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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 290. Köln, 5. Mai 1849.

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iche Denunzianten-Seelen, welche befürchteten, daß der Tag der Rache und Vergeltung nahe sei, und vor jeder Laterne von einem kalten Grausen überrieselt wurden, theils verwundete Offiziere und Soldaten, welche aus dem ungarischen Feldzuge heimgekehrt, auf Stöcken und Krücken gestützt, oder von Verwandten geführt, in dem warmen Lichte der Sonne einige Erquickung ihrer gebrochenen und müden Glieder suchten. -

Plötzlich, wie ein elektrischer Schlag, durchzuckt alle die von Mund zu Munde laufende Nachricht, "man höre in der Richtung nach Preßburg hin den Kanonendonner einer Schlacht", und wie in den bangen und heißen Tagen am Ende des Oktober erscholl das Wort "die Ungarn" aus der aufgeregten Menge. Alles eilt hinaus auf die Wasserglacis und in den Prater, um durch das eigene Ohr sich zu überzeugen. Buben, aber auch alte Leute werfen sich auf die Erde, legten ihr Ohr knapp an den Boden, um den fernen Geschützdonner zu hören. Bei Einigen hatte die Sympathie für die ritterlichen Magyaren solchen Einfluß auf die Phantasie, daß sie deutlich die Schüsse zählten; die Meisten aber erhoben sich kopfschüttelnd und ungläubig, und schienen unbefriedigt zu sein. - Als wir aus dem Prater heimkehrten, und in die Alservorstadt zurückkehrten, sahen wir vor vielen Häusern beladene Wagen und Fiakres, welche dann zum Thore hinaus eilten nach Nusdorf oder zum Gloggnitzer Bahnhof. Es waren bange "Schwarz-gelben" mit bösem Gewissen, die mit dem Dampfer nach Linz oder mit der Eisenbahn nach dem glücklichen Baden eilten.

Sie haben hier ein Bild von der Lage und Stimmung unserer Stadt; es beschäftigt nur ein Gedanke alle Gemüther und der Gedanke konzentrirt sich in dem Worte: "Ungarn". Die deutsche Kaiserfrage, Eure berliner Geschichten, der Krieg in Italien, selbst die uns nahe liegenden politischen Fragen, wie der Wechsel im Ministerium, Stadion's Wahnsinn, Windischgrätz's Ungnade, der Kampf in unserer Presse zwischen den Lanzenreutern der "Ostdeutschen Post" und des "Lloyd", das Zetergeschrei der "Presse" gegen gefallene Größen, die Restauration in Florenz und die bevorstehende republikanische Schilderhebung in Süddeutschland - alles kümmert und ängstigt, freut und beschäftigt uns gar nicht, und wie ein Gerbergaul um die Drehmühle, kreisen unsere Gedanken bis zum Wahnsinnigwerden nur um einen Punkt, nur um eine Frage: "Kommen die Ungarn eher, oder die Russen."

(N. Z.)
* Schleswig-Holstein, 30. April.

Außer einigen Truppenmärschen ist nichts zu sehen, was Einen erinnerte, daß wir im Kriege leben. Im Kriege? Nun so nennen's wenigstens die Diplomaten und Volksverräther; die Hellsehenden im Volke wissen sehr wohl, daß es eben nur eine Kriegskomödie, aber eine grausam-blutige ist, in welcher Tausende von unsern Brüdern zum Vortheil und zur Belustigung der Herren Landesväter hingeopfert werden.

Prittwitz hat sein Hauptquartier in Christiansfeld. Da die geheimen Pläne des preußischen Kabinets dieses Jahr schon allzusehr durchschaut worden: so will man sich endlich zum Einmarsch in Jütland bequemen. In diesem Sinne soll sich Prittwitz neuerdings zu den Truppen geäußert haben. Natürlich wird man diesen unfreiwilligen Schritt durch eine Art der Kriegführung, welche den Herren Dänen am Besten convenirt, und auf andere Weise wieder gut zu machen suchen. Schließlich folgende Mittheilung aus dem "Altonaer Merkur":

Fünf von Alsen weggeführte Gefangene sollten gegen fünf dänische Gefangene ausgetauscht werden. Zu dem Ende stellt die Kommandantschaft in Rendsburg den dortigen Gefangenen frei, welche von ihnen zurückkehren wollten; es meldet sich Keiner; es wird hierauf gesagt, daß vorzugsweise die Verheiratheten und Familienväter die Rückkehr antreten könnten, worauf erwidert wird, daß solche nicht unter ihnen; endlich muß das Loos entscheiden, aber die solchergestalt Gewählten vertauschen demnächst zu verschiedenen Malen das Loos, worauf das ganze Verfahren sistirt wird: ein Zeichen, daß es den Dänen besser gefällt in der Gefangenschaft als in ihrer Heimath.

Fulda, 29. April.

Gestern Abend hatten wir eine Volks-Versammlung, in welcher fast sämmtliche Bürger unserer Stadt anwesend waren und nach einer langen, sehr lebhaften Debatte einstimmig eine Adresse ans Parlament angenommen wurde, in welcher die sofortige Wahl eines Vollziehungs-Ausschusses verlangt wird. Um hiefür Einstimmigkeit zu erlangen, hatten unsere Demokraten zugegeben, daß auch die Anerkennung der Reichs-Verfassung darin ausgesprochen, und daß zugleich auch die Vereidigung des Militärs auf dieselbe von Seiten der Regierung dringend verlangt werde. Ein anderer Antrag auf sofortige Einberufung unserer Ständekammer zeigte dadurch, daß sich hierüber die Versammlung in zwei Parteien schied, welche die Bestimmung der Majorität fast unmöglich machten, wie wenig unsere gegenwärtige Stände-Kammer auch bei uns das Vertrauen des Volkes besitzt. Selbst unser Deputirte Weinzierl hatte dagegen gestimmt.

(Fr. J.)
145 Frankfurt, 2. Mai.

Hr. Bassermann, dieser bleiche Gestaltenseher aus Mannheim, hat seit dem Beginne der hiesigen Nationalversammlung schon manche Rede gethan. Er hat Vieles gesehen und noch mehr darüber gesprochen. Wir aber haben ihm nur sehr Weniges geglaubt; denn wir kennen seine stets aufgeregte Phantasie, die aus einer Fliege einen Elephanten, aus einem Mann mit Manschetten und Glacehandschuhen gleich eine revolutionäre Gestalt zu machen beliebt. Nun, diese Schwachheit ist, weil allgemein bekannt, auch unschädlich. Ein solches unschädliches Individuum läßt man unbeachtet, fängt es aber an, sich notorische Lügen zu erlauben, so wird es wenigstens verachtet, wenn man auch sonst keinen Werth auf seine Aeußerungen legt. Hr. Vogt hatte kürzlich in der Paulskirche gesagt, das Volk in Süddeutschland hätte die Grundrechte nicht mit der Freude aufgenommen, wie dies von einigen Mitgliedern der Nationalversammlung behauptet worden sei. Zur Widerlegung dessen führte nun der phantasiereiche Buchhändler an, daß in seinem Wahlbezirke die Leute mit den Exemplaren der Grundrechte, welche er "massenweise seinen Wählern gesandt," nicht befriedigt worden seien, und sogar Hrn. Vogt um fernere Uebersendung gebeten hätten, wie letzterer selbst geäußert habe. Hr. Vogt war damals nicht in der Paulskirche und ihm daher eine Entgegnung unmöglich. Heute lesen wir in der Reichstagszeitung einen Brief von einem Wahlmann des Hrn. Bassermann, worin gesagt wird, daß von Seiten des Hrn. Unterstaatssekretärs zwar eine Unmasse gedruckter, von ihm selbst gehaltener Reden, aber auch nicht Ein Exemplar Grundrechte an die Wahlmänner seines Bezirks gesandt worden seien! So steht es um die Wahrheitsliebe dieses sogenannten Staatsmannes!

* Frankfurt, 3. Mai.

In der Sitzung der Nationalversammlung zeigt der Ministerpräsident Gagern an, daß Reichskommissare nach Berlin, München, Dresden und Hannover abgesandt seien, um zur Anerkennung der Verfassung, des Wahlgesetzes und der Kaiserwahl (!!!) nochmals aufzufordern. Zugleich zeigt er an, daß heute neue wichtige Mittheilungen der preußischen Regierung (die Oktroyirungsnote) erwartet wurde, und bittet daher die Sitzung auszusetzen, bis das Ministerium hierüber Vorlagen machen könne.

Die Versammlung geht sodann über den dringlichen Antrag Kierulff's und Consorten, der sächsischen Regierung wegen der Kammerauflösung einen Tadel auszusprechen, zur motivirten Tagesordnung über.

Motive: Die bisher ausgesprochnen Tadelvota über die Kammerauflösungen reichten hin; und die Nationalversammlung habe vielmehr jetzt Maßregeln zu berathen, wodurch der Widerstand der remitenten Regierungen gebrochen werden könne.

München, 30. April.

Zur Charakteristik der bierbegnadeten Zustände der bairischen Hauptstadt geben wir folgende Mittheilung des "Korresp. v. u. f. Deutschl."

Die Aufregung, welche sich seit einigen Tagen der Bevölkerung bemächtigt hat, dauert fort und ist eher im Zunehmen, seit die Auflösung der Kammern in Hannover und Berlin bekannt wurde. Dazu kömmt leider die heute stattfindende Eröffnung des Bockkellers und morgen der in München's Biergeschichte verhängnißvolle 1. Mai. Man ist daher nicht ohne Besorgniß vor Ruhestörungen, zumal man zu wissen glaubt, daß einer gewissen Partei nichts willkommener wäre als Ruhestörungen und hierauf - Belagerungszustand.

Von heute an muß, wie man vernimmt, während der ganzen Bockschenkzeit, die Sicherheitswache der Landwehr, die bisher Abends 6 Uhr aufzog, schon Nachmittags 1 Uhr ihr Wachlokal beziehen, das sich im Thal, unweit des Bockkellers, befindet. Daß noch anderweitige militärische Vorsichtsmaßregeln getroffen sind, läßt sich unter den jetzigen Bier-Verhältnissen leicht erklären.

Nürnberg, 1. Mai.

Ein Aufruf an das bairische Heer zur Unterzeichnung von Adressen für die Reichsverfassung ist zahlreich verbreitet aber von der Polizei überall konfiszirt worden.

Französische Republik.
12 Paris, 2. Mai.

Richtig! Der Zwiespalt herrscht in der Rue de Poitiers, herrscht in allen Bourgeoisparteien, und die Bourgeoisparteien, durch die Gewaltmaßregeln des Ministeriums zur Unterdrückung der Volkspartei aufgemuntert, glaubten schon so weit zu halten, um sich ungestraft in die Früchte des allgemeinen Stimmrechts theilen zu können. Die Wahlen g hen erst am 13. vor sich, und die Bourgeois disputiren sich bereits über die Stellen. Legitimisten, Bourbonen und Bonapartisten vertheilen sich bereits die Rollen, und jede der Parteien ist wüthend über die andere, weil sie sich nicht hinlänglich in der Rue de Poitiers vertreten wähnt. Seht nur, wie klug, wie "bourgeoispfiffig" diese Leute zu verfahren glaubten! Sie ließen anfangs eine anonyme Liste cirkuliren, um das Terrain zu sondiren. Diese Liste enthielt rein monarchische Namen, wie Berryer, Thiers, Mole, Barrot, Hugo, Passy, Faucher u. s. w. Sie ward aber so ungünstig aufgenommen, daß die Rue de Poitiers sich genöthigt sah, diese Liste zu desavouiren. Eine neue Liste ward angefertigt, neue Namen wurden den alten hinzugefügt; Cavaignac, Falloux, Marie, Coquerell u. s. w. erschienen auf dem Tapet, d. h. auf der Liste. Da man mit den Orleanisten und Legitimisten nicht durchdrang, so suchte man in den Reihen der Reaktion alles Dasjenige auf, was der sozialen Partei feindselig sein konnte und dies hieß dann in der Sprache der Bourgeois: "Wenn die jetzige Liste einem Jedem nicht Alles gibt, was er wünscht, so schließt sie doch Alles aus, was ein Jeder befürchtet." Den Katholiken, die sich mit Thiers und Berryer nicht zufrieden gaben, wurde Montalembert und den Arbeitern der "falsche Arbeiter" Peupin bewilligt. Sogar aus der provisorischen Regierung nahm man die contrerevolutionären Elemente auf. Garnier-Pages, der die 45-Centimensteuer erfand, Goudchaux, der würdige Kollege des Hrn. Fould, beide "bürgerliche Spekulanten" in Papieren, die sich wechselseitig zu überrumpeln suchten, Arago u. s. w. Der Rue de Poiters steht die demokratisch-soziale Partei wie eine einzige feste, kompakte Masse gegenüber. Ihre Liste, wie sie vom ersten Augenblicke an erschien, hat weder Verkürzungen noch Verlängerungen erfahren, und wenn die Spaltungen in der Rue de Poitiers so vorwärts gehen, dann ist der Sieg der Demokraten in Paris gesichert.

Der Mann, welcher der Rue de Poitiers am meisten zu schaffen macht, ist ohne Zweifel Guizot. Wie er die Rue de Poitiers auf eine schmähliche Weise verhöhnt! Guizot ist überflüssig geworden. Man braucht einen Guizot nicht mehr, um die Bourgeois-Interessen ideologisch und belletristisch zu vertreten: Zudem stehen diese Bourgeois-Interessen sich selbst einander dermaßen schroff gegenüber, daß Guizot blos eine neue "embarras," ein neues Hinderniß sein würde. Aber Guizot ist in seinen Augen immer noch Guizot, der "die Bourgeois-Partei" en gros bereits gerettet hat, während die Rue de Poitiers die Bourgeois-Parteien en detail nach retten will. Guizot will Deputirter werden, und die Rue de Poitiers hat so viele Leute zu versorgen. Die Rue de Poitiers schreibt ihm Briefe über Briefe: er möge abstehen von seiner Kandidatur. Aber wie antwortet Guizot auf diese Briefe: "Weit entfernt, in meiner Meinung erschüttert zu werden, ersehe ich aus dem, was in Betreff meiner Wahl zu Paris und zu Lisieux vor sich geht, daß ich recht habe zu handeln, wie ich handele. Meine Anwesenheit zu Paris wäre nicht im Stande, so viele Feindseligkeit und Thätigkeit von Seiten meiner Gegner, und so viel Zaudern und Anstehn von Seiten meiner Freunde zu überwinden." Die Gegner Guizot's, muß man wissen, sind keine andern als die Rue de Poitiers. Guizot kennt noch immer keinen andern Feind als Thiers.

"Wenn ich, heißt es weiter, in diese Atmosphäre einträte, so würde ich, wie so viele andere, entnerot werden, oder ich würde die Reizung derjenigen verdoppeln, die schon so sehr in Betreff meiner gereizt sind .... Es gibt keine Stelle, keine Rolle für mich zu spielen in den Antichambres, die zur Nationalversammlung führen, wären diese Antichambres die Salons der Rue de Poitiers selbst."

Wie man sieht, verschmäht Guizot die Salons der Rue de Poitiers; er will in die Kammer "auf spontane Weise"; er will zurückberufen werden direkt: leider existiren diese direkten Wähler im Sinne Guizot's nicht mehr, diese Bourgeois-Wähler, die Census zahlten und die mit Guizot in direkter Verbindung standen. Ihre Zahl war so geringe, ihr Interesse so klar, so deutlich, daß diese Wähler direkt mit Guizot unterhandeln konnten. Ganz andere Interessen haben sich Luft gemacht: die Bourgeois-Welt ist in der Auflösung begriffen; der Bourgeois-Vorstand des Hrn. Guizot lebt noch immer in dieser aufgelösten Bourgeois-Welt und er spricht zu ihr, gerade als wäre er noch Minister, gerade, als hätte er keinen andern Feind, als Thiers: "Vor allen Dingen will ich begriffen, verstanden werden, wenn gleich abwesend, so will ich gewählt werden; nicht meiner Eigenliebe zu Liebe, sondern wegen der Wirksamkeit meines Handelns" (pour l'efficacite de mon action). Also Guizot glaubt noch immer an die Wirksamkeit seiner Aktion? Was war diese Aktion früher? Für die Pritchard'schen Interessen eine moralische Formel auszufinden; die Concurrenz-Verhältnisse zu beschönigen, das Corruptions-System als nothwendigen Deckmantel aufzustellen.

Changarnier, Bugeaud und Faucher "sind nicht energisch genug, sie haben nicht "Aktion" genug für den Kampf, in welchem Guizot seinen Platz haben will". Und wenn Guizot nicht gewählt wird, so wird er nach Val-Richer gehen, um seine "historischen Arbeiten zu verfolgen". Das ist der letzte Trost dieser Männer: sie schreiben Geschichte, die das Volk nicht mehr liest. Denn die Geschichte, wie sie jetzt massenhaft zum Vorschein tritt, die Geschichte der Masse, die kennen diese Leute nicht: sie schreiben die Bourgeois-Geschichte: welch ein Gewinn für die Rue de Poitiers. Möge Guizot nur öfter noch solche Briefe schreiben; besser kann man die Rue de Poitiers nicht schildern.

Die jetzige Bourgeoiskammer endet, wie sie angefangen hat: sie hat die Junischlacht hervorgerufen, und am Vorabende ihrer Auflösung hat sie nicht einmal den Muth, eine allgemeine Amnestie auszusprechen. Die Amnestie ist verworfen worden. Die jetzige Bourgeoiskammer ist zusammengekommen unter dem Drucke der 45 Centimessteuer, die auf dem Bauer vorzugsweise lastete. Der Bauer sieht ein, daß er betrogen worden, und verlangt Entschädigung. Die Entschädigung kann ihm nur werden durch die Zurückforderung der Milliarde, und bereits allenthalben auf dem Lande ertönt der Ruf: "Heraus mit der Milliarde"! Die "Revolution demokratique", das Blatt Ledrü-Rollin's, das anfänglich durch die Wahlagitation der Rue de Poitiers niedergeschlagen, sich wenig von der neuen Kammer versprach, fängt an, neuen Muth zu fassen. Die Kandidatenliste der Demokraten wird auf dem Lande mit Jubel aufgenommen, und die alte Kammer, die jetzt die Amnestie verweigert, wird bald nothwendig haben, selbst um Amnestie anzuflehen.

Paris, 2. Mai.

Der Moniteur verkündet das Gesetz, das den Pflanzern 6 Millionen Franken fünfprozentiger Renten (120 Millionen Kapital) zuspricht, als Entschädigung für die Sklaven-Emanzipation in den Colonien. Diese Renten versilbern sich seit dem 22. März c, die Staatspapiere selbst werden jedoch erst 1852 ausgetheilt, bis wohin sich die Eigenthümer untereinander auszugleichen haben. Außer obigen 6 Millionen Renten werden den Sklaveneigenthümern 6 Millionen Franken baar ein für alle Male gezahlt, um die Arbeit in den Colonien nicht in's Stocken gerathen zu lassen.

- Dupont (de l'Eure) der demokratische Nestor, soll an der Cholera gestorben sein.

- Eine telegraphische Depesche meldet - heißt es im Conferenzsaale - den Einzug der französischen Pabsttruppen in Rom.

- Der Fraternitätssaal ist geschlossen, diesmal jedoch nicht durch Militärmacht, sondern durch Expropriation der Aktionäre, die vom Grundeigenthümer entschädigt worden sind. Man spricht bereits von der Anlage einer neuen kolossalen Volkshalle in einem andern Stadtviertel.

- Die henriquinkistische Opinion publique behauptet, der Regierung seien im Laufe des gestrigen Tages wichtige Depeschen zugegangen. Siebentausend Mann unseres Pabstgeschwaders seien gegen Rom marschirt, das sie seinerseits in die Acht erklärt habe und ihnen mit 8000 Mann entgegenrücke.

(Die gewöhnliche Fahrpost aus Rom vom 23. und 24. April ist heute in Paris ausgeblieben.)

Im Moniteur vom 2. Mai keine Silbe.

- Cabrera traf am 28. April unter starker Bedeckung in Toulon ein, wo er in das Fort Lamalgue, das bereits den Progressisten-General Amettler einschließt, abgeführt wurde. Cabrera, 38 Jahre alt und energischer Natur, ist an einem Beine in Folge einer seiner letzten Kampfwunden gelähmt. Er kann nur mit vieler Mühe marschiren.

- Der conservative Toulonnais vom 29. April spricht von ernsten Militärkrawallen, die unter der Besatzung des Mourillon ausgebrochen.

- Der "Tribüne" zufolge hat Faucher sämmtlichen Gränzbehörden wiederholt die strengste Aufsicht und Zurückweisung politischer Flüchtlinge befohlen. Die östlichen und südöstlichen sowie die nördlichen Gränzen sollen ihnen wo möglich luftdicht gesperrt werden, da das Cabinet mit seinen heimischen Demagogen schon genug zu thun habe und keinen fremden Zuwachs brauche.

"La Republique" meldet die Ausweisung eines polnischen Sozialisten, Namens Vincent Wierczbicki. Die Proscription wird täglich vollständiger.

- Seit acht Tagen liefen eilf Petitionen auf Restitution der Milliarde bei der National-Versammlung ein.

- Uebermorgen soll Präsident Bonaparte den Grundstein zur ersten Pariser Arbeiter-Kaserne an der Roche-Chonartstraße legen.

- Die Schatten im Elysium bekriegen sich gewaltig! Es scheint daß dort zwischen dem Präsidenten Bonaparte und seinem Vetter Napoleon Bonaparte, nach dessen Rückkehr aus Madrid, ein heftiger Wortwechsel ausbrach. Louis Bonaparte soll zu seinem Vetter mit Stolz gesagt haben: daß sich die niederen Glieder der Dynastie im Interesse derselben unterordnen und einig halten müßten etc. Da sWörtchen "niederen" soll den Vetter zu so heftiger Replik veranlaßt haben, daß der Sohn der Königin Hortense die Beleidigung des Sohnes des Königs Jerome's nicht anders als im Blut abzuwaschen gedenke. Ein Duell ist verabredet und Herr v. Morny, Soult's Schwiegersohn, wird als einer der Sekundanten des Prinzen-Präsidenten genannt.

(Vraie Republique, 2. Mai.)

- Changarnier soll zum Gouverneur von Paris ernannt werden, falls ihm die Kammer das Doppelkommando nehme.

- Proudhon richtet sich im heutigen "Peuple" an die Wähler von Paris.

Der "Peuple" ist wieder einmal mit Beschlag belegt worden.

- Die Cholera ist wieder im Zunehmen.

- Mit dem Dämpfer "Caroline" liefen in Marseille sechs wunderschöne arabische Reitpferde ein, die der Iman von Muscate (Arabien) dem Präsidenten Bonaparte schenkt, um sich der (franz.) Freundschaft zu versichern.

- Ex-Prinz Joinville's Kandidatur in der Haute Marne gestaltet sich mit jedem Tage günstiger!!

- Nationalversammlung. Sitzung vom 2. Mai. Anfang 1 1/2 Uhr. Die Amnestiefrage für die transportirten Juniräuber macht die Versammlung sehr zahlreich.

Marrast eröffnet die Sitzung.

An der Tagesordnung steht obenan folgender Gesetzentwurf:

Artikel 1.

"Dem Minister des Innern ist auf das Büdget von 1849 ein Credit von 200,000 Fr. bewilligt, um die Kosten der ersten Jahresfeier der Proklamation der Republik durch die National-Versammlung zu bestreiten, die am 4. Mai 1849 stattfindet."

Wird ohne alle Debatte angenommen. Marrast liest weiter:

Artikel 2 (des Ausschusses).

"Volle und ganze Amnestie ...."

Larabit (unterbrechend): Ich verlange das Wort!.... Im Ausschußbericht heißt es: Die Heftigkeit der anarchischen Leidenschaften zog über uns die Fluth des Bürgerkrieges; das Elend, die Aufregung und Unzufriedenheit wurden von Denjenigen unterhalten, die eine künftig unmögliche Vergangenheit träumen - erhoben sich wechselweise drohend gegen das Bestehen unserer jungen Republik etc. Da ich weder zu den Träumern einer unmöglichen Vergangenheit, noch einer unmöglichen Zukunft gehöre, so protestire ich hiermit gegen diese Stelle des Berichts. (Allgemeine Heiterkeit. Protestiren Sie immer! ruft man vom Berge)

Marrast beginnt von Neuem zu lesen:

Artikel 2.

"Volle und ganze Amnestie ist allen Individuen gewährt, welche in Gemäßheit des Dekrets vom 27. Juni 1848 transportirt wurden. Artikel 1 jenes Dekrets ist abgeschafft."

Faucher, Minister des Innern: Bürger Vertreter! Dieser Artikel ist nur die Wiederholung einer schon bereits mehrfach gestellten Proposition. Die Regierung wünscht den W g der Verzeihung gleich dem Ausschuß einzutreten, aber noch ist der Augenblik hiefür nicht gekommen.... Unter den Transportirten befinden sich gefährliche Individuen.... Die Freiheitsentwickelung und Aufrechthaltung der Ordnung kann eine so allgemeine Amnestie nicht gestatten. Ich bekämpfe die Maßregel und trage auf Verwerfung des Artikels an. (Murren links)

Gouttay: Der Ausschuß, in dessen Namen ich spreche, freut sich der Uebereinstimmung von Gefühlen für Milde, die zwischen ihm und dem Minister herrschen; aber er kann seine Befürchtungen nicht theilen. Als Sie, Bürger Vertreter, jenes Dekret erließen, war der Staat in Gefahr und

iche Denunzianten-Seelen, welche befürchteten, daß der Tag der Rache und Vergeltung nahe sei, und vor jeder Laterne von einem kalten Grausen überrieselt wurden, theils verwundete Offiziere und Soldaten, welche aus dem ungarischen Feldzuge heimgekehrt, auf Stöcken und Krücken gestützt, oder von Verwandten geführt, in dem warmen Lichte der Sonne einige Erquickung ihrer gebrochenen und müden Glieder suchten. ‒

Plötzlich, wie ein elektrischer Schlag, durchzuckt alle die von Mund zu Munde laufende Nachricht, „man höre in der Richtung nach Preßburg hin den Kanonendonner einer Schlacht“, und wie in den bangen und heißen Tagen am Ende des Oktober erscholl das Wort „die Ungarn“ aus der aufgeregten Menge. Alles eilt hinaus auf die Wasserglacis und in den Prater, um durch das eigene Ohr sich zu überzeugen. Buben, aber auch alte Leute werfen sich auf die Erde, legten ihr Ohr knapp an den Boden, um den fernen Geschützdonner zu hören. Bei Einigen hatte die Sympathie für die ritterlichen Magyaren solchen Einfluß auf die Phantasie, daß sie deutlich die Schüsse zählten; die Meisten aber erhoben sich kopfschüttelnd und ungläubig, und schienen unbefriedigt zu sein. ‒ Als wir aus dem Prater heimkehrten, und in die Alservorstadt zurückkehrten, sahen wir vor vielen Häusern beladene Wagen und Fiakres, welche dann zum Thore hinaus eilten nach Nusdorf oder zum Gloggnitzer Bahnhof. Es waren bange „Schwarz-gelben“ mit bösem Gewissen, die mit dem Dampfer nach Linz oder mit der Eisenbahn nach dem glücklichen Baden eilten.

Sie haben hier ein Bild von der Lage und Stimmung unserer Stadt; es beschäftigt nur ein Gedanke alle Gemüther und der Gedanke konzentrirt sich in dem Worte: „Ungarn“. Die deutsche Kaiserfrage, Eure berliner Geschichten, der Krieg in Italien, selbst die uns nahe liegenden politischen Fragen, wie der Wechsel im Ministerium, Stadion's Wahnsinn, Windischgrätz's Ungnade, der Kampf in unserer Presse zwischen den Lanzenreutern der „Ostdeutschen Post“ und des „Lloyd“, das Zetergeschrei der „Presse“ gegen gefallene Größen, die Restauration in Florenz und die bevorstehende republikanische Schilderhebung in Süddeutschland ‒ alles kümmert und ängstigt, freut und beschäftigt uns gar nicht, und wie ein Gerbergaul um die Drehmühle, kreisen unsere Gedanken bis zum Wahnsinnigwerden nur um einen Punkt, nur um eine Frage: „Kommen die Ungarn eher, oder die Russen.“

(N. Z.)
* Schleswig-Holstein, 30. April.

Außer einigen Truppenmärschen ist nichts zu sehen, was Einen erinnerte, daß wir im Kriege leben. Im Kriege? Nun so nennen's wenigstens die Diplomaten und Volksverräther; die Hellsehenden im Volke wissen sehr wohl, daß es eben nur eine Kriegskomödie, aber eine grausam-blutige ist, in welcher Tausende von unsern Brüdern zum Vortheil und zur Belustigung der Herren Landesväter hingeopfert werden.

Prittwitz hat sein Hauptquartier in Christiansfeld. Da die geheimen Pläne des preußischen Kabinets dieses Jahr schon allzusehr durchschaut worden: so will man sich endlich zum Einmarsch in Jütland bequemen. In diesem Sinne soll sich Prittwitz neuerdings zu den Truppen geäußert haben. Natürlich wird man diesen unfreiwilligen Schritt durch eine Art der Kriegführung, welche den Herren Dänen am Besten convenirt, und auf andere Weise wieder gut zu machen suchen. Schließlich folgende Mittheilung aus dem „Altonaer Merkur“:

Fünf von Alsen weggeführte Gefangene sollten gegen fünf dänische Gefangene ausgetauscht werden. Zu dem Ende stellt die Kommandantschaft in Rendsburg den dortigen Gefangenen frei, welche von ihnen zurückkehren wollten; es meldet sich Keiner; es wird hierauf gesagt, daß vorzugsweise die Verheiratheten und Familienväter die Rückkehr antreten könnten, worauf erwidert wird, daß solche nicht unter ihnen; endlich muß das Loos entscheiden, aber die solchergestalt Gewählten vertauschen demnächst zu verschiedenen Malen das Loos, worauf das ganze Verfahren sistirt wird: ein Zeichen, daß es den Dänen besser gefällt in der Gefangenschaft als in ihrer Heimath.

Fulda, 29. April.

Gestern Abend hatten wir eine Volks-Versammlung, in welcher fast sämmtliche Bürger unserer Stadt anwesend waren und nach einer langen, sehr lebhaften Debatte einstimmig eine Adresse ans Parlament angenommen wurde, in welcher die sofortige Wahl eines Vollziehungs-Ausschusses verlangt wird. Um hiefür Einstimmigkeit zu erlangen, hatten unsere Demokraten zugegeben, daß auch die Anerkennung der Reichs-Verfassung darin ausgesprochen, und daß zugleich auch die Vereidigung des Militärs auf dieselbe von Seiten der Regierung dringend verlangt werde. Ein anderer Antrag auf sofortige Einberufung unserer Ständekammer zeigte dadurch, daß sich hierüber die Versammlung in zwei Parteien schied, welche die Bestimmung der Majorität fast unmöglich machten, wie wenig unsere gegenwärtige Stände-Kammer auch bei uns das Vertrauen des Volkes besitzt. Selbst unser Deputirte Weinzierl hatte dagegen gestimmt.

(Fr. J.)
145 Frankfurt, 2. Mai.

Hr. Bassermann, dieser bleiche Gestaltenseher aus Mannheim, hat seit dem Beginne der hiesigen Nationalversammlung schon manche Rede gethan. Er hat Vieles gesehen und noch mehr darüber gesprochen. Wir aber haben ihm nur sehr Weniges geglaubt; denn wir kennen seine stets aufgeregte Phantasie, die aus einer Fliege einen Elephanten, aus einem Mann mit Manschetten und Glacéhandschuhen gleich eine revolutionäre Gestalt zu machen beliebt. Nun, diese Schwachheit ist, weil allgemein bekannt, auch unschädlich. Ein solches unschädliches Individuum läßt man unbeachtet, fängt es aber an, sich notorische Lügen zu erlauben, so wird es wenigstens verachtet, wenn man auch sonst keinen Werth auf seine Aeußerungen legt. Hr. Vogt hatte kürzlich in der Paulskirche gesagt, das Volk in Süddeutschland hätte die Grundrechte nicht mit der Freude aufgenommen, wie dies von einigen Mitgliedern der Nationalversammlung behauptet worden sei. Zur Widerlegung dessen führte nun der phantasiereiche Buchhändler an, daß in seinem Wahlbezirke die Leute mit den Exemplaren der Grundrechte, welche er „massenweise seinen Wählern gesandt,“ nicht befriedigt worden seien, und sogar Hrn. Vogt um fernere Uebersendung gebeten hätten, wie letzterer selbst geäußert habe. Hr. Vogt war damals nicht in der Paulskirche und ihm daher eine Entgegnung unmöglich. Heute lesen wir in der Reichstagszeitung einen Brief von einem Wahlmann des Hrn. Bassermann, worin gesagt wird, daß von Seiten des Hrn. Unterstaatssekretärs zwar eine Unmasse gedruckter, von ihm selbst gehaltener Reden, aber auch nicht Ein Exemplar Grundrechte an die Wahlmänner seines Bezirks gesandt worden seien! So steht es um die Wahrheitsliebe dieses sogenannten Staatsmannes!

* Frankfurt, 3. Mai.

In der Sitzung der Nationalversammlung zeigt der Ministerpräsident Gagern an, daß Reichskommissare nach Berlin, München, Dresden und Hannover abgesandt seien, um zur Anerkennung der Verfassung, des Wahlgesetzes und der Kaiserwahl (!!!) nochmals aufzufordern. Zugleich zeigt er an, daß heute neue wichtige Mittheilungen der preußischen Regierung (die Oktroyirungsnote) erwartet wurde, und bittet daher die Sitzung auszusetzen, bis das Ministerium hierüber Vorlagen machen könne.

Die Versammlung geht sodann über den dringlichen Antrag Kierulff's und Consorten, der sächsischen Regierung wegen der Kammerauflösung einen Tadel auszusprechen, zur motivirten Tagesordnung über.

Motive: Die bisher ausgesprochnen Tadelvota über die Kammerauflösungen reichten hin; und die Nationalversammlung habe vielmehr jetzt Maßregeln zu berathen, wodurch der Widerstand der remitenten Regierungen gebrochen werden könne.

München, 30. April.

Zur Charakteristik der bierbegnadeten Zustände der bairischen Hauptstadt geben wir folgende Mittheilung des „Korresp. v. u. f. Deutschl.“

Die Aufregung, welche sich seit einigen Tagen der Bevölkerung bemächtigt hat, dauert fort und ist eher im Zunehmen, seit die Auflösung der Kammern in Hannover und Berlin bekannt wurde. Dazu kömmt leider die heute stattfindende Eröffnung des Bockkellers und morgen der in München's Biergeschichte verhängnißvolle 1. Mai. Man ist daher nicht ohne Besorgniß vor Ruhestörungen, zumal man zu wissen glaubt, daß einer gewissen Partei nichts willkommener wäre als Ruhestörungen und hierauf ‒ Belagerungszustand.

Von heute an muß, wie man vernimmt, während der ganzen Bockschenkzeit, die Sicherheitswache der Landwehr, die bisher Abends 6 Uhr aufzog, schon Nachmittags 1 Uhr ihr Wachlokal beziehen, das sich im Thal, unweit des Bockkellers, befindet. Daß noch anderweitige militärische Vorsichtsmaßregeln getroffen sind, läßt sich unter den jetzigen Bier-Verhältnissen leicht erklären.

Nürnberg, 1. Mai.

Ein Aufruf an das bairische Heer zur Unterzeichnung von Adressen für die Reichsverfassung ist zahlreich verbreitet aber von der Polizei überall konfiszirt worden.

Französische Republik.
12 Paris, 2. Mai.

Richtig! Der Zwiespalt herrscht in der Rue de Poitiers, herrscht in allen Bourgeoisparteien, und die Bourgeoisparteien, durch die Gewaltmaßregeln des Ministeriums zur Unterdrückung der Volkspartei aufgemuntert, glaubten schon so weit zu halten, um sich ungestraft in die Früchte des allgemeinen Stimmrechts theilen zu können. Die Wahlen g hen erst am 13. vor sich, und die Bourgeois disputiren sich bereits über die Stellen. Legitimisten, Bourbonen und Bonapartisten vertheilen sich bereits die Rollen, und jede der Parteien ist wüthend über die andere, weil sie sich nicht hinlänglich in der Rue de Poitiers vertreten wähnt. Seht nur, wie klug, wie „bourgeoispfiffig“ diese Leute zu verfahren glaubten! Sie ließen anfangs eine anonyme Liste cirkuliren, um das Terrain zu sondiren. Diese Liste enthielt rein monarchische Namen, wie Berryer, Thiers, Molé, Barrot, Hugo, Passy, Faucher u. s. w. Sie ward aber so ungünstig aufgenommen, daß die Rue de Poitiers sich genöthigt sah, diese Liste zu desavouiren. Eine neue Liste ward angefertigt, neue Namen wurden den alten hinzugefügt; Cavaignac, Falloux, Marie, Coquerell u. s. w. erschienen auf dem Tapet, d. h. auf der Liste. Da man mit den Orleanisten und Legitimisten nicht durchdrang, so suchte man in den Reihen der Reaktion alles Dasjenige auf, was der sozialen Partei feindselig sein konnte und dies hieß dann in der Sprache der Bourgeois: „Wenn die jetzige Liste einem Jedem nicht Alles gibt, was er wünscht, so schließt sie doch Alles aus, was ein Jeder befürchtet.“ Den Katholiken, die sich mit Thiers und Berryer nicht zufrieden gaben, wurde Montalembert und den Arbeitern der „falsche Arbeiter“ Peupin bewilligt. Sogar aus der provisorischen Regierung nahm man die contrerevolutionären Elemente auf. Garnier-Pages, der die 45-Centimensteuer erfand, Goudchaux, der würdige Kollege des Hrn. Fould, beide „bürgerliche Spekulanten“ in Papieren, die sich wechselseitig zu überrumpeln suchten, Arago u. s. w. Der Rue de Poiters steht die demokratisch-soziale Partei wie eine einzige feste, kompakte Masse gegenüber. Ihre Liste, wie sie vom ersten Augenblicke an erschien, hat weder Verkürzungen noch Verlängerungen erfahren, und wenn die Spaltungen in der Rue de Poitiers so vorwärts gehen, dann ist der Sieg der Demokraten in Paris gesichert.

Der Mann, welcher der Rue de Poitiers am meisten zu schaffen macht, ist ohne Zweifel Guizot. Wie er die Rue de Poitiers auf eine schmähliche Weise verhöhnt! Guizot ist überflüssig geworden. Man braucht einen Guizot nicht mehr, um die Bourgeois-Interessen ideologisch und belletristisch zu vertreten: Zudem stehen diese Bourgeois-Interessen sich selbst einander dermaßen schroff gegenüber, daß Guizot blos eine neue „embarras,“ ein neues Hinderniß sein würde. Aber Guizot ist in seinen Augen immer noch Guizot, der „die Bourgeois-Partei“ en gros bereits gerettet hat, während die Rue de Poitiers die Bourgeois-Parteien en detail nach retten will. Guizot will Deputirter werden, und die Rue de Poitiers hat so viele Leute zu versorgen. Die Rue de Poitiers schreibt ihm Briefe über Briefe: er möge abstehen von seiner Kandidatur. Aber wie antwortet Guizot auf diese Briefe: „Weit entfernt, in meiner Meinung erschüttert zu werden, ersehe ich aus dem, was in Betreff meiner Wahl zu Paris und zu Lisieux vor sich geht, daß ich recht habe zu handeln, wie ich handele. Meine Anwesenheit zu Paris wäre nicht im Stande, so viele Feindseligkeit und Thätigkeit von Seiten meiner Gegner, und so viel Zaudern und Anstehn von Seiten meiner Freunde zu überwinden.“ Die Gegner Guizot's, muß man wissen, sind keine andern als die Rue de Poitiers. Guizot kennt noch immer keinen andern Feind als Thiers.

„Wenn ich, heißt es weiter, in diese Atmosphäre einträte, so würde ich, wie so viele andere, entnerot werden, oder ich würde die Reizung derjenigen verdoppeln, die schon so sehr in Betreff meiner gereizt sind ‥‥ Es gibt keine Stelle, keine Rolle für mich zu spielen in den Antichambres, die zur Nationalversammlung führen, wären diese Antichambres die Salons der Rue de Poitiers selbst.“

Wie man sieht, verschmäht Guizot die Salons der Rue de Poitiers; er will in die Kammer „auf spontane Weise“; er will zurückberufen werden direkt: leider existiren diese direkten Wähler im Sinne Guizot's nicht mehr, diese Bourgeois-Wähler, die Census zahlten und die mit Guizot in direkter Verbindung standen. Ihre Zahl war so geringe, ihr Interesse so klar, so deutlich, daß diese Wähler direkt mit Guizot unterhandeln konnten. Ganz andere Interessen haben sich Luft gemacht: die Bourgeois-Welt ist in der Auflösung begriffen; der Bourgeois-Vorstand des Hrn. Guizot lebt noch immer in dieser aufgelösten Bourgeois-Welt und er spricht zu ihr, gerade als wäre er noch Minister, gerade, als hätte er keinen andern Feind, als Thiers: „Vor allen Dingen will ich begriffen, verstanden werden, wenn gleich abwesend, so will ich gewählt werden; nicht meiner Eigenliebe zu Liebe, sondern wegen der Wirksamkeit meines Handelns“ (pour l'éfficacité de mon action). Also Guizot glaubt noch immer an die Wirksamkeit seiner Aktion? Was war diese Aktion früher? Für die Pritchard'schen Interessen eine moralische Formel auszufinden; die Concurrenz-Verhältnisse zu beschönigen, das Corruptions-System als nothwendigen Deckmantel aufzustellen.

Changarnier, Bugeaud und Faucher „sind nicht energisch genug, sie haben nicht „Aktion“ genug für den Kampf, in welchem Guizot seinen Platz haben will“. Und wenn Guizot nicht gewählt wird, so wird er nach Val-Richer gehen, um seine „historischen Arbeiten zu verfolgen“. Das ist der letzte Trost dieser Männer: sie schreiben Geschichte, die das Volk nicht mehr liest. Denn die Geschichte, wie sie jetzt massenhaft zum Vorschein tritt, die Geschichte der Masse, die kennen diese Leute nicht: sie schreiben die Bourgeois-Geschichte: welch ein Gewinn für die Rue de Poitiers. Möge Guizot nur öfter noch solche Briefe schreiben; besser kann man die Rue de Poitiers nicht schildern.

Die jetzige Bourgeoiskammer endet, wie sie angefangen hat: sie hat die Junischlacht hervorgerufen, und am Vorabende ihrer Auflösung hat sie nicht einmal den Muth, eine allgemeine Amnestie auszusprechen. Die Amnestie ist verworfen worden. Die jetzige Bourgeoiskammer ist zusammengekommen unter dem Drucke der 45 Centimessteuer, die auf dem Bauer vorzugsweise lastete. Der Bauer sieht ein, daß er betrogen worden, und verlangt Entschädigung. Die Entschädigung kann ihm nur werden durch die Zurückforderung der Milliarde, und bereits allenthalben auf dem Lande ertönt der Ruf: „Heraus mit der Milliarde“! Die „Revolution demokratique“, das Blatt Ledrü-Rollin's, das anfänglich durch die Wahlagitation der Rue de Poitiers niedergeschlagen, sich wenig von der neuen Kammer versprach, fängt an, neuen Muth zu fassen. Die Kandidatenliste der Demokraten wird auf dem Lande mit Jubel aufgenommen, und die alte Kammer, die jetzt die Amnestie verweigert, wird bald nothwendig haben, selbst um Amnestie anzuflehen.

Paris, 2. Mai.

Der Moniteur verkündet das Gesetz, das den Pflanzern 6 Millionen Franken fünfprozentiger Renten (120 Millionen Kapital) zuspricht, als Entschädigung für die Sklaven-Emanzipation in den Colonien. Diese Renten versilbern sich seit dem 22. März c, die Staatspapiere selbst werden jedoch erst 1852 ausgetheilt, bis wohin sich die Eigenthümer untereinander auszugleichen haben. Außer obigen 6 Millionen Renten werden den Sklaveneigenthümern 6 Millionen Franken baar ein für alle Male gezahlt, um die Arbeit in den Colonien nicht in's Stocken gerathen zu lassen.

‒ Dupont (de l'Eure) der demokratische Nestor, soll an der Cholera gestorben sein.

‒ Eine telegraphische Depesche meldet ‒ heißt es im Conferenzsaale ‒ den Einzug der französischen Pabsttruppen in Rom.

‒ Der Fraternitätssaal ist geschlossen, diesmal jedoch nicht durch Militärmacht, sondern durch Expropriation der Aktionäre, die vom Grundeigenthümer entschädigt worden sind. Man spricht bereits von der Anlage einer neuen kolossalen Volkshalle in einem andern Stadtviertel.

‒ Die henriquinkistische Opinion publique behauptet, der Regierung seien im Laufe des gestrigen Tages wichtige Depeschen zugegangen. Siebentausend Mann unseres Pabstgeschwaders seien gegen Rom marschirt, das sie seinerseits in die Acht erklärt habe und ihnen mit 8000 Mann entgegenrücke.

(Die gewöhnliche Fahrpost aus Rom vom 23. und 24. April ist heute in Paris ausgeblieben.)

Im Moniteur vom 2. Mai keine Silbe.

‒ Cabrera traf am 28. April unter starker Bedeckung in Toulon ein, wo er in das Fort Lamalgue, das bereits den Progressisten-General Amettler einschließt, abgeführt wurde. Cabrera, 38 Jahre alt und energischer Natur, ist an einem Beine in Folge einer seiner letzten Kampfwunden gelähmt. Er kann nur mit vieler Mühe marschiren.

‒ Der conservative Toulonnais vom 29. April spricht von ernsten Militärkrawallen, die unter der Besatzung des Mourillon ausgebrochen.

‒ Der „Tribüne“ zufolge hat Faucher sämmtlichen Gränzbehörden wiederholt die strengste Aufsicht und Zurückweisung politischer Flüchtlinge befohlen. Die östlichen und südöstlichen sowie die nördlichen Gränzen sollen ihnen wo möglich luftdicht gesperrt werden, da das Cabinet mit seinen heimischen Demagogen schon genug zu thun habe und keinen fremden Zuwachs brauche.

„La Republique“ meldet die Ausweisung eines polnischen Sozialisten, Namens Vincent Wierczbicki. Die Proscription wird täglich vollständiger.

‒ Seit acht Tagen liefen eilf Petitionen auf Restitution der Milliarde bei der National-Versammlung ein.

‒ Uebermorgen soll Präsident Bonaparte den Grundstein zur ersten Pariser Arbeiter-Kaserne an der Roche-Chonartstraße legen.

‒ Die Schatten im Elysium bekriegen sich gewaltig! Es scheint daß dort zwischen dem Präsidenten Bonaparte und seinem Vetter Napoleon Bonaparte, nach dessen Rückkehr aus Madrid, ein heftiger Wortwechsel ausbrach. Louis Bonaparte soll zu seinem Vetter mit Stolz gesagt haben: daß sich die niederen Glieder der Dynastie im Interesse derselben unterordnen und einig halten müßten etc. Da sWörtchen „niederen“ soll den Vetter zu so heftiger Replik veranlaßt haben, daß der Sohn der Königin Hortense die Beleidigung des Sohnes des Königs Jerome's nicht anders als im Blut abzuwaschen gedenke. Ein Duell ist verabredet und Herr v. Morny, Soult's Schwiegersohn, wird als einer der Sekundanten des Prinzen-Präsidenten genannt.

(Vraie Republique, 2. Mai.)

‒ Changarnier soll zum Gouverneur von Paris ernannt werden, falls ihm die Kammer das Doppelkommando nehme.

‒ Proudhon richtet sich im heutigen „Peuple“ an die Wähler von Paris.

Der „Peuple“ ist wieder einmal mit Beschlag belegt worden.

‒ Die Cholera ist wieder im Zunehmen.

‒ Mit dem Dämpfer „Caroline“ liefen in Marseille sechs wunderschöne arabische Reitpferde ein, die der Iman von Muscate (Arabien) dem Präsidenten Bonaparte schenkt, um sich der (franz.) Freundschaft zu versichern.

‒ Ex-Prinz Joinville's Kandidatur in der Haute Marne gestaltet sich mit jedem Tage günstiger!!

Nationalversammlung. Sitzung vom 2. Mai. Anfang 1 1/2 Uhr. Die Amnestiefrage für die transportirten Juniräuber macht die Versammlung sehr zahlreich.

Marrast eröffnet die Sitzung.

An der Tagesordnung steht obenan folgender Gesetzentwurf:

Artikel 1.

„Dem Minister des Innern ist auf das Büdget von 1849 ein Credit von 200,000 Fr. bewilligt, um die Kosten der ersten Jahresfeier der Proklamation der Republik durch die National-Versammlung zu bestreiten, die am 4. Mai 1849 stattfindet.“

Wird ohne alle Debatte angenommen. Marrast liest weiter:

Artikel 2 (des Ausschusses).

„Volle und ganze Amnestie ‥‥“

Larabit (unterbrechend): Ich verlange das Wort!‥‥ Im Ausschußbericht heißt es: Die Heftigkeit der anarchischen Leidenschaften zog über uns die Fluth des Bürgerkrieges; das Elend, die Aufregung und Unzufriedenheit wurden von Denjenigen unterhalten, die eine künftig unmögliche Vergangenheit träumen ‒ erhoben sich wechselweise drohend gegen das Bestehen unserer jungen Republik etc. Da ich weder zu den Träumern einer unmöglichen Vergangenheit, noch einer unmöglichen Zukunft gehöre, so protestire ich hiermit gegen diese Stelle des Berichts. (Allgemeine Heiterkeit. Protestiren Sie immer! ruft man vom Berge)

Marrast beginnt von Neuem zu lesen:

Artikel 2.

„Volle und ganze Amnestie ist allen Individuen gewährt, welche in Gemäßheit des Dekrets vom 27. Juni 1848 transportirt wurden. Artikel 1 jenes Dekrets ist abgeschafft.“

Faucher, Minister des Innern: Bürger Vertreter! Dieser Artikel ist nur die Wiederholung einer schon bereits mehrfach gestellten Proposition. Die Regierung wünscht den W g der Verzeihung gleich dem Ausschuß einzutreten, aber noch ist der Augenblik hiefür nicht gekommen‥‥ Unter den Transportirten befinden sich gefährliche Individuen‥‥ Die Freiheitsentwickelung und Aufrechthaltung der Ordnung kann eine so allgemeine Amnestie nicht gestatten. Ich bekämpfe die Maßregel und trage auf Verwerfung des Artikels an. (Murren links)

Gouttay: Der Ausschuß, in dessen Namen ich spreche, freut sich der Uebereinstimmung von Gefühlen für Milde, die zwischen ihm und dem Minister herrschen; aber er kann seine Befürchtungen nicht theilen. Als Sie, Bürger Vertreter, jenes Dekret erließen, war der Staat in Gefahr und

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iche Denunzianten-Seelen, welche befürchteten, daß der Tag der Rache und Vergeltung nahe sei, und vor jeder Laterne von einem kalten Grausen überrieselt wurden, theils verwundete Offiziere und Soldaten, welche aus dem ungarischen Feldzuge heimgekehrt, auf Stöcken und Krücken gestützt, oder von Verwandten geführt, in dem warmen Lichte der Sonne einige Erquickung ihrer gebrochenen und müden Glieder suchten. &#x2012;</p>
          <p>Plötzlich, wie ein elektrischer Schlag, durchzuckt alle die von Mund zu Munde laufende Nachricht, &#x201E;man höre in der Richtung nach Preßburg hin den Kanonendonner einer Schlacht&#x201C;, und wie in den bangen und heißen Tagen am Ende des Oktober erscholl das Wort &#x201E;die Ungarn&#x201C; aus der aufgeregten Menge. Alles eilt hinaus auf die Wasserglacis und in den Prater, um durch das eigene Ohr sich zu überzeugen. Buben, aber auch alte Leute werfen sich auf die Erde, legten ihr Ohr knapp an den Boden, um den fernen Geschützdonner zu hören. Bei Einigen hatte die Sympathie für die ritterlichen Magyaren solchen Einfluß auf die Phantasie, daß sie deutlich die Schüsse zählten; die Meisten aber erhoben sich kopfschüttelnd und ungläubig, und schienen unbefriedigt zu sein. &#x2012; Als wir aus dem Prater heimkehrten, und in die Alservorstadt zurückkehrten, sahen wir vor vielen Häusern beladene Wagen und Fiakres, welche dann zum Thore hinaus eilten nach Nusdorf oder zum Gloggnitzer Bahnhof. Es waren bange &#x201E;Schwarz-gelben&#x201C; mit bösem Gewissen, die mit dem Dampfer nach Linz oder mit der Eisenbahn nach dem glücklichen Baden eilten.</p>
          <p>Sie haben hier ein Bild von der Lage und Stimmung unserer Stadt; es beschäftigt nur <hi rendition="#g">ein</hi> Gedanke <hi rendition="#g">alle</hi> Gemüther und der Gedanke konzentrirt sich in dem Worte: &#x201E;Ungarn&#x201C;. Die deutsche Kaiserfrage, Eure berliner Geschichten, der Krieg in Italien, selbst die uns nahe liegenden politischen Fragen, wie der Wechsel im Ministerium, Stadion's Wahnsinn, Windischgrätz's Ungnade, der Kampf in unserer Presse zwischen den Lanzenreutern der &#x201E;Ostdeutschen Post&#x201C; und des &#x201E;Lloyd&#x201C;, das Zetergeschrei der &#x201E;Presse&#x201C; gegen gefallene Größen, die Restauration in Florenz und die bevorstehende republikanische Schilderhebung in Süddeutschland &#x2012; alles kümmert und ängstigt, freut und beschäftigt uns gar nicht, und wie ein Gerbergaul um die Drehmühle, kreisen unsere Gedanken bis zum Wahnsinnigwerden nur um <hi rendition="#g">einen</hi> Punkt, nur um <hi rendition="#g">eine</hi> Frage: &#x201E;Kommen die Ungarn eher, oder die Russen.&#x201C;</p>
          <bibl>(N. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar290_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Schleswig-Holstein, 30. April.</head>
          <p>Außer einigen Truppenmärschen ist nichts zu sehen, was Einen erinnerte, daß wir im Kriege leben. Im Kriege? Nun so nennen's wenigstens die Diplomaten und Volksverräther; die Hellsehenden im Volke wissen sehr wohl, daß es eben nur eine Kriegskomödie, aber eine grausam-blutige ist, in welcher Tausende von unsern Brüdern zum Vortheil und zur Belustigung der Herren Landesväter hingeopfert werden.</p>
          <p>Prittwitz hat sein Hauptquartier in Christiansfeld. Da die geheimen Pläne des preußischen Kabinets dieses Jahr schon allzusehr durchschaut worden: so will man sich endlich zum Einmarsch in Jütland bequemen. In diesem Sinne soll sich Prittwitz neuerdings zu den Truppen geäußert haben. Natürlich wird man diesen unfreiwilligen Schritt durch eine Art der Kriegführung, welche den Herren Dänen am Besten convenirt, und auf andere Weise wieder gut zu machen suchen. Schließlich folgende Mittheilung aus dem &#x201E;Altonaer Merkur&#x201C;:</p>
          <p>Fünf von Alsen weggeführte Gefangene sollten gegen fünf dänische Gefangene ausgetauscht werden. Zu dem Ende stellt die Kommandantschaft in Rendsburg den dortigen Gefangenen frei, welche von ihnen zurückkehren wollten; es meldet sich Keiner; es wird hierauf gesagt, daß vorzugsweise die Verheiratheten und Familienväter die Rückkehr antreten könnten, worauf erwidert wird, daß solche nicht unter ihnen; endlich muß das Loos entscheiden, aber die solchergestalt Gewählten vertauschen demnächst zu verschiedenen Malen das Loos, worauf das ganze Verfahren sistirt wird: ein Zeichen, daß es den Dänen besser gefällt in der Gefangenschaft als in ihrer Heimath.</p>
        </div>
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          <head>Fulda, 29. April.</head>
          <p>Gestern Abend hatten wir eine Volks-Versammlung, in welcher fast sämmtliche Bürger unserer Stadt anwesend waren und nach einer langen, sehr lebhaften Debatte einstimmig eine Adresse ans Parlament angenommen wurde, in welcher die sofortige Wahl eines Vollziehungs-Ausschusses verlangt wird. Um hiefür Einstimmigkeit zu erlangen, hatten unsere Demokraten zugegeben, daß auch die Anerkennung der Reichs-Verfassung darin ausgesprochen, und daß zugleich auch die Vereidigung des Militärs auf dieselbe von Seiten der Regierung dringend verlangt werde. Ein anderer Antrag auf sofortige Einberufung unserer Ständekammer zeigte dadurch, daß sich hierüber die Versammlung in zwei Parteien schied, welche die Bestimmung der Majorität fast unmöglich machten, wie wenig unsere gegenwärtige Stände-Kammer auch bei uns das Vertrauen des Volkes besitzt. Selbst unser Deputirte Weinzierl hatte dagegen gestimmt.</p>
          <bibl>(Fr. J.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar290_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>145</author></bibl> Frankfurt, 2. Mai.</head>
          <p>Hr. Bassermann, dieser bleiche Gestaltenseher aus Mannheim, hat seit dem Beginne der hiesigen Nationalversammlung schon manche Rede gethan. Er hat Vieles gesehen und noch mehr darüber gesprochen. Wir aber haben ihm nur sehr Weniges geglaubt; denn wir kennen seine stets aufgeregte Phantasie, die aus einer Fliege einen Elephanten, aus einem Mann mit Manschetten und Glacéhandschuhen gleich eine revolutionäre Gestalt zu machen beliebt. Nun, diese Schwachheit ist, weil allgemein bekannt, auch unschädlich. Ein solches unschädliches Individuum läßt man <hi rendition="#g">unbeachtet,</hi> fängt es aber an, sich notorische Lügen zu erlauben, so wird es wenigstens <hi rendition="#g">verachtet,</hi> wenn man auch sonst keinen Werth auf seine Aeußerungen legt. Hr. Vogt hatte kürzlich in der Paulskirche gesagt, das Volk in Süddeutschland hätte die Grundrechte nicht mit der Freude aufgenommen, wie dies von einigen Mitgliedern der Nationalversammlung behauptet worden sei. Zur Widerlegung dessen führte nun der phantasiereiche Buchhändler an, daß in seinem Wahlbezirke die Leute mit den Exemplaren der Grundrechte, welche er &#x201E;<hi rendition="#g">massenweise seinen Wählern gesandt,</hi>&#x201C; nicht befriedigt worden seien, und sogar Hrn. Vogt um fernere Uebersendung gebeten hätten, wie letzterer selbst geäußert habe. Hr. Vogt war damals nicht in der Paulskirche und ihm daher eine Entgegnung unmöglich. Heute lesen wir in der Reichstagszeitung einen Brief von einem Wahlmann des Hrn. Bassermann, worin gesagt wird, daß von Seiten des Hrn. Unterstaatssekretärs zwar eine Unmasse gedruckter, von ihm selbst gehaltener Reden, aber auch nicht <hi rendition="#g">Ein</hi> Exemplar Grundrechte an die Wahlmänner seines Bezirks gesandt worden seien! So steht es um die Wahrheitsliebe dieses sogenannten Staatsmannes!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar290_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 3. Mai.</head>
          <p>In der Sitzung der Nationalversammlung zeigt der Ministerpräsident <hi rendition="#g">Gagern</hi> an, daß Reichskommissare nach Berlin, München, Dresden und Hannover abgesandt seien, um zur Anerkennung der Verfassung, des Wahlgesetzes und der Kaiserwahl (!!!) nochmals aufzufordern. Zugleich zeigt er an, daß heute neue wichtige Mittheilungen der preußischen Regierung (die <hi rendition="#g">Oktroyirungsnote</hi>) erwartet wurde, und bittet daher die Sitzung auszusetzen, bis das Ministerium hierüber Vorlagen machen könne.</p>
          <p>Die Versammlung geht sodann über den dringlichen Antrag <hi rendition="#g">Kierulff's</hi> und Consorten, der sächsischen Regierung wegen der Kammerauflösung einen Tadel auszusprechen, zur motivirten Tagesordnung über.</p>
          <p><hi rendition="#g">Motive:</hi> Die bisher ausgesprochnen Tadelvota über die Kammerauflösungen reichten hin; und die Nationalversammlung habe vielmehr jetzt Maßregeln zu berathen, wodurch der Widerstand der remitenten Regierungen gebrochen werden könne.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar290_011" type="jArticle">
          <head>München, 30. April.</head>
          <p>Zur Charakteristik der bierbegnadeten Zustände der bairischen Hauptstadt geben wir folgende Mittheilung des &#x201E;Korresp. v. u. f. Deutschl.&#x201C;</p>
          <p>Die Aufregung, welche sich seit einigen Tagen der Bevölkerung bemächtigt hat, dauert fort und ist eher im Zunehmen, seit die Auflösung der Kammern in Hannover und Berlin bekannt wurde. Dazu kömmt leider die heute stattfindende Eröffnung des Bockkellers und morgen der in München's Biergeschichte verhängnißvolle 1. Mai. Man ist daher nicht ohne Besorgniß vor Ruhestörungen, zumal man zu wissen glaubt, daß einer gewissen Partei nichts willkommener wäre als Ruhestörungen und hierauf &#x2012; Belagerungszustand.</p>
          <p>Von heute an muß, wie man vernimmt, während der ganzen Bockschenkzeit, die Sicherheitswache der Landwehr, die bisher Abends 6 Uhr aufzog, schon Nachmittags 1 Uhr ihr Wachlokal beziehen, das sich im Thal, unweit des Bockkellers, befindet. Daß noch anderweitige militärische Vorsichtsmaßregeln getroffen sind, läßt sich unter den jetzigen Bier-Verhältnissen leicht erklären.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar290_012" type="jArticle">
          <head>Nürnberg, 1. Mai.</head>
          <p>Ein Aufruf an das bairische Heer zur Unterzeichnung von Adressen für die Reichsverfassung ist zahlreich verbreitet aber von der Polizei überall konfiszirt worden.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 2. Mai.</head>
          <p>Richtig! Der Zwiespalt herrscht in der Rue de Poitiers, herrscht in allen Bourgeoisparteien, und die Bourgeoisparteien, durch die Gewaltmaßregeln des Ministeriums zur Unterdrückung der Volkspartei aufgemuntert, glaubten schon so weit zu halten, um sich ungestraft in die Früchte des allgemeinen Stimmrechts theilen zu können. Die Wahlen g hen erst am 13. vor sich, und die Bourgeois disputiren sich bereits über die Stellen. Legitimisten, Bourbonen und Bonapartisten vertheilen sich bereits die Rollen, und jede der Parteien ist wüthend über die andere, weil sie sich nicht hinlänglich in der Rue de Poitiers vertreten wähnt. Seht nur, wie klug, wie &#x201E;bourgeoispfiffig&#x201C; diese Leute zu verfahren glaubten! Sie ließen anfangs eine anonyme Liste cirkuliren, um das Terrain zu sondiren. Diese Liste enthielt rein monarchische Namen, wie Berryer, Thiers, Molé, Barrot, Hugo, Passy, Faucher u. s. w. Sie ward aber so ungünstig aufgenommen, daß die Rue de Poitiers sich genöthigt sah, diese Liste zu desavouiren. Eine neue Liste ward angefertigt, neue Namen wurden den alten hinzugefügt; Cavaignac, Falloux, Marie, Coquerell u. s. w. erschienen auf dem Tapet, d. h. auf der Liste. Da man mit den Orleanisten und Legitimisten nicht durchdrang, so suchte man in den Reihen der Reaktion alles Dasjenige auf, was der sozialen Partei feindselig sein konnte und dies hieß dann in der Sprache der Bourgeois: &#x201E;Wenn die jetzige Liste einem Jedem nicht Alles gibt, was er wünscht, so schließt sie doch Alles aus, was ein Jeder befürchtet.&#x201C; Den Katholiken, die sich mit Thiers und Berryer nicht zufrieden gaben, wurde Montalembert und den Arbeitern der &#x201E;falsche Arbeiter&#x201C; Peupin bewilligt. Sogar aus der provisorischen Regierung nahm man die contrerevolutionären Elemente auf. Garnier-Pages, der die 45-Centimensteuer erfand, Goudchaux, der würdige Kollege des Hrn. Fould, beide &#x201E;bürgerliche Spekulanten&#x201C; in Papieren, die sich wechselseitig zu überrumpeln suchten, Arago u. s. w. Der Rue de Poiters steht die demokratisch-soziale Partei wie eine einzige feste, kompakte Masse gegenüber. Ihre Liste, wie sie vom ersten Augenblicke an erschien, hat weder Verkürzungen noch Verlängerungen erfahren, und wenn die Spaltungen in der Rue de Poitiers so vorwärts gehen, dann ist der Sieg der Demokraten in Paris gesichert.</p>
          <p>Der Mann, welcher der Rue de Poitiers am meisten zu schaffen macht, ist ohne Zweifel Guizot. Wie er die Rue de Poitiers auf eine schmähliche Weise verhöhnt! Guizot ist überflüssig geworden. Man braucht einen Guizot nicht mehr, um die Bourgeois-Interessen ideologisch und belletristisch zu vertreten: Zudem stehen diese Bourgeois-Interessen sich selbst einander dermaßen schroff gegenüber, daß Guizot blos eine neue &#x201E;embarras,&#x201C; ein neues Hinderniß sein würde. Aber Guizot ist in seinen Augen immer noch Guizot, der &#x201E;die Bourgeois-Partei&#x201C; en gros bereits gerettet hat, während die Rue de Poitiers die Bourgeois-Parteien en detail nach retten will. Guizot will Deputirter werden, und die Rue de Poitiers hat so viele Leute zu versorgen. Die Rue de Poitiers schreibt ihm Briefe über Briefe: er möge abstehen von seiner Kandidatur. Aber wie antwortet Guizot auf diese Briefe: &#x201E;Weit entfernt, in meiner Meinung erschüttert zu werden, ersehe ich aus dem, was in Betreff meiner Wahl zu Paris und zu Lisieux vor sich geht, daß ich recht habe zu handeln, wie ich handele. Meine Anwesenheit zu Paris wäre nicht im Stande, so viele Feindseligkeit und Thätigkeit von Seiten meiner Gegner, und so viel Zaudern und Anstehn von Seiten meiner Freunde zu überwinden.&#x201C; Die Gegner Guizot's, muß man wissen, sind keine andern als die Rue de Poitiers. Guizot kennt noch immer keinen andern Feind als Thiers.</p>
          <p>&#x201E;Wenn ich, heißt es weiter, in diese Atmosphäre einträte, so würde ich, wie so viele andere, entnerot werden, oder ich würde die Reizung derjenigen verdoppeln, die schon so sehr in Betreff meiner gereizt sind &#x2025;&#x2025; Es gibt keine Stelle, keine Rolle für mich zu spielen in den Antichambres, die zur Nationalversammlung führen, wären diese Antichambres die Salons der Rue de Poitiers selbst.&#x201C;</p>
          <p>Wie man sieht, verschmäht Guizot die Salons der Rue de Poitiers; er will in die Kammer &#x201E;auf spontane Weise&#x201C;; er will zurückberufen werden direkt: leider existiren diese direkten Wähler im Sinne Guizot's nicht mehr, diese Bourgeois-Wähler, die Census zahlten und die mit Guizot in direkter Verbindung standen. Ihre Zahl war so geringe, ihr Interesse so klar, so deutlich, daß diese Wähler direkt mit Guizot unterhandeln konnten. Ganz andere Interessen haben sich Luft gemacht: die Bourgeois-Welt ist in der Auflösung begriffen; der Bourgeois-Vorstand des Hrn. Guizot lebt noch immer in dieser aufgelösten Bourgeois-Welt und er spricht zu ihr, gerade als wäre er noch Minister, gerade, als hätte er keinen andern Feind, als Thiers: &#x201E;Vor allen Dingen will ich begriffen, verstanden werden, wenn gleich abwesend, so will ich gewählt werden; nicht meiner Eigenliebe zu Liebe, sondern wegen der Wirksamkeit meines Handelns&#x201C; (pour l'éfficacité de mon action). Also Guizot glaubt noch immer an die Wirksamkeit seiner Aktion? Was war diese Aktion früher? Für die Pritchard'schen Interessen eine moralische Formel auszufinden; die Concurrenz-Verhältnisse zu beschönigen, das Corruptions-System als nothwendigen Deckmantel aufzustellen.</p>
          <p>Changarnier, Bugeaud und Faucher &#x201E;sind nicht energisch genug, sie haben nicht &#x201E;<hi rendition="#g">Aktion</hi>&#x201C; genug für den Kampf, in welchem Guizot seinen Platz haben will&#x201C;. Und wenn Guizot nicht gewählt wird, so wird er nach Val-Richer gehen, um seine &#x201E;historischen Arbeiten zu verfolgen&#x201C;. Das ist der letzte Trost dieser Männer: sie schreiben Geschichte, die das Volk nicht mehr liest. Denn die Geschichte, wie sie jetzt massenhaft zum Vorschein tritt, die Geschichte der Masse, die kennen diese Leute nicht: sie schreiben die Bourgeois-Geschichte: welch ein Gewinn für die Rue de Poitiers. Möge Guizot nur öfter noch solche Briefe schreiben; besser kann man die Rue de Poitiers nicht schildern.</p>
          <p>Die jetzige Bourgeoiskammer endet, wie sie angefangen hat: sie hat die Junischlacht hervorgerufen, und am Vorabende ihrer Auflösung hat sie nicht einmal den Muth, eine allgemeine Amnestie auszusprechen. Die Amnestie ist verworfen worden. Die jetzige Bourgeoiskammer ist zusammengekommen unter dem Drucke der 45 Centimessteuer, die auf dem Bauer vorzugsweise lastete. Der Bauer sieht ein, daß er betrogen worden, und verlangt Entschädigung. Die Entschädigung kann ihm nur werden durch die Zurückforderung der Milliarde, und bereits allenthalben auf dem Lande ertönt der Ruf: &#x201E;Heraus mit der Milliarde&#x201C;! Die &#x201E;Revolution demokratique&#x201C;, das Blatt Ledrü-Rollin's, das anfänglich durch die Wahlagitation der Rue de Poitiers niedergeschlagen, sich wenig von der neuen Kammer versprach, fängt an, neuen Muth zu fassen. Die Kandidatenliste der Demokraten wird auf dem Lande mit Jubel aufgenommen, und die alte Kammer, die jetzt die Amnestie verweigert, wird bald nothwendig haben, selbst um Amnestie anzuflehen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar290_014" type="jArticle">
          <head>Paris, 2. Mai.</head>
          <p>Der Moniteur verkündet das Gesetz, das den Pflanzern 6 Millionen Franken fünfprozentiger Renten (120 Millionen Kapital) zuspricht, als Entschädigung für die Sklaven-Emanzipation in den Colonien. Diese Renten versilbern sich seit dem 22. März c, die Staatspapiere selbst werden jedoch erst 1852 ausgetheilt, bis wohin sich die Eigenthümer untereinander auszugleichen haben. Außer obigen 6 Millionen Renten werden den Sklaveneigenthümern 6 Millionen Franken baar ein für alle Male gezahlt, um die Arbeit in den Colonien nicht in's Stocken gerathen zu lassen.</p>
          <p>&#x2012; Dupont (de l'Eure) der demokratische Nestor, soll an der Cholera gestorben sein.</p>
          <p>&#x2012; Eine telegraphische Depesche meldet &#x2012; heißt es im Conferenzsaale &#x2012; den Einzug der französischen Pabsttruppen in Rom.</p>
          <p>&#x2012; Der Fraternitätssaal ist geschlossen, diesmal jedoch nicht durch Militärmacht, sondern durch Expropriation der Aktionäre, die vom Grundeigenthümer entschädigt worden sind. Man spricht bereits von der Anlage einer neuen kolossalen Volkshalle in einem andern Stadtviertel.</p>
          <p>&#x2012; Die henriquinkistische Opinion publique behauptet, der Regierung seien im Laufe des gestrigen Tages wichtige Depeschen zugegangen. Siebentausend Mann unseres Pabstgeschwaders seien gegen Rom marschirt, das sie seinerseits in die Acht erklärt habe und ihnen mit 8000 Mann entgegenrücke.</p>
          <p>(Die gewöhnliche Fahrpost aus Rom vom 23. und 24. April ist heute in Paris ausgeblieben.)</p>
          <p>Im Moniteur vom 2. Mai keine Silbe.</p>
          <p>&#x2012; Cabrera traf am 28. April unter starker Bedeckung in Toulon ein, wo er in das Fort Lamalgue, das bereits den Progressisten-General Amettler einschließt, abgeführt wurde. Cabrera, 38 Jahre alt und energischer Natur, ist an einem Beine in Folge einer seiner letzten Kampfwunden gelähmt. Er kann nur mit vieler Mühe marschiren.</p>
          <p>&#x2012; Der conservative Toulonnais vom 29. April spricht von ernsten Militärkrawallen, die unter der Besatzung des Mourillon ausgebrochen.</p>
          <p>&#x2012; Der &#x201E;Tribüne&#x201C; zufolge hat Faucher sämmtlichen Gränzbehörden wiederholt die strengste Aufsicht und Zurückweisung politischer Flüchtlinge befohlen. Die östlichen und südöstlichen sowie die nördlichen Gränzen sollen ihnen wo möglich luftdicht gesperrt werden, da das Cabinet mit seinen heimischen Demagogen schon genug zu thun habe und keinen fremden Zuwachs brauche.</p>
          <p>&#x201E;La Republique&#x201C; meldet die Ausweisung eines polnischen Sozialisten, Namens Vincent Wierczbicki. Die Proscription wird täglich vollständiger.</p>
          <p>&#x2012; Seit acht Tagen liefen eilf Petitionen auf Restitution der Milliarde bei der National-Versammlung ein.</p>
          <p>&#x2012; Uebermorgen soll Präsident Bonaparte den Grundstein zur ersten Pariser Arbeiter-Kaserne an der Roche-Chonartstraße legen.</p>
          <p>&#x2012; Die Schatten im Elysium bekriegen sich gewaltig! Es scheint daß dort zwischen dem Präsidenten Bonaparte und seinem Vetter Napoleon Bonaparte, nach dessen Rückkehr aus Madrid, ein heftiger Wortwechsel ausbrach. Louis Bonaparte soll zu seinem Vetter mit Stolz gesagt haben: daß sich die <hi rendition="#g">niederen</hi> Glieder der Dynastie im Interesse derselben unterordnen und einig halten müßten etc. Da sWörtchen &#x201E;<hi rendition="#g">niederen</hi>&#x201C; soll den Vetter zu so heftiger Replik veranlaßt haben, daß der Sohn der Königin Hortense die Beleidigung des Sohnes des Königs Jerome's nicht anders als im Blut abzuwaschen gedenke. Ein Duell ist verabredet und Herr v. Morny, Soult's Schwiegersohn, wird als einer der Sekundanten des Prinzen-Präsidenten genannt.</p>
          <bibl>(Vraie Republique, 2. Mai.)</bibl>
          <p>&#x2012; Changarnier soll zum Gouverneur von Paris ernannt werden, falls ihm die Kammer das Doppelkommando nehme.</p>
          <p>&#x2012; Proudhon richtet sich im heutigen &#x201E;Peuple&#x201C; an die Wähler von Paris.</p>
          <p>Der &#x201E;Peuple&#x201C; ist wieder einmal mit Beschlag belegt worden.</p>
          <p>&#x2012; Die Cholera ist wieder im Zunehmen.</p>
          <p>&#x2012; Mit dem Dämpfer &#x201E;Caroline&#x201C; liefen in Marseille sechs wunderschöne arabische Reitpferde ein, die der Iman von Muscate (Arabien) dem Präsidenten Bonaparte schenkt, um sich der (franz.) Freundschaft zu versichern.</p>
          <p>&#x2012; Ex-Prinz Joinville's Kandidatur in der Haute Marne gestaltet sich mit jedem Tage günstiger!!</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Sitzung vom 2. Mai. Anfang 1 1/2 Uhr. Die Amnestiefrage für die transportirten Juniräuber macht die Versammlung sehr zahlreich.</p>
          <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> eröffnet die Sitzung.</p>
          <p>An der Tagesordnung steht obenan folgender Gesetzentwurf:</p>
          <p>Artikel 1.</p>
          <p>&#x201E;Dem Minister des Innern ist auf das Büdget von 1849 ein Credit von 200,000 Fr. bewilligt, um die Kosten der ersten Jahresfeier der Proklamation der Republik durch die National-Versammlung zu bestreiten, die am 4. Mai 1849 stattfindet.&#x201C;</p>
          <p>Wird ohne alle Debatte angenommen. Marrast liest weiter:</p>
          <p>Artikel 2 (des Ausschusses).</p>
          <p>&#x201E;Volle und ganze Amnestie &#x2025;&#x2025;&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Larabit</hi> (unterbrechend): Ich verlange das Wort!&#x2025;&#x2025; Im Ausschußbericht heißt es: Die Heftigkeit der anarchischen Leidenschaften zog über uns die Fluth des Bürgerkrieges; das Elend, die Aufregung und Unzufriedenheit wurden von Denjenigen unterhalten, die eine künftig unmögliche Vergangenheit träumen &#x2012; erhoben sich wechselweise drohend gegen das Bestehen unserer jungen Republik etc. Da ich weder zu den Träumern einer unmöglichen Vergangenheit, noch einer unmöglichen Zukunft gehöre, so protestire ich hiermit gegen diese Stelle des Berichts. (Allgemeine Heiterkeit. Protestiren Sie immer! ruft man vom Berge)</p>
          <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> beginnt von Neuem zu lesen:</p>
          <p>Artikel 2.</p>
          <p>&#x201E;Volle und ganze Amnestie ist allen Individuen gewährt, welche in Gemäßheit des Dekrets vom 27. Juni 1848 transportirt wurden. Artikel 1 jenes Dekrets ist abgeschafft.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Faucher,</hi> Minister des Innern: Bürger Vertreter! Dieser Artikel ist nur die Wiederholung einer schon bereits mehrfach gestellten Proposition. Die Regierung wünscht den W g der Verzeihung gleich dem Ausschuß einzutreten, aber noch ist der Augenblik hiefür nicht gekommen&#x2025;&#x2025; Unter den Transportirten befinden sich gefährliche Individuen&#x2025;&#x2025; Die Freiheitsentwickelung und Aufrechthaltung der Ordnung kann eine so allgemeine Amnestie nicht gestatten. Ich bekämpfe die Maßregel und trage auf Verwerfung des Artikels an. (Murren links)</p>
          <p><hi rendition="#g">Gouttay:</hi> Der Ausschuß, in dessen Namen ich spreche, freut sich der Uebereinstimmung von Gefühlen für Milde, die zwischen ihm und dem Minister herrschen; aber er kann seine Befürchtungen nicht theilen. Als Sie, Bürger Vertreter, jenes Dekret erließen, war der Staat in Gefahr und
</p>
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</TEI>
[1642/0002] iche Denunzianten-Seelen, welche befürchteten, daß der Tag der Rache und Vergeltung nahe sei, und vor jeder Laterne von einem kalten Grausen überrieselt wurden, theils verwundete Offiziere und Soldaten, welche aus dem ungarischen Feldzuge heimgekehrt, auf Stöcken und Krücken gestützt, oder von Verwandten geführt, in dem warmen Lichte der Sonne einige Erquickung ihrer gebrochenen und müden Glieder suchten. ‒ Plötzlich, wie ein elektrischer Schlag, durchzuckt alle die von Mund zu Munde laufende Nachricht, „man höre in der Richtung nach Preßburg hin den Kanonendonner einer Schlacht“, und wie in den bangen und heißen Tagen am Ende des Oktober erscholl das Wort „die Ungarn“ aus der aufgeregten Menge. Alles eilt hinaus auf die Wasserglacis und in den Prater, um durch das eigene Ohr sich zu überzeugen. Buben, aber auch alte Leute werfen sich auf die Erde, legten ihr Ohr knapp an den Boden, um den fernen Geschützdonner zu hören. Bei Einigen hatte die Sympathie für die ritterlichen Magyaren solchen Einfluß auf die Phantasie, daß sie deutlich die Schüsse zählten; die Meisten aber erhoben sich kopfschüttelnd und ungläubig, und schienen unbefriedigt zu sein. ‒ Als wir aus dem Prater heimkehrten, und in die Alservorstadt zurückkehrten, sahen wir vor vielen Häusern beladene Wagen und Fiakres, welche dann zum Thore hinaus eilten nach Nusdorf oder zum Gloggnitzer Bahnhof. Es waren bange „Schwarz-gelben“ mit bösem Gewissen, die mit dem Dampfer nach Linz oder mit der Eisenbahn nach dem glücklichen Baden eilten. Sie haben hier ein Bild von der Lage und Stimmung unserer Stadt; es beschäftigt nur ein Gedanke alle Gemüther und der Gedanke konzentrirt sich in dem Worte: „Ungarn“. Die deutsche Kaiserfrage, Eure berliner Geschichten, der Krieg in Italien, selbst die uns nahe liegenden politischen Fragen, wie der Wechsel im Ministerium, Stadion's Wahnsinn, Windischgrätz's Ungnade, der Kampf in unserer Presse zwischen den Lanzenreutern der „Ostdeutschen Post“ und des „Lloyd“, das Zetergeschrei der „Presse“ gegen gefallene Größen, die Restauration in Florenz und die bevorstehende republikanische Schilderhebung in Süddeutschland ‒ alles kümmert und ängstigt, freut und beschäftigt uns gar nicht, und wie ein Gerbergaul um die Drehmühle, kreisen unsere Gedanken bis zum Wahnsinnigwerden nur um einen Punkt, nur um eine Frage: „Kommen die Ungarn eher, oder die Russen.“ (N. Z.) * Schleswig-Holstein, 30. April. Außer einigen Truppenmärschen ist nichts zu sehen, was Einen erinnerte, daß wir im Kriege leben. Im Kriege? Nun so nennen's wenigstens die Diplomaten und Volksverräther; die Hellsehenden im Volke wissen sehr wohl, daß es eben nur eine Kriegskomödie, aber eine grausam-blutige ist, in welcher Tausende von unsern Brüdern zum Vortheil und zur Belustigung der Herren Landesväter hingeopfert werden. Prittwitz hat sein Hauptquartier in Christiansfeld. Da die geheimen Pläne des preußischen Kabinets dieses Jahr schon allzusehr durchschaut worden: so will man sich endlich zum Einmarsch in Jütland bequemen. In diesem Sinne soll sich Prittwitz neuerdings zu den Truppen geäußert haben. Natürlich wird man diesen unfreiwilligen Schritt durch eine Art der Kriegführung, welche den Herren Dänen am Besten convenirt, und auf andere Weise wieder gut zu machen suchen. Schließlich folgende Mittheilung aus dem „Altonaer Merkur“: Fünf von Alsen weggeführte Gefangene sollten gegen fünf dänische Gefangene ausgetauscht werden. Zu dem Ende stellt die Kommandantschaft in Rendsburg den dortigen Gefangenen frei, welche von ihnen zurückkehren wollten; es meldet sich Keiner; es wird hierauf gesagt, daß vorzugsweise die Verheiratheten und Familienväter die Rückkehr antreten könnten, worauf erwidert wird, daß solche nicht unter ihnen; endlich muß das Loos entscheiden, aber die solchergestalt Gewählten vertauschen demnächst zu verschiedenen Malen das Loos, worauf das ganze Verfahren sistirt wird: ein Zeichen, daß es den Dänen besser gefällt in der Gefangenschaft als in ihrer Heimath. Fulda, 29. April. Gestern Abend hatten wir eine Volks-Versammlung, in welcher fast sämmtliche Bürger unserer Stadt anwesend waren und nach einer langen, sehr lebhaften Debatte einstimmig eine Adresse ans Parlament angenommen wurde, in welcher die sofortige Wahl eines Vollziehungs-Ausschusses verlangt wird. Um hiefür Einstimmigkeit zu erlangen, hatten unsere Demokraten zugegeben, daß auch die Anerkennung der Reichs-Verfassung darin ausgesprochen, und daß zugleich auch die Vereidigung des Militärs auf dieselbe von Seiten der Regierung dringend verlangt werde. Ein anderer Antrag auf sofortige Einberufung unserer Ständekammer zeigte dadurch, daß sich hierüber die Versammlung in zwei Parteien schied, welche die Bestimmung der Majorität fast unmöglich machten, wie wenig unsere gegenwärtige Stände-Kammer auch bei uns das Vertrauen des Volkes besitzt. Selbst unser Deputirte Weinzierl hatte dagegen gestimmt. (Fr. J.) 145 Frankfurt, 2. Mai. Hr. Bassermann, dieser bleiche Gestaltenseher aus Mannheim, hat seit dem Beginne der hiesigen Nationalversammlung schon manche Rede gethan. Er hat Vieles gesehen und noch mehr darüber gesprochen. Wir aber haben ihm nur sehr Weniges geglaubt; denn wir kennen seine stets aufgeregte Phantasie, die aus einer Fliege einen Elephanten, aus einem Mann mit Manschetten und Glacéhandschuhen gleich eine revolutionäre Gestalt zu machen beliebt. Nun, diese Schwachheit ist, weil allgemein bekannt, auch unschädlich. Ein solches unschädliches Individuum läßt man unbeachtet, fängt es aber an, sich notorische Lügen zu erlauben, so wird es wenigstens verachtet, wenn man auch sonst keinen Werth auf seine Aeußerungen legt. Hr. Vogt hatte kürzlich in der Paulskirche gesagt, das Volk in Süddeutschland hätte die Grundrechte nicht mit der Freude aufgenommen, wie dies von einigen Mitgliedern der Nationalversammlung behauptet worden sei. Zur Widerlegung dessen führte nun der phantasiereiche Buchhändler an, daß in seinem Wahlbezirke die Leute mit den Exemplaren der Grundrechte, welche er „massenweise seinen Wählern gesandt,“ nicht befriedigt worden seien, und sogar Hrn. Vogt um fernere Uebersendung gebeten hätten, wie letzterer selbst geäußert habe. Hr. Vogt war damals nicht in der Paulskirche und ihm daher eine Entgegnung unmöglich. Heute lesen wir in der Reichstagszeitung einen Brief von einem Wahlmann des Hrn. Bassermann, worin gesagt wird, daß von Seiten des Hrn. Unterstaatssekretärs zwar eine Unmasse gedruckter, von ihm selbst gehaltener Reden, aber auch nicht Ein Exemplar Grundrechte an die Wahlmänner seines Bezirks gesandt worden seien! So steht es um die Wahrheitsliebe dieses sogenannten Staatsmannes! * Frankfurt, 3. Mai. In der Sitzung der Nationalversammlung zeigt der Ministerpräsident Gagern an, daß Reichskommissare nach Berlin, München, Dresden und Hannover abgesandt seien, um zur Anerkennung der Verfassung, des Wahlgesetzes und der Kaiserwahl (!!!) nochmals aufzufordern. Zugleich zeigt er an, daß heute neue wichtige Mittheilungen der preußischen Regierung (die Oktroyirungsnote) erwartet wurde, und bittet daher die Sitzung auszusetzen, bis das Ministerium hierüber Vorlagen machen könne. Die Versammlung geht sodann über den dringlichen Antrag Kierulff's und Consorten, der sächsischen Regierung wegen der Kammerauflösung einen Tadel auszusprechen, zur motivirten Tagesordnung über. Motive: Die bisher ausgesprochnen Tadelvota über die Kammerauflösungen reichten hin; und die Nationalversammlung habe vielmehr jetzt Maßregeln zu berathen, wodurch der Widerstand der remitenten Regierungen gebrochen werden könne. München, 30. April. Zur Charakteristik der bierbegnadeten Zustände der bairischen Hauptstadt geben wir folgende Mittheilung des „Korresp. v. u. f. Deutschl.“ Die Aufregung, welche sich seit einigen Tagen der Bevölkerung bemächtigt hat, dauert fort und ist eher im Zunehmen, seit die Auflösung der Kammern in Hannover und Berlin bekannt wurde. Dazu kömmt leider die heute stattfindende Eröffnung des Bockkellers und morgen der in München's Biergeschichte verhängnißvolle 1. Mai. Man ist daher nicht ohne Besorgniß vor Ruhestörungen, zumal man zu wissen glaubt, daß einer gewissen Partei nichts willkommener wäre als Ruhestörungen und hierauf ‒ Belagerungszustand. Von heute an muß, wie man vernimmt, während der ganzen Bockschenkzeit, die Sicherheitswache der Landwehr, die bisher Abends 6 Uhr aufzog, schon Nachmittags 1 Uhr ihr Wachlokal beziehen, das sich im Thal, unweit des Bockkellers, befindet. Daß noch anderweitige militärische Vorsichtsmaßregeln getroffen sind, läßt sich unter den jetzigen Bier-Verhältnissen leicht erklären. Nürnberg, 1. Mai. Ein Aufruf an das bairische Heer zur Unterzeichnung von Adressen für die Reichsverfassung ist zahlreich verbreitet aber von der Polizei überall konfiszirt worden. Französische Republik. 12 Paris, 2. Mai. Richtig! Der Zwiespalt herrscht in der Rue de Poitiers, herrscht in allen Bourgeoisparteien, und die Bourgeoisparteien, durch die Gewaltmaßregeln des Ministeriums zur Unterdrückung der Volkspartei aufgemuntert, glaubten schon so weit zu halten, um sich ungestraft in die Früchte des allgemeinen Stimmrechts theilen zu können. Die Wahlen g hen erst am 13. vor sich, und die Bourgeois disputiren sich bereits über die Stellen. Legitimisten, Bourbonen und Bonapartisten vertheilen sich bereits die Rollen, und jede der Parteien ist wüthend über die andere, weil sie sich nicht hinlänglich in der Rue de Poitiers vertreten wähnt. Seht nur, wie klug, wie „bourgeoispfiffig“ diese Leute zu verfahren glaubten! Sie ließen anfangs eine anonyme Liste cirkuliren, um das Terrain zu sondiren. Diese Liste enthielt rein monarchische Namen, wie Berryer, Thiers, Molé, Barrot, Hugo, Passy, Faucher u. s. w. Sie ward aber so ungünstig aufgenommen, daß die Rue de Poitiers sich genöthigt sah, diese Liste zu desavouiren. Eine neue Liste ward angefertigt, neue Namen wurden den alten hinzugefügt; Cavaignac, Falloux, Marie, Coquerell u. s. w. erschienen auf dem Tapet, d. h. auf der Liste. Da man mit den Orleanisten und Legitimisten nicht durchdrang, so suchte man in den Reihen der Reaktion alles Dasjenige auf, was der sozialen Partei feindselig sein konnte und dies hieß dann in der Sprache der Bourgeois: „Wenn die jetzige Liste einem Jedem nicht Alles gibt, was er wünscht, so schließt sie doch Alles aus, was ein Jeder befürchtet.“ Den Katholiken, die sich mit Thiers und Berryer nicht zufrieden gaben, wurde Montalembert und den Arbeitern der „falsche Arbeiter“ Peupin bewilligt. Sogar aus der provisorischen Regierung nahm man die contrerevolutionären Elemente auf. Garnier-Pages, der die 45-Centimensteuer erfand, Goudchaux, der würdige Kollege des Hrn. Fould, beide „bürgerliche Spekulanten“ in Papieren, die sich wechselseitig zu überrumpeln suchten, Arago u. s. w. Der Rue de Poiters steht die demokratisch-soziale Partei wie eine einzige feste, kompakte Masse gegenüber. Ihre Liste, wie sie vom ersten Augenblicke an erschien, hat weder Verkürzungen noch Verlängerungen erfahren, und wenn die Spaltungen in der Rue de Poitiers so vorwärts gehen, dann ist der Sieg der Demokraten in Paris gesichert. Der Mann, welcher der Rue de Poitiers am meisten zu schaffen macht, ist ohne Zweifel Guizot. Wie er die Rue de Poitiers auf eine schmähliche Weise verhöhnt! Guizot ist überflüssig geworden. Man braucht einen Guizot nicht mehr, um die Bourgeois-Interessen ideologisch und belletristisch zu vertreten: Zudem stehen diese Bourgeois-Interessen sich selbst einander dermaßen schroff gegenüber, daß Guizot blos eine neue „embarras,“ ein neues Hinderniß sein würde. Aber Guizot ist in seinen Augen immer noch Guizot, der „die Bourgeois-Partei“ en gros bereits gerettet hat, während die Rue de Poitiers die Bourgeois-Parteien en detail nach retten will. Guizot will Deputirter werden, und die Rue de Poitiers hat so viele Leute zu versorgen. Die Rue de Poitiers schreibt ihm Briefe über Briefe: er möge abstehen von seiner Kandidatur. Aber wie antwortet Guizot auf diese Briefe: „Weit entfernt, in meiner Meinung erschüttert zu werden, ersehe ich aus dem, was in Betreff meiner Wahl zu Paris und zu Lisieux vor sich geht, daß ich recht habe zu handeln, wie ich handele. Meine Anwesenheit zu Paris wäre nicht im Stande, so viele Feindseligkeit und Thätigkeit von Seiten meiner Gegner, und so viel Zaudern und Anstehn von Seiten meiner Freunde zu überwinden.“ Die Gegner Guizot's, muß man wissen, sind keine andern als die Rue de Poitiers. Guizot kennt noch immer keinen andern Feind als Thiers. „Wenn ich, heißt es weiter, in diese Atmosphäre einträte, so würde ich, wie so viele andere, entnerot werden, oder ich würde die Reizung derjenigen verdoppeln, die schon so sehr in Betreff meiner gereizt sind ‥‥ Es gibt keine Stelle, keine Rolle für mich zu spielen in den Antichambres, die zur Nationalversammlung führen, wären diese Antichambres die Salons der Rue de Poitiers selbst.“ Wie man sieht, verschmäht Guizot die Salons der Rue de Poitiers; er will in die Kammer „auf spontane Weise“; er will zurückberufen werden direkt: leider existiren diese direkten Wähler im Sinne Guizot's nicht mehr, diese Bourgeois-Wähler, die Census zahlten und die mit Guizot in direkter Verbindung standen. Ihre Zahl war so geringe, ihr Interesse so klar, so deutlich, daß diese Wähler direkt mit Guizot unterhandeln konnten. Ganz andere Interessen haben sich Luft gemacht: die Bourgeois-Welt ist in der Auflösung begriffen; der Bourgeois-Vorstand des Hrn. Guizot lebt noch immer in dieser aufgelösten Bourgeois-Welt und er spricht zu ihr, gerade als wäre er noch Minister, gerade, als hätte er keinen andern Feind, als Thiers: „Vor allen Dingen will ich begriffen, verstanden werden, wenn gleich abwesend, so will ich gewählt werden; nicht meiner Eigenliebe zu Liebe, sondern wegen der Wirksamkeit meines Handelns“ (pour l'éfficacité de mon action). Also Guizot glaubt noch immer an die Wirksamkeit seiner Aktion? Was war diese Aktion früher? Für die Pritchard'schen Interessen eine moralische Formel auszufinden; die Concurrenz-Verhältnisse zu beschönigen, das Corruptions-System als nothwendigen Deckmantel aufzustellen. Changarnier, Bugeaud und Faucher „sind nicht energisch genug, sie haben nicht „Aktion“ genug für den Kampf, in welchem Guizot seinen Platz haben will“. Und wenn Guizot nicht gewählt wird, so wird er nach Val-Richer gehen, um seine „historischen Arbeiten zu verfolgen“. Das ist der letzte Trost dieser Männer: sie schreiben Geschichte, die das Volk nicht mehr liest. Denn die Geschichte, wie sie jetzt massenhaft zum Vorschein tritt, die Geschichte der Masse, die kennen diese Leute nicht: sie schreiben die Bourgeois-Geschichte: welch ein Gewinn für die Rue de Poitiers. Möge Guizot nur öfter noch solche Briefe schreiben; besser kann man die Rue de Poitiers nicht schildern. Die jetzige Bourgeoiskammer endet, wie sie angefangen hat: sie hat die Junischlacht hervorgerufen, und am Vorabende ihrer Auflösung hat sie nicht einmal den Muth, eine allgemeine Amnestie auszusprechen. Die Amnestie ist verworfen worden. Die jetzige Bourgeoiskammer ist zusammengekommen unter dem Drucke der 45 Centimessteuer, die auf dem Bauer vorzugsweise lastete. Der Bauer sieht ein, daß er betrogen worden, und verlangt Entschädigung. Die Entschädigung kann ihm nur werden durch die Zurückforderung der Milliarde, und bereits allenthalben auf dem Lande ertönt der Ruf: „Heraus mit der Milliarde“! Die „Revolution demokratique“, das Blatt Ledrü-Rollin's, das anfänglich durch die Wahlagitation der Rue de Poitiers niedergeschlagen, sich wenig von der neuen Kammer versprach, fängt an, neuen Muth zu fassen. Die Kandidatenliste der Demokraten wird auf dem Lande mit Jubel aufgenommen, und die alte Kammer, die jetzt die Amnestie verweigert, wird bald nothwendig haben, selbst um Amnestie anzuflehen. Paris, 2. Mai. Der Moniteur verkündet das Gesetz, das den Pflanzern 6 Millionen Franken fünfprozentiger Renten (120 Millionen Kapital) zuspricht, als Entschädigung für die Sklaven-Emanzipation in den Colonien. Diese Renten versilbern sich seit dem 22. März c, die Staatspapiere selbst werden jedoch erst 1852 ausgetheilt, bis wohin sich die Eigenthümer untereinander auszugleichen haben. Außer obigen 6 Millionen Renten werden den Sklaveneigenthümern 6 Millionen Franken baar ein für alle Male gezahlt, um die Arbeit in den Colonien nicht in's Stocken gerathen zu lassen. ‒ Dupont (de l'Eure) der demokratische Nestor, soll an der Cholera gestorben sein. ‒ Eine telegraphische Depesche meldet ‒ heißt es im Conferenzsaale ‒ den Einzug der französischen Pabsttruppen in Rom. ‒ Der Fraternitätssaal ist geschlossen, diesmal jedoch nicht durch Militärmacht, sondern durch Expropriation der Aktionäre, die vom Grundeigenthümer entschädigt worden sind. Man spricht bereits von der Anlage einer neuen kolossalen Volkshalle in einem andern Stadtviertel. ‒ Die henriquinkistische Opinion publique behauptet, der Regierung seien im Laufe des gestrigen Tages wichtige Depeschen zugegangen. Siebentausend Mann unseres Pabstgeschwaders seien gegen Rom marschirt, das sie seinerseits in die Acht erklärt habe und ihnen mit 8000 Mann entgegenrücke. (Die gewöhnliche Fahrpost aus Rom vom 23. und 24. April ist heute in Paris ausgeblieben.) Im Moniteur vom 2. Mai keine Silbe. ‒ Cabrera traf am 28. April unter starker Bedeckung in Toulon ein, wo er in das Fort Lamalgue, das bereits den Progressisten-General Amettler einschließt, abgeführt wurde. Cabrera, 38 Jahre alt und energischer Natur, ist an einem Beine in Folge einer seiner letzten Kampfwunden gelähmt. Er kann nur mit vieler Mühe marschiren. ‒ Der conservative Toulonnais vom 29. April spricht von ernsten Militärkrawallen, die unter der Besatzung des Mourillon ausgebrochen. ‒ Der „Tribüne“ zufolge hat Faucher sämmtlichen Gränzbehörden wiederholt die strengste Aufsicht und Zurückweisung politischer Flüchtlinge befohlen. Die östlichen und südöstlichen sowie die nördlichen Gränzen sollen ihnen wo möglich luftdicht gesperrt werden, da das Cabinet mit seinen heimischen Demagogen schon genug zu thun habe und keinen fremden Zuwachs brauche. „La Republique“ meldet die Ausweisung eines polnischen Sozialisten, Namens Vincent Wierczbicki. Die Proscription wird täglich vollständiger. ‒ Seit acht Tagen liefen eilf Petitionen auf Restitution der Milliarde bei der National-Versammlung ein. ‒ Uebermorgen soll Präsident Bonaparte den Grundstein zur ersten Pariser Arbeiter-Kaserne an der Roche-Chonartstraße legen. ‒ Die Schatten im Elysium bekriegen sich gewaltig! Es scheint daß dort zwischen dem Präsidenten Bonaparte und seinem Vetter Napoleon Bonaparte, nach dessen Rückkehr aus Madrid, ein heftiger Wortwechsel ausbrach. Louis Bonaparte soll zu seinem Vetter mit Stolz gesagt haben: daß sich die niederen Glieder der Dynastie im Interesse derselben unterordnen und einig halten müßten etc. Da sWörtchen „niederen“ soll den Vetter zu so heftiger Replik veranlaßt haben, daß der Sohn der Königin Hortense die Beleidigung des Sohnes des Königs Jerome's nicht anders als im Blut abzuwaschen gedenke. Ein Duell ist verabredet und Herr v. Morny, Soult's Schwiegersohn, wird als einer der Sekundanten des Prinzen-Präsidenten genannt. (Vraie Republique, 2. Mai.) ‒ Changarnier soll zum Gouverneur von Paris ernannt werden, falls ihm die Kammer das Doppelkommando nehme. ‒ Proudhon richtet sich im heutigen „Peuple“ an die Wähler von Paris. Der „Peuple“ ist wieder einmal mit Beschlag belegt worden. ‒ Die Cholera ist wieder im Zunehmen. ‒ Mit dem Dämpfer „Caroline“ liefen in Marseille sechs wunderschöne arabische Reitpferde ein, die der Iman von Muscate (Arabien) dem Präsidenten Bonaparte schenkt, um sich der (franz.) Freundschaft zu versichern. ‒ Ex-Prinz Joinville's Kandidatur in der Haute Marne gestaltet sich mit jedem Tage günstiger!! ‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 2. Mai. Anfang 1 1/2 Uhr. Die Amnestiefrage für die transportirten Juniräuber macht die Versammlung sehr zahlreich. Marrast eröffnet die Sitzung. An der Tagesordnung steht obenan folgender Gesetzentwurf: Artikel 1. „Dem Minister des Innern ist auf das Büdget von 1849 ein Credit von 200,000 Fr. bewilligt, um die Kosten der ersten Jahresfeier der Proklamation der Republik durch die National-Versammlung zu bestreiten, die am 4. Mai 1849 stattfindet.“ Wird ohne alle Debatte angenommen. Marrast liest weiter: Artikel 2 (des Ausschusses). „Volle und ganze Amnestie ‥‥“ Larabit (unterbrechend): Ich verlange das Wort!‥‥ Im Ausschußbericht heißt es: Die Heftigkeit der anarchischen Leidenschaften zog über uns die Fluth des Bürgerkrieges; das Elend, die Aufregung und Unzufriedenheit wurden von Denjenigen unterhalten, die eine künftig unmögliche Vergangenheit träumen ‒ erhoben sich wechselweise drohend gegen das Bestehen unserer jungen Republik etc. Da ich weder zu den Träumern einer unmöglichen Vergangenheit, noch einer unmöglichen Zukunft gehöre, so protestire ich hiermit gegen diese Stelle des Berichts. (Allgemeine Heiterkeit. Protestiren Sie immer! ruft man vom Berge) Marrast beginnt von Neuem zu lesen: Artikel 2. „Volle und ganze Amnestie ist allen Individuen gewährt, welche in Gemäßheit des Dekrets vom 27. Juni 1848 transportirt wurden. Artikel 1 jenes Dekrets ist abgeschafft.“ Faucher, Minister des Innern: Bürger Vertreter! Dieser Artikel ist nur die Wiederholung einer schon bereits mehrfach gestellten Proposition. Die Regierung wünscht den W g der Verzeihung gleich dem Ausschuß einzutreten, aber noch ist der Augenblik hiefür nicht gekommen‥‥ Unter den Transportirten befinden sich gefährliche Individuen‥‥ Die Freiheitsentwickelung und Aufrechthaltung der Ordnung kann eine so allgemeine Amnestie nicht gestatten. Ich bekämpfe die Maßregel und trage auf Verwerfung des Artikels an. (Murren links) Gouttay: Der Ausschuß, in dessen Namen ich spreche, freut sich der Uebereinstimmung von Gefühlen für Milde, die zwischen ihm und dem Minister herrschen; aber er kann seine Befürchtungen nicht theilen. Als Sie, Bürger Vertreter, jenes Dekret erließen, war der Staat in Gefahr und

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 290. Köln, 5. Mai 1849, S. 1642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz290_1849/2>, abgerufen am 27.04.2024.