, ebenso gut mit der octroyirten Charte, wie mit der Charte von 1830 fortbestehen konnte, und dieses Fortbestehen der Codes sich inkorporirte in der Unabsetzbarkeit des Richterstandes, ungeachtet des Wechsels in den politischen Regionen. Dupin, der für die Regence gestimmt, war es, welcher nach Proklamirung der Republik den Anklageakt verfaßte gegen Guizot und Konsorten! Dupin hätte auf Ansuchen der provisorischen Regierung gegen seinen eigenen Bruder den Ankageakt abgefaßt, wenn es sich darum gehandelt, die ganze Pairskammer nach der Februarrevolution in den Anklagestand zu versetzen. Die Herrschaft der einen oder der andern Partei war für Dupin ein Gegenstand des Zufalls, des Glücks, und er behandelte sie alle scherzhaft, weil alle Parteien in seinen Augen rein politisch waren. Wenn er nun auch im Herzen "monarchisch" gesinnt war, so hätte er sich doch mit dem "National" sehr gut vertragen, wenn nicht neben dem "National" die sozialistische Partei zum Vorschein trat. Hätte die Politik nicht in den Code civil hinübergestreift, wäre die Eigenthumsfrage nicht in Anregung gekommen, so wäre Dupin vielleicht ein tüchtiger Republikaner geworden. Als aber der Code civil in Gefahr gerieth, als die politische Frage nach der Februarrevolution in eine soziale umschlug, als es sich nicht mehr um diese oder um jene Königsbranche, sondern um diese oder jene Klasse handelte, als die Civilpositionen einer ganzen Klasse in Gefahr geriethen, da hörte der Scherz auf; Dupin ward ernst. Seine Existenz stand auf dem Spiele: durch einen unbesonnenen Ausdruck, der ihm über die Nationalateliers entschlüpft, gingen die Arbeiter hin und ließen ungeheuere Plakate drucken, und analysirten gleichsam seinen ganzen Lebenslauf, sein ganzes Einkommen, seine Civilposition. Seit der Zeit hat man nicht mehr ein bon mot aus dem Munde Dupin's gehört. Der älteste der drei Grachen war stumm geworden. Jetzt, wo die Republik und die Revolution ihm gehörig eingeengt erscheinen durch die Konstitution, wo die Civilfrage erledigt ist durch die neue Verfassung, bekommt Dupin neuen Muth, und spricht und scherzt über die Verfassung, ganz wie Guizot, dessen Moral selbst in England schwieg, so lange er in England das Toben der Windhose zu vernehmen glaubte.

Dupins "Commentarien über die Konstitution" beginnen mit einer Einleitung. Die Einleitung beginnt mit Plato's imaginärer Republik. Plato hat ganz "mit Muße gearbeitet" und hat selbst für eine imaginäre Republik keine vollkommene Konstitution zu Wege gebracht. Solon hat ebenfalls mit Muße gearbeitet "und hat nur solche Gesetze zu Tage gefördert, die, wenn nicht die besten, aber die bestmöglichsten für die damaligen demokratischen Athenienser waren." "Also, schließt Dupin, wenn man schon in voller Muße keine vollkommene Konstitution fertig bringen kann, wie dann inmitten einer revolutionären Zeit?" Gott allein hat nach Dupin's Ausspruch unveränderliche, ewig gute Gesetze diktiren können; aber als Gott diese Gesetze gab, war es nicht im tobenden Sturme der revolutionären Zeit: es war oben in aller Seelenruhe, von dem Berge Sinai herab. Und welches sind diese Gesetze, was ist diese Konstitution, die Dupin so sehr bewundert? "Du sollst nicht stehlen, du sollst nicht tödten." Zweierlei tritt hier hervor; erstens der Jurist, der kein anderes Eigenthum kennt, als das, welches gestohlen, kein größeres Verbrechen als das des Todschlages. Dupin unterscheidet sich hier von Guizot, daß die ganze Moral des letzteren bei Dupin in letzter Instanz juristisch ausgedruckt also lautet: Du darfst keine langen Finger machen und keine Faust ballen. Die Konstitution ist am Ende in Dupin's Augen weiter nichts, als die Regulirung der verschiedenen Verhältnisse und Beziehungen von Menschen, die gleich Anfangs sich gegenseitig verbindlich gemacht haben, unter der Beobachtung dieses göttlichen Verbotes zu leben. Unterstellt man dieses, dann ist es ein Leichtes, eine Konstitution mit Muße auszuarbeiten. Der zweite Punkte also, worauf Dupin hindeuten will, ist der, daß, wenn die gegenwärtige Konstitution Mängel trägt, wenn sie der göttlichen Konstitution nicht so nahe als möglich kommt, dieses seinen Grund darin habe, daß die Konstitution in einer revolutionären Zeit zusammengekommen sei, zu einer Zeit des Stehlens und Tödtens. Die Art und Weise des Stehlens im Dupin'schen Sinne war zu allen Zeiten dieselbe. Was aber nicht immer dasselbe war, das ist die Art und Weise des ehrlichen Erwerbens. Der ehrliche Erwerb hängt mit der ehrlichen Produktion zusammen. Hierin sind Dupin und Guizot, wie überhaupt alle Ideologen, im Irrthume, daß sie, wie sie nur eine Art des Stehlens, so auch nur eine Art des Erwerbens und Produzirens sehen: sie sehen nur die Bourgeoisproduktion in ihrer einfachsten Form.

"Am 24. Februar, sagt Dupin, als die Deputirten die Regence mit Akklamation beschlossen hatten, drang ein anderes Auditorium in den Saal. Lamartine wandte sich an das neue Publikum, mit dem Antrage, eine provisorische Regierung zu konstituiren, was auf der Stelle mit Jubel von den "Assistenten" angenommen wurde.

Die Deputirten-Kammer ist die Kammer, welche die Gesetze für den ehrlichen Erwerb macht: sie ist also im Sinne Dupin's die einzige legale Gewalt. Mit der "Legitimität" ist Dupin, der damals auch zu den Akklamirenden gehörte, bald fertig: er beseitigt Louis Philipp und setzt eine Regence ein. Was dem Herrn Dupin über die Legitimität geht, das ist die Legalität: und diese hörte auf von dem Augenblicke, wo es im Saale keine Deputirten, sondern "Assistenten" gab.

Wie die Legalität wieder gekommen, das werden wir in der Fortsetzung sehen.

12 Paris, 16. Jan.

Die Kammer hat sich rächen, sie hat zeigen wollen, daß sie etwas ist und sein kann, den Herrn Barrot und Napoleon gegenüber und sie hat in ihren Bureaux mit fast völliger Einstimmigkeit ihre Erhaltung beschlossen. Aber wie hätte es auch anders sein können, wenn man an die trotzige Herausforderung denkt, welche Barrot ihr hingeworfen. Die Kammer hat ihre Selbsterhaltung beschlossen, nicht des Landes, nicht der Interessen wegen, welche sie in ihrem Wahne wirklich und in der That nur scheinbar vertritt; sie hat ihre Selbsterhaltung dem Herrn Barrot, dem Herrn Napoleon zum Trotze beschlossen. Kammer und Napoleon sind jetzt gegeneinander quitt. Wie Napoleon ihr vom Lande, dem Cavaignac zum Trotze aufgedrungen ward, so dringt sie sich jetzt als Person, als juristisch-legale Person, dem Napoleon auf. Und Lamartine? Er ist allenthalben der Beschützer der Waisen und Wittwen; er hat für Napoleon, für Barrot und gegen das Fortbestehen der Kammer gesprochen. Konnte man etwas anderes von dem enttäuschten Manne erwarten, als eine neue Selbsttäuschung; den Wahn, in bevorstehenden neuen Wahlen von Frankreich Anerkennung zu finden? Und hierzu liegt freilich ein Grund vor.

Dem Beispiele Guizot's und Dupin's folgend, hat Lamartine sich ebenfalls wieder auf die Literatur geworfen. Die Ideologen der Burgeoisie haben begonnen mit der Literatur; sie sind durch die Literatur hindurch zur Staatsgewalt gedrungen, und jetzt wo sie durch die Verhältnisse aus der Staatsgewalt herausgetrieben, wieder zur Staatsgewalt sich hinaufarbeiten wollen, enden sie wie sie angefangen: mit der Literatur.

Unter Louis Philipp und, als seine Regierungszeit sich zu Ende nahte, kam es häufig vor, daß man Domänen, Güter, Grundbesitz mit der Empfehlung zum Verkaufe anpries, daß der künftige Besitzer derselben mit dem Gute die Gewißheit erkaufte, Deputirter zu werden. Nun weiß man, daß, so lange der Wahlcensus existirte, ein Deputirter, der einigermaßen die Neigung zeigte, sich zur konservativen Partei zu schlagen, die sichere Aussicht hatte, für diese Bekehrung Präfekt, Receveur oder irgend eine andere Staatsmacht zu erlangen. Nachdem also anfangs die bürgerliche Ideologie zur bürgerlichen Macht und die bürgerliche Macht wieder zum bürgerlichen Besitze führte, ging man in der letzten Zeit gerade vom bürgerlichen Besitz aus, um wieder zur bürgerlichen Macht, zu bürgerlichen Ehrenposten und mit ihnen wieder zu neuem Besitz zu gelangen.

Man nannte diese Preiode die Periode der Corruption. Im Grunde war es weiter nichts als der Ausdruck der bürgerlichen Interessen, die in der Kammer durch die hohe Bourgeoisie vertreten wurden. Die Revolution kam, und mit ihr kamen die Proletarierinteressen zum Durchbruch. Lamartine wie Guizot gehörte unter Louis Philipp der Kategorie der Ideologen an, die mit der Literatur, mit der Ideologie begannen.

Lamartine machte poetisch den ganzen Regierungswechsel, die Legitimität und Quasi-Legitimität mit, welche Guizot praktisch, literarisch und politisch begründete. Er gab seinen Schwankungen eine politische Farbe, und stand nach dem Ausbruch der Februarrevolution als harmloser, unbewußter Jesuit da. In einem einzigen Monate, vom Beginne des 24. Februar an, arbeitete sich Lamartine auf die Höhe der Bildungsstufe heran, wozu Guizot Jahre gebraucht hatte: in einem Monat war Lamartine ein bewußter Jesuit mit poetischem Anstriche geworden. Aber auch wenige Monate hatten hingereicht, um ihn in seine anfängliche Karriere zurückzuwerfen. Er wird abermals Literat, aber nicht doktrinär, wie Guizot, sondern lyrisch; mit Wehmuth auf die Vergangenheit hinblickend, und zugleich sich selbst rechtfertigend durch "seine vertraulichen Mittheilungen." Die "schöne Seele" Lamartine's wendet sich an schöne Seelen, welche ihn verstehen und würdigen können. Dazu sind die Juni-Insurgenten und die Sozialisten nicht geeignet. Sein Buch trägt den Titel:

Confidences. Wir behalten uns vor, darauf zurückzukommen.

Paris, 16. Jan.

Moniteur und Constitutionnel beobachten auch heute ein sehr geheimnißvolles Stillschweigen hinsichtlich der Rüstungen in Toulon. Das offizielle Blatt erklärt nur, daß General Pelet nicht mit diplomatischen Aufträgen nach Turin geschickt sei, sondern dem Könige Karl Albert den Dank des Präsidenten Bonaparte für die ausgesprochenen Glückwünsche darbringen solle. "Bei Gelegenheit der Wahl Louis Napoleon Bonapartes zum Präsidenten der Republik, (sagt der Moniteur) sandte S. M. der König von Sardinien einen Spezialagenten nach Paris, um den Präsidenten zu beglückwünschen. Die Absendung einer Person an Karl Albert, um diese Glückwünsche zu erwiedern, ist also nur ein Akt der, den internationalen Traditionen angemessenen Höflichkeit (courtoisie).

-- Die Ministerialkrisis ist bis zum nächsten Sonnabend vorüber An diesem Tage dürfte der Vorschlag von Kandidaten für die Wahl eines Vicepräsidenten eine Ministeränderung herbeiführen.

-- Zu Toulon dauerte am 11. Januar die größte Thätigkeit in Hafen und Rhede fort; doch erwartete man noch nähere Befehle aus Paris, die aber wahrscheinlich noch lange ausbleiben dürften; denn das französ. Cabinet wird sich in der italienischen Angelegenheit zum dritten Male blamiren, sobald sich die Nationalversammlung, wie es allen Anschein hat, des Gegenstands bemächtigt und die Minister zur Rede stellt, wozu National bereits auffordert.

-- Aus Rom fehlt die Post vom 7. Jan. "Il Nationale" vom 9. (ein Florenzer Blatt) will von einem Volkssturm zu Rom im reaktionären Sinne gehört haben, den die Bürgerwehr mit Waffengewalt unterdrückt habe.

-- Es liegt außer allem Zweifel, daß an den Vice-Admiral Baudin neue Verhaltungsbefehle abgegangen sind.

-- Guizot ist gestern in Paris (Passage Panoramas) gesehen worden.

-- Das Ministerium beabsichtigt der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher eine Gehaltszulage von 480,000 Fr. für den Präsidenten Bonaparte verlangt.

-- Der Seine-Departementsrath hat in seiner letzten Sitzung eine Billardsteuer beschlossen, um sein Budget zu vergrößern

-- Zwischen den Bäckergesellen und ihren Meistern soll es nach verschiedenen Straßenschlachten zum Verständniß gekommen sein. Die Minister des Innern und des Kriegs hatten den Bäckermeistern mehrere Tausende von militärischen und sonstigen Bäckergesellen, außer der Truppenhilfe, angeboten, um die Coalition zu erdrücken. Die Bäckergesellen werden nun zur tödtlichen Waffe (der Assoziation unter sich zu kommerziellem Zweck) allgemein greifen. Auf diese Weise hoffen sie die Knechtschaft des Kapitals zu brechen. Die einzige bisherige Bäckergesellen-Assoziation, welche hier seit einigen Wochen besteht, soll hierfür zum Muster dienen.

-- Fräulein A. B. ... und der Gefängnißwärter N. N. sind, als der Begünstigung der Lacambre-Barthelemy'schen Flucht verdächtig, gestern verhaftet worden. General Tisseul, Oberkerkermeister, ist vor Wuth ganz außer sich.

-- Die Reform erläßt einen Aufruf an die preußischen Wähler, nur erprobte Demokraten in die nächste Berliner Kammer zu schicken.

-- Lichtenberger (Elsaß) ist zum Präsidenten und Peter Bonaparte zum Schreiber der berüchtigten Rateau-Kommission ernannt worden. Neuer Schlag für das Ministerium.

-- Der wandernde Clubchef Bernard wollte gestern Abend unter Buvigniers Vorsitz im großen Valentinosaale eine Sitzung halten, in der Guizots hohle Broschüre gegen die Demokratie kritisirt werden sollte. Allein das Ministerium gab Contrebefehl und der Saal blieb geschlossen. Eine Kompagnie sperrte den Eingang.

-- Die Morgenblätter zittern an allen Gliedern wegen der gestrigen Enthüllungen des Moniteur über das Steuerjahr 1848; viele von ihnen sehen das Gespenst des Nationalbankerotts schon vor der Thüre. Den Debats wird es offenbar ganz unheimlich, während der Constitutionnel nach einigen Seitenhieben gegen die provisorische Regierung die haute finance tröstet.

-- Nationalversammlung. Sitzung vom 16. Januar. Anfang 2 Uhr. Präsident Marrast läßt das Protokoll vorlesen, aber die Bänke sind noch leer, denn alle Deputirte befinden sich in den Büreausälen, wo heftige Debatten wegen der Rateaukommission und der Commissariatswahlen für das Departements- und Gemeindewesen [unleserliches Material](Organisches Gesetz) stattfinden. Gleich nach dem Protokoll wird über die Wahlen am Senegal berichtet und der gewählte Durand zugelassen.

De Mareay giebt seine Demission.

An der Tagesordnung befindet sich zunächst ein Nachkredit von 2,700,000 Franken für die berüchtigten Nationalwerkstätten. Die Debatte soll beginnen.

Stimmen links: Aber wir sind noch nicht beschlußfähig

Marrast läßt die Urnen vertheilen, um die Zahl durch Zettelabstimmung zu ermitteln.

Marrast: Da Niemand über den Kredit das Wort verlangt so wird die Erste Deliberation (Neues System) als geschlossen betrachtet und zur Abstimmung gebracht, um in fünf Tagen wiederholt zu werden.

Während dieser Zeit strömen die Deputirten aus den Büreau's und es ergiebt sich folgendes Resultat.

Es stimmen 636; davon für die 2te Deliberation 630 dagegen 6.

Die 2te Deliberation soll in fünf Tagen stattfinden.

Passy legt einen Beschluß des Präsidenten der Republik vor, der den Gesetzentwurf über die mobilen Einkünfte zurückzieht. (Beifall zur Rechten.)

Goudchaux (bitter) Ich benütze das Recht meiner parlamentarischen Initiative, um den Gesetzentwurf wieder aufzunehmen (Beifallssturm vom Berge.)

Lacrosse, Staatsbautenminister, überreicht mehrere Gesetzvorschläge, welche die Städte Troyes, Luneville, Vienne etc. etc. zur Uebersteuerung ermächtigen, um ihr Proletariat zu beschäftigen.

An der Tagesordnung steht demnächst die Einführung einer neuen Steuer auf Kauf- und Erwerbverhältnisse beim Eigenthumswechsel der Güter aus todter Hand.

Grellet bekämpft im Interesse religiöser Körperschaften den Entwurf und erklärt die Hoffnung des Finanzministers, durch ihn 3 1/2 Millionen Frk. sich zu verschaffen als illusorisch.

Grevy findet gerade das Gegentheil, es müsse Gleichheit herrschen. Die geistl. Güter wären bisher viel weniger herangezogen worden als die bürgerl. Grundstücke.

Nach längerer Debatte wird die 2te Berathung geschlossen. Die Versammlung geht zur beabsichtigten Revision des Artikel 1781 des Civilcodex über.

Artikel 1781 des Civilgesetzbuchs gesteht bekanntlich bei Zeugenverhören dem "Herrn" mehr Glaubwürdigkeit als seinem "Diener," dem "Meister" mehr fidem als seinem "Arbeiter" zu. Man faßte darum den löblichen Gedanken, diese schreiende Ungerechtigkeit zu ändern und eine gleiche gerichtliche Elle für beide einzuführen. Alle Welt glaubte, so etwas könne auf keinen Widerspruch stoßen und würde ohne alle Diskussion durchgehen Fehlgeschossen!

De Brunel, ein Centrier, erhebt sich gegen den Antrag und sieht den Untergang aller Gesetzbücher "dieses schönsten Erbtheils des Kaisers Napoleon" hereinbrechen, wenn die National-Versammlung ihre zerstörende Hand daran lege. Sie habe schon den Handelscodex angegriffen und jetzt wolle sie sich auch am Civilgesetzbuch vergreifen (Gelächter zur Linken.)

Corbon, der sogenannte Proletarier, unterstützt den Antrag und findet es doch gar zu antidemokratisch, wenn das Gericht dem Patron mehr Glauben bei Zeugenverhören und sonstigen Streitigkeiten schenken müsse als dem Gesellen etc.

Die Versammlung beschließt nach fünf Tagen zur zweiten Debatte zu schreiten.

Dann nimmt sie einen Antrag rücksichtlich der ehelichen Aufgebote vor dessen zweite Deliberation nach fünf Tagen ebenfalls beschlossen wird.

Marrast zeigt der Versammlung an, daß ihm von dem Prokurator der Republik zwei Anträge auf gerichtliche Verfolgung zweier Deputirten zugegangen sind.

Stimmen: Lesen Sie vor! Lesen Sie vor!

Marrast erklärt dies reglementswidrig. Aber die ungeduldige Versammlung beschließt, daß er ihr die Requisitorien sofort vorlesen müsse. Sie erfährt daß es die beiden Deputirten Bourbousson und Reynaud Lagardette sind und eine Duellgeschichte betrifft.

Sie weist das Verlangen des Prokurators an die Büreau's zur begutachtung.

Die Sitzung wird schon um 5 1/2 Uhr geschlossen.

Portugal.
068 Lissabon, 9. Januar.

Die Cortes sind am 2. d. M. von der Königin in Person eröffnet worden, doch waren die Deputirten aus den Provinzen erst so spärlich eingetroffen, daß eine Prorogation auf 14 Tage oder 3 Wochen stattfinden soll. Inzwischen ist Cabral von der Königin zum Präsidenten, und ihr Kaplan, Padre Marcos, zum Vizepräsidenten der Versammlung ernannt worden. Von den bis jetzt angekommenen 56 Deputirten sind vielleicht 30 ministeriell gesinnt, das Verhältniß dürfte sich jedoch nach Eintreffen der noch zu erwartenden leicht anders stellen, und würde die Silva Cabral'sche Opposition gewonnenes Spiel haben. Sie hat schon jetzt ihre Operationen begonnen, indem sie die Vorlegung von Dokumenten verlangt, an deren Geheimhaltung der Regierung nur zu sehr gelegen sein muß: eine Rechnungsablage über sämmtliche Anleihen und Anticipationen auf die Revenue, eine Abschrift des Konkordats mit Rom über die geistliche Jurisdiktion in Indien, und eine Liste aller General- und Distriktsteuerempfänger seit 1833. Das letzte Aktenstück namentlich wird durch die sich daran knüpfende Enthüllung des seitherigen schändlichen Steuersystems, welches zum größten Theil die Schuld der Finanzwirren Portugals trägt, eine wichtige Waffe in der Hand der Opposition werden.

Viceadmiral Ch. Napier ist am 4. d. M. mit seinem längst erwarteten Geschwader im Tajo eingelaufen.

Amerika.
068 New-York, 24. Dezbr.

Es ist von den hiesigen Journalen ein interessantes, obgleich riesiges Aktenstück in Betreff des Briefporto's veröffentlicht worden. Dieses Dokument stammt aus der Feder Hrn. Hobbie's, ersten Assistenten des Generalpostmeisters. Hr. Hobbie erhielt von der Regierung der Union im J. 1847 den Auftrag, in Europa die verschiedenen Postsysteme zu studieren und darüber Bericht zu erstatten. [Fortsetzung]

Hierzu eine Beilage.

sondern von ganzem Muth. Jedesmal wenn ich nachdenke über unsere Situation, bemerke ich in der Ferne, in vollster geschichtlicher Majestät und unvergänglicher Glorie, die seelengroßen, beherzten Männer, welche uns vorauswandelten auf dieser Bahn, und die unter ihre Leichname tief in den Boden hinein die Prinzipien der Revolution zu schlagen verstanden, so fest und gewaltiglich, daß sie immerdar aufrecht ragen und selbst Zweige und Blüthen über ganz Europa treiben trotz eines dreißigjährigen über sie hingebrausten Reaktions-Orkans. Uns, ja uns gehört die Jugend und die Kraft, uns folgt der schaffende Künstler, das arbeitende Volk, das Genie und das Wissen, ihnen allen enthüllt sich prophetisch die unvermeidlich heraufziehende Weltherrschaft der Demokratie! Muth! die bösen Stunden werden entfliehen, unsere Verfolger sind Greise, der Wahre nah, und die Zeit ist für sie noch härter als für uns; uns peinigt sie, läßt uns aber leben; sie aber erschöpft und tödtet sie.“ — „Es ist gut (sagt Peuple souverain) den Leuten von Zeit zu Zeit zu zeigen, was ein Renegat ist. Wir halten diesen Marrast, Schreiber obiger Zeilen, und 14 Jahre später reaktionäres Mitglied im Provisorium, für einen der straffälligsten Menschen, die unsre Nation seit Chlodowig hervorgebracht hat. Wollte er nicht mehr Politik treiben, nun so konnte er in Ehren nach Amerika oder sonst wohin pilgern; wir können es uns vorstellen, daß manche Persönlichkeiten sich abnutzen durch Vorkämpfe, und sich matt fühlen, wenn der Kampf losbricht. Aber daß der Ermattete den Verräther spielt, muß er sühnen. Und da gibt es unter uns Revolutionären nur eine Sühne; Marrast kennt sie. Bevor aber die Stunde des Gerichts über die Volks-Renegaten schlägt, möge Frankreich sich das Sündenregister jedes Einzelnen ins Gedächtniß rufen. Wir z. B. werden fortan in dieser Weise die Schriftstücke derselben nach der Reihe dem Publikum in Revue vorbeiführen.“

Abermals kommen der Democratie pacifique Beiträge für Blum zu: z. B. „französische Patrioten von den Hyerischen Inseln“ 15 Fr. und „ein Zirkel Demokraten am atlantischen Ocean“ in Rochefort 15 Fr. Eine große Menge polnischer Namen steht auf der 9. Liste. Blum hieß bei ihnen nur „der Freund“ oder „der Advokat unsrer Nation;“ wie denn fast auch alle Emissäre, die von Paris und London seit 1831 todtesmuthig nach Polen zogen, alle Broschüren und Proklamationen, alle Gelder und sonstige Sendungen durch Blum's gastliches Haus zu gehen pflegten. Verbannte Polen durften dreist auf seinen Rath und Beistand rechnen. Diese Notiz habe ich aus dem Munde eines glaubwürdigen polnischen Demokraten.

12 Paris, 16. Jan.

Nach Guizot Dupin; nach der Moral- und Staatsphilosophie die Rechtsphilosophie. Guizot spricht als Professor, Dupin als Generalprokurator. Guizot betitelt sein Buch: „Democratie en France“, Dupin: „Commentarien zur Konstitution“. Dupin war immer bekannt durch seine bon mots; bald Konservateur, bald in der Opposition, überhäufte er beide Theile mit seinen Sarkasmen, so lange die Frage eine politische war, so lange weder im Code civil noch im Code pénal irgend ein Artikel zur Beleuchtung der Legitimitätsfrage enthalten war, so lange der Code civil wie der Code pénal ebenso gut mit den ältern wie mit den jüngern Bourbonen, ebenso gut mit der octroyirten Charte, wie mit der Charte von 1830 fortbestehen konnte, und dieses Fortbestehen der Codes sich inkorporirte in der Unabsetzbarkeit des Richterstandes, ungeachtet des Wechsels in den politischen Regionen. Dupin, der für die Regence gestimmt, war es, welcher nach Proklamirung der Republik den Anklageakt verfaßte gegen Guizot und Konsorten! Dupin hätte auf Ansuchen der provisorischen Regierung gegen seinen eigenen Bruder den Ankageakt abgefaßt, wenn es sich darum gehandelt, die ganze Pairskammer nach der Februarrevolution in den Anklagestand zu versetzen. Die Herrschaft der einen oder der andern Partei war für Dupin ein Gegenstand des Zufalls, des Glücks, und er behandelte sie alle scherzhaft, weil alle Parteien in seinen Augen rein politisch waren. Wenn er nun auch im Herzen „monarchisch“ gesinnt war, so hätte er sich doch mit dem „National“ sehr gut vertragen, wenn nicht neben dem „National“ die sozialistische Partei zum Vorschein trat. Hätte die Politik nicht in den Code civil hinübergestreift, wäre die Eigenthumsfrage nicht in Anregung gekommen, so wäre Dupin vielleicht ein tüchtiger Republikaner geworden. Als aber der Code civil in Gefahr gerieth, als die politische Frage nach der Februarrevolution in eine soziale umschlug, als es sich nicht mehr um diese oder um jene Königsbranche, sondern um diese oder jene Klasse handelte, als die Civilpositionen einer ganzen Klasse in Gefahr geriethen, da hörte der Scherz auf; Dupin ward ernst. Seine Existenz stand auf dem Spiele: durch einen unbesonnenen Ausdruck, der ihm über die Nationalateliers entschlüpft, gingen die Arbeiter hin und ließen ungeheuere Plakate drucken, und analysirten gleichsam seinen ganzen Lebenslauf, sein ganzes Einkommen, seine Civilposition. Seit der Zeit hat man nicht mehr ein bon mot aus dem Munde Dupin's gehört. Der älteste der drei Grachen war stumm geworden. Jetzt, wo die Republik und die Revolution ihm gehörig eingeengt erscheinen durch die Konstitution, wo die Civilfrage erledigt ist durch die neue Verfassung, bekommt Dupin neuen Muth, und spricht und scherzt über die Verfassung, ganz wie Guizot, dessen Moral selbst in England schwieg, so lange er in England das Toben der Windhose zu vernehmen glaubte.

Dupins „Commentarien über die Konstitution“ beginnen mit einer Einleitung. Die Einleitung beginnt mit Plato's imaginärer Republik. Plato hat ganz „mit Muße gearbeitet“ und hat selbst für eine imaginäre Republik keine vollkommene Konstitution zu Wege gebracht. Solon hat ebenfalls mit Muße gearbeitet „und hat nur solche Gesetze zu Tage gefördert, die, wenn nicht die besten, aber die bestmöglichsten für die damaligen demokratischen Athenienser waren.“ „Also, schließt Dupin, wenn man schon in voller Muße keine vollkommene Konstitution fertig bringen kann, wie dann inmitten einer revolutionären Zeit?“ Gott allein hat nach Dupin's Ausspruch unveränderliche, ewig gute Gesetze diktiren können; aber als Gott diese Gesetze gab, war es nicht im tobenden Sturme der revolutionären Zeit: es war oben in aller Seelenruhe, von dem Berge Sinai herab. Und welches sind diese Gesetze, was ist diese Konstitution, die Dupin so sehr bewundert? „Du sollst nicht stehlen, du sollst nicht tödten.“ Zweierlei tritt hier hervor; erstens der Jurist, der kein anderes Eigenthum kennt, als das, welches gestohlen, kein größeres Verbrechen als das des Todschlages. Dupin unterscheidet sich hier von Guizot, daß die ganze Moral des letzteren bei Dupin in letzter Instanz juristisch ausgedruckt also lautet: Du darfst keine langen Finger machen und keine Faust ballen. Die Konstitution ist am Ende in Dupin's Augen weiter nichts, als die Regulirung der verschiedenen Verhältnisse und Beziehungen von Menschen, die gleich Anfangs sich gegenseitig verbindlich gemacht haben, unter der Beobachtung dieses göttlichen Verbotes zu leben. Unterstellt man dieses, dann ist es ein Leichtes, eine Konstitution mit Muße auszuarbeiten. Der zweite Punkte also, worauf Dupin hindeuten will, ist der, daß, wenn die gegenwärtige Konstitution Mängel trägt, wenn sie der göttlichen Konstitution nicht so nahe als möglich kommt, dieses seinen Grund darin habe, daß die Konstitution in einer revolutionären Zeit zusammengekommen sei, zu einer Zeit des Stehlens und Tödtens. Die Art und Weise des Stehlens im Dupin'schen Sinne war zu allen Zeiten dieselbe. Was aber nicht immer dasselbe war, das ist die Art und Weise des ehrlichen Erwerbens. Der ehrliche Erwerb hängt mit der ehrlichen Produktion zusammen. Hierin sind Dupin und Guizot, wie überhaupt alle Ideologen, im Irrthume, daß sie, wie sie nur eine Art des Stehlens, so auch nur eine Art des Erwerbens und Produzirens sehen: sie sehen nur die Bourgeoisproduktion in ihrer einfachsten Form.

„Am 24. Februar, sagt Dupin, als die Deputirten die Regence mit Akklamation beschlossen hatten, drang ein anderes Auditorium in den Saal. Lamartine wandte sich an das neue Publikum, mit dem Antrage, eine provisorische Regierung zu konstituiren, was auf der Stelle mit Jubel von den „Assistenten“ angenommen wurde.

Die Deputirten-Kammer ist die Kammer, welche die Gesetze für den ehrlichen Erwerb macht: sie ist also im Sinne Dupin's die einzige legale Gewalt. Mit der „Legitimität“ ist Dupin, der damals auch zu den Akklamirenden gehörte, bald fertig: er beseitigt Louis Philipp und setzt eine Regence ein. Was dem Herrn Dupin über die Legitimität geht, das ist die Legalität: und diese hörte auf von dem Augenblicke, wo es im Saale keine Deputirten, sondern „Assistenten“ gab.

Wie die Legalität wieder gekommen, das werden wir in der Fortsetzung sehen.

12 Paris, 16. Jan.

Die Kammer hat sich rächen, sie hat zeigen wollen, daß sie etwas ist und sein kann, den Herrn Barrot und Napoleon gegenüber und sie hat in ihren Bureaux mit fast völliger Einstimmigkeit ihre Erhaltung beschlossen. Aber wie hätte es auch anders sein können, wenn man an die trotzige Herausforderung denkt, welche Barrot ihr hingeworfen. Die Kammer hat ihre Selbsterhaltung beschlossen, nicht des Landes, nicht der Interessen wegen, welche sie in ihrem Wahne wirklich und in der That nur scheinbar vertritt; sie hat ihre Selbsterhaltung dem Herrn Barrot, dem Herrn Napoleon zum Trotze beschlossen. Kammer und Napoleon sind jetzt gegeneinander quitt. Wie Napoleon ihr vom Lande, dem Cavaignac zum Trotze aufgedrungen ward, so dringt sie sich jetzt als Person, als juristisch-legale Person, dem Napoleon auf. Und Lamartine? Er ist allenthalben der Beschützer der Waisen und Wittwen; er hat für Napoleon, für Barrot und gegen das Fortbestehen der Kammer gesprochen. Konnte man etwas anderes von dem enttäuschten Manne erwarten, als eine neue Selbsttäuschung; den Wahn, in bevorstehenden neuen Wahlen von Frankreich Anerkennung zu finden? Und hierzu liegt freilich ein Grund vor.

Dem Beispiele Guizot's und Dupin's folgend, hat Lamartine sich ebenfalls wieder auf die Literatur geworfen. Die Ideologen der Burgeoisie haben begonnen mit der Literatur; sie sind durch die Literatur hindurch zur Staatsgewalt gedrungen, und jetzt wo sie durch die Verhältnisse aus der Staatsgewalt herausgetrieben, wieder zur Staatsgewalt sich hinaufarbeiten wollen, enden sie wie sie angefangen: mit der Literatur.

Unter Louis Philipp und, als seine Regierungszeit sich zu Ende nahte, kam es häufig vor, daß man Domänen, Güter, Grundbesitz mit der Empfehlung zum Verkaufe anpries, daß der künftige Besitzer derselben mit dem Gute die Gewißheit erkaufte, Deputirter zu werden. Nun weiß man, daß, so lange der Wahlcensus existirte, ein Deputirter, der einigermaßen die Neigung zeigte, sich zur konservativen Partei zu schlagen, die sichere Aussicht hatte, für diese Bekehrung Präfekt, Receveur oder irgend eine andere Staatsmacht zu erlangen. Nachdem also anfangs die bürgerliche Ideologie zur bürgerlichen Macht und die bürgerliche Macht wieder zum bürgerlichen Besitze führte, ging man in der letzten Zeit gerade vom bürgerlichen Besitz aus, um wieder zur bürgerlichen Macht, zu bürgerlichen Ehrenposten und mit ihnen wieder zu neuem Besitz zu gelangen.

Man nannte diese Preiode die Periode der Corruption. Im Grunde war es weiter nichts als der Ausdruck der bürgerlichen Interessen, die in der Kammer durch die hohe Bourgeoisie vertreten wurden. Die Revolution kam, und mit ihr kamen die Proletarierinteressen zum Durchbruch. Lamartine wie Guizot gehörte unter Louis Philipp der Kategorie der Ideologen an, die mit der Literatur, mit der Ideologie begannen.

Lamartine machte poetisch den ganzen Regierungswechsel, die Legitimität und Quasi-Legitimität mit, welche Guizot praktisch, literarisch und politisch begründete. Er gab seinen Schwankungen eine politische Farbe, und stand nach dem Ausbruch der Februarrevolution als harmloser, unbewußter Jesuit da. In einem einzigen Monate, vom Beginne des 24. Februar an, arbeitete sich Lamartine auf die Höhe der Bildungsstufe heran, wozu Guizot Jahre gebraucht hatte: in einem Monat war Lamartine ein bewußter Jesuit mit poetischem Anstriche geworden. Aber auch wenige Monate hatten hingereicht, um ihn in seine anfängliche Karrière zurückzuwerfen. Er wird abermals Literat, aber nicht doktrinär, wie Guizot, sondern lyrisch; mit Wehmuth auf die Vergangenheit hinblickend, und zugleich sich selbst rechtfertigend durch „seine vertraulichen Mittheilungen.“ Die „schöne Seele“ Lamartine's wendet sich an schöne Seelen, welche ihn verstehen und würdigen können. Dazu sind die Juni-Insurgenten und die Sozialisten nicht geeignet. Sein Buch trägt den Titel:

Confidences. Wir behalten uns vor, darauf zurückzukommen.

Paris, 16. Jan.

Moniteur und Constitutionnel beobachten auch heute ein sehr geheimnißvolles Stillschweigen hinsichtlich der Rüstungen in Toulon. Das offizielle Blatt erklärt nur, daß General Pelet nicht mit diplomatischen Aufträgen nach Turin geschickt sei, sondern dem Könige Karl Albert den Dank des Präsidenten Bonaparte für die ausgesprochenen Glückwünsche darbringen solle. „Bei Gelegenheit der Wahl Louis Napoleon Bonapartes zum Präsidenten der Republik, (sagt der Moniteur) sandte S. M. der König von Sardinien einen Spezialagenten nach Paris, um den Präsidenten zu beglückwünschen. Die Absendung einer Person an Karl Albert, um diese Glückwünsche zu erwiedern, ist also nur ein Akt der, den internationalen Traditionen angemessenen Höflichkeit (courtoisie).

— Die Ministerialkrisis ist bis zum nächsten Sonnabend vorüber An diesem Tage dürfte der Vorschlag von Kandidaten für die Wahl eines Vicepräsidenten eine Ministeränderung herbeiführen.

— Zu Toulon dauerte am 11. Januar die größte Thätigkeit in Hafen und Rhede fort; doch erwartete man noch nähere Befehle aus Paris, die aber wahrscheinlich noch lange ausbleiben dürften; denn das französ. Cabinet wird sich in der italienischen Angelegenheit zum dritten Male blamiren, sobald sich die Nationalversammlung, wie es allen Anschein hat, des Gegenstands bemächtigt und die Minister zur Rede stellt, wozu National bereits auffordert.

— Aus Rom fehlt die Post vom 7. Jan. „Il Nationale“ vom 9. (ein Florenzer Blatt) will von einem Volkssturm zu Rom im reaktionären Sinne gehört haben, den die Bürgerwehr mit Waffengewalt unterdrückt habe.

— Es liegt außer allem Zweifel, daß an den Vice-Admiral Baudin neue Verhaltungsbefehle abgegangen sind.

— Guizot ist gestern in Paris (Passage Panoramas) gesehen worden.

— Das Ministerium beabsichtigt der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher eine Gehaltszulage von 480,000 Fr. für den Präsidenten Bonaparte verlangt.

— Der Seine-Departementsrath hat in seiner letzten Sitzung eine Billardsteuer beschlossen, um sein Budget zu vergrößern

— Zwischen den Bäckergesellen und ihren Meistern soll es nach verschiedenen Straßenschlachten zum Verständniß gekommen sein. Die Minister des Innern und des Kriegs hatten den Bäckermeistern mehrere Tausende von militärischen und sonstigen Bäckergesellen, außer der Truppenhilfe, angeboten, um die Coalition zu erdrücken. Die Bäckergesellen werden nun zur tödtlichen Waffe (der Assoziation unter sich zu kommerziellem Zweck) allgemein greifen. Auf diese Weise hoffen sie die Knechtschaft des Kapitals zu brechen. Die einzige bisherige Bäckergesellen-Assoziation, welche hier seit einigen Wochen besteht, soll hierfür zum Muster dienen.

— Fräulein A. B. … und der Gefängnißwärter N. N. sind, als der Begünstigung der Lacambre-Barthelemy'schen Flucht verdächtig, gestern verhaftet worden. General Tisseul, Oberkerkermeister, ist vor Wuth ganz außer sich.

— Die Reform erläßt einen Aufruf an die preußischen Wähler, nur erprobte Demokraten in die nächste Berliner Kammer zu schicken.

— Lichtenberger (Elsaß) ist zum Präsidenten und Peter Bonaparte zum Schreiber der berüchtigten Rateau-Kommission ernannt worden. Neuer Schlag für das Ministerium.

— Der wandernde Clubchef Bernard wollte gestern Abend unter Buvigniers Vorsitz im großen Valentinosaale eine Sitzung halten, in der Guizots hohle Broschüre gegen die Demokratie kritisirt werden sollte. Allein das Ministerium gab Contrebefehl und der Saal blieb geschlossen. Eine Kompagnie sperrte den Eingang.

— Die Morgenblätter zittern an allen Gliedern wegen der gestrigen Enthüllungen des Moniteur über das Steuerjahr 1848; viele von ihnen sehen das Gespenst des Nationalbankerotts schon vor der Thüre. Den Debats wird es offenbar ganz unheimlich, während der Constitutionnel nach einigen Seitenhieben gegen die provisorische Regierung die haute finance tröstet.

Nationalversammlung. Sitzung vom 16. Januar. Anfang 2 Uhr. Präsident Marrast läßt das Protokoll vorlesen, aber die Bänke sind noch leer, denn alle Deputirte befinden sich in den Büreausälen, wo heftige Debatten wegen der Rateaukommission und der Commissariatswahlen für das Departements- und Gemeindewesen [unleserliches Material](Organisches Gesetz) stattfinden. Gleich nach dem Protokoll wird über die Wahlen am Senegal berichtet und der gewählte Durand zugelassen.

De Mareay giebt seine Demission.

An der Tagesordnung befindet sich zunächst ein Nachkredit von 2,700,000 Franken für die berüchtigten Nationalwerkstätten. Die Debatte soll beginnen.

Stimmen links: Aber wir sind noch nicht beschlußfähig

Marrast läßt die Urnen vertheilen, um die Zahl durch Zettelabstimmung zu ermitteln.

Marrast: Da Niemand über den Kredit das Wort verlangt so wird die Erste Deliberation (Neues System) als geschlossen betrachtet und zur Abstimmung gebracht, um in fünf Tagen wiederholt zu werden.

Während dieser Zeit strömen die Deputirten aus den Büreau's und es ergiebt sich folgendes Resultat.

Es stimmen 636; davon für die 2te Deliberation 630 dagegen 6.

Die 2te Deliberation soll in fünf Tagen stattfinden.

Passy legt einen Beschluß des Präsidenten der Republik vor, der den Gesetzentwurf über die mobilen Einkünfte zurückzieht. (Beifall zur Rechten.)

Goudchaux (bitter) Ich benütze das Recht meiner parlamentarischen Initiative, um den Gesetzentwurf wieder aufzunehmen (Beifallssturm vom Berge.)

Lacrosse, Staatsbautenminister, überreicht mehrere Gesetzvorschläge, welche die Städte Troyes, Luneville, Vienne etc. etc. zur Uebersteuerung ermächtigen, um ihr Proletariat zu beschäftigen.

An der Tagesordnung steht demnächst die Einführung einer neuen Steuer auf Kauf- und Erwerbverhältnisse beim Eigenthumswechsel der Güter aus todter Hand.

Grellet bekämpft im Interesse religiöser Körperschaften den Entwurf und erklärt die Hoffnung des Finanzministers, durch ihn 3 1/2 Millionen Frk. sich zu verschaffen als illusorisch.

Grevy findet gerade das Gegentheil, es müsse Gleichheit herrschen. Die geistl. Güter wären bisher viel weniger herangezogen worden als die bürgerl. Grundstücke.

Nach längerer Debatte wird die 2te Berathung geschlossen. Die Versammlung geht zur beabsichtigten Revision des Artikel 1781 des Civilcodex über.

Artikel 1781 des Civilgesetzbuchs gesteht bekanntlich bei Zeugenverhören dem „Herrn“ mehr Glaubwürdigkeit als seinem „Diener,“ dem „Meister“ mehr fidem als seinem „Arbeiter“ zu. Man faßte darum den löblichen Gedanken, diese schreiende Ungerechtigkeit zu ändern und eine gleiche gerichtliche Elle für beide einzuführen. Alle Welt glaubte, so etwas könne auf keinen Widerspruch stoßen und würde ohne alle Diskussion durchgehen Fehlgeschossen!

De Brunel, ein Centrier, erhebt sich gegen den Antrag und sieht den Untergang aller Gesetzbücher „dieses schönsten Erbtheils des Kaisers Napoleon“ hereinbrechen, wenn die National-Versammlung ihre zerstörende Hand daran lege. Sie habe schon den Handelscodex angegriffen und jetzt wolle sie sich auch am Civilgesetzbuch vergreifen (Gelächter zur Linken.)

Corbon, der sogenannte Proletarier, unterstützt den Antrag und findet es doch gar zu antidemokratisch, wenn das Gericht dem Patron mehr Glauben bei Zeugenverhören und sonstigen Streitigkeiten schenken müsse als dem Gesellen etc.

Die Versammlung beschließt nach fünf Tagen zur zweiten Debatte zu schreiten.

Dann nimmt sie einen Antrag rücksichtlich der ehelichen Aufgebote vor dessen zweite Deliberation nach fünf Tagen ebenfalls beschlossen wird.

Marrast zeigt der Versammlung an, daß ihm von dem Prokurator der Republik zwei Anträge auf gerichtliche Verfolgung zweier Deputirten zugegangen sind.

Stimmen: Lesen Sie vor! Lesen Sie vor!

Marrast erklärt dies reglementswidrig. Aber die ungeduldige Versammlung beschließt, daß er ihr die Requisitorien sofort vorlesen müsse. Sie erfährt daß es die beiden Deputirten Bourbousson und Reynaud Lagardette sind und eine Duellgeschichte betrifft.

Sie weist das Verlangen des Prokurators an die Büreau's zur begutachtung.

Die Sitzung wird schon um 5 1/2 Uhr geschlossen.

Portugal.
068 Lissabon, 9. Januar.

Die Cortes sind am 2. d. M. von der Königin in Person eröffnet worden, doch waren die Deputirten aus den Provinzen erst so spärlich eingetroffen, daß eine Prorogation auf 14 Tage oder 3 Wochen stattfinden soll. Inzwischen ist Cabral von der Königin zum Präsidenten, und ihr Kaplan, Padre Marcos, zum Vizepräsidenten der Versammlung ernannt worden. Von den bis jetzt angekommenen 56 Deputirten sind vielleicht 30 ministeriell gesinnt, das Verhältniß dürfte sich jedoch nach Eintreffen der noch zu erwartenden leicht anders stellen, und würde die Silva Cabral'sche Opposition gewonnenes Spiel haben. Sie hat schon jetzt ihre Operationen begonnen, indem sie die Vorlegung von Dokumenten verlangt, an deren Geheimhaltung der Regierung nur zu sehr gelegen sein muß: eine Rechnungsablage über sämmtliche Anleihen und Anticipationen auf die Revenue, eine Abschrift des Konkordats mit Rom über die geistliche Jurisdiktion in Indien, und eine Liste aller General- und Distriktsteuerempfänger seit 1833. Das letzte Aktenstück namentlich wird durch die sich daran knüpfende Enthüllung des seitherigen schändlichen Steuersystems, welches zum größten Theil die Schuld der Finanzwirren Portugals trägt, eine wichtige Waffe in der Hand der Opposition werden.

Viceadmiral Ch. Napier ist am 4. d. M. mit seinem längst erwarteten Geschwader im Tajo eingelaufen.

Amerika.
068 New-York, 24. Dezbr.

Es ist von den hiesigen Journalen ein interessantes, obgleich riesiges Aktenstück in Betreff des Briefporto's veröffentlicht worden. Dieses Dokument stammt aus der Feder Hrn. Hobbie's, ersten Assistenten des Generalpostmeisters. Hr. Hobbie erhielt von der Regierung der Union im J. 1847 den Auftrag, in Europa die verschiedenen Postsysteme zu studieren und darüber Bericht zu erstatten. [Fortsetzung]

Hierzu eine Beilage.

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          <p><pb facs="#f0004" n="1084"/>
sondern von ganzem Muth. Jedesmal wenn ich nachdenke über unsere Situation, bemerke ich in der Ferne, in vollster geschichtlicher Majestät und unvergänglicher Glorie, die seelengroßen, beherzten Männer, welche uns vorauswandelten auf dieser Bahn, und die unter ihre Leichname tief in den Boden hinein die Prinzipien der Revolution zu schlagen verstanden, so fest und gewaltiglich, daß sie immerdar aufrecht ragen und selbst Zweige und Blüthen über ganz Europa treiben trotz eines dreißigjährigen über sie hingebrausten Reaktions-Orkans. Uns, ja uns gehört die Jugend und die Kraft, uns folgt der schaffende Künstler, das arbeitende Volk, das Genie und das Wissen, ihnen allen enthüllt sich prophetisch die unvermeidlich heraufziehende Weltherrschaft der Demokratie! Muth! die bösen Stunden werden entfliehen, unsere Verfolger sind Greise, der Wahre nah, und die Zeit ist für sie noch härter als für uns; uns peinigt sie, läßt uns aber leben; sie aber erschöpft und tödtet sie.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Es ist gut (sagt Peuple souverain) den Leuten von Zeit zu Zeit zu zeigen, was ein Renegat ist. Wir halten diesen Marrast, Schreiber obiger Zeilen, und 14 Jahre später reaktionäres Mitglied im Provisorium, für einen der straffälligsten Menschen, die unsre Nation seit Chlodowig hervorgebracht hat. Wollte er nicht mehr Politik treiben, nun so konnte er in Ehren nach Amerika oder sonst wohin pilgern; wir können es uns vorstellen, daß manche Persönlichkeiten sich abnutzen durch Vorkämpfe, und sich matt fühlen, wenn der Kampf losbricht. Aber daß der Ermattete den Verräther spielt, muß er sühnen. Und da gibt es unter uns Revolutionären nur <hi rendition="#g">eine</hi> Sühne; Marrast kennt sie. Bevor aber die Stunde des Gerichts über die Volks-Renegaten schlägt, möge Frankreich sich das Sündenregister jedes Einzelnen ins Gedächtniß rufen. Wir z. B. werden fortan in dieser Weise die Schriftstücke derselben nach der Reihe dem Publikum in Revue vorbeiführen.&#x201C;</p>
          <p>Abermals kommen der Democratie pacifique Beiträge für Blum zu: z. B. &#x201E;französische Patrioten von den Hyerischen Inseln&#x201C; 15 Fr. und &#x201E;ein Zirkel Demokraten am atlantischen Ocean&#x201C; in Rochefort 15 Fr. Eine große Menge polnischer Namen steht auf der 9. Liste. Blum hieß bei ihnen nur &#x201E;der Freund&#x201C; oder &#x201E;der Advokat unsrer Nation;&#x201C; wie denn fast auch alle Emissäre, die von Paris und London seit 1831 todtesmuthig nach Polen zogen, alle Broschüren und Proklamationen, alle Gelder und sonstige Sendungen durch Blum's gastliches Haus zu gehen pflegten. Verbannte Polen durften dreist auf seinen Rath und Beistand rechnen. Diese Notiz habe ich aus dem Munde eines glaubwürdigen polnischen Demokraten.</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 16. Jan.</head>
          <p>Nach Guizot Dupin; nach der Moral- und Staatsphilosophie die Rechtsphilosophie. Guizot spricht als Professor, Dupin als Generalprokurator. Guizot betitelt sein Buch: &#x201E;Democratie en France&#x201C;, Dupin: &#x201E;Commentarien zur Konstitution&#x201C;. Dupin war immer bekannt durch seine bon mots; bald Konservateur, bald in der Opposition, überhäufte er beide Theile mit seinen Sarkasmen, so lange die Frage eine politische war, so lange weder im Code civil noch im Code pénal irgend ein Artikel zur Beleuchtung der Legitimitätsfrage enthalten war, so lange der Code civil wie der Code pénal ebenso gut mit den ältern wie mit den jüngern Bourbonen, ebenso gut mit der octroyirten Charte, wie mit der Charte von 1830 fortbestehen konnte, und dieses Fortbestehen der Codes sich inkorporirte in der Unabsetzbarkeit des Richterstandes, ungeachtet des Wechsels in den politischen Regionen. Dupin, der für die Regence gestimmt, war es, welcher nach Proklamirung der Republik den Anklageakt verfaßte gegen Guizot und Konsorten! Dupin hätte auf Ansuchen der provisorischen Regierung gegen seinen eigenen Bruder den Ankageakt abgefaßt, wenn es sich darum gehandelt, die ganze Pairskammer nach der Februarrevolution in den Anklagestand zu versetzen. Die Herrschaft der einen oder der andern Partei war für Dupin ein Gegenstand des Zufalls, des Glücks, und er behandelte sie alle scherzhaft, weil alle Parteien in seinen Augen rein politisch waren. Wenn er nun auch im Herzen &#x201E;monarchisch&#x201C; gesinnt war, so hätte er sich doch mit dem &#x201E;National&#x201C; sehr gut vertragen, wenn nicht neben dem &#x201E;National&#x201C; die sozialistische Partei zum Vorschein trat. Hätte die Politik nicht in den Code civil hinübergestreift, wäre die Eigenthumsfrage nicht in Anregung gekommen, so wäre Dupin vielleicht ein tüchtiger Republikaner geworden. Als aber der Code civil in Gefahr gerieth, als die politische Frage nach der Februarrevolution in eine soziale umschlug, als es sich nicht mehr um diese oder um jene Königsbranche, sondern um diese oder jene Klasse handelte, als die Civilpositionen einer ganzen Klasse in Gefahr geriethen, da hörte der Scherz auf; Dupin ward ernst. Seine Existenz stand auf dem Spiele: durch einen unbesonnenen Ausdruck, der ihm über die Nationalateliers entschlüpft, gingen die Arbeiter hin und ließen ungeheuere Plakate drucken, und analysirten gleichsam seinen ganzen Lebenslauf, sein ganzes Einkommen, seine Civilposition. Seit der Zeit hat man nicht mehr ein bon mot aus dem Munde Dupin's gehört. Der älteste der drei Grachen war stumm geworden. Jetzt, wo die Republik und die Revolution ihm gehörig eingeengt erscheinen durch die Konstitution, wo die Civilfrage erledigt ist durch die neue Verfassung, bekommt Dupin neuen Muth, und spricht und scherzt über die Verfassung, ganz wie Guizot, dessen Moral selbst in England schwieg, so lange er in England das Toben der Windhose zu vernehmen glaubte.</p>
          <p>Dupins &#x201E;Commentarien über die Konstitution&#x201C; beginnen mit einer Einleitung. Die Einleitung beginnt mit Plato's imaginärer Republik. Plato hat ganz &#x201E;mit Muße gearbeitet&#x201C; und hat selbst für eine imaginäre Republik keine vollkommene Konstitution zu Wege gebracht. Solon hat ebenfalls mit Muße gearbeitet &#x201E;und hat nur solche Gesetze zu Tage gefördert, die, wenn nicht die besten, aber die bestmöglichsten für die damaligen demokratischen Athenienser waren.&#x201C; &#x201E;Also, schließt Dupin, wenn man schon in voller Muße keine vollkommene Konstitution fertig bringen kann, wie dann inmitten einer revolutionären Zeit?&#x201C; Gott allein hat nach Dupin's Ausspruch unveränderliche, ewig gute Gesetze diktiren können; aber als Gott diese Gesetze gab, war es nicht im tobenden Sturme der revolutionären Zeit: es war oben in aller Seelenruhe, von dem Berge Sinai herab. Und welches sind diese Gesetze, was ist diese Konstitution, die Dupin so sehr bewundert? &#x201E;Du sollst nicht stehlen, du sollst nicht tödten.&#x201C; Zweierlei tritt hier hervor; erstens der Jurist, der kein anderes Eigenthum kennt, als das, welches gestohlen, kein größeres Verbrechen als das des Todschlages. Dupin unterscheidet sich hier von Guizot, daß die ganze Moral des letzteren bei Dupin in letzter Instanz juristisch ausgedruckt also lautet: Du darfst keine langen Finger machen und keine Faust ballen. Die Konstitution ist am Ende in Dupin's Augen weiter nichts, als die Regulirung der verschiedenen Verhältnisse und Beziehungen von Menschen, die gleich Anfangs sich gegenseitig verbindlich gemacht haben, unter der Beobachtung dieses göttlichen Verbotes zu leben. Unterstellt man dieses, dann ist es ein Leichtes, eine Konstitution mit Muße auszuarbeiten. Der zweite Punkte also, worauf Dupin hindeuten will, ist der, daß, wenn die gegenwärtige Konstitution Mängel trägt, wenn sie der göttlichen Konstitution nicht so nahe als möglich kommt, dieses seinen Grund darin habe, daß die Konstitution in einer revolutionären Zeit zusammengekommen sei, zu einer Zeit des Stehlens und Tödtens. Die Art und Weise des Stehlens im Dupin'schen Sinne war zu allen Zeiten dieselbe. Was aber nicht immer dasselbe war, das ist die Art und Weise des ehrlichen Erwerbens. Der ehrliche Erwerb hängt mit der ehrlichen Produktion zusammen. Hierin sind Dupin und Guizot, wie überhaupt alle Ideologen, im Irrthume, daß sie, wie sie nur eine Art des Stehlens, so auch nur eine Art des Erwerbens und Produzirens sehen: sie sehen nur die Bourgeoisproduktion in ihrer einfachsten Form.</p>
          <p>&#x201E;Am 24. Februar, sagt Dupin, als die Deputirten die Regence mit Akklamation beschlossen hatten, drang ein anderes Auditorium in den Saal. Lamartine wandte sich an das neue Publikum, mit dem Antrage, eine provisorische Regierung zu konstituiren, was auf der Stelle mit Jubel von den &#x201E;Assistenten&#x201C; angenommen wurde.</p>
          <p>Die Deputirten-Kammer ist die Kammer, welche die Gesetze für den ehrlichen Erwerb macht: sie ist also im Sinne Dupin's die einzige <hi rendition="#g">legale</hi> Gewalt. Mit der &#x201E;Legitimität&#x201C; ist Dupin, der damals auch zu den Akklamirenden gehörte, bald fertig: er beseitigt Louis Philipp und setzt eine Regence ein. Was dem Herrn Dupin über die Legitimität geht, das ist die Legalität: und diese hörte auf von dem Augenblicke, wo es im Saale keine Deputirten, sondern &#x201E;Assistenten&#x201C; gab.</p>
          <p>Wie die Legalität wieder gekommen, das werden wir in der Fortsetzung sehen.</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 16. Jan.</head>
          <p>Die Kammer hat sich rächen, sie hat zeigen wollen, daß sie etwas ist und sein kann, den Herrn Barrot und Napoleon gegenüber und sie hat in ihren Bureaux mit fast völliger Einstimmigkeit ihre Erhaltung beschlossen. Aber wie hätte es auch anders sein können, wenn man an die trotzige Herausforderung denkt, welche Barrot ihr hingeworfen. Die Kammer hat ihre Selbsterhaltung beschlossen, nicht des Landes, nicht der Interessen wegen, welche sie in ihrem Wahne wirklich und in der That nur scheinbar vertritt; sie hat ihre Selbsterhaltung dem Herrn Barrot, dem Herrn Napoleon zum Trotze beschlossen. Kammer und Napoleon sind jetzt gegeneinander quitt. Wie Napoleon ihr vom Lande, dem Cavaignac zum Trotze aufgedrungen ward, so dringt sie sich jetzt als Person, als juristisch-legale Person, dem Napoleon auf. Und Lamartine? Er ist allenthalben der Beschützer der Waisen und Wittwen; er hat für Napoleon, für Barrot und gegen das Fortbestehen der Kammer gesprochen. Konnte man etwas anderes von dem enttäuschten Manne erwarten, als eine neue Selbsttäuschung; den Wahn, in bevorstehenden neuen Wahlen von Frankreich Anerkennung zu finden? Und hierzu liegt freilich ein Grund vor.</p>
          <p>Dem Beispiele Guizot's und Dupin's folgend, hat Lamartine sich ebenfalls wieder auf die Literatur geworfen. Die Ideologen der Burgeoisie haben begonnen mit der Literatur; sie sind durch die Literatur hindurch zur Staatsgewalt gedrungen, und jetzt wo sie durch die Verhältnisse aus der Staatsgewalt herausgetrieben, wieder zur Staatsgewalt sich hinaufarbeiten wollen, enden sie wie sie angefangen: mit der Literatur.</p>
          <p>Unter Louis Philipp und, als seine Regierungszeit sich zu Ende nahte, kam es häufig vor, daß man Domänen, Güter, Grundbesitz mit der Empfehlung zum Verkaufe anpries, daß der künftige Besitzer derselben mit dem Gute die Gewißheit erkaufte, Deputirter zu werden. Nun weiß man, daß, so lange der Wahlcensus existirte, ein Deputirter, der einigermaßen die Neigung zeigte, sich zur konservativen Partei zu schlagen, die sichere Aussicht hatte, für diese Bekehrung Präfekt, Receveur oder irgend eine andere Staatsmacht zu erlangen. Nachdem also anfangs die bürgerliche Ideologie zur bürgerlichen Macht und die bürgerliche Macht wieder zum bürgerlichen Besitze führte, ging man in der letzten Zeit gerade vom bürgerlichen Besitz aus, um wieder zur bürgerlichen Macht, zu bürgerlichen Ehrenposten und mit ihnen wieder zu neuem Besitz zu gelangen.</p>
          <p>Man nannte diese Preiode die Periode der Corruption. Im Grunde war es weiter nichts als der Ausdruck der bürgerlichen Interessen, die in der Kammer durch die hohe Bourgeoisie vertreten wurden. Die Revolution kam, und mit ihr kamen die Proletarierinteressen zum Durchbruch. Lamartine wie Guizot gehörte unter Louis Philipp der Kategorie der Ideologen an, die mit der Literatur, mit der Ideologie begannen.</p>
          <p>Lamartine machte poetisch den ganzen Regierungswechsel, die Legitimität und Quasi-Legitimität mit, welche Guizot praktisch, literarisch und politisch begründete. Er gab seinen Schwankungen eine politische Farbe, und stand nach dem Ausbruch der Februarrevolution als harmloser, unbewußter Jesuit da. In einem einzigen Monate, vom Beginne des 24. Februar an, arbeitete sich Lamartine auf die Höhe der Bildungsstufe heran, wozu Guizot Jahre gebraucht hatte: in einem Monat war Lamartine ein bewußter Jesuit mit poetischem Anstriche geworden. Aber auch wenige Monate hatten hingereicht, um ihn in seine anfängliche Karrière zurückzuwerfen. Er wird abermals Literat, aber nicht doktrinär, wie Guizot, sondern lyrisch; mit Wehmuth auf die Vergangenheit hinblickend, und zugleich sich selbst rechtfertigend durch &#x201E;seine vertraulichen Mittheilungen.&#x201C; Die &#x201E;schöne Seele&#x201C; Lamartine's wendet sich an schöne Seelen, welche ihn verstehen und würdigen können. Dazu sind die Juni-Insurgenten und die Sozialisten nicht geeignet. Sein Buch trägt den Titel:</p>
          <p>Confidences. Wir behalten uns vor, darauf zurückzukommen.</p>
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          <head>Paris, 16. Jan.</head>
          <p>Moniteur und Constitutionnel beobachten auch heute ein sehr geheimnißvolles Stillschweigen hinsichtlich der Rüstungen in Toulon. Das offizielle Blatt erklärt nur, daß General Pelet nicht mit diplomatischen Aufträgen nach Turin geschickt sei, sondern dem Könige Karl Albert den Dank des Präsidenten Bonaparte für die ausgesprochenen Glückwünsche darbringen solle. &#x201E;Bei Gelegenheit der Wahl Louis Napoleon Bonapartes zum Präsidenten der Republik, (sagt der Moniteur) sandte S. M. der König von Sardinien einen Spezialagenten nach Paris, um den Präsidenten zu beglückwünschen. Die Absendung einer Person an Karl Albert, um diese Glückwünsche zu erwiedern, ist also nur ein Akt der, den internationalen Traditionen angemessenen Höflichkeit (courtoisie).</p>
          <p>&#x2014; Die Ministerialkrisis ist bis zum nächsten Sonnabend vorüber An diesem Tage dürfte der Vorschlag von Kandidaten für die Wahl eines Vicepräsidenten eine Ministeränderung herbeiführen.</p>
          <p>&#x2014; Zu Toulon dauerte am 11. Januar die größte Thätigkeit in Hafen und Rhede fort; doch erwartete man noch nähere Befehle aus Paris, die aber wahrscheinlich noch lange ausbleiben dürften; denn das französ. Cabinet wird sich in der italienischen Angelegenheit zum dritten Male blamiren, sobald sich die Nationalversammlung, wie es allen Anschein hat, des Gegenstands bemächtigt und die Minister zur Rede stellt, wozu <hi rendition="#g">National</hi> bereits auffordert.</p>
          <p>&#x2014; Aus Rom fehlt die Post vom 7. Jan. &#x201E;Il Nationale&#x201C; vom 9. (ein Florenzer Blatt) will von einem Volkssturm zu Rom im <hi rendition="#g">reaktionären</hi> Sinne gehört haben, den die Bürgerwehr mit Waffengewalt unterdrückt habe.</p>
          <p>&#x2014; Es liegt außer allem Zweifel, daß an den Vice-Admiral Baudin <hi rendition="#g">neue</hi> Verhaltungsbefehle abgegangen sind.</p>
          <p>&#x2014; Guizot ist gestern in Paris (Passage Panoramas) gesehen worden.</p>
          <p>&#x2014; Das Ministerium beabsichtigt der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher eine Gehaltszulage von 480,000 Fr. für den Präsidenten Bonaparte verlangt.</p>
          <p>&#x2014; Der Seine-Departementsrath hat in seiner letzten Sitzung eine <hi rendition="#g">Billardsteuer</hi> beschlossen, um sein Budget zu vergrößern</p>
          <p>&#x2014; Zwischen den Bäckergesellen und ihren Meistern soll es nach verschiedenen Straßenschlachten zum Verständniß gekommen sein. Die Minister des Innern und des Kriegs hatten den Bäckermeistern mehrere Tausende von militärischen und sonstigen Bäckergesellen, außer der Truppenhilfe, angeboten, um die Coalition zu erdrücken. Die Bäckergesellen werden nun zur tödtlichen Waffe (der Assoziation unter sich zu kommerziellem Zweck) allgemein greifen. Auf diese Weise hoffen sie die Knechtschaft des Kapitals zu brechen. Die einzige bisherige Bäckergesellen-Assoziation, welche hier seit einigen Wochen besteht, soll hierfür zum Muster dienen.</p>
          <p>&#x2014; Fräulein A. B. &#x2026; und der Gefängnißwärter N. N. sind, als der Begünstigung der Lacambre-Barthelemy'schen Flucht verdächtig, gestern verhaftet worden. General Tisseul, Oberkerkermeister, ist vor Wuth ganz außer sich.</p>
          <p>&#x2014; Die Reform erläßt einen Aufruf an die preußischen Wähler, nur erprobte Demokraten in die nächste Berliner Kammer zu schicken.</p>
          <p>&#x2014; Lichtenberger (Elsaß) ist zum Präsidenten und Peter Bonaparte zum Schreiber der berüchtigten Rateau-Kommission ernannt worden. Neuer Schlag für das Ministerium.</p>
          <p>&#x2014; Der wandernde Clubchef Bernard wollte gestern Abend unter Buvigniers Vorsitz im großen Valentinosaale eine Sitzung halten, in der Guizots hohle Broschüre gegen die Demokratie kritisirt werden sollte. Allein das Ministerium gab Contrebefehl und der Saal blieb geschlossen. Eine Kompagnie sperrte den Eingang.</p>
          <p>&#x2014; Die Morgenblätter zittern an allen Gliedern wegen der gestrigen Enthüllungen des Moniteur über das Steuerjahr 1848; viele von ihnen sehen das Gespenst des Nationalbankerotts schon vor der Thüre. Den Debats wird es offenbar ganz unheimlich, während der Constitutionnel nach einigen Seitenhieben gegen die provisorische Regierung die haute finance tröstet.</p>
          <p>&#x2014; <hi rendition="#g">Nationalversammlung</hi>. Sitzung vom 16. Januar. Anfang 2 Uhr. Präsident Marrast läßt das Protokoll vorlesen, aber die Bänke sind noch leer, denn alle Deputirte befinden sich in den Büreausälen, wo heftige Debatten wegen der Rateaukommission und der Commissariatswahlen für das Departements- und Gemeindewesen <gap reason="illegible"/>(Organisches Gesetz) stattfinden. Gleich nach dem Protokoll wird über die Wahlen am Senegal berichtet und der gewählte Durand zugelassen.</p>
          <p>De Mareay giebt seine Demission.</p>
          <p>An der Tagesordnung befindet sich zunächst ein Nachkredit von 2,700,000 Franken für die berüchtigten Nationalwerkstätten. Die Debatte soll beginnen.</p>
          <p>Stimmen links: Aber wir sind noch nicht beschlußfähig</p>
          <p>Marrast läßt die Urnen vertheilen, um die Zahl durch Zettelabstimmung zu ermitteln.</p>
          <p>Marrast: Da Niemand über den Kredit das Wort verlangt so wird die Erste Deliberation (Neues System) als geschlossen betrachtet und zur Abstimmung gebracht, um in fünf Tagen wiederholt zu werden.</p>
          <p>Während dieser Zeit strömen die Deputirten aus den Büreau's und es ergiebt sich folgendes Resultat.</p>
          <p>Es stimmen 636; davon für die 2te Deliberation 630 dagegen 6.</p>
          <p>Die 2te Deliberation soll in fünf Tagen stattfinden.</p>
          <p>Passy legt einen Beschluß des Präsidenten der Republik vor, der den Gesetzentwurf über die mobilen Einkünfte zurückzieht. (Beifall zur Rechten.)</p>
          <p>Goudchaux (bitter) Ich benütze das Recht meiner parlamentarischen Initiative, um den Gesetzentwurf wieder aufzunehmen (Beifallssturm vom Berge.)</p>
          <p>Lacrosse, Staatsbautenminister, überreicht mehrere Gesetzvorschläge, welche die Städte Troyes, Luneville, Vienne etc. etc. zur Uebersteuerung ermächtigen, um ihr Proletariat zu beschäftigen.</p>
          <p>An der Tagesordnung steht demnächst die Einführung einer neuen Steuer auf Kauf- und Erwerbverhältnisse beim Eigenthumswechsel der Güter aus todter Hand.</p>
          <p>Grellet bekämpft im Interesse religiöser Körperschaften den Entwurf und erklärt die Hoffnung des Finanzministers, durch ihn 3 1/2 Millionen Frk. sich zu verschaffen als illusorisch.</p>
          <p>Grevy findet gerade das Gegentheil, es müsse Gleichheit herrschen. Die geistl. Güter wären bisher viel weniger herangezogen worden als die bürgerl. Grundstücke.</p>
          <p>Nach längerer Debatte wird die 2te Berathung geschlossen. Die Versammlung geht zur beabsichtigten Revision des Artikel 1781 des Civilcodex über.</p>
          <p>Artikel 1781 des Civilgesetzbuchs gesteht bekanntlich bei Zeugenverhören dem &#x201E;Herrn&#x201C; mehr Glaubwürdigkeit als seinem &#x201E;Diener,&#x201C; dem &#x201E;Meister&#x201C; mehr fidem als seinem &#x201E;Arbeiter&#x201C; zu. Man faßte darum den löblichen Gedanken, diese schreiende Ungerechtigkeit zu ändern und eine gleiche gerichtliche Elle für beide einzuführen. Alle Welt glaubte, so etwas könne auf keinen Widerspruch stoßen und würde ohne alle Diskussion durchgehen Fehlgeschossen!</p>
          <p>De Brunel, ein Centrier, erhebt sich gegen den Antrag und sieht den Untergang aller Gesetzbücher &#x201E;dieses schönsten Erbtheils des Kaisers Napoleon&#x201C; hereinbrechen, wenn die National-Versammlung ihre zerstörende Hand daran lege. Sie habe schon den Handelscodex angegriffen und jetzt wolle sie sich auch am Civilgesetzbuch vergreifen (Gelächter zur Linken.)</p>
          <p>Corbon, der sogenannte Proletarier, unterstützt den Antrag und findet es doch gar zu antidemokratisch, wenn das Gericht dem Patron mehr Glauben bei Zeugenverhören und sonstigen Streitigkeiten schenken müsse als dem Gesellen etc.</p>
          <p>Die Versammlung beschließt nach fünf Tagen zur zweiten Debatte zu schreiten.</p>
          <p>Dann nimmt sie einen Antrag rücksichtlich der ehelichen Aufgebote vor dessen zweite Deliberation nach fünf Tagen ebenfalls beschlossen wird.</p>
          <p>Marrast zeigt der Versammlung an, daß ihm von dem Prokurator der Republik zwei Anträge auf gerichtliche Verfolgung zweier Deputirten zugegangen sind.</p>
          <p>Stimmen: Lesen Sie vor! Lesen Sie vor!</p>
          <p>Marrast erklärt dies reglementswidrig. Aber die ungeduldige Versammlung beschließt, daß er ihr die Requisitorien sofort vorlesen müsse. Sie erfährt daß es die beiden Deputirten Bourbousson und Reynaud Lagardette sind und eine Duellgeschichte betrifft.</p>
          <p>Sie weist das Verlangen des Prokurators an die Büreau's zur begutachtung.</p>
          <p>Die Sitzung wird schon um 5 1/2 Uhr geschlossen.</p>
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        <head>Portugal.</head>
        <div xml:id="ar199_027" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Lissabon, 9. Januar.</head>
          <p>Die Cortes sind am 2. d. M. von der Königin in Person eröffnet worden, doch waren die Deputirten aus den Provinzen erst so spärlich eingetroffen, daß eine Prorogation auf 14 Tage oder 3 Wochen stattfinden soll. Inzwischen ist Cabral von der Königin zum Präsidenten, und ihr Kaplan, Padre Marcos, zum Vizepräsidenten der Versammlung ernannt worden. Von den bis jetzt angekommenen 56 Deputirten sind vielleicht 30 ministeriell gesinnt, das Verhältniß dürfte sich jedoch nach Eintreffen der noch zu erwartenden leicht anders stellen, und würde die Silva Cabral'sche Opposition gewonnenes Spiel haben. Sie hat schon jetzt ihre Operationen begonnen, indem sie die Vorlegung von Dokumenten verlangt, an deren Geheimhaltung der Regierung nur zu sehr gelegen sein muß: eine Rechnungsablage über sämmtliche Anleihen und Anticipationen auf die Revenue, eine Abschrift des Konkordats mit Rom über die geistliche Jurisdiktion in Indien, und eine Liste aller General- und Distriktsteuerempfänger seit 1833. Das letzte Aktenstück namentlich wird durch die sich daran knüpfende Enthüllung des seitherigen schändlichen Steuersystems, welches zum größten Theil die Schuld der Finanzwirren Portugals trägt, eine wichtige Waffe in der Hand der Opposition werden.</p>
          <p>Viceadmiral Ch. Napier ist am 4. d. M. mit seinem längst erwarteten Geschwader im Tajo eingelaufen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Amerika.</head>
        <div xml:id="ar199_028" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> New-York, 24. Dezbr.</head>
          <p>Es ist von den hiesigen Journalen ein interessantes, obgleich riesiges Aktenstück in Betreff des Briefporto's veröffentlicht worden. Dieses Dokument stammt aus der Feder Hrn. Hobbie's, ersten Assistenten des Generalpostmeisters. Hr. Hobbie erhielt von der Regierung der Union im J. 1847 den Auftrag, in Europa die verschiedenen Postsysteme zu studieren und darüber Bericht zu erstatten. <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
          <p>
            <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref>
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[1084/0004] sondern von ganzem Muth. Jedesmal wenn ich nachdenke über unsere Situation, bemerke ich in der Ferne, in vollster geschichtlicher Majestät und unvergänglicher Glorie, die seelengroßen, beherzten Männer, welche uns vorauswandelten auf dieser Bahn, und die unter ihre Leichname tief in den Boden hinein die Prinzipien der Revolution zu schlagen verstanden, so fest und gewaltiglich, daß sie immerdar aufrecht ragen und selbst Zweige und Blüthen über ganz Europa treiben trotz eines dreißigjährigen über sie hingebrausten Reaktions-Orkans. Uns, ja uns gehört die Jugend und die Kraft, uns folgt der schaffende Künstler, das arbeitende Volk, das Genie und das Wissen, ihnen allen enthüllt sich prophetisch die unvermeidlich heraufziehende Weltherrschaft der Demokratie! Muth! die bösen Stunden werden entfliehen, unsere Verfolger sind Greise, der Wahre nah, und die Zeit ist für sie noch härter als für uns; uns peinigt sie, läßt uns aber leben; sie aber erschöpft und tödtet sie.“ — „Es ist gut (sagt Peuple souverain) den Leuten von Zeit zu Zeit zu zeigen, was ein Renegat ist. Wir halten diesen Marrast, Schreiber obiger Zeilen, und 14 Jahre später reaktionäres Mitglied im Provisorium, für einen der straffälligsten Menschen, die unsre Nation seit Chlodowig hervorgebracht hat. Wollte er nicht mehr Politik treiben, nun so konnte er in Ehren nach Amerika oder sonst wohin pilgern; wir können es uns vorstellen, daß manche Persönlichkeiten sich abnutzen durch Vorkämpfe, und sich matt fühlen, wenn der Kampf losbricht. Aber daß der Ermattete den Verräther spielt, muß er sühnen. Und da gibt es unter uns Revolutionären nur eine Sühne; Marrast kennt sie. Bevor aber die Stunde des Gerichts über die Volks-Renegaten schlägt, möge Frankreich sich das Sündenregister jedes Einzelnen ins Gedächtniß rufen. Wir z. B. werden fortan in dieser Weise die Schriftstücke derselben nach der Reihe dem Publikum in Revue vorbeiführen.“ Abermals kommen der Democratie pacifique Beiträge für Blum zu: z. B. „französische Patrioten von den Hyerischen Inseln“ 15 Fr. und „ein Zirkel Demokraten am atlantischen Ocean“ in Rochefort 15 Fr. Eine große Menge polnischer Namen steht auf der 9. Liste. Blum hieß bei ihnen nur „der Freund“ oder „der Advokat unsrer Nation;“ wie denn fast auch alle Emissäre, die von Paris und London seit 1831 todtesmuthig nach Polen zogen, alle Broschüren und Proklamationen, alle Gelder und sonstige Sendungen durch Blum's gastliches Haus zu gehen pflegten. Verbannte Polen durften dreist auf seinen Rath und Beistand rechnen. Diese Notiz habe ich aus dem Munde eines glaubwürdigen polnischen Demokraten. 12 Paris, 16. Jan. Nach Guizot Dupin; nach der Moral- und Staatsphilosophie die Rechtsphilosophie. Guizot spricht als Professor, Dupin als Generalprokurator. Guizot betitelt sein Buch: „Democratie en France“, Dupin: „Commentarien zur Konstitution“. Dupin war immer bekannt durch seine bon mots; bald Konservateur, bald in der Opposition, überhäufte er beide Theile mit seinen Sarkasmen, so lange die Frage eine politische war, so lange weder im Code civil noch im Code pénal irgend ein Artikel zur Beleuchtung der Legitimitätsfrage enthalten war, so lange der Code civil wie der Code pénal ebenso gut mit den ältern wie mit den jüngern Bourbonen, ebenso gut mit der octroyirten Charte, wie mit der Charte von 1830 fortbestehen konnte, und dieses Fortbestehen der Codes sich inkorporirte in der Unabsetzbarkeit des Richterstandes, ungeachtet des Wechsels in den politischen Regionen. Dupin, der für die Regence gestimmt, war es, welcher nach Proklamirung der Republik den Anklageakt verfaßte gegen Guizot und Konsorten! Dupin hätte auf Ansuchen der provisorischen Regierung gegen seinen eigenen Bruder den Ankageakt abgefaßt, wenn es sich darum gehandelt, die ganze Pairskammer nach der Februarrevolution in den Anklagestand zu versetzen. Die Herrschaft der einen oder der andern Partei war für Dupin ein Gegenstand des Zufalls, des Glücks, und er behandelte sie alle scherzhaft, weil alle Parteien in seinen Augen rein politisch waren. Wenn er nun auch im Herzen „monarchisch“ gesinnt war, so hätte er sich doch mit dem „National“ sehr gut vertragen, wenn nicht neben dem „National“ die sozialistische Partei zum Vorschein trat. Hätte die Politik nicht in den Code civil hinübergestreift, wäre die Eigenthumsfrage nicht in Anregung gekommen, so wäre Dupin vielleicht ein tüchtiger Republikaner geworden. Als aber der Code civil in Gefahr gerieth, als die politische Frage nach der Februarrevolution in eine soziale umschlug, als es sich nicht mehr um diese oder um jene Königsbranche, sondern um diese oder jene Klasse handelte, als die Civilpositionen einer ganzen Klasse in Gefahr geriethen, da hörte der Scherz auf; Dupin ward ernst. Seine Existenz stand auf dem Spiele: durch einen unbesonnenen Ausdruck, der ihm über die Nationalateliers entschlüpft, gingen die Arbeiter hin und ließen ungeheuere Plakate drucken, und analysirten gleichsam seinen ganzen Lebenslauf, sein ganzes Einkommen, seine Civilposition. Seit der Zeit hat man nicht mehr ein bon mot aus dem Munde Dupin's gehört. Der älteste der drei Grachen war stumm geworden. Jetzt, wo die Republik und die Revolution ihm gehörig eingeengt erscheinen durch die Konstitution, wo die Civilfrage erledigt ist durch die neue Verfassung, bekommt Dupin neuen Muth, und spricht und scherzt über die Verfassung, ganz wie Guizot, dessen Moral selbst in England schwieg, so lange er in England das Toben der Windhose zu vernehmen glaubte. Dupins „Commentarien über die Konstitution“ beginnen mit einer Einleitung. Die Einleitung beginnt mit Plato's imaginärer Republik. Plato hat ganz „mit Muße gearbeitet“ und hat selbst für eine imaginäre Republik keine vollkommene Konstitution zu Wege gebracht. Solon hat ebenfalls mit Muße gearbeitet „und hat nur solche Gesetze zu Tage gefördert, die, wenn nicht die besten, aber die bestmöglichsten für die damaligen demokratischen Athenienser waren.“ „Also, schließt Dupin, wenn man schon in voller Muße keine vollkommene Konstitution fertig bringen kann, wie dann inmitten einer revolutionären Zeit?“ Gott allein hat nach Dupin's Ausspruch unveränderliche, ewig gute Gesetze diktiren können; aber als Gott diese Gesetze gab, war es nicht im tobenden Sturme der revolutionären Zeit: es war oben in aller Seelenruhe, von dem Berge Sinai herab. Und welches sind diese Gesetze, was ist diese Konstitution, die Dupin so sehr bewundert? „Du sollst nicht stehlen, du sollst nicht tödten.“ Zweierlei tritt hier hervor; erstens der Jurist, der kein anderes Eigenthum kennt, als das, welches gestohlen, kein größeres Verbrechen als das des Todschlages. Dupin unterscheidet sich hier von Guizot, daß die ganze Moral des letzteren bei Dupin in letzter Instanz juristisch ausgedruckt also lautet: Du darfst keine langen Finger machen und keine Faust ballen. Die Konstitution ist am Ende in Dupin's Augen weiter nichts, als die Regulirung der verschiedenen Verhältnisse und Beziehungen von Menschen, die gleich Anfangs sich gegenseitig verbindlich gemacht haben, unter der Beobachtung dieses göttlichen Verbotes zu leben. Unterstellt man dieses, dann ist es ein Leichtes, eine Konstitution mit Muße auszuarbeiten. Der zweite Punkte also, worauf Dupin hindeuten will, ist der, daß, wenn die gegenwärtige Konstitution Mängel trägt, wenn sie der göttlichen Konstitution nicht so nahe als möglich kommt, dieses seinen Grund darin habe, daß die Konstitution in einer revolutionären Zeit zusammengekommen sei, zu einer Zeit des Stehlens und Tödtens. Die Art und Weise des Stehlens im Dupin'schen Sinne war zu allen Zeiten dieselbe. Was aber nicht immer dasselbe war, das ist die Art und Weise des ehrlichen Erwerbens. Der ehrliche Erwerb hängt mit der ehrlichen Produktion zusammen. Hierin sind Dupin und Guizot, wie überhaupt alle Ideologen, im Irrthume, daß sie, wie sie nur eine Art des Stehlens, so auch nur eine Art des Erwerbens und Produzirens sehen: sie sehen nur die Bourgeoisproduktion in ihrer einfachsten Form. „Am 24. Februar, sagt Dupin, als die Deputirten die Regence mit Akklamation beschlossen hatten, drang ein anderes Auditorium in den Saal. Lamartine wandte sich an das neue Publikum, mit dem Antrage, eine provisorische Regierung zu konstituiren, was auf der Stelle mit Jubel von den „Assistenten“ angenommen wurde. Die Deputirten-Kammer ist die Kammer, welche die Gesetze für den ehrlichen Erwerb macht: sie ist also im Sinne Dupin's die einzige legale Gewalt. Mit der „Legitimität“ ist Dupin, der damals auch zu den Akklamirenden gehörte, bald fertig: er beseitigt Louis Philipp und setzt eine Regence ein. Was dem Herrn Dupin über die Legitimität geht, das ist die Legalität: und diese hörte auf von dem Augenblicke, wo es im Saale keine Deputirten, sondern „Assistenten“ gab. Wie die Legalität wieder gekommen, das werden wir in der Fortsetzung sehen. 12 Paris, 16. Jan. Die Kammer hat sich rächen, sie hat zeigen wollen, daß sie etwas ist und sein kann, den Herrn Barrot und Napoleon gegenüber und sie hat in ihren Bureaux mit fast völliger Einstimmigkeit ihre Erhaltung beschlossen. Aber wie hätte es auch anders sein können, wenn man an die trotzige Herausforderung denkt, welche Barrot ihr hingeworfen. Die Kammer hat ihre Selbsterhaltung beschlossen, nicht des Landes, nicht der Interessen wegen, welche sie in ihrem Wahne wirklich und in der That nur scheinbar vertritt; sie hat ihre Selbsterhaltung dem Herrn Barrot, dem Herrn Napoleon zum Trotze beschlossen. Kammer und Napoleon sind jetzt gegeneinander quitt. Wie Napoleon ihr vom Lande, dem Cavaignac zum Trotze aufgedrungen ward, so dringt sie sich jetzt als Person, als juristisch-legale Person, dem Napoleon auf. Und Lamartine? Er ist allenthalben der Beschützer der Waisen und Wittwen; er hat für Napoleon, für Barrot und gegen das Fortbestehen der Kammer gesprochen. Konnte man etwas anderes von dem enttäuschten Manne erwarten, als eine neue Selbsttäuschung; den Wahn, in bevorstehenden neuen Wahlen von Frankreich Anerkennung zu finden? Und hierzu liegt freilich ein Grund vor. Dem Beispiele Guizot's und Dupin's folgend, hat Lamartine sich ebenfalls wieder auf die Literatur geworfen. Die Ideologen der Burgeoisie haben begonnen mit der Literatur; sie sind durch die Literatur hindurch zur Staatsgewalt gedrungen, und jetzt wo sie durch die Verhältnisse aus der Staatsgewalt herausgetrieben, wieder zur Staatsgewalt sich hinaufarbeiten wollen, enden sie wie sie angefangen: mit der Literatur. Unter Louis Philipp und, als seine Regierungszeit sich zu Ende nahte, kam es häufig vor, daß man Domänen, Güter, Grundbesitz mit der Empfehlung zum Verkaufe anpries, daß der künftige Besitzer derselben mit dem Gute die Gewißheit erkaufte, Deputirter zu werden. Nun weiß man, daß, so lange der Wahlcensus existirte, ein Deputirter, der einigermaßen die Neigung zeigte, sich zur konservativen Partei zu schlagen, die sichere Aussicht hatte, für diese Bekehrung Präfekt, Receveur oder irgend eine andere Staatsmacht zu erlangen. Nachdem also anfangs die bürgerliche Ideologie zur bürgerlichen Macht und die bürgerliche Macht wieder zum bürgerlichen Besitze führte, ging man in der letzten Zeit gerade vom bürgerlichen Besitz aus, um wieder zur bürgerlichen Macht, zu bürgerlichen Ehrenposten und mit ihnen wieder zu neuem Besitz zu gelangen. Man nannte diese Preiode die Periode der Corruption. Im Grunde war es weiter nichts als der Ausdruck der bürgerlichen Interessen, die in der Kammer durch die hohe Bourgeoisie vertreten wurden. Die Revolution kam, und mit ihr kamen die Proletarierinteressen zum Durchbruch. Lamartine wie Guizot gehörte unter Louis Philipp der Kategorie der Ideologen an, die mit der Literatur, mit der Ideologie begannen. Lamartine machte poetisch den ganzen Regierungswechsel, die Legitimität und Quasi-Legitimität mit, welche Guizot praktisch, literarisch und politisch begründete. Er gab seinen Schwankungen eine politische Farbe, und stand nach dem Ausbruch der Februarrevolution als harmloser, unbewußter Jesuit da. In einem einzigen Monate, vom Beginne des 24. Februar an, arbeitete sich Lamartine auf die Höhe der Bildungsstufe heran, wozu Guizot Jahre gebraucht hatte: in einem Monat war Lamartine ein bewußter Jesuit mit poetischem Anstriche geworden. Aber auch wenige Monate hatten hingereicht, um ihn in seine anfängliche Karrière zurückzuwerfen. Er wird abermals Literat, aber nicht doktrinär, wie Guizot, sondern lyrisch; mit Wehmuth auf die Vergangenheit hinblickend, und zugleich sich selbst rechtfertigend durch „seine vertraulichen Mittheilungen.“ Die „schöne Seele“ Lamartine's wendet sich an schöne Seelen, welche ihn verstehen und würdigen können. Dazu sind die Juni-Insurgenten und die Sozialisten nicht geeignet. Sein Buch trägt den Titel: Confidences. Wir behalten uns vor, darauf zurückzukommen. Paris, 16. Jan. Moniteur und Constitutionnel beobachten auch heute ein sehr geheimnißvolles Stillschweigen hinsichtlich der Rüstungen in Toulon. Das offizielle Blatt erklärt nur, daß General Pelet nicht mit diplomatischen Aufträgen nach Turin geschickt sei, sondern dem Könige Karl Albert den Dank des Präsidenten Bonaparte für die ausgesprochenen Glückwünsche darbringen solle. „Bei Gelegenheit der Wahl Louis Napoleon Bonapartes zum Präsidenten der Republik, (sagt der Moniteur) sandte S. M. der König von Sardinien einen Spezialagenten nach Paris, um den Präsidenten zu beglückwünschen. Die Absendung einer Person an Karl Albert, um diese Glückwünsche zu erwiedern, ist also nur ein Akt der, den internationalen Traditionen angemessenen Höflichkeit (courtoisie). — Die Ministerialkrisis ist bis zum nächsten Sonnabend vorüber An diesem Tage dürfte der Vorschlag von Kandidaten für die Wahl eines Vicepräsidenten eine Ministeränderung herbeiführen. — Zu Toulon dauerte am 11. Januar die größte Thätigkeit in Hafen und Rhede fort; doch erwartete man noch nähere Befehle aus Paris, die aber wahrscheinlich noch lange ausbleiben dürften; denn das französ. Cabinet wird sich in der italienischen Angelegenheit zum dritten Male blamiren, sobald sich die Nationalversammlung, wie es allen Anschein hat, des Gegenstands bemächtigt und die Minister zur Rede stellt, wozu National bereits auffordert. — Aus Rom fehlt die Post vom 7. Jan. „Il Nationale“ vom 9. (ein Florenzer Blatt) will von einem Volkssturm zu Rom im reaktionären Sinne gehört haben, den die Bürgerwehr mit Waffengewalt unterdrückt habe. — Es liegt außer allem Zweifel, daß an den Vice-Admiral Baudin neue Verhaltungsbefehle abgegangen sind. — Guizot ist gestern in Paris (Passage Panoramas) gesehen worden. — Das Ministerium beabsichtigt der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher eine Gehaltszulage von 480,000 Fr. für den Präsidenten Bonaparte verlangt. — Der Seine-Departementsrath hat in seiner letzten Sitzung eine Billardsteuer beschlossen, um sein Budget zu vergrößern — Zwischen den Bäckergesellen und ihren Meistern soll es nach verschiedenen Straßenschlachten zum Verständniß gekommen sein. Die Minister des Innern und des Kriegs hatten den Bäckermeistern mehrere Tausende von militärischen und sonstigen Bäckergesellen, außer der Truppenhilfe, angeboten, um die Coalition zu erdrücken. Die Bäckergesellen werden nun zur tödtlichen Waffe (der Assoziation unter sich zu kommerziellem Zweck) allgemein greifen. Auf diese Weise hoffen sie die Knechtschaft des Kapitals zu brechen. Die einzige bisherige Bäckergesellen-Assoziation, welche hier seit einigen Wochen besteht, soll hierfür zum Muster dienen. — Fräulein A. B. … und der Gefängnißwärter N. N. sind, als der Begünstigung der Lacambre-Barthelemy'schen Flucht verdächtig, gestern verhaftet worden. General Tisseul, Oberkerkermeister, ist vor Wuth ganz außer sich. — Die Reform erläßt einen Aufruf an die preußischen Wähler, nur erprobte Demokraten in die nächste Berliner Kammer zu schicken. — Lichtenberger (Elsaß) ist zum Präsidenten und Peter Bonaparte zum Schreiber der berüchtigten Rateau-Kommission ernannt worden. Neuer Schlag für das Ministerium. — Der wandernde Clubchef Bernard wollte gestern Abend unter Buvigniers Vorsitz im großen Valentinosaale eine Sitzung halten, in der Guizots hohle Broschüre gegen die Demokratie kritisirt werden sollte. Allein das Ministerium gab Contrebefehl und der Saal blieb geschlossen. Eine Kompagnie sperrte den Eingang. — Die Morgenblätter zittern an allen Gliedern wegen der gestrigen Enthüllungen des Moniteur über das Steuerjahr 1848; viele von ihnen sehen das Gespenst des Nationalbankerotts schon vor der Thüre. Den Debats wird es offenbar ganz unheimlich, während der Constitutionnel nach einigen Seitenhieben gegen die provisorische Regierung die haute finance tröstet. — Nationalversammlung. Sitzung vom 16. Januar. Anfang 2 Uhr. Präsident Marrast läßt das Protokoll vorlesen, aber die Bänke sind noch leer, denn alle Deputirte befinden sich in den Büreausälen, wo heftige Debatten wegen der Rateaukommission und der Commissariatswahlen für das Departements- und Gemeindewesen _ (Organisches Gesetz) stattfinden. Gleich nach dem Protokoll wird über die Wahlen am Senegal berichtet und der gewählte Durand zugelassen. De Mareay giebt seine Demission. An der Tagesordnung befindet sich zunächst ein Nachkredit von 2,700,000 Franken für die berüchtigten Nationalwerkstätten. Die Debatte soll beginnen. Stimmen links: Aber wir sind noch nicht beschlußfähig Marrast läßt die Urnen vertheilen, um die Zahl durch Zettelabstimmung zu ermitteln. Marrast: Da Niemand über den Kredit das Wort verlangt so wird die Erste Deliberation (Neues System) als geschlossen betrachtet und zur Abstimmung gebracht, um in fünf Tagen wiederholt zu werden. Während dieser Zeit strömen die Deputirten aus den Büreau's und es ergiebt sich folgendes Resultat. Es stimmen 636; davon für die 2te Deliberation 630 dagegen 6. Die 2te Deliberation soll in fünf Tagen stattfinden. Passy legt einen Beschluß des Präsidenten der Republik vor, der den Gesetzentwurf über die mobilen Einkünfte zurückzieht. (Beifall zur Rechten.) Goudchaux (bitter) Ich benütze das Recht meiner parlamentarischen Initiative, um den Gesetzentwurf wieder aufzunehmen (Beifallssturm vom Berge.) Lacrosse, Staatsbautenminister, überreicht mehrere Gesetzvorschläge, welche die Städte Troyes, Luneville, Vienne etc. etc. zur Uebersteuerung ermächtigen, um ihr Proletariat zu beschäftigen. An der Tagesordnung steht demnächst die Einführung einer neuen Steuer auf Kauf- und Erwerbverhältnisse beim Eigenthumswechsel der Güter aus todter Hand. Grellet bekämpft im Interesse religiöser Körperschaften den Entwurf und erklärt die Hoffnung des Finanzministers, durch ihn 3 1/2 Millionen Frk. sich zu verschaffen als illusorisch. Grevy findet gerade das Gegentheil, es müsse Gleichheit herrschen. Die geistl. Güter wären bisher viel weniger herangezogen worden als die bürgerl. Grundstücke. Nach längerer Debatte wird die 2te Berathung geschlossen. Die Versammlung geht zur beabsichtigten Revision des Artikel 1781 des Civilcodex über. Artikel 1781 des Civilgesetzbuchs gesteht bekanntlich bei Zeugenverhören dem „Herrn“ mehr Glaubwürdigkeit als seinem „Diener,“ dem „Meister“ mehr fidem als seinem „Arbeiter“ zu. Man faßte darum den löblichen Gedanken, diese schreiende Ungerechtigkeit zu ändern und eine gleiche gerichtliche Elle für beide einzuführen. Alle Welt glaubte, so etwas könne auf keinen Widerspruch stoßen und würde ohne alle Diskussion durchgehen Fehlgeschossen! De Brunel, ein Centrier, erhebt sich gegen den Antrag und sieht den Untergang aller Gesetzbücher „dieses schönsten Erbtheils des Kaisers Napoleon“ hereinbrechen, wenn die National-Versammlung ihre zerstörende Hand daran lege. Sie habe schon den Handelscodex angegriffen und jetzt wolle sie sich auch am Civilgesetzbuch vergreifen (Gelächter zur Linken.) Corbon, der sogenannte Proletarier, unterstützt den Antrag und findet es doch gar zu antidemokratisch, wenn das Gericht dem Patron mehr Glauben bei Zeugenverhören und sonstigen Streitigkeiten schenken müsse als dem Gesellen etc. Die Versammlung beschließt nach fünf Tagen zur zweiten Debatte zu schreiten. Dann nimmt sie einen Antrag rücksichtlich der ehelichen Aufgebote vor dessen zweite Deliberation nach fünf Tagen ebenfalls beschlossen wird. Marrast zeigt der Versammlung an, daß ihm von dem Prokurator der Republik zwei Anträge auf gerichtliche Verfolgung zweier Deputirten zugegangen sind. Stimmen: Lesen Sie vor! Lesen Sie vor! Marrast erklärt dies reglementswidrig. Aber die ungeduldige Versammlung beschließt, daß er ihr die Requisitorien sofort vorlesen müsse. Sie erfährt daß es die beiden Deputirten Bourbousson und Reynaud Lagardette sind und eine Duellgeschichte betrifft. Sie weist das Verlangen des Prokurators an die Büreau's zur begutachtung. Die Sitzung wird schon um 5 1/2 Uhr geschlossen. Portugal. 068 Lissabon, 9. Januar. Die Cortes sind am 2. d. M. von der Königin in Person eröffnet worden, doch waren die Deputirten aus den Provinzen erst so spärlich eingetroffen, daß eine Prorogation auf 14 Tage oder 3 Wochen stattfinden soll. Inzwischen ist Cabral von der Königin zum Präsidenten, und ihr Kaplan, Padre Marcos, zum Vizepräsidenten der Versammlung ernannt worden. Von den bis jetzt angekommenen 56 Deputirten sind vielleicht 30 ministeriell gesinnt, das Verhältniß dürfte sich jedoch nach Eintreffen der noch zu erwartenden leicht anders stellen, und würde die Silva Cabral'sche Opposition gewonnenes Spiel haben. Sie hat schon jetzt ihre Operationen begonnen, indem sie die Vorlegung von Dokumenten verlangt, an deren Geheimhaltung der Regierung nur zu sehr gelegen sein muß: eine Rechnungsablage über sämmtliche Anleihen und Anticipationen auf die Revenue, eine Abschrift des Konkordats mit Rom über die geistliche Jurisdiktion in Indien, und eine Liste aller General- und Distriktsteuerempfänger seit 1833. Das letzte Aktenstück namentlich wird durch die sich daran knüpfende Enthüllung des seitherigen schändlichen Steuersystems, welches zum größten Theil die Schuld der Finanzwirren Portugals trägt, eine wichtige Waffe in der Hand der Opposition werden. Viceadmiral Ch. Napier ist am 4. d. M. mit seinem längst erwarteten Geschwader im Tajo eingelaufen. Amerika. 068 New-York, 24. Dezbr. Es ist von den hiesigen Journalen ein interessantes, obgleich riesiges Aktenstück in Betreff des Briefporto's veröffentlicht worden. Dieses Dokument stammt aus der Feder Hrn. Hobbie's, ersten Assistenten des Generalpostmeisters. Hr. Hobbie erhielt von der Regierung der Union im J. 1847 den Auftrag, in Europa die verschiedenen Postsysteme zu studieren und darüber Bericht zu erstatten. [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 199. Köln, 19. Januar 1849, S. 1084. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz199_1849/4>, abgerufen am 30.04.2024.