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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 28. Leipzig (Sachsen), 15. Juli 1843.

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lichen Mittheilung über den großartigen Versuch Henson's
( Nr. 20 ) bringen wir unsern Lesern das Neueste über
die aeronautischen Bestrebungen.

Dem bekannten Luftschiffer Green soll es endlich ge-
lungen sein, mit Hülfe einer sehr einfachen und sinnrei-
chen Vorrichtung sein Luftschiff willkürlich aufsteigen
oder niederfallen zu lassen. Dieses Schiff gleicht einem
langgestreckten Vogel mit sehr hohem Rücken, dessen
Flügel durch zwei auf beiden Seiten ausgespannte Segel
ersetzt werden, die nach Belieben vergrößert, verkleinert,
oder ganz eingezogen werden können. Diese Segel leisten
zufolge ihrer Einrichtung dem Luftschiffe genau die Dienste,
welche die Flügel dem Vogel leisten, und können mit
größter Leichtigkeit bewegt werden. Der Mechanismus,
welcher das Schiff auf= oder niedersteigen macht, besteht
aus einem um einen Hauptzapfen sich bewegenden Rä-
derwerke, das Ähnlichkeit mit dem einer Uhr hat. Von
diesem Zapfen gehen die beiden Segelflügel aus. Ein
drittes Segel vertritt die Stelle des Vogelschwanzes und
dient als Steuer. Mit Hülfe dieser Segel steigt Green
in alle Richtungen und in alle Höhen empor, ohne
Ballast auszuwerfen, wenn er steigen, ohne Gas auszu-
lassen, wenn er sich niederlassen will. Die veränderte
Richtung der Flügel bringt allein die von ihm beabsich-
tigten Bewegungen hervor.

Auch Jtalien will seinen Beitrag liefern. Der Phy-
siker Muzzi soll in den bis jetzt noch unentdeckt gewese-
nen Anwendungen eines Grundsatzes der Physik ein Ver-
fahren entdeckt haben, mittels dessen man, ohne Arme
oder Ruder, ohne Segel oder Räder, ohne Gas oder
Dampf, ein Luftschiff in Bewegung setzen kann, bei stür-
mischem wie bei gutem Wetter. Mehre Versuche, die
er während der Versammlung des gelehrten italieni-
schen Congresses in Pisa dort anstellte, sind vollkommen
gelungen. Es fehlt nur noch die Anwendung im Großen.

Nordamerika stellt ebenfalls einen Repräsentanten in
diesen Versuchen. Ein gewisser Porter hat der Regie-
rung den Vorschlag gemacht, auf Kosten des Staats ein
Luftschiff zu erbauen, das von der Gestalt der bisherigen
ganz verschieden sein und durch Dampf in Bewegung ge-
setzt werden soll. Er sagt in seinem Vorschlage an die
Regierung: "Mein Luftschiff soll die Gestalt eines auf
beiden Endpunkten scharf zugespitzten Eies und in der
Mitte die zweier Spitzhügel haben, deren Basis sich be-
rührt. Das Luftschiff soll eine Länge von 500 Fuß,
einen Durchmesser von 50 Fuß haben. Unter dem brei-
testen Theile desselben wird sich eine fliegende Brücke von
50 Fuß Länge und 20 Fuß Breite befinden, auf deren
Mitte ein Haus für die Reisenden zum Schutz gegen
Sturm und Regen stehen soll; nächstdem auch noch
eine Dampfmaschine von 10 Pferdekraft, die ein Rad
in Bewegung setzt, das die andere Hälfte der Brücke
einnimmt und mit mehr oder weniger Schnelligkeit sich
umdreht je nach dem Widerstande der Luft. Ein Steuer-
ruder lenkt das Schiff; dieses Ruder hat Ähnlichkeit
mit einem Fischschwanze und kann im Jnnern des Luft-
schiffes leicht in Bewegung gesetzt werden."

So scheint denn wirklich die Zeit zu nahen, wo
die Vögel nicht mehr allein die Herrscher des Luftreichs
sind, und der biblische Spruch in seiner ganzen Ausdeh-
nung sich erfüllen wird: Der Mensch soll herrschen über
alles Thier.



[Spaltenumbruch]
Die Schlacht bei Waterloo.

Unter den tausend blutigen Schlachten, welche in Eu-
ropa geschlagen worden sind, ist keine merkwürdiger als
die Schlacht bei Waterloo; deshalb ist jeder neue Bericht
über diese Schlacht dankenswerth und wir glauben un-
sern Lesern nicht vorenthalten zu dürfen, was in der
neuesten Zeit ein Landmann aus der Gegend von Wa-
terloo berichtet, welcher in dieser Schlacht Napoleon zum
Führer diente und den ganzen verhängnißvollen Tag bei
ihm war, um ihm über jede Örtlichkeit Aufschluß zu ge-
ben, die im Laufe der Schlacht eine besondere Wichtig-
keit erlangen konnte.

Waterloo liegt drei Stunden von Brüssel; man ge-
langt von einem Orte zum andern durch den Wald von
Soignes. Vor Waterloo befindet sich die Höhe von
Mont St.=Jean und längs derselben zieht sich von Osten
nach Westen ein fanft abfallendes Thal von 450 Schritt
Breite und 40 Fuß Tiefe. Das war das Schlachtfeld.
Napoleon stand südlich, Wellington nördlich davon. Das
enalische Fußvolk bildete zwei gedrängte Treffen auf den
Höhen von St.=Jean; die Reiterei stand als drittes hin-
ter denselben, und noch weiter zurück in Waterloo das
Hauptquartier. Rechts, in der Richtung von Braine-
la=Leude, befehligte Lord Hill; im Centrum, zwischen
den Straßen von Nivelles und Charleroi, gedeckt durch
das Vorwerk Hougomont und den Meierhof La=Haye-
Sainte, der Prinz von Oranien; links, von den Dör-
fern Papelotte und la Haye bis Frichemont, Picton.

Jn der vorhergehenden Nacht hatten unerhörte Re-
gengüsse die Bäche so angeschwellt, daß Geschütz und
Wagen kaum fortzubringen waren, daher konnte der
Kampf nicht vor 12 Uhr Mittags eröffnet werden. Die
von Regen durchnäßten Soldaten hatten mit Sehnsucht
den Anbruch des Tages erwartet, der für so viele Tau-
sende von ihnen der letzte sein sollte. Die beiden Ar-
meen standen einander so nahe, daß sie bequem mitein-
ander hätten sprechen können.

Jch fand Napoleon -- erzählt der eben erwähnte Land-
mann --, als ich zu ihm gebracht wurde, bei einem von
Holz erbauten, in der Ebene weithin sichtbaren Beobach-
tungsthurme. Nicht weit davon in gleicher Entfernung
von beiden Armeen lag das von 3000 Engländern be-
setzte Schloß Gomond, gegen welches von Seiten der
Franzosen soeben ein lebhaftes Feuer gerichtet wurde,
um die Engländer daraus zu vertreiben. Der Kaiser
nahm unterdeß seine Stellung auf der kleinen Anhöhe
bei dem Meierhofe Belle Alliance, so genannt von der
Heirath zweier schönen Brautleute, die sich daselbst nie-
dergelassen hatten. Nachdem das Schloß Gomond ge-
reinigt war, nahm der Kaiser seine alte Stellung wie-
der ein. Mit hundert Kanonenschlünden schoß jetzt der
rechte französische Flügel auf den englischen linken, weil
auf dieser Seite sowol Blücher als Grouchy ankommen
konnte. Kanonendonner, Kleingewehrfeuer, Angriffe mit
blanker Waffe folgten sich in rascher hitziger Abwechse-
lung. Der Kaiser schien sehr gut gelaunt und des Sie-
ges gewiß zu sein. Er sprach viel mit den vornehmen
Gefangenen, die zu ihm gebracht wurden, und nahm
oft Prisen.

Die Kanonade dauerte bis 4 Uhr und der Kampf
wurde immer mörderischer, da sah man die englische Ar-
mee eine Wendung nach der brüsseler Chaussee machen,
als wollte sie sich den Rückzug sichern. Napoleon aber
erhielt jetzt geheime Berichte von seinem rechten Flügel,
die ihn besorgt machten. Um 6 Uhr zeigten sich die
Preußen und marschirten gegen Frichemont und Plance-
nois vor, dem rechten Franzosenflügel in die Flanke und
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] her oder später, gegönnt, sie zu lösen. Zu unserer neu-
lichen Mittheilung über den großartigen Versuch Henson's
( Nr. 20 ) bringen wir unsern Lesern das Neueste über
die aeronautischen Bestrebungen.

Dem bekannten Luftschiffer Green soll es endlich ge-
lungen sein, mit Hülfe einer sehr einfachen und sinnrei-
chen Vorrichtung sein Luftschiff willkürlich aufsteigen
oder niederfallen zu lassen. Dieses Schiff gleicht einem
langgestreckten Vogel mit sehr hohem Rücken, dessen
Flügel durch zwei auf beiden Seiten ausgespannte Segel
ersetzt werden, die nach Belieben vergrößert, verkleinert,
oder ganz eingezogen werden können. Diese Segel leisten
zufolge ihrer Einrichtung dem Luftschiffe genau die Dienste,
welche die Flügel dem Vogel leisten, und können mit
größter Leichtigkeit bewegt werden. Der Mechanismus,
welcher das Schiff auf= oder niedersteigen macht, besteht
aus einem um einen Hauptzapfen sich bewegenden Rä-
derwerke, das Ähnlichkeit mit dem einer Uhr hat. Von
diesem Zapfen gehen die beiden Segelflügel aus. Ein
drittes Segel vertritt die Stelle des Vogelschwanzes und
dient als Steuer. Mit Hülfe dieser Segel steigt Green
in alle Richtungen und in alle Höhen empor, ohne
Ballast auszuwerfen, wenn er steigen, ohne Gas auszu-
lassen, wenn er sich niederlassen will. Die veränderte
Richtung der Flügel bringt allein die von ihm beabsich-
tigten Bewegungen hervor.

Auch Jtalien will seinen Beitrag liefern. Der Phy-
siker Muzzi soll in den bis jetzt noch unentdeckt gewese-
nen Anwendungen eines Grundsatzes der Physik ein Ver-
fahren entdeckt haben, mittels dessen man, ohne Arme
oder Ruder, ohne Segel oder Räder, ohne Gas oder
Dampf, ein Luftschiff in Bewegung setzen kann, bei stür-
mischem wie bei gutem Wetter. Mehre Versuche, die
er während der Versammlung des gelehrten italieni-
schen Congresses in Pisa dort anstellte, sind vollkommen
gelungen. Es fehlt nur noch die Anwendung im Großen.

Nordamerika stellt ebenfalls einen Repräsentanten in
diesen Versuchen. Ein gewisser Porter hat der Regie-
rung den Vorschlag gemacht, auf Kosten des Staats ein
Luftschiff zu erbauen, das von der Gestalt der bisherigen
ganz verschieden sein und durch Dampf in Bewegung ge-
setzt werden soll. Er sagt in seinem Vorschlage an die
Regierung: „Mein Luftschiff soll die Gestalt eines auf
beiden Endpunkten scharf zugespitzten Eies und in der
Mitte die zweier Spitzhügel haben, deren Basis sich be-
rührt. Das Luftschiff soll eine Länge von 500 Fuß,
einen Durchmesser von 50 Fuß haben. Unter dem brei-
testen Theile desselben wird sich eine fliegende Brücke von
50 Fuß Länge und 20 Fuß Breite befinden, auf deren
Mitte ein Haus für die Reisenden zum Schutz gegen
Sturm und Regen stehen soll; nächstdem auch noch
eine Dampfmaschine von 10 Pferdekraft, die ein Rad
in Bewegung setzt, das die andere Hälfte der Brücke
einnimmt und mit mehr oder weniger Schnelligkeit sich
umdreht je nach dem Widerstande der Luft. Ein Steuer-
ruder lenkt das Schiff; dieses Ruder hat Ähnlichkeit
mit einem Fischschwanze und kann im Jnnern des Luft-
schiffes leicht in Bewegung gesetzt werden.“

So scheint denn wirklich die Zeit zu nahen, wo
die Vögel nicht mehr allein die Herrscher des Luftreichs
sind, und der biblische Spruch in seiner ganzen Ausdeh-
nung sich erfüllen wird: Der Mensch soll herrschen über
alles Thier.



[Spaltenumbruch]
Die Schlacht bei Waterloo.

Unter den tausend blutigen Schlachten, welche in Eu-
ropa geschlagen worden sind, ist keine merkwürdiger als
die Schlacht bei Waterloo; deshalb ist jeder neue Bericht
über diese Schlacht dankenswerth und wir glauben un-
sern Lesern nicht vorenthalten zu dürfen, was in der
neuesten Zeit ein Landmann aus der Gegend von Wa-
terloo berichtet, welcher in dieser Schlacht Napoleon zum
Führer diente und den ganzen verhängnißvollen Tag bei
ihm war, um ihm über jede Örtlichkeit Aufschluß zu ge-
ben, die im Laufe der Schlacht eine besondere Wichtig-
keit erlangen konnte.

Waterloo liegt drei Stunden von Brüssel; man ge-
langt von einem Orte zum andern durch den Wald von
Soignes. Vor Waterloo befindet sich die Höhe von
Mont St.=Jean und längs derselben zieht sich von Osten
nach Westen ein fanft abfallendes Thal von 450 Schritt
Breite und 40 Fuß Tiefe. Das war das Schlachtfeld.
Napoleon stand südlich, Wellington nördlich davon. Das
enalische Fußvolk bildete zwei gedrängte Treffen auf den
Höhen von St.=Jean; die Reiterei stand als drittes hin-
ter denselben, und noch weiter zurück in Waterloo das
Hauptquartier. Rechts, in der Richtung von Braine-
la=Leude, befehligte Lord Hill; im Centrum, zwischen
den Straßen von Nivelles und Charleroi, gedeckt durch
das Vorwerk Hougomont und den Meierhof La=Haye-
Sainte, der Prinz von Oranien; links, von den Dör-
fern Papelotte und la Haye bis Frichemont, Picton.

Jn der vorhergehenden Nacht hatten unerhörte Re-
gengüsse die Bäche so angeschwellt, daß Geschütz und
Wagen kaum fortzubringen waren, daher konnte der
Kampf nicht vor 12 Uhr Mittags eröffnet werden. Die
von Regen durchnäßten Soldaten hatten mit Sehnsucht
den Anbruch des Tages erwartet, der für so viele Tau-
sende von ihnen der letzte sein sollte. Die beiden Ar-
meen standen einander so nahe, daß sie bequem mitein-
ander hätten sprechen können.

Jch fand Napoleon — erzählt der eben erwähnte Land-
mann —, als ich zu ihm gebracht wurde, bei einem von
Holz erbauten, in der Ebene weithin sichtbaren Beobach-
tungsthurme. Nicht weit davon in gleicher Entfernung
von beiden Armeen lag das von 3000 Engländern be-
setzte Schloß Gomond, gegen welches von Seiten der
Franzosen soeben ein lebhaftes Feuer gerichtet wurde,
um die Engländer daraus zu vertreiben. Der Kaiser
nahm unterdeß seine Stellung auf der kleinen Anhöhe
bei dem Meierhofe Belle Alliance, so genannt von der
Heirath zweier schönen Brautleute, die sich daselbst nie-
dergelassen hatten. Nachdem das Schloß Gomond ge-
reinigt war, nahm der Kaiser seine alte Stellung wie-
der ein. Mit hundert Kanonenschlünden schoß jetzt der
rechte französische Flügel auf den englischen linken, weil
auf dieser Seite sowol Blücher als Grouchy ankommen
konnte. Kanonendonner, Kleingewehrfeuer, Angriffe mit
blanker Waffe folgten sich in rascher hitziger Abwechse-
lung. Der Kaiser schien sehr gut gelaunt und des Sie-
ges gewiß zu sein. Er sprach viel mit den vornehmen
Gefangenen, die zu ihm gebracht wurden, und nahm
oft Prisen.

Die Kanonade dauerte bis 4 Uhr und der Kampf
wurde immer mörderischer, da sah man die englische Ar-
mee eine Wendung nach der brüsseler Chaussee machen,
als wollte sie sich den Rückzug sichern. Napoleon aber
erhielt jetzt geheime Berichte von seinem rechten Flügel,
die ihn besorgt machten. Um 6 Uhr zeigten sich die
Preußen und marschirten gegen Frichemont und Plance-
nois vor, dem rechten Franzosenflügel in die Flanke und
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Unter den tausend blutigen Schlachten, welche in Eu- ropa geschlagen worden sind, ist keine merkwürdiger als die Schlacht bei Waterloo; deshalb ist jeder neue Bericht über diese Schlacht dankenswerth und wir glauben un- sern Lesern nicht vorenthalten zu dürfen, was in der neuesten Zeit ein Landmann aus der Gegend von Wa- terloo berichtet, welcher in dieser Schlacht Napoleon zum Führer diente und den ganzen verhängnißvollen Tag bei ihm war, um ihm über jede Örtlichkeit Aufschluß zu ge- ben, die im Laufe der Schlacht eine besondere Wichtig- keit erlangen konnte. Waterloo liegt drei Stunden von Brüssel; man ge- langt von einem Orte zum andern durch den Wald von Soignes. Vor Waterloo befindet sich die Höhe von Mont St.=Jean und längs derselben zieht sich von Osten nach Westen ein fanft abfallendes Thal von 450 Schritt Breite und 40 Fuß Tiefe. Das war das Schlachtfeld. Napoleon stand südlich, Wellington nördlich davon. Das enalische Fußvolk bildete zwei gedrängte Treffen auf den Höhen von St.=Jean; die Reiterei stand als drittes hin- ter denselben, und noch weiter zurück in Waterloo das Hauptquartier. Rechts, in der Richtung von Braine- la=Leude, befehligte Lord Hill; im Centrum, zwischen den Straßen von Nivelles und Charleroi, gedeckt durch das Vorwerk Hougomont und den Meierhof La=Haye- Sainte, der Prinz von Oranien; links, von den Dör- fern Papelotte und la Haye bis Frichemont, Picton. Jn der vorhergehenden Nacht hatten unerhörte Re- gengüsse die Bäche so angeschwellt, daß Geschütz und Wagen kaum fortzubringen waren, daher konnte der Kampf nicht vor 12 Uhr Mittags eröffnet werden. Die von Regen durchnäßten Soldaten hatten mit Sehnsucht den Anbruch des Tages erwartet, der für so viele Tau- sende von ihnen der letzte sein sollte. Die beiden Ar- meen standen einander so nahe, daß sie bequem mitein- ander hätten sprechen können. Jch fand Napoleon — erzählt der eben erwähnte Land- mann —, als ich zu ihm gebracht wurde, bei einem von Holz erbauten, in der Ebene weithin sichtbaren Beobach- tungsthurme. Nicht weit davon in gleicher Entfernung von beiden Armeen lag das von 3000 Engländern be- setzte Schloß Gomond, gegen welches von Seiten der Franzosen soeben ein lebhaftes Feuer gerichtet wurde, um die Engländer daraus zu vertreiben. Der Kaiser nahm unterdeß seine Stellung auf der kleinen Anhöhe bei dem Meierhofe Belle Alliance, so genannt von der Heirath zweier schönen Brautleute, die sich daselbst nie- dergelassen hatten. Nachdem das Schloß Gomond ge- reinigt war, nahm der Kaiser seine alte Stellung wie- der ein. Mit hundert Kanonenschlünden schoß jetzt der rechte französische Flügel auf den englischen linken, weil auf dieser Seite sowol Blücher als Grouchy ankommen konnte. Kanonendonner, Kleingewehrfeuer, Angriffe mit blanker Waffe folgten sich in rascher hitziger Abwechse- lung. Der Kaiser schien sehr gut gelaunt und des Sie- ges gewiß zu sein. Er sprach viel mit den vornehmen Gefangenen, die zu ihm gebracht wurden, und nahm oft Prisen. Die Kanonade dauerte bis 4 Uhr und der Kampf wurde immer mörderischer, da sah man die englische Ar- mee eine Wendung nach der brüsseler Chaussee machen, als wollte sie sich den Rückzug sichern. Napoleon aber erhielt jetzt geheime Berichte von seinem rechten Flügel, die ihn besorgt machten. Um 6 Uhr zeigten sich die Preußen und marschirten gegen Frichemont und Plance- nois vor, dem rechten Franzosenflügel in die Flanke und

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 28. Leipzig (Sachsen), 15. Juli 1843, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig028_1843/6>, abgerufen am 10.06.2024.