Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 262. Köln, 3. April 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

nehmigen. Der Ausschuß trägt darauf an: die Genehmigung nicht zu ertheilen.

Martens u. A. beantragen: die Untersuchung eröffnen zu lassen. Fast die ganze Rechte unterstützt diesen Antrag.

Martens: § 83 der Verfassung mache die Eröffnung einer Untersuchung gegen Abgeordnete von der Genehmigung der Kammer abhängig, aber das geschehe lediglich, um dem Parteiinteresse nicht allzu weiten Spielraum zu geben, nicht um den Abg. ein Privilegium zu ertheilen. Er stelle den Beruf eines Abg. sehr hoch, aber noch höher stehe das Ansehen des Gesetzes. Den Grund, daß durch Vernehmung von Abg. Versäumnisse herbeigeführt werden, hält er nicht für stichhaltig, da ja Abgeordnete aus Privatrucksichten öfter den Besuch der Abtheilungen unterlassen. (Murren.)

v. Lisiecki erklärt den Martens'schen Antrag formell für unzulässig und reglementswidrig

Stein kennt weder die Angriffe, die der Berliner Magistrat gegen die National-Versammlung geschleudert hat, noch auch die dadurch provocirte Entgegnung des Abg. Jung, welche zu dem Proceß Anlaß gegeben hat. Aber er hält es für unangemessen, daß ein Abgeordneter durch Termine und dergl. den Sitzungen entzogen werde. Die Rechte habe gleichfalls kein Interesse daran, der Minorität eine Stimme zu entziehen, die Rechte sei ja ihrer Majorität so sicher. Fliehen werde Jung wegen der geringen Strafe nicht, und eine Ausweisung werde auch nach Beendigung der Session nicht eintreten, da man ja vorziehen werde, Jung einzusperren. Das Privilegium, von dem man öfter gesprochen habe, sei nicht ein Privilegium der Abgeordneten, sondern ein Recht des Volkes. Der Redner weist auf die Tendenzprocesse hin und sieht in der Bestimmung des § 83 ein Mittel, Maßregeln der Regierung gegen ein ihr mißliebiges Kammermitglied entgegen zu treten.

Berichterstatter Reuter ist gegen den Antrag des Ausschusses.

Die Majorität ist für Nichtgenehmigung der Untersuchung, mit der Minorität stimmten auch die Minister v. d. Heydt und Manteuffel.

Berichterstatter Reuter verliest den Bericht des Centralausschusses über den Antrag: die Genehmigung zur Einleitung einer Untersuchung gegen den Abg. Arntz (in der Steuerverweigerung) zu ertheilen. Der Ausschuß ist auch hier gegen die Genehmigung. Arntz selbst hat darauf angetragen, die Einleitung der Untersuchung, so weit sie ihn betreffe, zu genehmigen. Die Kommission stellt anheim, über diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen.

v. Berg für den Antrag von Arntz. Es handle sich nicht darum, den Abg. Arntz einer Untersuchung zu entziehen, die schon seit Monaten das Land mit leerem Lärm erfülle; es handle sich darum, die Kompetenz der Kammer festzustellen. Der Untersuchungsrichter sei der Meinung, eine Voruntersuchung sei keine Untersuchung, die Kommission sei der entgegengesetzten Meinung. Die betheiligten Mitglieder drängt es zu wissen, was die Gerichte über die Steuerverweigerung beschließen werden Man müsse daher eine Declaration der Kammer darüber wünschen, ob durch die Voruntersuchung ihre Prärogative berührt werde oder nicht. Die einzelnen Mitglieder sind so wenig befugt, darüber zu entscheiden, indem sie den Vorladungen Folge leisten, als die Untersuchungsrichter, indem sie die Vorladungen erlassen.

Urlichs ist für die Tagesordnung unter Hinweis auf den Beschluß der Nationalversammlung in Betreff der Untersuchung gegen den Abg. Kuter. Ueber das Materielle der Frage sich zu äußern hält er nicht an der Stelle.

Die Majorität ist für die Tagesordnung.

Auf Antrag des Herrn Renard hat der Centralausschuß die Ernennung einer Kommission von 21 Mitgliedern vorgeschlagen, um 1) die zu erwartenden ministeriellen Vorlagen über die Agrarverhältnisse einer weiteren Vorberathung zu unterwerfen; 2) dieser Kommission alle einschlägigen Petitionen zu überweisen.

Stein beantragt Tagesordnung, weil der Antrag durch § 19 des Geschäfts-Reglements erledigt sei.

Schöpplerberg beantragt die Errichtung einer besondern Kommission für die Bearbeitung der schlesischen Agrarverhältnisse.

Dierschke hofft, daß Herr Renard und Genossen sich nicht blos auf die formelle Erledigung der Anträge über Erleichterung des Druckes der ländlichen Bevölkerung beschränken werden. Er macht darauf aufmerksam, daß die Kommissionen überwiegend aus Mitgliedern der Rechten zusammengesetzt werde. Er bittet (!) auch die Linke bei den Wahlen in die Kommissionen zu berücksichtigen.

Renard: Sein Wunsch, eine Kommission für die Agrarverhältnisse zu ernennen, sei durch Bildung der Fachkommission erledigt. Die Bemerkung des Abg. Dierschke sei einer Widerlegung unfähig.

Die Tagesordnung wird angenommen.

Die National-Versammlung begiebt sich in die Abtheilungen, um die Mitglieder der Adreß-Kommission zu wählen.

Schluß 2 1/2 Uhr.

316 Berlin, 31. März.

Der Besitzer der Vossischen Zeitung, Justizrath Lessing, ist als Verbreiter der berüchtigten "Enthüüllungen" in einem der gegen ihn angestellten Injurienprozesse, kürzlich zu 6 Wochen Gefängniß verurtheilt worden. Herr Lessing wird nunmehr an die höhere Instanz gehen, und seinen Recurs an diejenigen Personen nehmen, welche die Pamphlete seiner Zeitung zu weiterer Verbreitung übergeben haben.

Der bekannte Polizei-Direktor Duncker, befindet sich in Oberschlesien, um auf die aus Oesterreich übertretenden politischen Flüchtlinge zu vigiliren und ihre Ergreifung zu bewerkstelligen. Es ist zweifelhaft, ob ihm diese Mission von den Preußischen, oder von Russischen, oder von Oesterreichischen Behörden übertragen ist.

Mach dem heutigen Militair-Wochenblatte ist dem General-Lieutenant v. Prittwitz, Commandeur der Garde-Infanterie etc., der Oberbefehl über die nach Schlswig-Holstein bestimmten Reichstruppen übertragen und der General-Major von Hahn zum Chef des Stabes bei demselben ernannt, dem General-Major von Hirschfeldt, Comandeur der 7. Division, das Commando über die nach Schleswig-Holstein bestimmte Division übertragen, und der General der Infanterie von Pfuel auf sein Ansuchen mit Pension in den Ruhestand versetzt worden.

(P. St. A.)

Die elektro-magnetische Telegraphen-Linie ist so weit vorgeschritten, daß nach und von folgenden Stationen Depeschen mitgetheilt werden können, nämlich: Berlin, Jüterbogk, Köthen, Halle, Erfurt, Eisenach, Kassel, Gießen und Frankfurt a. M. In einigen Tagen werden noch folgende Stationen der Berlin-Kölner Linie hinzutreten: Potsdam, Magdeburg, Oschersleben und Braunschweig. Die Lieitung des ganzen, zum Ressort des Handelsministeriums gehörgen Instituts, ist dem Oberst du-Vignau übertragen und dasselbe unter der Firma: "Königliche Telegraphen-Direktion," in die Kategorie einer königlichen Behörde gestellt worden.

* Wien, 29 März.

Der Exminister Schwarzer, Redakteur der verbotenen allgemeinen österreichischen Zeitung, ist zu einem 48stündigen Stockhausarrest verurtheilt worden. - In der siebenbürgischen Hofkanzlei, so wie in der Ortschaft Sechshaus sind dieser Tage verborgene Waffen aufgefunden worden. - Das heutige Amtsblatt der Wiener Zeitung bringt eine Kundmachung der Staatsanwaltschaft in Preßsachen. Hiernach wird Leopold Hafner wegen eines in der Konstitution vom 29. September 1848 enthaltenen Artikels "Zwei Aristokraten" auf Grund der provisorischen Preßordnung vom 18. März 1848 als Mitschuldiger in Anklagestand versetzt und dessen Verhaftung angeordnet. - An der Börse ist gestern der Verkehr in Silberscheidemünze, heute jener in Livorneser Eisenbahn-Aktien untersagt worden. - Smolka, von Stadion nach Wien berufen, erhielt den Befehl, binnen 24 Stunden abzureisen und nur durch Stadions Vermittelung konnte es ihm gelingen, zu bleiben. Prato ist nach Linz gebracht worden. - Der Dichter Kaiser erhielt von Welden die Versicherung, daß er es nur seiner Gnade zu verdanken habe, wenn er nicht erschossen werde. Er hat bekanntlich sich geflüchtet.

Nach Mittheilungen von Reisenden, die diesen Morgen aus Ungarn kamen, bestätigt es sich, daß die Dinge vorerst (!) noch nicht zum Besten dort stehen. Man war selbst nicht ohne Besorgniß für die Behauptung der Schwesterstädte.

Nach dem heute veröffentlichten Ausweise der dreimonatlichen Periode vom 1. November 1848 bis 1. Februar 1849 ergab sich ein Ausfall von circa 23 1/2 Mill., welcher durch Vorschüsse der Nationalbank gedeckt worden ist. Gegen den Voranschlag blieb die Einnahme zurück um circa 3 1/2 Mill., wozu die Ausfälle in der Grund- und Häusersteuer, im Zoll- und Postgefälle 1 1/2 Mill., die zu hoch angeschlagenen Ueberschüsse des Tilgungsfonds 1 1/4 Mill. kontribuirten. Bei den Ausgaben, welche den Voranschlag insgesammt um circa 4 1/2 Mill. überstiegen, ergab sich bei den Armee-Auslagen allein ein überwiegendes Mehr mit circa 4 Mill.

Der "Lloyd" spricht in einem leitenden Artikel es ziemlich deutlich aus, daß auch Deutschland nächstens eine octroyirte Verfassung erhalten dürfte. Die Stelle lautet: "Wir hoffen, daß sämmtliche Regierungen Deutschlands, Oesterreich und Preußen an ihrer Spitze, zu einer Verständigung in Bezug auf die künftige Organisirung des Reichs gelangen, und daß sie vereint die Initiative ergreifen werden, um die deutsche Verfassung mit der Paulskirche zu vereinbaren. Das ist der Weg, welchen die leitenden Staaten aller Wahrscheinlichkeit nach einschlagen werden, und welcher zum Ziele führen kann."

Prag, 28. März.

Der vom Staatsanwalt gegen Bakunin wegen seiner bekannten Brochüre eingeleitete Preßprozeß dehnt sich auch auf die Vereinszeitschrift der Slovanska Lipa aus, welche in den ersten Nummern des heurigen Jahrgangs eine Uebersetzung jener Brochüre brachte. Die Voruntersuchung gegen die Redacteure der Slovanska Lipa hat bereits begonnen. (Mor. Nov.)

Gegen die Zeitschrift der Slovanska Lipa ist neuerdings vom Staatsanwalt ein Preßprozeß anhängig gemacht worden. Gegenstand der Klage ist der mitgetheilte Aufruf des italienisch-slavischen Vereins in Turin an die Slaven.

* Dresden, 29. März.

Gestern ist den Kammern in geheimer Sitzung mitgetheilt worden, daß Oestreich die Rückberufung des Gesandten v. Könneritz als einen Bruch zwischen Oestreich und Sachsen ansehen werde. Grund genug für die Mehrheit der Kammern, nicht weiter auf jene Rückberufung zu dringen.

* Gotha, 29. März.

Der Herzog hat das von den Abgeordneten angenommene Staatsgrundgesetz unterzeichnet. Statt indeß, wie ein Paragraph desselben festsetzt, den Eid auf die Verfassung "im Beisein der Abgeordneten-Versammlung" mündlich zu leisten, hat er den Abgeordneten eine schriftliche Eidesformel übersandt und dadurch sich gleich anfangs über das Staatsgrundgesetz wegoctroyirt.

Mainz, 29. März.

Der Menschenraub, welcher an der elfjährigen Tochter des Herrn von Rippentrop begangen wurde, machte seiner Zeit viel von sich reden. Gestern nun verhandelte man über diesen Gegenstand vor dem hiesigen Kreisgericht gegen die Beschuldigten. Dieselben sind 1) die Ehefrau Robert, Schwägerin des Herrn von Rippentrop, gegen welche, weil sie nicht erschienen war, das Contumacialverfahren in Anwendung kam; 2) die Ehefrau Rosner, eine alte Dienerin der Frau Robert; 3) Katharina Weidner, die Schwester der Frau Rosner. Aus den Verhandlungen ging hervor, daß man den Kindern des Herrn von Rippentrop, die nach dem Tode seiner von ihm getrennt gewesenen Frau bei ihrer Tante, der Frau Robert, waren, gegen ihren protestantischen Vater eine Abneigung beizubringen suchte, welche auch Wurzel faßte. Als endlich Hr. v. Rippentrop eine Reise von Paris nach Mainz machte, um seine Kinder zu sich abzuholen, wurde seine älteste Tochter Marie durch Frau Robert mittelst Beihülfe der Mitangeschuldigten geraubt, um sie dem Vater dauernd zu entziehen. Im Februar d. Jahres erhielt jedoch der Geschäftsführer der Familie Gouvry, Herr Schmitt, ein Schreiben, von der französischen Gränze datirt, worin demselben Frau Robert die Ueberlieferung des Kindes anbot, was auch in Ausführung kam. Frau Robert soll übrigens bei ihrer Handlungsweise von fremden Einflüssen geleitet gewesen sein. Sie wurde indessen von dem Gericht des Menschenraubes für schuldig erklärt, in Berücksichtigung subjektiv mildernder Umstände aber nur zu 3 Monaten Correktionshausstrafe verurtheilt. Ihren Mitschuldigen wurden, der ersteren 1 Monat, der letzteren, Katharina Weidner nämlich, 14 Tage Gefängniß zuerkannt.

Mainz, 29. März.

Die Entrüstung gegen unseren Stadtrath ist so allgemein, daß es schwer einzusehen ist, wie derselbe noch länger die Angelegenheiten der Gemeinde verwalten will, ohne daß jede von ihm ausgehende Maßregel mit dem größten Mißtrauen betrachtet wird. Der an drei auf einander folgenden Tagen auf dem hiesigen Markte statt gehabte Scandal ist nur durch den Stadtrath provozirt worden, der auf seinem einmal gefaßten Beschlusse hartnäckig bestand, einen Menschen als Marktmeister wieder einzusetzen, den die öffentliche Meinung längst gerichtet hat. Der gestrige Scandal, über den Ihnen schon berichtet wurde, hätte den blutigsten Ausgang nehmen können, und je mehr man jetzt an die Möglichkeit eines solchen Ausganges denkt, je heftiger äußert sich der Unwille über Die, welche der allgemein herrschenden Stimmung auf solche unverantwortliche Weise trotzen wollten. Man ist überzeugt, daß ein solcher öffentlicher Scandal nicht vorgefallen wäre, wenn die seit fast einem Jahre immer wieder herausgeschobene Ergänzungswahl für den Stadtrath stattgefunden und diesen von den Mitgliedern befreit hätte, die mit unverkennbarer Vorliebe dem Rückschritte zugethan sind und der öffentlichen Meinung Trotz bieten zu können glauben.

(Fr. Journ.)
082 Heidelberg, 31. März.

Unter heutigem Datum bringt die Frankfurter LPC (Lauwarmer Parlaments-Clatsch) Folgendes: "Wir können dreist sagen, unsre Verfassung gehört, abgesehen vom erblichen Kaiser, zu den freisinnigsten von ganz Europa."

Freilich, Ihr Herren von der "Linken" und vom Märzverein, das könnt Ihr dreist sagen, denn wozu habt Ihr nicht die Dreistigkeit. Habt Ihr doch kürzlich noch ausfindig gemacht, die einzige Ursache von dem miserabeln Zustande des Parlaments sei nur, daß das Volk nicht genug Petitionen an dasselbe geschickt habe!

Für die Prinzipientreue und die politische Einsicht unserer linkischen Biedermänner ist diese Aeußerung charakteristisch.

"Unsere Verfassung gehört, den erblichen Kaiser abgerechnet, zu den freisinnigsten von ganz Europa."

"Abgesehen von den Folgen der Strangulation hat der Patient eine kräftige Konstitution und würde unter andern Umständen noch lange gelebt haben" - sagte ein Arzt mit Märzvereinsverstand von einem Erhängten.

Abgesehen davon, daß die Verfassung monarchisch ist, ist sie republikanisch.

Abgerechnet den "erblichen" (???) Friedrich Wilhelm Hohenzollern - ich bitte Euch, was ist denn sonst an Eurer Verfassung, welche Ihr unter Mühe, Schweiß und Tiefsinn ausgeheckt habt? Wo hat man sie je respektirt, wo ist nur ein Titelchen davon zur Wahrheit geworden? Wo ist überhaupt in der ganzen Verfassung etwas Reelles, außer höchstens gerade diesem Kaiser, von dem Ihr "abseht". Und wo steckt denn die gerühmte "Freisinnigkeit"? Etwa in der Konzession des jämmerlichen "suspensiven Veto" mit dem Rechte des wiederholten Nachhauseschickens? Etwa in dem vorbehaltenen Rechte der Oktroyirung? Oder in der Bestimmung, daß die Verfassungen der Einzelstaaten nur mit Zustimmung der Reichsgewalt etc. erfolgen dürfen (Gewährleistung der Reichskroaten)? Oder in dem neuen Staatenhause (Bundestage)? Oder in dem so hochgepriesenen Wahlgesetz zum Volkshause, nach welchem noch immer der gesammte Arbeiterstand und die demokratische Partei sammt und sonders ausgeschlossen werden kann und sicher auch wird? Und dieses Wahlgesetz ist doch der Kaufpreis, um welchen Heinrich Simon und andere "charakterfeste" Biedermänner aus Westendhall zu Verräthern an ihrer Partei wurden und zu den Erbkaiserlichen überliefen! - Oder sind es - und darauf werden sie sich wahrscheinlich vor Allem stützen - die bescheidenen, verklausulirten, phrasenreichen und dennoch nie zur Ausführung kommenden papiernen "Grundrechte"? Freilich enthält § 7 der "Gewähr der Verfassung" eine Bestimmung, nach welcher die "Grundrechte" in jedem passend scheinenden Augenblicke durch Belagerungszustand, Standrecht etc. etc. annullirt werden können: das genirt indessen die Herren nicht. Sie werden sich auch noch bescheiden, daß sie die Grundrechte noch gar nicht gehörig verstehen, und die Herren Wrangel-Manteuffel um gefällige Interpretation ersuchen.

Es ist wahrhaft komisch anzusehen, wie diese Herren der "gemäßigten Linken," deren Tendenz es ist, "das Errungene zu behaupten," von Konzession zu Konzession getrieben werden. Im vorigen Jahre stellten sie sich, zum "passiven Widerstande" gerüstet, auf ihre "Märzerrungenschaften" und wollten sie "behaupten." Man oktroyirte ihnen eine "Errungenschaft" nach der anderen hinweg; sie nahmen gutmüthig die Errungenschaft mit der neu errungenen Beschränkung, und wollten auch diese "behaupten." Man gab ihnen systematisch Rippenstöße; bei jedem Stoße wichen sie zurück, sagten aber stets: "diesen Platz wollen wir behaupten!" - bis ein neuer Rippenstoß kam und sie noch weiter zurücktrieb - und so fort, bis sie jetzt endlich an die Wand gedrängt sind, wo sie nicht weiter zurückkönnen - bis sie für eine Verfassung, gegen deren einzelne Paragraphen sie gestimmt haben, als für ihre "Errungenschaft" schwärmen!

Mit Gagern, Mathy, Wilh. Jordan u. s. w. (die Linke hat sich vermehrt!) unterzeichnet die "gemäßigte Linke" eine Erklärung des Inhalts: daß die Verfassung (die freisinnigste in Europa!) keine wesentliche Aenderung erleiden dürfe, als Bedingung für die Annahme der Kaiserwahl. Nun, Friedrich Wilhem hat in seinen jungen Jahren Hegel getrieben; er wird Euch schon genügend über den Unterschied von wesentlich und unwesentlich belehren. Ihr seid am Ende schon leicht davon zu überzeugen, daß dies oder jenes nur unwesentlich sei, und ich zweifle nicht, daß in einiger Zeit die "gemäßigte Linke," wie jetzt für die Verfassung in Bausch und Bogen, so für die Verfassung mit Friedrich-Wilhelm-Manteuflischen Glossen auftreten werden - vermöge ihres ausgezeichneten Abstraktionsvermögens werden sie auch davon "absehen," und wir werden dann lesen:

"Abgesehen von den nothwendigen Consequenzen des preußischen Erbkaisers, ist unsre Verfassung eine der freisinnigsten in Europa."

"Abgesehen davon," daß Ihr die Schleppenträger der deutschen Fürsten seid, habt Ihr glücklicherweise in Deutschland nichts zu sagen!

* Freiburg, 30 März, Abends 8. Uhr.

Soeben wurde nach eilftägiger Verhandlung der Prozeß wegen Struve und Blind entschieden: Beide sind zu achtjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden, welche sie nach einem alten Gesetz, wonach 2 Monate einsamer Zellenhaft gleich 3 Monaten Zuchthausstraße sind, in Zellenhaft von 5 Jahren und 4 Monaten absitzen sollen. In dem Prozeß wurden mehr als hundert Zeugen verhört, welche sämmtlich von der Staatsanwaltschaft vorgeladen waren; die von den Angeklagten bezeichneten Entlassungszeugen wurden gar nicht vorgeladen, da man den Vertheidigungsbeweis von vornherein als "unerheblich" auszuschließen geruhte. - Wir hoffen, daß an den Regierungsmännern Badens baldigst vom Volk ähnliche "Gerechtigkeit" geübt werden wird.

Polen.
316 Von der polnischen Gränze, 28. März.

Das Lager bei Kalisch ist zwar abgesteckt, aber bis heute noch nicht bezogen; in Kalisch selbst sind nicht viel Truppen.

Es sind zwar sehr bedeutende Truppenmassen im Königreich Polen zusammengezogen, aber immer mehrere Meilen längst der Gränze so aufgestellt, daß sie sich in kurzer Zeit bei den bestimmten Uebergangspunkten konzentriren können. Auch das steht fest, daß immer mehr neue Truppen aus dem Innern einrücken.

Aus guter und zuverlässiger Quelle wird Folgendes mitgetheilt: Bei der Einnahme von Hermannstadt sind sehr viele russische Soldaten zu Bem übergegangen; sie versicherten, daß in ihrer Armee ein Geist der Unzufriedenheit herrsche, wie er noch nie dagewesen. Die russischen Soldaten haben wenig Lust gezeigt, sich mit den Ungarn zu schlagen, und dies soll auch die Veranlassung sein, warum die Führer die Offensive nicht ergreifen wollen, - obgleich sie, mit den Oesterreichern vereinigt, sogar an Zahl überlegen sind.

Kalisch, 26 März.

Ein heute hier bekannt gewordener Befehl gestattet, den beurlaubten Militärs auf desfallsige Gesuche den Urlaub auf einem Monat zu verlängern. Doch sind wir gewöht, die öffentlichen Erlasse immer im Widerspruche zu der im Geheimen befolgten Politik zu finden, und wir dürfen uns daher aus diesem publicirten Befehl keinen Schluß auf Ehaltung des Friedens mit dem Nachbarlande erlauben. -

Ungarn.

nehmigen. Der Ausschuß trägt darauf an: die Genehmigung nicht zu ertheilen.

Martens u. A. beantragen: die Untersuchung eröffnen zu lassen. Fast die ganze Rechte unterstützt diesen Antrag.

Martens: § 83 der Verfassung mache die Eröffnung einer Untersuchung gegen Abgeordnete von der Genehmigung der Kammer abhängig, aber das geschehe lediglich, um dem Parteiinteresse nicht allzu weiten Spielraum zu geben, nicht um den Abg. ein Privilegium zu ertheilen. Er stelle den Beruf eines Abg. sehr hoch, aber noch höher stehe das Ansehen des Gesetzes. Den Grund, daß durch Vernehmung von Abg. Versäumnisse herbeigeführt werden, hält er nicht für stichhaltig, da ja Abgeordnete aus Privatrucksichten öfter den Besuch der Abtheilungen unterlassen. (Murren.)

v. Lisiecki erklärt den Martens'schen Antrag formell für unzulässig und reglementswidrig

Stein kennt weder die Angriffe, die der Berliner Magistrat gegen die National-Versammlung geschleudert hat, noch auch die dadurch provocirte Entgegnung des Abg. Jung, welche zu dem Proceß Anlaß gegeben hat. Aber er hält es für unangemessen, daß ein Abgeordneter durch Termine und dergl. den Sitzungen entzogen werde. Die Rechte habe gleichfalls kein Interesse daran, der Minorität eine Stimme zu entziehen, die Rechte sei ja ihrer Majorität so sicher. Fliehen werde Jung wegen der geringen Strafe nicht, und eine Ausweisung werde auch nach Beendigung der Session nicht eintreten, da man ja vorziehen werde, Jung einzusperren. Das Privilegium, von dem man öfter gesprochen habe, sei nicht ein Privilegium der Abgeordneten, sondern ein Recht des Volkes. Der Redner weist auf die Tendenzprocesse hin und sieht in der Bestimmung des § 83 ein Mittel, Maßregeln der Regierung gegen ein ihr mißliebiges Kammermitglied entgegen zu treten.

Berichterstatter Reuter ist gegen den Antrag des Ausschusses.

Die Majorität ist für Nichtgenehmigung der Untersuchung, mit der Minorität stimmten auch die Minister v. d. Heydt und Manteuffel.

Berichterstatter Reuter verliest den Bericht des Centralausschusses über den Antrag: die Genehmigung zur Einleitung einer Untersuchung gegen den Abg. Arntz (in der Steuerverweigerung) zu ertheilen. Der Ausschuß ist auch hier gegen die Genehmigung. Arntz selbst hat darauf angetragen, die Einleitung der Untersuchung, so weit sie ihn betreffe, zu genehmigen. Die Kommission stellt anheim, über diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen.

v. Berg für den Antrag von Arntz. Es handle sich nicht darum, den Abg. Arntz einer Untersuchung zu entziehen, die schon seit Monaten das Land mit leerem Lärm erfülle; es handle sich darum, die Kompetenz der Kammer festzustellen. Der Untersuchungsrichter sei der Meinung, eine Voruntersuchung sei keine Untersuchung, die Kommission sei der entgegengesetzten Meinung. Die betheiligten Mitglieder drängt es zu wissen, was die Gerichte über die Steuerverweigerung beschließen werden Man müsse daher eine Declaration der Kammer darüber wünschen, ob durch die Voruntersuchung ihre Prärogative berührt werde oder nicht. Die einzelnen Mitglieder sind so wenig befugt, darüber zu entscheiden, indem sie den Vorladungen Folge leisten, als die Untersuchungsrichter, indem sie die Vorladungen erlassen.

Urlichs ist für die Tagesordnung unter Hinweis auf den Beschluß der Nationalversammlung in Betreff der Untersuchung gegen den Abg. Kuter. Ueber das Materielle der Frage sich zu äußern hält er nicht an der Stelle.

Die Majorität ist für die Tagesordnung.

Auf Antrag des Herrn Renard hat der Centralausschuß die Ernennung einer Kommission von 21 Mitgliedern vorgeschlagen, um 1) die zu erwartenden ministeriellen Vorlagen über die Agrarverhältnisse einer weiteren Vorberathung zu unterwerfen; 2) dieser Kommission alle einschlägigen Petitionen zu überweisen.

Stein beantragt Tagesordnung, weil der Antrag durch § 19 des Geschäfts-Reglements erledigt sei.

Schöpplerberg beantragt die Errichtung einer besondern Kommission für die Bearbeitung der schlesischen Agrarverhältnisse.

Dierschke hofft, daß Herr Renard und Genossen sich nicht blos auf die formelle Erledigung der Anträge über Erleichterung des Druckes der ländlichen Bevölkerung beschränken werden. Er macht darauf aufmerksam, daß die Kommissionen überwiegend aus Mitgliedern der Rechten zusammengesetzt werde. Er bittet (!) auch die Linke bei den Wahlen in die Kommissionen zu berücksichtigen.

Renard: Sein Wunsch, eine Kommission für die Agrarverhältnisse zu ernennen, sei durch Bildung der Fachkommission erledigt. Die Bemerkung des Abg. Dierschke sei einer Widerlegung unfähig.

Die Tagesordnung wird angenommen.

Die National-Versammlung begiebt sich in die Abtheilungen, um die Mitglieder der Adreß-Kommission zu wählen.

Schluß 2 1/2 Uhr.

316 Berlin, 31. März.

Der Besitzer der Vossischen Zeitung, Justizrath Lessing, ist als Verbreiter der berüchtigten „Enthüüllungen“ in einem der gegen ihn angestellten Injurienprozesse, kürzlich zu 6 Wochen Gefängniß verurtheilt worden. Herr Lessing wird nunmehr an die höhere Instanz gehen, und seinen Recurs an diejenigen Personen nehmen, welche die Pamphlete seiner Zeitung zu weiterer Verbreitung übergeben haben.

Der bekannte Polizei-Direktor Duncker, befindet sich in Oberschlesien, um auf die aus Oesterreich übertretenden politischen Flüchtlinge zu vigiliren und ihre Ergreifung zu bewerkstelligen. Es ist zweifelhaft, ob ihm diese Mission von den Preußischen, oder von Russischen, oder von Oesterreichischen Behörden übertragen ist.

Mach dem heutigen Militair-Wochenblatte ist dem General-Lieutenant v. Prittwitz, Commandeur der Garde-Infanterie etc., der Oberbefehl über die nach Schlswig-Holstein bestimmten Reichstruppen übertragen und der General-Major von Hahn zum Chef des Stabes bei demselben ernannt, dem General-Major von Hirschfeldt, Comandeur der 7. Division, das Commando über die nach Schleswig-Holstein bestimmte Division übertragen, und der General der Infanterie von Pfuel auf sein Ansuchen mit Pension in den Ruhestand versetzt worden.

(P. St. A.)

Die elektro-magnetische Telegraphen-Linie ist so weit vorgeschritten, daß nach und von folgenden Stationen Depeschen mitgetheilt werden können, nämlich: Berlin, Jüterbogk, Köthen, Halle, Erfurt, Eisenach, Kassel, Gießen und Frankfurt a. M. In einigen Tagen werden noch folgende Stationen der Berlin-Kölner Linie hinzutreten: Potsdam, Magdeburg, Oschersleben und Braunschweig. Die Lieitung des ganzen, zum Ressort des Handelsministeriums gehörgen Instituts, ist dem Oberst du-Vignau übertragen und dasselbe unter der Firma: „Königliche Telegraphen-Direktion,“ in die Kategorie einer königlichen Behörde gestellt worden.

* Wien, 29 März.

Der Exminister Schwarzer, Redakteur der verbotenen allgemeinen österreichischen Zeitung, ist zu einem 48stündigen Stockhausarrest verurtheilt worden. ‒ In der siebenbürgischen Hofkanzlei, so wie in der Ortschaft Sechshaus sind dieser Tage verborgene Waffen aufgefunden worden. ‒ Das heutige Amtsblatt der Wiener Zeitung bringt eine Kundmachung der Staatsanwaltschaft in Preßsachen. Hiernach wird Leopold Hafner wegen eines in der Konstitution vom 29. September 1848 enthaltenen Artikels „Zwei Aristokraten“ auf Grund der provisorischen Preßordnung vom 18. März 1848 als Mitschuldiger in Anklagestand versetzt und dessen Verhaftung angeordnet. ‒ An der Börse ist gestern der Verkehr in Silberscheidemünze, heute jener in Livorneser Eisenbahn-Aktien untersagt worden. ‒ Smolka, von Stadion nach Wien berufen, erhielt den Befehl, binnen 24 Stunden abzureisen und nur durch Stadions Vermittelung konnte es ihm gelingen, zu bleiben. Prato ist nach Linz gebracht worden. ‒ Der Dichter Kaiser erhielt von Welden die Versicherung, daß er es nur seiner Gnade zu verdanken habe, wenn er nicht erschossen werde. Er hat bekanntlich sich geflüchtet.

Nach Mittheilungen von Reisenden, die diesen Morgen aus Ungarn kamen, bestätigt es sich, daß die Dinge vorerst (!) noch nicht zum Besten dort stehen. Man war selbst nicht ohne Besorgniß für die Behauptung der Schwesterstädte.

Nach dem heute veröffentlichten Ausweise der dreimonatlichen Periode vom 1. November 1848 bis 1. Februar 1849 ergab sich ein Ausfall von circa 23 1/2 Mill., welcher durch Vorschüsse der Nationalbank gedeckt worden ist. Gegen den Voranschlag blieb die Einnahme zurück um circa 3 1/2 Mill., wozu die Ausfälle in der Grund- und Häusersteuer, im Zoll- und Postgefälle 1 1/2 Mill., die zu hoch angeschlagenen Ueberschüsse des Tilgungsfonds 1 1/4 Mill. kontribuirten. Bei den Ausgaben, welche den Voranschlag insgesammt um circa 4 1/2 Mill. überstiegen, ergab sich bei den Armee-Auslagen allein ein überwiegendes Mehr mit circa 4 Mill.

Der „Lloyd“ spricht in einem leitenden Artikel es ziemlich deutlich aus, daß auch Deutschland nächstens eine octroyirte Verfassung erhalten dürfte. Die Stelle lautet: „Wir hoffen, daß sämmtliche Regierungen Deutschlands, Oesterreich und Preußen an ihrer Spitze, zu einer Verständigung in Bezug auf die künftige Organisirung des Reichs gelangen, und daß sie vereint die Initiative ergreifen werden, um die deutsche Verfassung mit der Paulskirche zu vereinbaren. Das ist der Weg, welchen die leitenden Staaten aller Wahrscheinlichkeit nach einschlagen werden, und welcher zum Ziele führen kann.“

Prag, 28. März.

Der vom Staatsanwalt gegen Bakunin wegen seiner bekannten Brochüre eingeleitete Preßprozeß dehnt sich auch auf die Vereinszeitschrift der Slovanska Lipa aus, welche in den ersten Nummern des heurigen Jahrgangs eine Uebersetzung jener Brochüre brachte. Die Voruntersuchung gegen die Redacteure der Slovanska Lipa hat bereits begonnen. (Mor. Nov.)

Gegen die Zeitschrift der Slovanska Lipa ist neuerdings vom Staatsanwalt ein Preßprozeß anhängig gemacht worden. Gegenstand der Klage ist der mitgetheilte Aufruf des italienisch-slavischen Vereins in Turin an die Slaven.

* Dresden, 29. März.

Gestern ist den Kammern in geheimer Sitzung mitgetheilt worden, daß Oestreich die Rückberufung des Gesandten v. Könneritz als einen Bruch zwischen Oestreich und Sachsen ansehen werde. Grund genug für die Mehrheit der Kammern, nicht weiter auf jene Rückberufung zu dringen.

* Gotha, 29. März.

Der Herzog hat das von den Abgeordneten angenommene Staatsgrundgesetz unterzeichnet. Statt indeß, wie ein Paragraph desselben festsetzt, den Eid auf die Verfassung „im Beisein der Abgeordneten-Versammlung“ mündlich zu leisten, hat er den Abgeordneten eine schriftliche Eidesformel übersandt und dadurch sich gleich anfangs über das Staatsgrundgesetz wegoctroyirt.

Mainz, 29. März.

Der Menschenraub, welcher an der elfjährigen Tochter des Herrn von Rippentrop begangen wurde, machte seiner Zeit viel von sich reden. Gestern nun verhandelte man über diesen Gegenstand vor dem hiesigen Kreisgericht gegen die Beschuldigten. Dieselben sind 1) die Ehefrau Robert, Schwägerin des Herrn von Rippentrop, gegen welche, weil sie nicht erschienen war, das Contumacialverfahren in Anwendung kam; 2) die Ehefrau Rosner, eine alte Dienerin der Frau Robert; 3) Katharina Weidner, die Schwester der Frau Rosner. Aus den Verhandlungen ging hervor, daß man den Kindern des Herrn von Rippentrop, die nach dem Tode seiner von ihm getrennt gewesenen Frau bei ihrer Tante, der Frau Robert, waren, gegen ihren protestantischen Vater eine Abneigung beizubringen suchte, welche auch Wurzel faßte. Als endlich Hr. v. Rippentrop eine Reise von Paris nach Mainz machte, um seine Kinder zu sich abzuholen, wurde seine älteste Tochter Marie durch Frau Robert mittelst Beihülfe der Mitangeschuldigten geraubt, um sie dem Vater dauernd zu entziehen. Im Februar d. Jahres erhielt jedoch der Geschäftsführer der Familie Gouvry, Herr Schmitt, ein Schreiben, von der französischen Gränze datirt, worin demselben Frau Robert die Ueberlieferung des Kindes anbot, was auch in Ausführung kam. Frau Robert soll übrigens bei ihrer Handlungsweise von fremden Einflüssen geleitet gewesen sein. Sie wurde indessen von dem Gericht des Menschenraubes für schuldig erklärt, in Berücksichtigung subjektiv mildernder Umstände aber nur zu 3 Monaten Correktionshausstrafe verurtheilt. Ihren Mitschuldigen wurden, der ersteren 1 Monat, der letzteren, Katharina Weidner nämlich, 14 Tage Gefängniß zuerkannt.

Mainz, 29. März.

Die Entrüstung gegen unseren Stadtrath ist so allgemein, daß es schwer einzusehen ist, wie derselbe noch länger die Angelegenheiten der Gemeinde verwalten will, ohne daß jede von ihm ausgehende Maßregel mit dem größten Mißtrauen betrachtet wird. Der an drei auf einander folgenden Tagen auf dem hiesigen Markte statt gehabte Scandal ist nur durch den Stadtrath provozirt worden, der auf seinem einmal gefaßten Beschlusse hartnäckig bestand, einen Menschen als Marktmeister wieder einzusetzen, den die öffentliche Meinung längst gerichtet hat. Der gestrige Scandal, über den Ihnen schon berichtet wurde, hätte den blutigsten Ausgang nehmen können, und je mehr man jetzt an die Möglichkeit eines solchen Ausganges denkt, je heftiger äußert sich der Unwille über Die, welche der allgemein herrschenden Stimmung auf solche unverantwortliche Weise trotzen wollten. Man ist überzeugt, daß ein solcher öffentlicher Scandal nicht vorgefallen wäre, wenn die seit fast einem Jahre immer wieder herausgeschobene Ergänzungswahl für den Stadtrath stattgefunden und diesen von den Mitgliedern befreit hätte, die mit unverkennbarer Vorliebe dem Rückschritte zugethan sind und der öffentlichen Meinung Trotz bieten zu können glauben.

(Fr. Journ.)
082 Heidelberg, 31. März.

Unter heutigem Datum bringt die Frankfurter LPC (Lauwarmer Parlaments-Clatsch) Folgendes: „Wir können dreist sagen, unsre Verfassung gehört, abgesehen vom erblichen Kaiser, zu den freisinnigsten von ganz Europa.“

Freilich, Ihr Herren von der „Linken“ und vom Märzverein, das könnt Ihr dreist sagen, denn wozu habt Ihr nicht die Dreistigkeit. Habt Ihr doch kürzlich noch ausfindig gemacht, die einzige Ursache von dem miserabeln Zustande des Parlaments sei nur, daß das Volk nicht genug Petitionen an dasselbe geschickt habe!

Für die Prinzipientreue und die politische Einsicht unserer linkischen Biedermänner ist diese Aeußerung charakteristisch.

„Unsere Verfassung gehört, den erblichen Kaiser abgerechnet, zu den freisinnigsten von ganz Europa.“

„Abgesehen von den Folgen der Strangulation hat der Patient eine kräftige Konstitution und würde unter andern Umständen noch lange gelebt haben“ ‒ sagte ein Arzt mit Märzvereinsverstand von einem Erhängten.

Abgesehen davon, daß die Verfassung monarchisch ist, ist sie republikanisch.

Abgerechnet den „erblichen“ (???) Friedrich Wilhelm Hohenzollern ‒ ich bitte Euch, was ist denn sonst an Eurer Verfassung, welche Ihr unter Mühe, Schweiß und Tiefsinn ausgeheckt habt? Wo hat man sie je respektirt, wo ist nur ein Titelchen davon zur Wahrheit geworden? Wo ist überhaupt in der ganzen Verfassung etwas Reelles, außer höchstens gerade diesem Kaiser, von dem Ihr „abseht“. Und wo steckt denn die gerühmte „Freisinnigkeit“? Etwa in der Konzession des jämmerlichen „suspensiven Veto“ mit dem Rechte des wiederholten Nachhauseschickens? Etwa in dem vorbehaltenen Rechte der Oktroyirung? Oder in der Bestimmung, daß die Verfassungen der Einzelstaaten nur mit Zustimmung der Reichsgewalt etc. erfolgen dürfen (Gewährleistung der Reichskroaten)? Oder in dem neuen Staatenhause (Bundestage)? Oder in dem so hochgepriesenen Wahlgesetz zum Volkshause, nach welchem noch immer der gesammte Arbeiterstand und die demokratische Partei sammt und sonders ausgeschlossen werden kann und sicher auch wird? Und dieses Wahlgesetz ist doch der Kaufpreis, um welchen Heinrich Simon und andere „charakterfeste“ Biedermänner aus Westendhall zu Verräthern an ihrer Partei wurden und zu den Erbkaiserlichen überliefen! ‒ Oder sind es ‒ und darauf werden sie sich wahrscheinlich vor Allem stützen ‒ die bescheidenen, verklausulirten, phrasenreichen und dennoch nie zur Ausführung kommenden papiernen „Grundrechte“? Freilich enthält § 7 der „Gewähr der Verfassung“ eine Bestimmung, nach welcher die „Grundrechte“ in jedem passend scheinenden Augenblicke durch Belagerungszustand, Standrecht etc. etc. annullirt werden können: das genirt indessen die Herren nicht. Sie werden sich auch noch bescheiden, daß sie die Grundrechte noch gar nicht gehörig verstehen, und die Herren Wrangel-Manteuffel um gefällige Interpretation ersuchen.

Es ist wahrhaft komisch anzusehen, wie diese Herren der „gemäßigten Linken,“ deren Tendenz es ist, „das Errungene zu behaupten,“ von Konzession zu Konzession getrieben werden. Im vorigen Jahre stellten sie sich, zum „passiven Widerstande“ gerüstet, auf ihre „Märzerrungenschaften“ und wollten sie „behaupten.“ Man oktroyirte ihnen eine „Errungenschaft“ nach der anderen hinweg; sie nahmen gutmüthig die Errungenschaft mit der neu errungenen Beschränkung, und wollten auch diese „behaupten.“ Man gab ihnen systematisch Rippenstöße; bei jedem Stoße wichen sie zurück, sagten aber stets: „diesen Platz wollen wir behaupten!“ ‒ bis ein neuer Rippenstoß kam und sie noch weiter zurücktrieb ‒ und so fort, bis sie jetzt endlich an die Wand gedrängt sind, wo sie nicht weiter zurückkönnen ‒ bis sie für eine Verfassung, gegen deren einzelne Paragraphen sie gestimmt haben, als für ihre „Errungenschaft“ schwärmen!

Mit Gagern, Mathy, Wilh. Jordan u. s. w. (die Linke hat sich vermehrt!) unterzeichnet die „gemäßigte Linke“ eine Erklärung des Inhalts: daß die Verfassung (die freisinnigste in Europa!) keine wesentliche Aenderung erleiden dürfe, als Bedingung für die Annahme der Kaiserwahl. Nun, Friedrich Wilhem hat in seinen jungen Jahren Hegel getrieben; er wird Euch schon genügend über den Unterschied von wesentlich und unwesentlich belehren. Ihr seid am Ende schon leicht davon zu überzeugen, daß dies oder jenes nur unwesentlich sei, und ich zweifle nicht, daß in einiger Zeit die „gemäßigte Linke,“ wie jetzt für die Verfassung in Bausch und Bogen, so für die Verfassung mit Friedrich-Wilhelm-Manteuflischen Glossen auftreten werden ‒ vermöge ihres ausgezeichneten Abstraktionsvermögens werden sie auch davon „absehen,“ und wir werden dann lesen:

„Abgesehen von den nothwendigen Consequenzen des preußischen Erbkaisers, ist unsre Verfassung eine der freisinnigsten in Europa.“

„Abgesehen davon,“ daß Ihr die Schleppenträger der deutschen Fürsten seid, habt Ihr glücklicherweise in Deutschland nichts zu sagen!

* Freiburg, 30 März, Abends 8. Uhr.

Soeben wurde nach eilftägiger Verhandlung der Prozeß wegen Struve und Blind entschieden: Beide sind zu achtjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden, welche sie nach einem alten Gesetz, wonach 2 Monate einsamer Zellenhaft gleich 3 Monaten Zuchthausstraße sind, in Zellenhaft von 5 Jahren und 4 Monaten absitzen sollen. In dem Prozeß wurden mehr als hundert Zeugen verhört, welche sämmtlich von der Staatsanwaltschaft vorgeladen waren; die von den Angeklagten bezeichneten Entlassungszeugen wurden gar nicht vorgeladen, da man den Vertheidigungsbeweis von vornherein als „unerheblich“ auszuschließen geruhte. ‒ Wir hoffen, daß an den Regierungsmännern Badens baldigst vom Volk ähnliche „Gerechtigkeit“ geübt werden wird.

Polen.
316 Von der polnischen Gränze, 28. März.

Das Lager bei Kalisch ist zwar abgesteckt, aber bis heute noch nicht bezogen; in Kalisch selbst sind nicht viel Truppen.

Es sind zwar sehr bedeutende Truppenmassen im Königreich Polen zusammengezogen, aber immer mehrere Meilen längst der Gränze so aufgestellt, daß sie sich in kurzer Zeit bei den bestimmten Uebergangspunkten konzentriren können. Auch das steht fest, daß immer mehr neue Truppen aus dem Innern einrücken.

Aus guter und zuverlässiger Quelle wird Folgendes mitgetheilt: Bei der Einnahme von Hermannstadt sind sehr viele russische Soldaten zu Bem übergegangen; sie versicherten, daß in ihrer Armee ein Geist der Unzufriedenheit herrsche, wie er noch nie dagewesen. Die russischen Soldaten haben wenig Lust gezeigt, sich mit den Ungarn zu schlagen, und dies soll auch die Veranlassung sein, warum die Führer die Offensive nicht ergreifen wollen, ‒ obgleich sie, mit den Oesterreichern vereinigt, sogar an Zahl überlegen sind.

Kalisch, 26 März.

Ein heute hier bekannt gewordener Befehl gestattet, den beurlaubten Militärs auf desfallsige Gesuche den Urlaub auf einem Monat zu verlängern. Doch sind wir gewöht, die öffentlichen Erlasse immer im Widerspruche zu der im Geheimen befolgten Politik zu finden, und wir dürfen uns daher aus diesem publicirten Befehl keinen Schluß auf Ehaltung des Friedens mit dem Nachbarlande erlauben. ‒

Ungarn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div xml:id="ar262_005" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0002" n="1476"/>
nehmigen. Der Ausschuß trägt darauf an: die Genehmigung nicht zu ertheilen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Martens</hi> u. A. beantragen: die Untersuchung eröffnen zu lassen. Fast die ganze Rechte unterstützt diesen Antrag.</p>
          <p>Martens: § 83 der Verfassung mache die Eröffnung einer Untersuchung gegen Abgeordnete von der Genehmigung der Kammer abhängig, aber das geschehe lediglich, um dem Parteiinteresse nicht allzu weiten Spielraum zu geben, nicht um den Abg. ein Privilegium zu ertheilen. Er stelle den Beruf eines Abg. sehr hoch, aber noch höher stehe das Ansehen des Gesetzes. Den Grund, daß durch Vernehmung von Abg. Versäumnisse herbeigeführt werden, hält er nicht für stichhaltig, da ja Abgeordnete aus Privatrucksichten öfter den Besuch der Abtheilungen unterlassen. (Murren.)</p>
          <p><hi rendition="#g">v. Lisiecki</hi> erklärt den Martens'schen Antrag formell für unzulässig und reglementswidrig</p>
          <p><hi rendition="#g">Stein</hi> kennt weder die Angriffe, die der Berliner Magistrat gegen die National-Versammlung geschleudert hat, noch auch die dadurch provocirte Entgegnung des Abg. Jung, welche zu dem Proceß Anlaß gegeben hat. Aber er hält es für unangemessen, daß ein Abgeordneter durch Termine und dergl. den Sitzungen entzogen werde. Die Rechte habe gleichfalls kein Interesse daran, der Minorität eine Stimme zu entziehen, die Rechte sei ja ihrer Majorität so sicher. Fliehen werde Jung wegen der geringen Strafe nicht, und eine Ausweisung werde auch nach Beendigung der Session nicht eintreten, da man ja vorziehen werde, Jung einzusperren. Das Privilegium, von dem man öfter gesprochen habe, sei nicht ein Privilegium der Abgeordneten, sondern ein Recht des Volkes. Der Redner weist auf die Tendenzprocesse hin und sieht in der Bestimmung des § 83 ein Mittel, Maßregeln der Regierung gegen ein ihr mißliebiges Kammermitglied entgegen zu treten.</p>
          <p>Berichterstatter Reuter ist gegen den Antrag des Ausschusses.</p>
          <p>Die Majorität ist für <hi rendition="#g">Nichtgenehmigung</hi> der Untersuchung, mit der <hi rendition="#g">Minorität</hi> stimmten auch die Minister v. d. Heydt und Manteuffel.</p>
          <p>Berichterstatter <hi rendition="#g">Reuter</hi> verliest den Bericht des Centralausschusses über den Antrag: die Genehmigung zur Einleitung einer Untersuchung gegen den Abg. Arntz (in der Steuerverweigerung) zu ertheilen. Der Ausschuß ist auch hier gegen die Genehmigung. Arntz selbst hat darauf angetragen, die Einleitung der Untersuchung, so weit sie ihn betreffe, zu genehmigen. Die Kommission stellt anheim, über diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen.</p>
          <p><hi rendition="#g">v. Berg</hi> für den Antrag von Arntz. Es handle sich nicht darum, den Abg. Arntz einer Untersuchung zu entziehen, die schon seit Monaten das Land mit leerem Lärm erfülle; es handle sich darum, die Kompetenz der Kammer festzustellen. Der Untersuchungsrichter sei der Meinung, eine Voruntersuchung sei keine Untersuchung, die Kommission sei der entgegengesetzten Meinung. Die betheiligten Mitglieder drängt es zu wissen, was die Gerichte über die Steuerverweigerung beschließen werden Man müsse daher eine Declaration der Kammer darüber wünschen, ob durch die Voruntersuchung ihre Prärogative berührt werde oder nicht. Die einzelnen Mitglieder sind so wenig befugt, darüber zu entscheiden, indem sie den Vorladungen Folge leisten, als die Untersuchungsrichter, indem sie die Vorladungen erlassen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Urlichs</hi> ist für die Tagesordnung unter Hinweis auf den Beschluß der Nationalversammlung in Betreff der Untersuchung gegen den Abg. Kuter. Ueber das Materielle der Frage sich zu äußern hält er nicht an der Stelle.</p>
          <p>Die Majorität ist für die Tagesordnung.</p>
          <p>Auf Antrag des Herrn <hi rendition="#g">Renard</hi> hat der Centralausschuß die Ernennung einer Kommission von 21 Mitgliedern vorgeschlagen, um 1) die zu erwartenden ministeriellen Vorlagen über die Agrarverhältnisse einer weiteren Vorberathung zu unterwerfen; 2) dieser Kommission alle einschlägigen Petitionen zu überweisen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Stein</hi> beantragt Tagesordnung, weil der Antrag durch § 19 des Geschäfts-Reglements erledigt sei.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schöpplerberg</hi> beantragt die Errichtung einer besondern Kommission für die Bearbeitung der schlesischen Agrarverhältnisse.</p>
          <p><hi rendition="#g">Dierschke</hi> hofft, daß Herr Renard und Genossen sich nicht blos auf die formelle Erledigung der Anträge über Erleichterung des Druckes der ländlichen Bevölkerung beschränken werden. Er macht darauf aufmerksam, daß die Kommissionen überwiegend aus Mitgliedern der Rechten zusammengesetzt werde. Er bittet (!) auch die Linke bei den Wahlen in die Kommissionen zu berücksichtigen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Renard:</hi> Sein Wunsch, eine Kommission für die Agrarverhältnisse zu ernennen, sei durch Bildung der Fachkommission erledigt. Die Bemerkung des Abg. Dierschke sei einer Widerlegung unfähig.</p>
          <p>Die Tagesordnung wird angenommen.</p>
          <p>Die National-Versammlung begiebt sich in die Abtheilungen, um die Mitglieder der Adreß-Kommission zu wählen.</p>
          <p>Schluß 2 1/2 Uhr.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar262_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>316</author></bibl> Berlin, 31. März.</head>
          <p>Der Besitzer der Vossischen Zeitung, Justizrath Lessing, ist als Verbreiter der berüchtigten &#x201E;Enthüüllungen&#x201C; in einem der gegen ihn angestellten Injurienprozesse, kürzlich zu 6 Wochen Gefängniß verurtheilt worden. Herr Lessing wird nunmehr an die höhere Instanz gehen, und seinen Recurs an diejenigen Personen nehmen, welche die Pamphlete seiner Zeitung zu weiterer Verbreitung übergeben haben.</p>
          <p>Der bekannte Polizei-Direktor Duncker, befindet sich in Oberschlesien, um auf die aus Oesterreich übertretenden politischen Flüchtlinge zu vigiliren und ihre Ergreifung zu bewerkstelligen. Es ist zweifelhaft, ob ihm diese Mission von den Preußischen, oder von Russischen, oder von Oesterreichischen Behörden übertragen ist.</p>
          <p>Mach dem heutigen Militair-Wochenblatte ist dem General-Lieutenant v. Prittwitz, Commandeur der Garde-Infanterie etc., der Oberbefehl über die nach Schlswig-Holstein bestimmten Reichstruppen übertragen und der General-Major von Hahn zum Chef des Stabes bei demselben ernannt, dem General-Major von Hirschfeldt, Comandeur der 7. Division, das Commando über die nach Schleswig-Holstein bestimmte Division übertragen, und der General der Infanterie von Pfuel auf sein Ansuchen mit Pension in den Ruhestand versetzt worden.</p>
          <p>(P. St. A.)</p>
          <p>Die elektro-magnetische Telegraphen-Linie ist so weit vorgeschritten, daß nach und von folgenden Stationen Depeschen mitgetheilt werden können, nämlich: Berlin, Jüterbogk, Köthen, Halle, Erfurt, Eisenach, Kassel, Gießen und Frankfurt a. M. In einigen Tagen werden noch folgende Stationen der Berlin-Kölner Linie hinzutreten: Potsdam, Magdeburg, Oschersleben und Braunschweig. Die Lieitung des ganzen, zum Ressort des Handelsministeriums gehörgen Instituts, ist dem Oberst du-Vignau übertragen und dasselbe unter der Firma: &#x201E;Königliche Telegraphen-Direktion,&#x201C; in die Kategorie einer königlichen Behörde gestellt worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar262_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 29 März.</head>
          <p>Der Exminister Schwarzer, Redakteur der verbotenen allgemeinen österreichischen Zeitung, ist zu einem 48stündigen Stockhausarrest verurtheilt worden. &#x2012; In der siebenbürgischen Hofkanzlei, so wie in der Ortschaft Sechshaus sind dieser Tage verborgene Waffen aufgefunden worden. &#x2012; Das heutige Amtsblatt der Wiener Zeitung bringt eine Kundmachung der Staatsanwaltschaft in Preßsachen. Hiernach wird Leopold Hafner wegen eines in der Konstitution vom 29. September 1848 enthaltenen Artikels &#x201E;Zwei Aristokraten&#x201C; auf Grund der provisorischen Preßordnung vom 18. März 1848 als Mitschuldiger in Anklagestand versetzt und dessen Verhaftung angeordnet. &#x2012; An der Börse ist gestern der Verkehr in Silberscheidemünze, heute jener in Livorneser Eisenbahn-Aktien untersagt worden. &#x2012; Smolka, von Stadion nach Wien berufen, erhielt den Befehl, binnen 24 Stunden abzureisen und nur durch Stadions Vermittelung konnte es ihm gelingen, zu bleiben. Prato ist nach Linz gebracht worden. &#x2012; Der Dichter Kaiser erhielt von Welden die Versicherung, daß er es nur seiner Gnade zu verdanken habe, wenn er nicht erschossen werde. Er hat bekanntlich sich geflüchtet.</p>
          <p>Nach Mittheilungen von Reisenden, die diesen Morgen aus Ungarn kamen, bestätigt es sich, daß die Dinge vorerst (!) noch nicht zum Besten dort stehen. Man war selbst nicht ohne Besorgniß für die Behauptung der Schwesterstädte.</p>
          <p>Nach dem heute veröffentlichten Ausweise der dreimonatlichen Periode vom 1. November 1848 bis 1. Februar 1849 ergab sich ein Ausfall von circa 23 1/2 Mill., welcher durch Vorschüsse der Nationalbank gedeckt worden ist. Gegen den Voranschlag blieb die Einnahme zurück um circa 3 1/2 Mill., wozu die Ausfälle in der Grund- und Häusersteuer, im Zoll- und Postgefälle 1 1/2 Mill., die zu hoch angeschlagenen Ueberschüsse des Tilgungsfonds 1 1/4 Mill. kontribuirten. Bei den Ausgaben, welche den Voranschlag insgesammt um circa 4 1/2 Mill. überstiegen, ergab sich bei den Armee-Auslagen allein ein überwiegendes Mehr mit circa 4 Mill.</p>
          <p>Der &#x201E;Lloyd&#x201C; spricht in einem leitenden Artikel es ziemlich deutlich aus, daß auch Deutschland nächstens eine octroyirte Verfassung erhalten dürfte. Die Stelle lautet: &#x201E;Wir hoffen, daß sämmtliche Regierungen Deutschlands, Oesterreich und Preußen an ihrer Spitze, zu einer Verständigung in Bezug auf die künftige Organisirung des Reichs gelangen, und daß sie vereint die Initiative ergreifen werden, um die deutsche Verfassung mit der Paulskirche zu vereinbaren. Das ist der Weg, welchen die leitenden Staaten aller Wahrscheinlichkeit nach einschlagen werden, und welcher zum Ziele führen kann.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar262_008" type="jArticle">
          <head>Prag, 28. März.</head>
          <p>Der vom Staatsanwalt gegen <hi rendition="#g">Bakunin</hi> wegen seiner bekannten Brochüre eingeleitete Preßprozeß dehnt sich auch auf die Vereinszeitschrift der Slovanska Lipa aus, welche in den ersten Nummern des heurigen Jahrgangs eine Uebersetzung jener Brochüre brachte. Die Voruntersuchung gegen die Redacteure der Slovanska Lipa hat bereits begonnen. (Mor. Nov.)</p>
          <p>Gegen die Zeitschrift der Slovanska Lipa ist neuerdings vom Staatsanwalt ein Preßprozeß anhängig gemacht worden. Gegenstand der Klage ist der mitgetheilte Aufruf des italienisch-slavischen Vereins in Turin an die Slaven.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar262_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Dresden, 29. März.</head>
          <p>Gestern ist den Kammern in geheimer Sitzung mitgetheilt worden, daß Oestreich die Rückberufung des Gesandten v. Könneritz als einen Bruch zwischen Oestreich und Sachsen ansehen werde. Grund genug für die Mehrheit der Kammern, nicht weiter auf jene Rückberufung zu dringen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar262_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Gotha, 29. März.</head>
          <p>Der Herzog hat das von den Abgeordneten angenommene Staatsgrundgesetz unterzeichnet. Statt indeß, wie ein Paragraph desselben festsetzt, den Eid auf die Verfassung &#x201E;im Beisein der Abgeordneten-Versammlung&#x201C; mündlich zu leisten, hat er den Abgeordneten eine schriftliche Eidesformel übersandt und dadurch sich gleich anfangs über das Staatsgrundgesetz wegoctroyirt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar262_011" type="jArticle">
          <head>Mainz, 29. März.</head>
          <p>Der Menschenraub, welcher an der elfjährigen Tochter des Herrn von Rippentrop begangen wurde, machte seiner Zeit viel von sich reden. Gestern nun verhandelte man über diesen Gegenstand vor dem hiesigen Kreisgericht gegen die Beschuldigten. Dieselben sind 1) die Ehefrau Robert, Schwägerin des Herrn von Rippentrop, gegen welche, weil sie nicht erschienen war, das Contumacialverfahren in Anwendung kam; 2) die Ehefrau Rosner, eine alte Dienerin der Frau Robert; 3) Katharina Weidner, die Schwester der Frau Rosner. Aus den Verhandlungen ging hervor, daß man den Kindern des Herrn von Rippentrop, die nach dem Tode seiner von ihm getrennt gewesenen Frau bei ihrer Tante, der Frau Robert, waren, gegen ihren protestantischen Vater eine Abneigung beizubringen suchte, welche auch Wurzel faßte. Als endlich Hr. v. Rippentrop eine Reise von Paris nach Mainz machte, um seine Kinder zu sich abzuholen, wurde seine älteste Tochter Marie durch Frau Robert mittelst Beihülfe der Mitangeschuldigten geraubt, um sie dem Vater dauernd zu entziehen. Im Februar d. Jahres erhielt jedoch der Geschäftsführer der Familie Gouvry, Herr Schmitt, ein Schreiben, von der französischen Gränze datirt, worin demselben Frau Robert die Ueberlieferung des Kindes anbot, was auch in Ausführung kam. Frau Robert soll übrigens bei ihrer Handlungsweise von fremden Einflüssen geleitet gewesen sein. Sie wurde indessen von dem Gericht des Menschenraubes für schuldig erklärt, in Berücksichtigung subjektiv mildernder Umstände aber nur zu 3 Monaten Correktionshausstrafe verurtheilt. Ihren Mitschuldigen wurden, der ersteren 1 Monat, der letzteren, Katharina Weidner nämlich, 14 Tage Gefängniß zuerkannt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar262_012" type="jArticle">
          <head>Mainz, 29. März.</head>
          <p>Die Entrüstung gegen unseren Stadtrath ist so allgemein, daß es schwer einzusehen ist, wie derselbe noch länger die Angelegenheiten der Gemeinde verwalten will, ohne daß jede von ihm ausgehende Maßregel mit dem größten Mißtrauen betrachtet wird. Der an drei auf einander folgenden Tagen auf dem hiesigen Markte statt gehabte Scandal ist nur durch den Stadtrath provozirt worden, der auf seinem einmal gefaßten Beschlusse hartnäckig bestand, einen Menschen als Marktmeister wieder einzusetzen, den die öffentliche Meinung längst gerichtet hat. Der gestrige Scandal, über den Ihnen schon berichtet wurde, hätte den blutigsten Ausgang nehmen können, und je mehr man jetzt an die Möglichkeit eines solchen Ausganges denkt, je heftiger äußert sich der Unwille über Die, welche der allgemein herrschenden Stimmung auf solche unverantwortliche Weise trotzen wollten. Man ist überzeugt, daß ein solcher öffentlicher Scandal nicht vorgefallen wäre, wenn die seit fast einem Jahre immer wieder herausgeschobene Ergänzungswahl für den Stadtrath stattgefunden und diesen von den Mitgliedern befreit hätte, die mit unverkennbarer Vorliebe dem Rückschritte zugethan sind und der öffentlichen Meinung Trotz bieten zu können glauben.</p>
          <bibl>(Fr. Journ.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar262_013" type="jArticle">
          <head><bibl><author>082</author></bibl> Heidelberg, 31. März.</head>
          <p>Unter heutigem Datum bringt die Frankfurter LPC (Lauwarmer Parlaments-Clatsch) Folgendes: &#x201E;Wir können dreist sagen, unsre Verfassung gehört, <hi rendition="#g">abgesehen vom erblichen Kaiser,</hi> zu den freisinnigsten von ganz Europa.&#x201C;</p>
          <p>Freilich, Ihr Herren von der &#x201E;Linken&#x201C; und vom Märzverein, das könnt Ihr <hi rendition="#g">dreist</hi> sagen, denn wozu habt Ihr nicht die Dreistigkeit. Habt Ihr doch kürzlich noch ausfindig gemacht, die einzige Ursache von dem miserabeln Zustande des Parlaments sei nur, daß das Volk nicht genug Petitionen an dasselbe geschickt habe!</p>
          <p>Für die Prinzipientreue und die politische Einsicht unserer linkischen Biedermänner ist diese Aeußerung charakteristisch.</p>
          <p>&#x201E;Unsere Verfassung gehört, den erblichen Kaiser abgerechnet, zu den freisinnigsten von ganz Europa.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Abgesehen von den Folgen der Strangulation hat der Patient eine kräftige Konstitution und würde unter andern Umständen noch lange gelebt haben&#x201C; &#x2012; sagte ein Arzt mit Märzvereinsverstand von einem Erhängten.</p>
          <p>Abgesehen davon, daß die Verfassung monarchisch ist, ist sie republikanisch.</p>
          <p>Abgerechnet den &#x201E;<hi rendition="#g">erblichen</hi>&#x201C; (???) <hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm Hohenzollern</hi> &#x2012; ich bitte Euch, was ist denn sonst an Eurer Verfassung, welche Ihr unter Mühe, Schweiß und Tiefsinn ausgeheckt habt? Wo hat man sie je respektirt, wo ist nur ein Titelchen davon zur Wahrheit geworden? Wo ist überhaupt in der ganzen Verfassung etwas Reelles, außer höchstens gerade diesem Kaiser, von dem Ihr &#x201E;abseht&#x201C;. Und wo steckt denn die gerühmte &#x201E;Freisinnigkeit&#x201C;? Etwa in der Konzession des jämmerlichen &#x201E;suspensiven Veto&#x201C; mit dem Rechte des wiederholten Nachhauseschickens? Etwa in dem vorbehaltenen Rechte der Oktroyirung? Oder in der Bestimmung, daß die Verfassungen der Einzelstaaten nur mit Zustimmung der Reichsgewalt etc. erfolgen dürfen (Gewährleistung der Reichskroaten)? Oder in dem neuen Staatenhause (Bundestage)? Oder in dem so hochgepriesenen Wahlgesetz zum Volkshause, nach welchem noch immer der gesammte Arbeiterstand und die demokratische Partei sammt und sonders ausgeschlossen werden kann und sicher auch wird? Und dieses Wahlgesetz ist doch der Kaufpreis, um welchen <hi rendition="#g">Heinrich Simon</hi> und andere &#x201E;charakterfeste&#x201C; Biedermänner aus Westendhall zu Verräthern an ihrer Partei wurden und zu den Erbkaiserlichen überliefen! &#x2012; Oder sind es &#x2012; und darauf werden sie sich wahrscheinlich vor Allem stützen &#x2012; die bescheidenen, verklausulirten, phrasenreichen und dennoch nie zur Ausführung kommenden papiernen &#x201E;Grundrechte&#x201C;? Freilich enthält § 7 der &#x201E;Gewähr der Verfassung&#x201C; eine Bestimmung, nach welcher die &#x201E;Grundrechte&#x201C; in jedem passend scheinenden Augenblicke durch Belagerungszustand, Standrecht etc. etc. annullirt werden können: das genirt indessen die Herren nicht. Sie werden sich auch noch bescheiden, daß sie die Grundrechte noch gar nicht gehörig verstehen, und die Herren Wrangel-Manteuffel um gefällige Interpretation ersuchen.</p>
          <p>Es ist wahrhaft komisch anzusehen, wie diese Herren der &#x201E;gemäßigten Linken,&#x201C; deren Tendenz es ist, &#x201E;das Errungene zu behaupten,&#x201C; von Konzession zu Konzession getrieben werden. Im vorigen Jahre stellten sie sich, zum &#x201E;passiven Widerstande&#x201C; gerüstet, auf ihre &#x201E;Märzerrungenschaften&#x201C; und wollten sie &#x201E;behaupten.&#x201C; Man oktroyirte ihnen eine &#x201E;Errungenschaft&#x201C; nach der anderen hinweg; sie nahmen gutmüthig die Errungenschaft mit der neu errungenen Beschränkung, und wollten auch diese &#x201E;behaupten.&#x201C; Man gab ihnen systematisch Rippenstöße; bei jedem Stoße wichen sie zurück, sagten aber stets: &#x201E;diesen Platz wollen wir behaupten!&#x201C; &#x2012; bis ein neuer Rippenstoß kam und sie noch weiter zurücktrieb &#x2012; und so fort, bis sie jetzt endlich an die Wand gedrängt sind, wo sie nicht weiter zurückkönnen &#x2012; bis sie für eine Verfassung, gegen deren einzelne Paragraphen sie gestimmt haben, als für ihre &#x201E;Errungenschaft&#x201C; schwärmen!</p>
          <p>Mit Gagern, Mathy, Wilh. Jordan u. s. w. (die Linke hat sich vermehrt!) unterzeichnet die &#x201E;gemäßigte Linke&#x201C; eine Erklärung des Inhalts: daß die Verfassung (die freisinnigste in Europa!) keine wesentliche Aenderung erleiden dürfe, als Bedingung für die Annahme der Kaiserwahl. Nun, Friedrich Wilhem hat in seinen jungen Jahren Hegel getrieben; er wird Euch schon genügend über den Unterschied von wesentlich und unwesentlich belehren. Ihr seid am Ende schon leicht davon zu überzeugen, daß dies oder jenes nur unwesentlich sei, und ich zweifle nicht, daß in einiger Zeit die &#x201E;gemäßigte Linke,&#x201C; wie jetzt für die Verfassung in Bausch und Bogen, so für die Verfassung mit Friedrich-Wilhelm-Manteuflischen Glossen auftreten werden &#x2012; vermöge ihres ausgezeichneten Abstraktionsvermögens werden sie auch davon &#x201E;absehen,&#x201C; und wir werden dann lesen:</p>
          <p>&#x201E;Abgesehen von den nothwendigen Consequenzen des preußischen Erbkaisers, ist unsre Verfassung eine der freisinnigsten in Europa.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Abgesehen davon,&#x201C; daß Ihr die Schleppenträger der deutschen Fürsten seid, habt Ihr glücklicherweise in Deutschland nichts zu sagen!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar262_014" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Freiburg, 30 März, Abends 8. Uhr.</head>
          <p>Soeben wurde nach eilftägiger Verhandlung der Prozeß wegen Struve und Blind entschieden: Beide sind zu <hi rendition="#g">achtjähriger Zuchthausstrafe</hi> verurtheilt worden, welche sie nach einem alten Gesetz, wonach 2 Monate einsamer Zellenhaft gleich 3 Monaten Zuchthausstraße sind, in Zellenhaft von 5 Jahren und 4 Monaten absitzen sollen. In dem Prozeß wurden mehr als hundert Zeugen verhört, welche sämmtlich von der Staatsanwaltschaft vorgeladen waren; die von den Angeklagten bezeichneten Entlassungszeugen wurden <hi rendition="#g">gar nicht vorgeladen,</hi> da man den Vertheidigungsbeweis von vornherein als &#x201E;unerheblich&#x201C; auszuschließen geruhte. &#x2012; Wir hoffen, daß an den Regierungsmännern Badens baldigst vom Volk ähnliche &#x201E;Gerechtigkeit&#x201C; geübt werden wird.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Polen.</head>
        <div xml:id="ar262_015" type="jArticle">
          <head><bibl><author>316</author></bibl> Von der polnischen Gränze, 28. März.</head>
          <p>Das Lager bei Kalisch ist zwar abgesteckt, aber bis heute noch nicht bezogen; in Kalisch selbst sind nicht viel Truppen.</p>
          <p>Es sind zwar sehr bedeutende Truppenmassen im Königreich Polen zusammengezogen, aber immer mehrere Meilen längst der Gränze so aufgestellt, daß sie sich in kurzer Zeit bei den bestimmten Uebergangspunkten konzentriren können. Auch das steht fest, daß immer mehr neue Truppen aus dem Innern einrücken.</p>
          <p>Aus guter und zuverlässiger Quelle wird Folgendes mitgetheilt: Bei der Einnahme von Hermannstadt sind sehr viele russische Soldaten zu Bem übergegangen; sie versicherten, daß in ihrer Armee ein Geist der Unzufriedenheit herrsche, wie er noch nie dagewesen. Die russischen Soldaten haben wenig Lust gezeigt, sich mit den Ungarn zu schlagen, und dies soll auch die Veranlassung sein, warum die Führer die Offensive nicht ergreifen wollen, &#x2012; obgleich sie, mit den Oesterreichern vereinigt, sogar an Zahl überlegen sind.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar262_016" type="jArticle">
          <head>Kalisch, 26 März.</head>
          <p>Ein heute hier bekannt gewordener Befehl gestattet, den beurlaubten Militärs auf desfallsige Gesuche den Urlaub auf einem Monat zu verlängern. Doch sind wir gewöht, die öffentlichen Erlasse immer im Widerspruche zu der im Geheimen befolgten Politik zu finden, und wir dürfen uns daher aus diesem publicirten Befehl keinen Schluß auf Ehaltung des Friedens mit dem Nachbarlande erlauben. &#x2012;</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Ungarn.</head>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1476/0002] nehmigen. Der Ausschuß trägt darauf an: die Genehmigung nicht zu ertheilen. Martens u. A. beantragen: die Untersuchung eröffnen zu lassen. Fast die ganze Rechte unterstützt diesen Antrag. Martens: § 83 der Verfassung mache die Eröffnung einer Untersuchung gegen Abgeordnete von der Genehmigung der Kammer abhängig, aber das geschehe lediglich, um dem Parteiinteresse nicht allzu weiten Spielraum zu geben, nicht um den Abg. ein Privilegium zu ertheilen. Er stelle den Beruf eines Abg. sehr hoch, aber noch höher stehe das Ansehen des Gesetzes. Den Grund, daß durch Vernehmung von Abg. Versäumnisse herbeigeführt werden, hält er nicht für stichhaltig, da ja Abgeordnete aus Privatrucksichten öfter den Besuch der Abtheilungen unterlassen. (Murren.) v. Lisiecki erklärt den Martens'schen Antrag formell für unzulässig und reglementswidrig Stein kennt weder die Angriffe, die der Berliner Magistrat gegen die National-Versammlung geschleudert hat, noch auch die dadurch provocirte Entgegnung des Abg. Jung, welche zu dem Proceß Anlaß gegeben hat. Aber er hält es für unangemessen, daß ein Abgeordneter durch Termine und dergl. den Sitzungen entzogen werde. Die Rechte habe gleichfalls kein Interesse daran, der Minorität eine Stimme zu entziehen, die Rechte sei ja ihrer Majorität so sicher. Fliehen werde Jung wegen der geringen Strafe nicht, und eine Ausweisung werde auch nach Beendigung der Session nicht eintreten, da man ja vorziehen werde, Jung einzusperren. Das Privilegium, von dem man öfter gesprochen habe, sei nicht ein Privilegium der Abgeordneten, sondern ein Recht des Volkes. Der Redner weist auf die Tendenzprocesse hin und sieht in der Bestimmung des § 83 ein Mittel, Maßregeln der Regierung gegen ein ihr mißliebiges Kammermitglied entgegen zu treten. Berichterstatter Reuter ist gegen den Antrag des Ausschusses. Die Majorität ist für Nichtgenehmigung der Untersuchung, mit der Minorität stimmten auch die Minister v. d. Heydt und Manteuffel. Berichterstatter Reuter verliest den Bericht des Centralausschusses über den Antrag: die Genehmigung zur Einleitung einer Untersuchung gegen den Abg. Arntz (in der Steuerverweigerung) zu ertheilen. Der Ausschuß ist auch hier gegen die Genehmigung. Arntz selbst hat darauf angetragen, die Einleitung der Untersuchung, so weit sie ihn betreffe, zu genehmigen. Die Kommission stellt anheim, über diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen. v. Berg für den Antrag von Arntz. Es handle sich nicht darum, den Abg. Arntz einer Untersuchung zu entziehen, die schon seit Monaten das Land mit leerem Lärm erfülle; es handle sich darum, die Kompetenz der Kammer festzustellen. Der Untersuchungsrichter sei der Meinung, eine Voruntersuchung sei keine Untersuchung, die Kommission sei der entgegengesetzten Meinung. Die betheiligten Mitglieder drängt es zu wissen, was die Gerichte über die Steuerverweigerung beschließen werden Man müsse daher eine Declaration der Kammer darüber wünschen, ob durch die Voruntersuchung ihre Prärogative berührt werde oder nicht. Die einzelnen Mitglieder sind so wenig befugt, darüber zu entscheiden, indem sie den Vorladungen Folge leisten, als die Untersuchungsrichter, indem sie die Vorladungen erlassen. Urlichs ist für die Tagesordnung unter Hinweis auf den Beschluß der Nationalversammlung in Betreff der Untersuchung gegen den Abg. Kuter. Ueber das Materielle der Frage sich zu äußern hält er nicht an der Stelle. Die Majorität ist für die Tagesordnung. Auf Antrag des Herrn Renard hat der Centralausschuß die Ernennung einer Kommission von 21 Mitgliedern vorgeschlagen, um 1) die zu erwartenden ministeriellen Vorlagen über die Agrarverhältnisse einer weiteren Vorberathung zu unterwerfen; 2) dieser Kommission alle einschlägigen Petitionen zu überweisen. Stein beantragt Tagesordnung, weil der Antrag durch § 19 des Geschäfts-Reglements erledigt sei. Schöpplerberg beantragt die Errichtung einer besondern Kommission für die Bearbeitung der schlesischen Agrarverhältnisse. Dierschke hofft, daß Herr Renard und Genossen sich nicht blos auf die formelle Erledigung der Anträge über Erleichterung des Druckes der ländlichen Bevölkerung beschränken werden. Er macht darauf aufmerksam, daß die Kommissionen überwiegend aus Mitgliedern der Rechten zusammengesetzt werde. Er bittet (!) auch die Linke bei den Wahlen in die Kommissionen zu berücksichtigen. Renard: Sein Wunsch, eine Kommission für die Agrarverhältnisse zu ernennen, sei durch Bildung der Fachkommission erledigt. Die Bemerkung des Abg. Dierschke sei einer Widerlegung unfähig. Die Tagesordnung wird angenommen. Die National-Versammlung begiebt sich in die Abtheilungen, um die Mitglieder der Adreß-Kommission zu wählen. Schluß 2 1/2 Uhr. 316 Berlin, 31. März. Der Besitzer der Vossischen Zeitung, Justizrath Lessing, ist als Verbreiter der berüchtigten „Enthüüllungen“ in einem der gegen ihn angestellten Injurienprozesse, kürzlich zu 6 Wochen Gefängniß verurtheilt worden. Herr Lessing wird nunmehr an die höhere Instanz gehen, und seinen Recurs an diejenigen Personen nehmen, welche die Pamphlete seiner Zeitung zu weiterer Verbreitung übergeben haben. Der bekannte Polizei-Direktor Duncker, befindet sich in Oberschlesien, um auf die aus Oesterreich übertretenden politischen Flüchtlinge zu vigiliren und ihre Ergreifung zu bewerkstelligen. Es ist zweifelhaft, ob ihm diese Mission von den Preußischen, oder von Russischen, oder von Oesterreichischen Behörden übertragen ist. Mach dem heutigen Militair-Wochenblatte ist dem General-Lieutenant v. Prittwitz, Commandeur der Garde-Infanterie etc., der Oberbefehl über die nach Schlswig-Holstein bestimmten Reichstruppen übertragen und der General-Major von Hahn zum Chef des Stabes bei demselben ernannt, dem General-Major von Hirschfeldt, Comandeur der 7. Division, das Commando über die nach Schleswig-Holstein bestimmte Division übertragen, und der General der Infanterie von Pfuel auf sein Ansuchen mit Pension in den Ruhestand versetzt worden. (P. St. A.) Die elektro-magnetische Telegraphen-Linie ist so weit vorgeschritten, daß nach und von folgenden Stationen Depeschen mitgetheilt werden können, nämlich: Berlin, Jüterbogk, Köthen, Halle, Erfurt, Eisenach, Kassel, Gießen und Frankfurt a. M. In einigen Tagen werden noch folgende Stationen der Berlin-Kölner Linie hinzutreten: Potsdam, Magdeburg, Oschersleben und Braunschweig. Die Lieitung des ganzen, zum Ressort des Handelsministeriums gehörgen Instituts, ist dem Oberst du-Vignau übertragen und dasselbe unter der Firma: „Königliche Telegraphen-Direktion,“ in die Kategorie einer königlichen Behörde gestellt worden. * Wien, 29 März. Der Exminister Schwarzer, Redakteur der verbotenen allgemeinen österreichischen Zeitung, ist zu einem 48stündigen Stockhausarrest verurtheilt worden. ‒ In der siebenbürgischen Hofkanzlei, so wie in der Ortschaft Sechshaus sind dieser Tage verborgene Waffen aufgefunden worden. ‒ Das heutige Amtsblatt der Wiener Zeitung bringt eine Kundmachung der Staatsanwaltschaft in Preßsachen. Hiernach wird Leopold Hafner wegen eines in der Konstitution vom 29. September 1848 enthaltenen Artikels „Zwei Aristokraten“ auf Grund der provisorischen Preßordnung vom 18. März 1848 als Mitschuldiger in Anklagestand versetzt und dessen Verhaftung angeordnet. ‒ An der Börse ist gestern der Verkehr in Silberscheidemünze, heute jener in Livorneser Eisenbahn-Aktien untersagt worden. ‒ Smolka, von Stadion nach Wien berufen, erhielt den Befehl, binnen 24 Stunden abzureisen und nur durch Stadions Vermittelung konnte es ihm gelingen, zu bleiben. Prato ist nach Linz gebracht worden. ‒ Der Dichter Kaiser erhielt von Welden die Versicherung, daß er es nur seiner Gnade zu verdanken habe, wenn er nicht erschossen werde. Er hat bekanntlich sich geflüchtet. Nach Mittheilungen von Reisenden, die diesen Morgen aus Ungarn kamen, bestätigt es sich, daß die Dinge vorerst (!) noch nicht zum Besten dort stehen. Man war selbst nicht ohne Besorgniß für die Behauptung der Schwesterstädte. Nach dem heute veröffentlichten Ausweise der dreimonatlichen Periode vom 1. November 1848 bis 1. Februar 1849 ergab sich ein Ausfall von circa 23 1/2 Mill., welcher durch Vorschüsse der Nationalbank gedeckt worden ist. Gegen den Voranschlag blieb die Einnahme zurück um circa 3 1/2 Mill., wozu die Ausfälle in der Grund- und Häusersteuer, im Zoll- und Postgefälle 1 1/2 Mill., die zu hoch angeschlagenen Ueberschüsse des Tilgungsfonds 1 1/4 Mill. kontribuirten. Bei den Ausgaben, welche den Voranschlag insgesammt um circa 4 1/2 Mill. überstiegen, ergab sich bei den Armee-Auslagen allein ein überwiegendes Mehr mit circa 4 Mill. Der „Lloyd“ spricht in einem leitenden Artikel es ziemlich deutlich aus, daß auch Deutschland nächstens eine octroyirte Verfassung erhalten dürfte. Die Stelle lautet: „Wir hoffen, daß sämmtliche Regierungen Deutschlands, Oesterreich und Preußen an ihrer Spitze, zu einer Verständigung in Bezug auf die künftige Organisirung des Reichs gelangen, und daß sie vereint die Initiative ergreifen werden, um die deutsche Verfassung mit der Paulskirche zu vereinbaren. Das ist der Weg, welchen die leitenden Staaten aller Wahrscheinlichkeit nach einschlagen werden, und welcher zum Ziele führen kann.“ Prag, 28. März. Der vom Staatsanwalt gegen Bakunin wegen seiner bekannten Brochüre eingeleitete Preßprozeß dehnt sich auch auf die Vereinszeitschrift der Slovanska Lipa aus, welche in den ersten Nummern des heurigen Jahrgangs eine Uebersetzung jener Brochüre brachte. Die Voruntersuchung gegen die Redacteure der Slovanska Lipa hat bereits begonnen. (Mor. Nov.) Gegen die Zeitschrift der Slovanska Lipa ist neuerdings vom Staatsanwalt ein Preßprozeß anhängig gemacht worden. Gegenstand der Klage ist der mitgetheilte Aufruf des italienisch-slavischen Vereins in Turin an die Slaven. * Dresden, 29. März. Gestern ist den Kammern in geheimer Sitzung mitgetheilt worden, daß Oestreich die Rückberufung des Gesandten v. Könneritz als einen Bruch zwischen Oestreich und Sachsen ansehen werde. Grund genug für die Mehrheit der Kammern, nicht weiter auf jene Rückberufung zu dringen. * Gotha, 29. März. Der Herzog hat das von den Abgeordneten angenommene Staatsgrundgesetz unterzeichnet. Statt indeß, wie ein Paragraph desselben festsetzt, den Eid auf die Verfassung „im Beisein der Abgeordneten-Versammlung“ mündlich zu leisten, hat er den Abgeordneten eine schriftliche Eidesformel übersandt und dadurch sich gleich anfangs über das Staatsgrundgesetz wegoctroyirt. Mainz, 29. März. Der Menschenraub, welcher an der elfjährigen Tochter des Herrn von Rippentrop begangen wurde, machte seiner Zeit viel von sich reden. Gestern nun verhandelte man über diesen Gegenstand vor dem hiesigen Kreisgericht gegen die Beschuldigten. Dieselben sind 1) die Ehefrau Robert, Schwägerin des Herrn von Rippentrop, gegen welche, weil sie nicht erschienen war, das Contumacialverfahren in Anwendung kam; 2) die Ehefrau Rosner, eine alte Dienerin der Frau Robert; 3) Katharina Weidner, die Schwester der Frau Rosner. Aus den Verhandlungen ging hervor, daß man den Kindern des Herrn von Rippentrop, die nach dem Tode seiner von ihm getrennt gewesenen Frau bei ihrer Tante, der Frau Robert, waren, gegen ihren protestantischen Vater eine Abneigung beizubringen suchte, welche auch Wurzel faßte. Als endlich Hr. v. Rippentrop eine Reise von Paris nach Mainz machte, um seine Kinder zu sich abzuholen, wurde seine älteste Tochter Marie durch Frau Robert mittelst Beihülfe der Mitangeschuldigten geraubt, um sie dem Vater dauernd zu entziehen. Im Februar d. Jahres erhielt jedoch der Geschäftsführer der Familie Gouvry, Herr Schmitt, ein Schreiben, von der französischen Gränze datirt, worin demselben Frau Robert die Ueberlieferung des Kindes anbot, was auch in Ausführung kam. Frau Robert soll übrigens bei ihrer Handlungsweise von fremden Einflüssen geleitet gewesen sein. Sie wurde indessen von dem Gericht des Menschenraubes für schuldig erklärt, in Berücksichtigung subjektiv mildernder Umstände aber nur zu 3 Monaten Correktionshausstrafe verurtheilt. Ihren Mitschuldigen wurden, der ersteren 1 Monat, der letzteren, Katharina Weidner nämlich, 14 Tage Gefängniß zuerkannt. Mainz, 29. März. Die Entrüstung gegen unseren Stadtrath ist so allgemein, daß es schwer einzusehen ist, wie derselbe noch länger die Angelegenheiten der Gemeinde verwalten will, ohne daß jede von ihm ausgehende Maßregel mit dem größten Mißtrauen betrachtet wird. Der an drei auf einander folgenden Tagen auf dem hiesigen Markte statt gehabte Scandal ist nur durch den Stadtrath provozirt worden, der auf seinem einmal gefaßten Beschlusse hartnäckig bestand, einen Menschen als Marktmeister wieder einzusetzen, den die öffentliche Meinung längst gerichtet hat. Der gestrige Scandal, über den Ihnen schon berichtet wurde, hätte den blutigsten Ausgang nehmen können, und je mehr man jetzt an die Möglichkeit eines solchen Ausganges denkt, je heftiger äußert sich der Unwille über Die, welche der allgemein herrschenden Stimmung auf solche unverantwortliche Weise trotzen wollten. Man ist überzeugt, daß ein solcher öffentlicher Scandal nicht vorgefallen wäre, wenn die seit fast einem Jahre immer wieder herausgeschobene Ergänzungswahl für den Stadtrath stattgefunden und diesen von den Mitgliedern befreit hätte, die mit unverkennbarer Vorliebe dem Rückschritte zugethan sind und der öffentlichen Meinung Trotz bieten zu können glauben. (Fr. Journ.) 082 Heidelberg, 31. März. Unter heutigem Datum bringt die Frankfurter LPC (Lauwarmer Parlaments-Clatsch) Folgendes: „Wir können dreist sagen, unsre Verfassung gehört, abgesehen vom erblichen Kaiser, zu den freisinnigsten von ganz Europa.“ Freilich, Ihr Herren von der „Linken“ und vom Märzverein, das könnt Ihr dreist sagen, denn wozu habt Ihr nicht die Dreistigkeit. Habt Ihr doch kürzlich noch ausfindig gemacht, die einzige Ursache von dem miserabeln Zustande des Parlaments sei nur, daß das Volk nicht genug Petitionen an dasselbe geschickt habe! Für die Prinzipientreue und die politische Einsicht unserer linkischen Biedermänner ist diese Aeußerung charakteristisch. „Unsere Verfassung gehört, den erblichen Kaiser abgerechnet, zu den freisinnigsten von ganz Europa.“ „Abgesehen von den Folgen der Strangulation hat der Patient eine kräftige Konstitution und würde unter andern Umständen noch lange gelebt haben“ ‒ sagte ein Arzt mit Märzvereinsverstand von einem Erhängten. Abgesehen davon, daß die Verfassung monarchisch ist, ist sie republikanisch. Abgerechnet den „erblichen“ (???) Friedrich Wilhelm Hohenzollern ‒ ich bitte Euch, was ist denn sonst an Eurer Verfassung, welche Ihr unter Mühe, Schweiß und Tiefsinn ausgeheckt habt? Wo hat man sie je respektirt, wo ist nur ein Titelchen davon zur Wahrheit geworden? Wo ist überhaupt in der ganzen Verfassung etwas Reelles, außer höchstens gerade diesem Kaiser, von dem Ihr „abseht“. Und wo steckt denn die gerühmte „Freisinnigkeit“? Etwa in der Konzession des jämmerlichen „suspensiven Veto“ mit dem Rechte des wiederholten Nachhauseschickens? Etwa in dem vorbehaltenen Rechte der Oktroyirung? Oder in der Bestimmung, daß die Verfassungen der Einzelstaaten nur mit Zustimmung der Reichsgewalt etc. erfolgen dürfen (Gewährleistung der Reichskroaten)? Oder in dem neuen Staatenhause (Bundestage)? Oder in dem so hochgepriesenen Wahlgesetz zum Volkshause, nach welchem noch immer der gesammte Arbeiterstand und die demokratische Partei sammt und sonders ausgeschlossen werden kann und sicher auch wird? Und dieses Wahlgesetz ist doch der Kaufpreis, um welchen Heinrich Simon und andere „charakterfeste“ Biedermänner aus Westendhall zu Verräthern an ihrer Partei wurden und zu den Erbkaiserlichen überliefen! ‒ Oder sind es ‒ und darauf werden sie sich wahrscheinlich vor Allem stützen ‒ die bescheidenen, verklausulirten, phrasenreichen und dennoch nie zur Ausführung kommenden papiernen „Grundrechte“? Freilich enthält § 7 der „Gewähr der Verfassung“ eine Bestimmung, nach welcher die „Grundrechte“ in jedem passend scheinenden Augenblicke durch Belagerungszustand, Standrecht etc. etc. annullirt werden können: das genirt indessen die Herren nicht. Sie werden sich auch noch bescheiden, daß sie die Grundrechte noch gar nicht gehörig verstehen, und die Herren Wrangel-Manteuffel um gefällige Interpretation ersuchen. Es ist wahrhaft komisch anzusehen, wie diese Herren der „gemäßigten Linken,“ deren Tendenz es ist, „das Errungene zu behaupten,“ von Konzession zu Konzession getrieben werden. Im vorigen Jahre stellten sie sich, zum „passiven Widerstande“ gerüstet, auf ihre „Märzerrungenschaften“ und wollten sie „behaupten.“ Man oktroyirte ihnen eine „Errungenschaft“ nach der anderen hinweg; sie nahmen gutmüthig die Errungenschaft mit der neu errungenen Beschränkung, und wollten auch diese „behaupten.“ Man gab ihnen systematisch Rippenstöße; bei jedem Stoße wichen sie zurück, sagten aber stets: „diesen Platz wollen wir behaupten!“ ‒ bis ein neuer Rippenstoß kam und sie noch weiter zurücktrieb ‒ und so fort, bis sie jetzt endlich an die Wand gedrängt sind, wo sie nicht weiter zurückkönnen ‒ bis sie für eine Verfassung, gegen deren einzelne Paragraphen sie gestimmt haben, als für ihre „Errungenschaft“ schwärmen! Mit Gagern, Mathy, Wilh. Jordan u. s. w. (die Linke hat sich vermehrt!) unterzeichnet die „gemäßigte Linke“ eine Erklärung des Inhalts: daß die Verfassung (die freisinnigste in Europa!) keine wesentliche Aenderung erleiden dürfe, als Bedingung für die Annahme der Kaiserwahl. Nun, Friedrich Wilhem hat in seinen jungen Jahren Hegel getrieben; er wird Euch schon genügend über den Unterschied von wesentlich und unwesentlich belehren. Ihr seid am Ende schon leicht davon zu überzeugen, daß dies oder jenes nur unwesentlich sei, und ich zweifle nicht, daß in einiger Zeit die „gemäßigte Linke,“ wie jetzt für die Verfassung in Bausch und Bogen, so für die Verfassung mit Friedrich-Wilhelm-Manteuflischen Glossen auftreten werden ‒ vermöge ihres ausgezeichneten Abstraktionsvermögens werden sie auch davon „absehen,“ und wir werden dann lesen: „Abgesehen von den nothwendigen Consequenzen des preußischen Erbkaisers, ist unsre Verfassung eine der freisinnigsten in Europa.“ „Abgesehen davon,“ daß Ihr die Schleppenträger der deutschen Fürsten seid, habt Ihr glücklicherweise in Deutschland nichts zu sagen! * Freiburg, 30 März, Abends 8. Uhr. Soeben wurde nach eilftägiger Verhandlung der Prozeß wegen Struve und Blind entschieden: Beide sind zu achtjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt worden, welche sie nach einem alten Gesetz, wonach 2 Monate einsamer Zellenhaft gleich 3 Monaten Zuchthausstraße sind, in Zellenhaft von 5 Jahren und 4 Monaten absitzen sollen. In dem Prozeß wurden mehr als hundert Zeugen verhört, welche sämmtlich von der Staatsanwaltschaft vorgeladen waren; die von den Angeklagten bezeichneten Entlassungszeugen wurden gar nicht vorgeladen, da man den Vertheidigungsbeweis von vornherein als „unerheblich“ auszuschließen geruhte. ‒ Wir hoffen, daß an den Regierungsmännern Badens baldigst vom Volk ähnliche „Gerechtigkeit“ geübt werden wird. Polen. 316 Von der polnischen Gränze, 28. März. Das Lager bei Kalisch ist zwar abgesteckt, aber bis heute noch nicht bezogen; in Kalisch selbst sind nicht viel Truppen. Es sind zwar sehr bedeutende Truppenmassen im Königreich Polen zusammengezogen, aber immer mehrere Meilen längst der Gränze so aufgestellt, daß sie sich in kurzer Zeit bei den bestimmten Uebergangspunkten konzentriren können. Auch das steht fest, daß immer mehr neue Truppen aus dem Innern einrücken. Aus guter und zuverlässiger Quelle wird Folgendes mitgetheilt: Bei der Einnahme von Hermannstadt sind sehr viele russische Soldaten zu Bem übergegangen; sie versicherten, daß in ihrer Armee ein Geist der Unzufriedenheit herrsche, wie er noch nie dagewesen. Die russischen Soldaten haben wenig Lust gezeigt, sich mit den Ungarn zu schlagen, und dies soll auch die Veranlassung sein, warum die Führer die Offensive nicht ergreifen wollen, ‒ obgleich sie, mit den Oesterreichern vereinigt, sogar an Zahl überlegen sind. Kalisch, 26 März. Ein heute hier bekannt gewordener Befehl gestattet, den beurlaubten Militärs auf desfallsige Gesuche den Urlaub auf einem Monat zu verlängern. Doch sind wir gewöht, die öffentlichen Erlasse immer im Widerspruche zu der im Geheimen befolgten Politik zu finden, und wir dürfen uns daher aus diesem publicirten Befehl keinen Schluß auf Ehaltung des Friedens mit dem Nachbarlande erlauben. ‒ Ungarn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz262_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz262_1849/2
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 262. Köln, 3. April 1849, S. 1476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz262_1849/2>, abgerufen am 05.10.2024.