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Reichspost. Nr. 143, Wien, 26.06.1900.

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143 Wien, Dienstag Reichspost 26. Juni 1900

[Spaltenumbruch]
Streiflichter.
"Rein-narr vom Weine".

Carl Habermann vom "Scherer" hat seine
Sache in der "Scherer-Correspondenz" bisher so
schlecht gemacht, daß man ihm schleunigst einen
Helfer engagiren mußte, der nun dem Habermann
die Artikel für die "Correspondenz" liefert. Der
neue Mann nennt sich "Reinmar vom Rheine";
das wird aber nur ein Druckfehler sein für
"Rein-narr vom Weine". Gleich sein
erster Artikel über "Römischen Reliquien-Schwindel"
wurde confiscirt, ebenso ein anderer: "Die Frauen
und die Kirche". Dafür ist einer stehen geblieben,
der von den Hugenottenkriegen handelt, von der
Bartholomäusnacht und anderen alten lieben Be-
kannten aus dem Culturkampf-Conversationslexikon
ältester unverbesserter Auflage. Und zum Schlusse
wird dann ein Wort Bischofs Hefele von Rotten-
burg citirt ohne Citat, ohne Gewähr für die
Echtheit desselben, aus jedem Zusammenhang ge-
rissen, aber jedenfalls, wenn auch noch so entstellt,
aus seiner vor-bischöflichen Zeit: "Es fehlt wahr-
lich nicht am Willen der Hierarchie, wenn nicht
im 19. Jahrhundert wieder Scheiterhaufen aufge-
richtet werden." Und daran fügt er den classischen
Satz: "Von welchen Friedensgedanken die Hierarchie
gegen Andersgläubige beseelt ist, das sagt uns
u. A. die Canisius-Encyclika und das Verhalten
gegen die Altkatholiken!" Wahrscheinlich, weil darin
empfohlen ward, die Protestanten und Altkatholiken
alle mit Butz und Stingel, mit Haut und Haar
zu [v]erbrennen! -- Der "reine Narr" spricht auch
aus den folgenden Artikeln, die von der Tugend-
rose, den Sonetten des Papstes, den päpstlichen
Orden, Lourdeswasser, Rosenkranz, Blut des
heiligen Januarius, heiligen Rock in Trier
und so weiter handeln. Wir glauben selbst für die
Esel, für welche der "Scherer" schreibt, ist das
alte Stroh zu dürr, und sie lassen es liegen. Da-
gegen werden sie mit Entsetzen lesen, "daß
Gregor VII. in einem feierlichen Concil erklärt
habe: "Die Kirche ist berechtigt, jegliche weltliche
Herrschaft zu verleihen und zu nehmen." Das
wird alles so ohne Citat, ohne Beweis, ohne
Herstellung von Sinn und Zusammenhang, an-
geführt, daß man nur annehmen kann, die Herren
vom "Scherer" speculiren eben nur auf -- Esel,
die sich von "reinen Thoren" mit den aller-
abgestandensten Geschichtslügen einen blauen Dunst
vormachen lassen. Eine ernstere Antwort
geben wir erst dann, wenn solche geschichtliche
Fragen ernst behandelt werden. Für Narren
schreibt nur die "Scherer-Correspondenz".




Eine vorzügliche Reclame

macht die "Scherer-Correspondenz" -- und darum
ist dieser Artikel auch nicht vom Rein--narr ge-
zeichnet -- für einen wackeren Tiroler Wirth.
Der Artikel lautet:

"Touristen und Radfahrer, welche nach Tirol
[k]ommen und Matrei am Brenner berühren,
werden vor dem dortigen "Gasthof zur Krone" ge-
warnt, dessen Besitzer, ein pfäffischer Landtags-
abgeordneter Namens Franz Stadler, als Ge-
meindevorsteher durch bewaffnete Bauern die Sonn-
wendfeuer auf der Waldrastspitze verhinderte."

Wir wüßten nicht, wie der "Scherer" diesem
wackeren Mann und seinem Geschäfte besser dienen
konnte. Wer von christlichen Touristen nach
Matrei am Brenner kommt, versäume nicht, bei
Franz Stadler einzukehren und unter einem kräftigen
"Heil!" mit seinem feurigen Wein auf sein Wohl
anzustoßen.




Das Bürgermädchen vom Theater.

Niemand hat der am Samstag zur Gruft ge-
leiteten unglücklichen Schauspielerin Frl. Krall,
die, von einem jüdischen Arzte entehrt und dann
im Stich gelassen, in den Tod gieng, sein Mitleid
versagt. Aber mit allem Nachdruck müssen wir
protestieren, daß der Jude Julian von Sternberg
in der "N. Fr. Pr." nunmehr diese That zum
Beweise stempeln will, daß der Selbstmord nun
nicht mehr blos ein specifisch-theatralischer, sondern
ein echt bürgerlicher, spießbürgerlicher
Tod sei, wenn man ein Unglück nicht mehr tragen
kann; wir müssen protestieren, wenn er ob dieses
Selbstmordversuches Fräulein Krall als das
"Bürgermädchen vom Theater" preist und
also schließt:

"Das Theater ist bürgerlich geworden, es ver-
zichtet dankend auf die Ausnahmsstellung, die ihm ein-
geräumt wird. Auch das verführte Bürgermädchen vom
Theater will geheirathet werden, und wird es belogen
[Spaltenumbruch] und betrogen, so handelt es nicht anders, als es ge-
handelt hätte, wenn es eben nicht zum Theater ge-
gangen wäre."

Wir protestieren, daß ein unglückliches Bürger-
mädchen auch wenn es nicht zum Theater gehört, im
Unglück zum Selbstmord eilt! Das ist nicht
bürgerliche Moral,
das ist Judenmoral;
wir protestiren aber auch im Namen der an-
ständigen Theaterwelt, daß das Theater moral
sein soll. Es ist bürgerliche Moral, daß ein
bürgerliches Mädel nicht mit jedem ersten besten
frechen Juden eine Liebschaft anfängt und wenn
es schließlich doch durch ihn sich "belügen und be-
trügen läßt," reuig und geduldig trägt, was es
selbst mitverschuldet hat. Wir glauben, es wäre
für den Juden Julius Sternberg ein viel
pikanteres Thema für eine Plauderei in der
"N. Fr. Presse" gewesen, wenn er eine nähere
Charakteristik jenes Dr. Stößel gegeben, der die
Unglückliche um Unschuld, Ehre und ihr junges,
blühendes Leben gebracht. Es gibt solcher "Lebe-
jünglinge" noch mehr in den dem Dr. Julius
Sternberg zugänglichen Kreisen.




Eine Gefahr für's Vaterland

hat das sächsische Ministerium soeben
beschworen. Es konnte für Sachsen wirklich nichts
Gefährlicheres geben, als daß auf Schloß Wechsel-
burg Graf Schönburg-Forderglauchau eine Haus-
capelle besitzt, zu welcher auch Katholiken aus der
Umgegend kommen, um dem Gottesdienst beizu-
wohnen. Die Leipziger Kreishauptmannschaft hat
diesem staatsgefährlichen Treiben nun ein Ende
gemacht mit Zusendung einer ministeriellen Ver-
ordnung, in der es u. a. heißt:

"Euerer Erlaucht dem gegenwärtigen Be-
sitzer des Schlosses Wechselburg und dem deshalb zur
Ausübung der Devotio domestica (häuslichen Andacht)
daselbst Berechtigten wird hiemit aufgegeben: 1. Dafür
besorgt zu sein, daß in Zukunst und zwar spätestens vom
12. Juni d. M. ab, andere als die zur Familie oder
zum Hausstande Ew. Erlaucht gehörigen Personen,
gleichviel welchen Alters oder Geschlechtes von der
Theilnahme an den in der Schloßkirche oder in andern
Räumen des Schlosses stattfindenden Gottesdiensten
und vom Zutritt zu diesen Gottesdiensten, sowie von
der Theilnahme an den diesen Gottesdiensten
etwa vorausgehenden oder nachfolgenden Auf- und Um-
zügen ausgeschlossen werden, zur Vermeidung einer
wider Ew. Erlaucht zu verhängenden Ordnungsstrafe
von 100 Mark wegen einer jeden dem vorstehenden Ver-
bote zuwider zugelassenen Person. 2. Zur Vermeidung
einer Ordnungsstrafe von 1000 Mark für jeden Fall der
Zuwiderhandlung dafür besorgt zu sein, daß die in Aus-
übung der Ew. Erlaucht zustehenden devotio domestica vor-
zunehmenden gottesdienstlichen Handlungen einschließlich
etwaiger Aufzüge zu, bei oder von diesen Handlungen
nicht an Orten abgehalten werden oder Orte berühren,
von wo aus sie einem größeren oder gerin-
geren Kreise nicht zur Theilnahme
berechtigter Personen sichtbar sein
können.
Die Amtshauptmannschaft Rochlitz ist an-
gewiesen, die genaue Befolgung der vorstehenden An-
ordnungen streng zu überwachen, bei Zuwiderhand-
lungen die angedrohten Ordnungsstrafen für verwirkt
zu erklären und einzuziehen und weiter alsbald eine
öffentliche Bekanntmachung zu erlassen, dahingehend,
daß in der Schloßkirche zu Wechselburg öffent-
liche katholische Gottesdienste nicht
mehr abgehalten werden.
Die Sicher-
stellung der wichtigen öffentlichen
Interessen,
zu deren Schutze die vorstehenden
Anordnungen getroffen worden sind, läßt es ge-
boten
erscheinen, etwaigen Rechtsmitteln gegen diese
Anordnungen die aufschiebende Wirkung, wie hiemit
geschieht, zu versagen."

Also: die dringendste Gefahr für Sachsen ist
schon vorhanden, wenn einige Katholiken der Um-
gebung die gottesdienstlichen Handlungen im
Schlosse Wechselburg auch nur aus der Ferne
sehen. Man sieht: zu welchen Tollheiten die
kulturkämpferische Gesetzgebung
Sachsens führt. Selbst die vernünftigen Prote-
stanten lachen darüber.




Besuche des Kaisers in der Telephon-
centrale und im Mariahilfer Ambu-
latorium.

Samstag Mittags besichtigte Se. Majestät in
Begleitung des Generaladjutanten FZM. Edler von
Bolfras und des Flügeladjutanten Major Pitlik
die neue Telephoncentrale in der Berg-
gasse. Der Monarch wurde im Vestibule vom Eisen-
bahnminister Dr. Ritter von Wittek, Sectionschef
des Handelsministerium Neubauer, dem Vorstande
der Telephoncentrale Regierungsrath Pilz und den
dienstfreien Beamten empfangen, wobei der Eisenbahn-
minister eine Ansprache an Se. Majestät richtete und
die an der Errichtung der Telephonanlagen hervor-
ragend betheiligten Privattechniker vorstellte. Sodann
begann der Rundgung, wobei Sectionschef Neubauer
[Spaltenumbruch] den Cicernne spielte. Zuerst wurde der Kaiser in den
großen Umschal[t]saal der Localcentrale im 3. Stock-
werke geführt, wo er den Telephonfräulein längere
Zeit bei der Arbeit zusah und auch einige Fragen
an sie richtete. An einem leerstehenden Umschalter
demonstrirte Sectionschef Neubauer die ganze
Manipulation. Der Kaiser blieb nahezu eine halbe
Stunde in diesem Saale und wurde hierauf in den
großen Saal für den interurbanen Verkehr, der im
ersten Stocke gelegen ist, geführt. Auch hier erregte
die rasche und sichere Manipulation die besondere Zu-
friedenheit des Kaisers.

Nach einstündigem Aufenthalte verließ Se. Majestät
die Telephoncentrale, nachdem er sich in huldvollster
Weise von dem Eisenbahnminister und den übrigen
Beamten verabschiedet hatte, und fuhr nach Maria-
hilf, um das neue Haus des Franz Josephs-
Ambulatoriums,
6. Bez., Sandwirthgasse 3,
zu besuchen, das anläßlich des 50jährigen Regierungs-
jubiläums errichtet wurde, um den unbemittelten
Ständen, namentlich den arbeitenden Classen ärztliche
Hilfe zu bieten.




Große Versammlung des Vereines der
Lehrer und Schulfreunde.

Im Saale zur "Stadt Brünn" fand Sonntag
unter zahlreicher Theilnahme der Lehrer und Bürger
des 8. Bezirkes die Constituirung der Ortsgruppe
"Josefstadt" des "Vereines der Lehrer und Schul-
freunde" statt. Anwesend waren u. A. die Reichsraths-
Abgeordneten Prof. Schlesinger und Doctor
Weiskirchner, Stadtrath Fiedler, die Ge-
meinderäthe Hawranek, Schwer und Rain,
Bezirksvorsteher-Stellvertreter Schneeweiß,
mehrere Bezirksräthe.

Bürgerschullehrer Prohaska begrüßte die
Erschienenen, worauf Bürgerschullehrer Ernst Wohl-
bach
das Wort ergriff zu dem Vortrage "die
letzten Gemeinderathswahlen in Be-
zug auf die Schule."

Reichsraths-Abgeordneter Prof. Schlesinger
versprach, alle seine Kräfte aufzubieten, um der Lehrer-
schaft auch bei Bekämpfung der materiellen Lage be-
hilflich zu sein, damit sie ihrer erhabenen Aufgabe
gerecht werden kann.

Bürgerschullehrer Andreas Mayer erörterte
sodann die neuen Satzungen, worauf die Wahl der
Ortsgruppen vorgenommen wurde, und zwar wurden
gewählt: zum Obmann Bürgerschullehrer Wohl-
bach, zum Obmann-Stellvertreter Bezirksvorsteher
Antensteiner, zu Schriftführern die Lehrer
Adami und Seikora, zum Cassier Lehrer
Haidinger, zu Beiräthen Gemeinderath Hier-
hammer,
Bezirksrath Bergauer und Orts-
schulrath Fuhrmann.

Schriftleiter Puchstein ergriff sodann das
Wort zu dem Vortage: "Die Schule und die
sociale Frage."

Es sprach sodann der Bürgerschullehrer Andreas
Mayer, worauf Reichsraths-Abgeordneter Doctor
Weiskirchner die Gründung der Ortsgruppe
auf's Wärmste begrüßte und derselben ein recht gedeih-
liches Fortkommen wünscht.

Bürgerschullehrer Prohaska bat sodann um
Unterstützung des deutsch-christlichen Stenographen-
Bundes. Nachdem noch Stadtrath Fiedler einige
aufmunternde Worte gesprochen hatte, wurde die Ver-
sammlung geschlossen.




Arbeiterbewegung.
Im Kohlenbergwerke von Carpano

wurde
den strikenden Arbeite[r]n eine Lohnaufbesserung zuge-
standen. 250 Arbeiter nahmen daher am Samstag die
Arbeit wieder auf, so daß der Strike als beendet an-
zusehen ist.

Zur Lohnbewegung in Berlin.

Die Stein-
bildhauer Berlins beschlossen in einer Generalversamm-
lung, in eine allgemeine Lohnbewegung einzutreten.
Auf Vorschlag der Platzdelegirten sind folgende For-
derungen, die bereits auf Grund des "Budenrechtes"
in Werkplatzversammlungen durchberathen waren, auf-
gestellt. 1. Beendigung der 71/2stündigen täglichen Ar-
beitsdauer um 5 Uhr nachmittags. 2. Erhöhung des
Minimallohnes von 6 auf 7 Mark; höhere Löhne
werden gleichfalls dementsprechend gesteigert. 3. Im
Winter wird die 1/2stündige Frühstückspause und ein-
stündige Mittagspause beibehalten, ohne daß Lohnab-
züge gemacht werden. Als selbstverständlich wurde die
allgemeine Anerkennung des "Budenrechtes" (Arbeit-
nehmer-Besprechungen auf dem Werkplatz während der
Arbeitspausen) angesehen. Die Versammlung war der
Ansicht, daß angesichts der günstigen Conjunctur in der
Steinindustrie die genannten Forderungen anerkannt
werden, ohne daß ein Streik proclamirt werden müßte.
-- Auch im Berliner Baugewerbe beginnt es sich zu
rühren. So sind die Fliesenleger in eine allgemeine
Lohnbewegung eingetreten und setzten durch einen Gene-
ralversammlungsbeschluß fest, vom 1. Juli d. ab einen
festen Tarif, sowie den erhöhten Minimalstundenlohn
von 75 Pfennig zu fordern. Auch diese Branche glaubt
hinsichtlich der günstigen Conjunctur ohne Kampf das
Geforderte bewilligt zu erhalten. -- Im Ausstand
befinden sich ferner die Spanner der Drahtgeflechte für
Rabitzwände, die einen höheren Tarif verlangen. Die

143 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. Juni 1900

[Spaltenumbruch]
Streiflichter.
„Rein-narr vom Weine“.

Carl Habermann vom „Scherer“ hat ſeine
Sache in der „Scherer-Correſpondenz“ bisher ſo
ſchlecht gemacht, daß man ihm ſchleunigſt einen
Helfer engagiren mußte, der nun dem Habermann
die Artikel für die „Correſpondenz“ liefert. Der
neue Mann nennt ſich „Reinmar vom Rheine“;
das wird aber nur ein Druckfehler ſein für
„Rein-narr vom Weine“. Gleich ſein
erſter Artikel über „Römiſchen Reliquien-Schwindel“
wurde confiscirt, ebenſo ein anderer: „Die Frauen
und die Kirche“. Dafür iſt einer ſtehen geblieben,
der von den Hugenottenkriegen handelt, von der
Bartholomäusnacht und anderen alten lieben Be-
kannten aus dem Culturkampf-Converſationslexikon
älteſter unverbeſſerter Auflage. Und zum Schluſſe
wird dann ein Wort Biſchofs Hefele von Rotten-
burg citirt ohne Citat, ohne Gewähr für die
Echtheit desſelben, aus jedem Zuſammenhang ge-
riſſen, aber jedenfalls, wenn auch noch ſo entſtellt,
aus ſeiner vor-biſchöflichen Zeit: „Es fehlt wahr-
lich nicht am Willen der Hierarchie, wenn nicht
im 19. Jahrhundert wieder Scheiterhaufen aufge-
richtet werden.“ Und daran fügt er den claſſiſchen
Satz: „Von welchen Friedensgedanken die Hierarchie
gegen Andersgläubige beſeelt iſt, das ſagt uns
u. A. die Caniſius-Encyclika und das Verhalten
gegen die Altkatholiken!“ Wahrſcheinlich, weil darin
empfohlen ward, die Proteſtanten und Altkatholiken
alle mit Butz und Stingel, mit Haut und Haar
zu [v]erbrennen! — Der „reine Narr“ ſpricht auch
aus den folgenden Artikeln, die von der Tugend-
roſe, den Sonetten des Papſtes, den päpſtlichen
Orden, Lourdeswaſſer, Roſenkranz, Blut des
heiligen Januarius, heiligen Rock in Trier
und ſo weiter handeln. Wir glauben ſelbſt für die
Eſel, für welche der „Scherer“ ſchreibt, iſt das
alte Stroh zu dürr, und ſie laſſen es liegen. Da-
gegen werden ſie mit Entſetzen leſen, „daß
Gregor VII. in einem feierlichen Concil erklärt
habe: „Die Kirche iſt berechtigt, jegliche weltliche
Herrſchaft zu verleihen und zu nehmen.“ Das
wird alles ſo ohne Citat, ohne Beweis, ohne
Herſtellung von Sinn und Zuſammenhang, an-
geführt, daß man nur annehmen kann, die Herren
vom „Scherer“ ſpeculiren eben nur auf — Eſel,
die ſich von „reinen Thoren“ mit den aller-
abgeſtandenſten Geſchichtslügen einen blauen Dunſt
vormachen laſſen. Eine ernſtere Antwort
geben wir erſt dann, wenn ſolche geſchichtliche
Fragen ernſt behandelt werden. Für Narren
ſchreibt nur die „Scherer-Correſpondenz“.




Eine vorzügliche Reclame

macht die „Scherer-Correſpondenz“ — und darum
iſt dieſer Artikel auch nicht vom Rein—narr ge-
zeichnet — für einen wackeren Tiroler Wirth.
Der Artikel lautet:

„Touriſten und Radfahrer, welche nach Tirol
[k]ommen und Matrei am Brenner berühren,
werden vor dem dortigen „Gaſthof zur Krone“ ge-
warnt, deſſen Beſitzer, ein pfäffiſcher Landtags-
abgeordneter Namens Franz Stadler, als Ge-
meindevorſteher durch bewaffnete Bauern die Sonn-
wendfeuer auf der Waldraſtſpitze verhinderte.“

Wir wüßten nicht, wie der „Scherer“ dieſem
wackeren Mann und ſeinem Geſchäfte beſſer dienen
konnte. Wer von chriſtlichen Touriſten nach
Matrei am Brenner kommt, verſäume nicht, bei
Franz Stadler einzukehren und unter einem kräftigen
„Heil!“ mit ſeinem feurigen Wein auf ſein Wohl
anzuſtoßen.




Das Bürgermädchen vom Theater.

Niemand hat der am Samſtag zur Gruft ge-
leiteten unglücklichen Schauſpielerin Frl. Krall,
die, von einem jüdiſchen Arzte entehrt und dann
im Stich gelaſſen, in den Tod gieng, ſein Mitleid
verſagt. Aber mit allem Nachdruck müſſen wir
proteſtieren, daß der Jude Julian von Sternberg
in der „N. Fr. Pr.“ nunmehr dieſe That zum
Beweiſe ſtempeln will, daß der Selbſtmord nun
nicht mehr blos ein ſpecifiſch-theatraliſcher, ſondern
ein echt bürgerlicher, ſpießbürgerlicher
Tod ſei, wenn man ein Unglück nicht mehr tragen
kann; wir müſſen proteſtieren, wenn er ob dieſes
Selbſtmordverſuches Fräulein Krall als das
Bürgermädchen vom Theater“ preiſt und
alſo ſchließt:

„Das Theater iſt bürgerlich geworden, es ver-
zichtet dankend auf die Ausnahmsſtellung, die ihm ein-
geräumt wird. Auch das verführte Bürgermädchen vom
Theater will geheirathet werden, und wird es belogen
[Spaltenumbruch] und betrogen, ſo handelt es nicht anders, als es ge-
handelt hätte, wenn es eben nicht zum Theater ge-
gangen wäre.“

Wir proteſtieren, daß ein unglückliches Bürger-
mädchen auch wenn es nicht zum Theater gehört, im
Unglück zum Selbſtmord eilt! Das iſt nicht
bürgerliche Moral,
das iſt Judenmoral;
wir proteſtiren aber auch im Namen der an-
ſtändigen Theaterwelt, daß das Theater moral
ſein ſoll. Es iſt bürgerliche Moral, daß ein
bürgerliches Mädel nicht mit jedem erſten beſten
frechen Juden eine Liebſchaft anfängt und wenn
es ſchließlich doch durch ihn ſich „belügen und be-
trügen läßt,“ reuig und geduldig trägt, was es
ſelbſt mitverſchuldet hat. Wir glauben, es wäre
für den Juden Julius Sternberg ein viel
pikanteres Thema für eine Plauderei in der
„N. Fr. Preſſe“ geweſen, wenn er eine nähere
Charakteriſtik jenes Dr. Stößel gegeben, der die
Unglückliche um Unſchuld, Ehre und ihr junges,
blühendes Leben gebracht. Es gibt ſolcher „Lebe-
jünglinge“ noch mehr in den dem Dr. Julius
Sternberg zugänglichen Kreiſen.




Eine Gefahr für’s Vaterland

hat das ſächſiſche Miniſterium ſoeben
beſchworen. Es konnte für Sachſen wirklich nichts
Gefährlicheres geben, als daß auf Schloß Wechſel-
burg Graf Schönburg-Forderglauchau eine Haus-
capelle beſitzt, zu welcher auch Katholiken aus der
Umgegend kommen, um dem Gottesdienſt beizu-
wohnen. Die Leipziger Kreishauptmannſchaft hat
dieſem ſtaatsgefährlichen Treiben nun ein Ende
gemacht mit Zuſendung einer miniſteriellen Ver-
ordnung, in der es u. a. heißt:

„Euerer Erlaucht dem gegenwärtigen Be-
ſitzer des Schloſſes Wechſelburg und dem deshalb zur
Ausübung der Devotio domestica (häuslichen Andacht)
daſelbſt Berechtigten wird hiemit aufgegeben: 1. Dafür
beſorgt zu ſein, daß in Zukunſt und zwar ſpäteſtens vom
12. Juni d. M. ab, andere als die zur Familie oder
zum Hausſtande Ew. Erlaucht gehörigen Perſonen,
gleichviel welchen Alters oder Geſchlechtes von der
Theilnahme an den in der Schloßkirche oder in andern
Räumen des Schloſſes ſtattfindenden Gottesdienſten
und vom Zutritt zu dieſen Gottesdienſten, ſowie von
der Theilnahme an den dieſen Gottesdienſten
etwa vorausgehenden oder nachfolgenden Auf- und Um-
zügen ausgeſchloſſen werden, zur Vermeidung einer
wider Ew. Erlaucht zu verhängenden Ordnungsſtrafe
von 100 Mark wegen einer jeden dem vorſtehenden Ver-
bote zuwider zugelaſſenen Perſon. 2. Zur Vermeidung
einer Ordnungsſtrafe von 1000 Mark für jeden Fall der
Zuwiderhandlung dafür beſorgt zu ſein, daß die in Aus-
übung der Ew. Erlaucht zuſtehenden devotio domestica vor-
zunehmenden gottesdienſtlichen Handlungen einſchließlich
etwaiger Aufzüge zu, bei oder von dieſen Handlungen
nicht an Orten abgehalten werden oder Orte berühren,
von wo aus ſie einem größeren oder gerin-
geren Kreiſe nicht zur Theilnahme
berechtigter Perſonen ſichtbar ſein
können.
Die Amtshauptmannſchaft Rochlitz iſt an-
gewieſen, die genaue Befolgung der vorſtehenden An-
ordnungen ſtreng zu überwachen, bei Zuwiderhand-
lungen die angedrohten Ordnungsſtrafen für verwirkt
zu erklären und einzuziehen und weiter alsbald eine
öffentliche Bekanntmachung zu erlaſſen, dahingehend,
daß in der Schloßkirche zu Wechſelburg öffent-
liche katholiſche Gottesdienſte nicht
mehr abgehalten werden.
Die Sicher-
ſtellung der wichtigen öffentlichen
Intereſſen,
zu deren Schutze die vorſtehenden
Anordnungen getroffen worden ſind, läßt es ge-
boten
erſcheinen, etwaigen Rechtsmitteln gegen dieſe
Anordnungen die aufſchiebende Wirkung, wie hiemit
geſchieht, zu verſagen.“

Alſo: die dringendſte Gefahr für Sachſen iſt
ſchon vorhanden, wenn einige Katholiken der Um-
gebung die gottesdienſtlichen Handlungen im
Schloſſe Wechſelburg auch nur aus der Ferne
ſehen. Man ſieht: zu welchen Tollheiten die
kulturkämpferiſche Geſetzgebung
Sachſens führt. Selbſt die vernünftigen Prote-
ſtanten lachen darüber.




Beſuche des Kaiſers in der Telephon-
centrale und im Mariahilfer Ambu-
latorium.

Samſtag Mittags beſichtigte Se. Majeſtät in
Begleitung des Generaladjutanten FZM. Edler von
Bolfras und des Flügeladjutanten Major Pitlik
die neue Telephoncentrale in der Berg-
gaſſe. Der Monarch wurde im Veſtibule vom Eiſen-
bahnminiſter Dr. Ritter von Wittek, Sectionschef
des Handelsminiſterium Neubauer, dem Vorſtande
der Telephoncentrale Regierungsrath Pilz und den
dienſtfreien Beamten empfangen, wobei der Eiſenbahn-
miniſter eine Anſprache an Se. Majeſtät richtete und
die an der Errichtung der Telephonanlagen hervor-
ragend betheiligten Privattechniker vorſtellte. Sodann
begann der Rundgung, wobei Sectionschef Neubauer
[Spaltenumbruch] den Cicernne ſpielte. Zuerſt wurde der Kaiſer in den
großen Umſchal[t]ſaal der Localcentrale im 3. Stock-
werke geführt, wo er den Telephonfräulein längere
Zeit bei der Arbeit zuſah und auch einige Fragen
an ſie richtete. An einem leerſtehenden Umſchalter
demonſtrirte Sectionschef Neubauer die ganze
Manipulation. Der Kaiſer blieb nahezu eine halbe
Stunde in dieſem Saale und wurde hierauf in den
großen Saal für den interurbanen Verkehr, der im
erſten Stocke gelegen iſt, geführt. Auch hier erregte
die raſche und ſichere Manipulation die beſondere Zu-
friedenheit des Kaiſers.

Nach einſtündigem Aufenthalte verließ Se. Majeſtät
die Telephoncentrale, nachdem er ſich in huldvollſter
Weiſe von dem Eiſenbahnminiſter und den übrigen
Beamten verabſchiedet hatte, und fuhr nach Maria-
hilf, um das neue Haus des Franz Joſephs-
Ambulatoriums,
6. Bez., Sandwirthgaſſe 3,
zu beſuchen, das anläßlich des 50jährigen Regierungs-
jubiläums errichtet wurde, um den unbemittelten
Ständen, namentlich den arbeitenden Claſſen ärztliche
Hilfe zu bieten.




Große Verſammlung des Vereines der
Lehrer und Schulfreunde.

Im Saale zur „Stadt Brünn“ fand Sonntag
unter zahlreicher Theilnahme der Lehrer und Bürger
des 8. Bezirkes die Conſtituirung der Ortsgruppe
„Joſefſtadt“ des „Vereines der Lehrer und Schul-
freunde“ ſtatt. Anweſend waren u. A. die Reichsraths-
Abgeordneten Prof. Schleſinger und Doctor
Weiskirchner, Stadtrath Fiedler, die Ge-
meinderäthe Hawranek, Schwer und Rain,
Bezirksvorſteher-Stellvertreter Schneeweiß,
mehrere Bezirksräthe.

Bürgerſchullehrer Prohaska begrüßte die
Erſchienenen, worauf Bürgerſchullehrer Ernſt Wohl-
bach
das Wort ergriff zu dem Vortrage „die
letzten Gemeinderathswahlen in Be-
zug auf die Schule.“

Reichsraths-Abgeordneter Prof. Schleſinger
verſprach, alle ſeine Kräfte aufzubieten, um der Lehrer-
ſchaft auch bei Bekämpfung der materiellen Lage be-
hilflich zu ſein, damit ſie ihrer erhabenen Aufgabe
gerecht werden kann.

Bürgerſchullehrer Andreas Mayer erörterte
ſodann die neuen Satzungen, worauf die Wahl der
Ortsgruppen vorgenommen wurde, und zwar wurden
gewählt: zum Obmann Bürgerſchullehrer Wohl-
bach, zum Obmann-Stellvertreter Bezirksvorſteher
Antenſteiner, zu Schriftführern die Lehrer
Adami und Seikora, zum Caſſier Lehrer
Haidinger, zu Beiräthen Gemeinderath Hier-
hammer,
Bezirksrath Bergauer und Orts-
ſchulrath Fuhrmann.

Schriftleiter Puchſtein ergriff ſodann das
Wort zu dem Vortage: „Die Schule und die
ſociale Frage.“

Es ſprach ſodann der Bürgerſchullehrer Andreas
Mayer, worauf Reichsraths-Abgeordneter Doctor
Weiskirchner die Gründung der Ortsgruppe
auf’s Wärmſte begrüßte und derſelben ein recht gedeih-
liches Fortkommen wünſcht.

Bürgerſchullehrer Prohaska bat ſodann um
Unterſtützung des deutſch-chriſtlichen Stenographen-
Bundes. Nachdem noch Stadtrath Fiedler einige
aufmunternde Worte geſprochen hatte, wurde die Ver-
ſammlung geſchloſſen.




Arbeiterbewegung.
Im Kohlenbergwerke von Carpano

wurde
den ſtrikenden Arbeite[r]n eine Lohnaufbeſſerung zuge-
ſtanden. 250 Arbeiter nahmen daher am Samſtag die
Arbeit wieder auf, ſo daß der Strike als beendet an-
zuſehen iſt.

Zur Lohnbewegung in Berlin.

Die Stein-
bildhauer Berlins beſchloſſen in einer Generalverſamm-
lung, in eine allgemeine Lohnbewegung einzutreten.
Auf Vorſchlag der Platzdelegirten ſind folgende For-
derungen, die bereits auf Grund des „Budenrechtes“
in Werkplatzverſammlungen durchberathen waren, auf-
geſtellt. 1. Beendigung der 7½ſtündigen täglichen Ar-
beitsdauer um 5 Uhr nachmittags. 2. Erhöhung des
Minimallohnes von 6 auf 7 Mark; höhere Löhne
werden gleichfalls dementſprechend geſteigert. 3. Im
Winter wird die ½ſtündige Frühſtückspauſe und ein-
ſtündige Mittagspauſe beibehalten, ohne daß Lohnab-
züge gemacht werden. Als ſelbſtverſtändlich wurde die
allgemeine Anerkennung des „Budenrechtes“ (Arbeit-
nehmer-Beſprechungen auf dem Werkplatz während der
Arbeitspauſen) angeſehen. Die Verſammlung war der
Anſicht, daß angeſichts der günſtigen Conjunctur in der
Steininduſtrie die genannten Forderungen anerkannt
werden, ohne daß ein Streik proclamirt werden müßte.
— Auch im Berliner Baugewerbe beginnt es ſich zu
rühren. So ſind die Flieſenleger in eine allgemeine
Lohnbewegung eingetreten und ſetzten durch einen Gene-
ralverſammlungsbeſchluß feſt, vom 1. Juli d. ab einen
feſten Tarif, ſowie den erhöhten Minimalſtundenlohn
von 75 Pfennig zu fordern. Auch dieſe Branche glaubt
hinſichtlich der günſtigen Conjunctur ohne Kampf das
Geforderte bewilligt zu erhalten. — Im Ausſtand
befinden ſich ferner die Spanner der Drahtgeflechte für
Rabitzwände, die einen höheren Tarif verlangen. Die

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[9/0009] 143 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. Juni 1900 Streiflichter. „Rein-narr vom Weine“. Carl Habermann vom „Scherer“ hat ſeine Sache in der „Scherer-Correſpondenz“ bisher ſo ſchlecht gemacht, daß man ihm ſchleunigſt einen Helfer engagiren mußte, der nun dem Habermann die Artikel für die „Correſpondenz“ liefert. Der neue Mann nennt ſich „Reinmar vom Rheine“; das wird aber nur ein Druckfehler ſein für „Rein-narr vom Weine“. Gleich ſein erſter Artikel über „Römiſchen Reliquien-Schwindel“ wurde confiscirt, ebenſo ein anderer: „Die Frauen und die Kirche“. Dafür iſt einer ſtehen geblieben, der von den Hugenottenkriegen handelt, von der Bartholomäusnacht und anderen alten lieben Be- kannten aus dem Culturkampf-Converſationslexikon älteſter unverbeſſerter Auflage. Und zum Schluſſe wird dann ein Wort Biſchofs Hefele von Rotten- burg citirt ohne Citat, ohne Gewähr für die Echtheit desſelben, aus jedem Zuſammenhang ge- riſſen, aber jedenfalls, wenn auch noch ſo entſtellt, aus ſeiner vor-biſchöflichen Zeit: „Es fehlt wahr- lich nicht am Willen der Hierarchie, wenn nicht im 19. Jahrhundert wieder Scheiterhaufen aufge- richtet werden.“ Und daran fügt er den claſſiſchen Satz: „Von welchen Friedensgedanken die Hierarchie gegen Andersgläubige beſeelt iſt, das ſagt uns u. A. die Caniſius-Encyclika und das Verhalten gegen die Altkatholiken!“ Wahrſcheinlich, weil darin empfohlen ward, die Proteſtanten und Altkatholiken alle mit Butz und Stingel, mit Haut und Haar zu verbrennen! — Der „reine Narr“ ſpricht auch aus den folgenden Artikeln, die von der Tugend- roſe, den Sonetten des Papſtes, den päpſtlichen Orden, Lourdeswaſſer, Roſenkranz, Blut des heiligen Januarius, heiligen Rock in Trier und ſo weiter handeln. Wir glauben ſelbſt für die Eſel, für welche der „Scherer“ ſchreibt, iſt das alte Stroh zu dürr, und ſie laſſen es liegen. Da- gegen werden ſie mit Entſetzen leſen, „daß Gregor VII. in einem feierlichen Concil erklärt habe: „Die Kirche iſt berechtigt, jegliche weltliche Herrſchaft zu verleihen und zu nehmen.“ Das wird alles ſo ohne Citat, ohne Beweis, ohne Herſtellung von Sinn und Zuſammenhang, an- geführt, daß man nur annehmen kann, die Herren vom „Scherer“ ſpeculiren eben nur auf — Eſel, die ſich von „reinen Thoren“ mit den aller- abgeſtandenſten Geſchichtslügen einen blauen Dunſt vormachen laſſen. Eine ernſtere Antwort geben wir erſt dann, wenn ſolche geſchichtliche Fragen ernſt behandelt werden. Für Narren ſchreibt nur die „Scherer-Correſpondenz“. Eine vorzügliche Reclame macht die „Scherer-Correſpondenz“ — und darum iſt dieſer Artikel auch nicht vom Rein—narr ge- zeichnet — für einen wackeren Tiroler Wirth. Der Artikel lautet: „Touriſten und Radfahrer, welche nach Tirol kommen und Matrei am Brenner berühren, werden vor dem dortigen „Gaſthof zur Krone“ ge- warnt, deſſen Beſitzer, ein pfäffiſcher Landtags- abgeordneter Namens Franz Stadler, als Ge- meindevorſteher durch bewaffnete Bauern die Sonn- wendfeuer auf der Waldraſtſpitze verhinderte.“ Wir wüßten nicht, wie der „Scherer“ dieſem wackeren Mann und ſeinem Geſchäfte beſſer dienen konnte. Wer von chriſtlichen Touriſten nach Matrei am Brenner kommt, verſäume nicht, bei Franz Stadler einzukehren und unter einem kräftigen „Heil!“ mit ſeinem feurigen Wein auf ſein Wohl anzuſtoßen. Das Bürgermädchen vom Theater. Niemand hat der am Samſtag zur Gruft ge- leiteten unglücklichen Schauſpielerin Frl. Krall, die, von einem jüdiſchen Arzte entehrt und dann im Stich gelaſſen, in den Tod gieng, ſein Mitleid verſagt. Aber mit allem Nachdruck müſſen wir proteſtieren, daß der Jude Julian von Sternberg in der „N. Fr. Pr.“ nunmehr dieſe That zum Beweiſe ſtempeln will, daß der Selbſtmord nun nicht mehr blos ein ſpecifiſch-theatraliſcher, ſondern ein echt bürgerlicher, ſpießbürgerlicher Tod ſei, wenn man ein Unglück nicht mehr tragen kann; wir müſſen proteſtieren, wenn er ob dieſes Selbſtmordverſuches Fräulein Krall als das „Bürgermädchen vom Theater“ preiſt und alſo ſchließt: „Das Theater iſt bürgerlich geworden, es ver- zichtet dankend auf die Ausnahmsſtellung, die ihm ein- geräumt wird. Auch das verführte Bürgermädchen vom Theater will geheirathet werden, und wird es belogen und betrogen, ſo handelt es nicht anders, als es ge- handelt hätte, wenn es eben nicht zum Theater ge- gangen wäre.“ Wir proteſtieren, daß ein unglückliches Bürger- mädchen auch wenn es nicht zum Theater gehört, im Unglück zum Selbſtmord eilt! Das iſt nicht bürgerliche Moral, das iſt Judenmoral; wir proteſtiren aber auch im Namen der an- ſtändigen Theaterwelt, daß das Theater moral ſein ſoll. Es iſt bürgerliche Moral, daß ein bürgerliches Mädel nicht mit jedem erſten beſten frechen Juden eine Liebſchaft anfängt und wenn es ſchließlich doch durch ihn ſich „belügen und be- trügen läßt,“ reuig und geduldig trägt, was es ſelbſt mitverſchuldet hat. Wir glauben, es wäre für den Juden Julius Sternberg ein viel pikanteres Thema für eine Plauderei in der „N. Fr. Preſſe“ geweſen, wenn er eine nähere Charakteriſtik jenes Dr. Stößel gegeben, der die Unglückliche um Unſchuld, Ehre und ihr junges, blühendes Leben gebracht. Es gibt ſolcher „Lebe- jünglinge“ noch mehr in den dem Dr. Julius Sternberg zugänglichen Kreiſen. Eine Gefahr für’s Vaterland hat das ſächſiſche Miniſterium ſoeben beſchworen. Es konnte für Sachſen wirklich nichts Gefährlicheres geben, als daß auf Schloß Wechſel- burg Graf Schönburg-Forderglauchau eine Haus- capelle beſitzt, zu welcher auch Katholiken aus der Umgegend kommen, um dem Gottesdienſt beizu- wohnen. Die Leipziger Kreishauptmannſchaft hat dieſem ſtaatsgefährlichen Treiben nun ein Ende gemacht mit Zuſendung einer miniſteriellen Ver- ordnung, in der es u. a. heißt: „Euerer Erlaucht dem gegenwärtigen Be- ſitzer des Schloſſes Wechſelburg und dem deshalb zur Ausübung der Devotio domestica (häuslichen Andacht) daſelbſt Berechtigten wird hiemit aufgegeben: 1. Dafür beſorgt zu ſein, daß in Zukunſt und zwar ſpäteſtens vom 12. Juni d. M. ab, andere als die zur Familie oder zum Hausſtande Ew. Erlaucht gehörigen Perſonen, gleichviel welchen Alters oder Geſchlechtes von der Theilnahme an den in der Schloßkirche oder in andern Räumen des Schloſſes ſtattfindenden Gottesdienſten und vom Zutritt zu dieſen Gottesdienſten, ſowie von der Theilnahme an den dieſen Gottesdienſten etwa vorausgehenden oder nachfolgenden Auf- und Um- zügen ausgeſchloſſen werden, zur Vermeidung einer wider Ew. Erlaucht zu verhängenden Ordnungsſtrafe von 100 Mark wegen einer jeden dem vorſtehenden Ver- bote zuwider zugelaſſenen Perſon. 2. Zur Vermeidung einer Ordnungsſtrafe von 1000 Mark für jeden Fall der Zuwiderhandlung dafür beſorgt zu ſein, daß die in Aus- übung der Ew. Erlaucht zuſtehenden devotio domestica vor- zunehmenden gottesdienſtlichen Handlungen einſchließlich etwaiger Aufzüge zu, bei oder von dieſen Handlungen nicht an Orten abgehalten werden oder Orte berühren, von wo aus ſie einem größeren oder gerin- geren Kreiſe nicht zur Theilnahme berechtigter Perſonen ſichtbar ſein können. Die Amtshauptmannſchaft Rochlitz iſt an- gewieſen, die genaue Befolgung der vorſtehenden An- ordnungen ſtreng zu überwachen, bei Zuwiderhand- lungen die angedrohten Ordnungsſtrafen für verwirkt zu erklären und einzuziehen und weiter alsbald eine öffentliche Bekanntmachung zu erlaſſen, dahingehend, daß in der Schloßkirche zu Wechſelburg öffent- liche katholiſche Gottesdienſte nicht mehr abgehalten werden. Die Sicher- ſtellung der wichtigen öffentlichen Intereſſen, zu deren Schutze die vorſtehenden Anordnungen getroffen worden ſind, läßt es ge- boten erſcheinen, etwaigen Rechtsmitteln gegen dieſe Anordnungen die aufſchiebende Wirkung, wie hiemit geſchieht, zu verſagen.“ Alſo: die dringendſte Gefahr für Sachſen iſt ſchon vorhanden, wenn einige Katholiken der Um- gebung die gottesdienſtlichen Handlungen im Schloſſe Wechſelburg auch nur aus der Ferne ſehen. Man ſieht: zu welchen Tollheiten die kulturkämpferiſche Geſetzgebung Sachſens führt. Selbſt die vernünftigen Prote- ſtanten lachen darüber. Beſuche des Kaiſers in der Telephon- centrale und im Mariahilfer Ambu- latorium. Samſtag Mittags beſichtigte Se. Majeſtät in Begleitung des Generaladjutanten FZM. Edler von Bolfras und des Flügeladjutanten Major Pitlik die neue Telephoncentrale in der Berg- gaſſe. Der Monarch wurde im Veſtibule vom Eiſen- bahnminiſter Dr. Ritter von Wittek, Sectionschef des Handelsminiſterium Neubauer, dem Vorſtande der Telephoncentrale Regierungsrath Pilz und den dienſtfreien Beamten empfangen, wobei der Eiſenbahn- miniſter eine Anſprache an Se. Majeſtät richtete und die an der Errichtung der Telephonanlagen hervor- ragend betheiligten Privattechniker vorſtellte. Sodann begann der Rundgung, wobei Sectionschef Neubauer den Cicernne ſpielte. Zuerſt wurde der Kaiſer in den großen Umſchaltſaal der Localcentrale im 3. Stock- werke geführt, wo er den Telephonfräulein längere Zeit bei der Arbeit zuſah und auch einige Fragen an ſie richtete. An einem leerſtehenden Umſchalter demonſtrirte Sectionschef Neubauer die ganze Manipulation. Der Kaiſer blieb nahezu eine halbe Stunde in dieſem Saale und wurde hierauf in den großen Saal für den interurbanen Verkehr, der im erſten Stocke gelegen iſt, geführt. Auch hier erregte die raſche und ſichere Manipulation die beſondere Zu- friedenheit des Kaiſers. Nach einſtündigem Aufenthalte verließ Se. Majeſtät die Telephoncentrale, nachdem er ſich in huldvollſter Weiſe von dem Eiſenbahnminiſter und den übrigen Beamten verabſchiedet hatte, und fuhr nach Maria- hilf, um das neue Haus des Franz Joſephs- Ambulatoriums, 6. Bez., Sandwirthgaſſe 3, zu beſuchen, das anläßlich des 50jährigen Regierungs- jubiläums errichtet wurde, um den unbemittelten Ständen, namentlich den arbeitenden Claſſen ärztliche Hilfe zu bieten. Große Verſammlung des Vereines der Lehrer und Schulfreunde. Im Saale zur „Stadt Brünn“ fand Sonntag unter zahlreicher Theilnahme der Lehrer und Bürger des 8. Bezirkes die Conſtituirung der Ortsgruppe „Joſefſtadt“ des „Vereines der Lehrer und Schul- freunde“ ſtatt. Anweſend waren u. A. die Reichsraths- Abgeordneten Prof. Schleſinger und Doctor Weiskirchner, Stadtrath Fiedler, die Ge- meinderäthe Hawranek, Schwer und Rain, Bezirksvorſteher-Stellvertreter Schneeweiß, mehrere Bezirksräthe. Bürgerſchullehrer Prohaska begrüßte die Erſchienenen, worauf Bürgerſchullehrer Ernſt Wohl- bach das Wort ergriff zu dem Vortrage „die letzten Gemeinderathswahlen in Be- zug auf die Schule.“ Reichsraths-Abgeordneter Prof. Schleſinger verſprach, alle ſeine Kräfte aufzubieten, um der Lehrer- ſchaft auch bei Bekämpfung der materiellen Lage be- hilflich zu ſein, damit ſie ihrer erhabenen Aufgabe gerecht werden kann. Bürgerſchullehrer Andreas Mayer erörterte ſodann die neuen Satzungen, worauf die Wahl der Ortsgruppen vorgenommen wurde, und zwar wurden gewählt: zum Obmann Bürgerſchullehrer Wohl- bach, zum Obmann-Stellvertreter Bezirksvorſteher Antenſteiner, zu Schriftführern die Lehrer Adami und Seikora, zum Caſſier Lehrer Haidinger, zu Beiräthen Gemeinderath Hier- hammer, Bezirksrath Bergauer und Orts- ſchulrath Fuhrmann. Schriftleiter Puchſtein ergriff ſodann das Wort zu dem Vortage: „Die Schule und die ſociale Frage.“ Es ſprach ſodann der Bürgerſchullehrer Andreas Mayer, worauf Reichsraths-Abgeordneter Doctor Weiskirchner die Gründung der Ortsgruppe auf’s Wärmſte begrüßte und derſelben ein recht gedeih- liches Fortkommen wünſcht. Bürgerſchullehrer Prohaska bat ſodann um Unterſtützung des deutſch-chriſtlichen Stenographen- Bundes. Nachdem noch Stadtrath Fiedler einige aufmunternde Worte geſprochen hatte, wurde die Ver- ſammlung geſchloſſen. Arbeiterbewegung. Im Kohlenbergwerke von Carpano wurde den ſtrikenden Arbeitern eine Lohnaufbeſſerung zuge- ſtanden. 250 Arbeiter nahmen daher am Samſtag die Arbeit wieder auf, ſo daß der Strike als beendet an- zuſehen iſt. Zur Lohnbewegung in Berlin. Die Stein- bildhauer Berlins beſchloſſen in einer Generalverſamm- lung, in eine allgemeine Lohnbewegung einzutreten. Auf Vorſchlag der Platzdelegirten ſind folgende For- derungen, die bereits auf Grund des „Budenrechtes“ in Werkplatzverſammlungen durchberathen waren, auf- geſtellt. 1. Beendigung der 7½ſtündigen täglichen Ar- beitsdauer um 5 Uhr nachmittags. 2. Erhöhung des Minimallohnes von 6 auf 7 Mark; höhere Löhne werden gleichfalls dementſprechend geſteigert. 3. Im Winter wird die ½ſtündige Frühſtückspauſe und ein- ſtündige Mittagspauſe beibehalten, ohne daß Lohnab- züge gemacht werden. Als ſelbſtverſtändlich wurde die allgemeine Anerkennung des „Budenrechtes“ (Arbeit- nehmer-Beſprechungen auf dem Werkplatz während der Arbeitspauſen) angeſehen. Die Verſammlung war der Anſicht, daß angeſichts der günſtigen Conjunctur in der Steininduſtrie die genannten Forderungen anerkannt werden, ohne daß ein Streik proclamirt werden müßte. — Auch im Berliner Baugewerbe beginnt es ſich zu rühren. So ſind die Flieſenleger in eine allgemeine Lohnbewegung eingetreten und ſetzten durch einen Gene- ralverſammlungsbeſchluß feſt, vom 1. Juli d. ab einen feſten Tarif, ſowie den erhöhten Minimalſtundenlohn von 75 Pfennig zu fordern. Auch dieſe Branche glaubt hinſichtlich der günſtigen Conjunctur ohne Kampf das Geforderte bewilligt zu erhalten. — Im Ausſtand befinden ſich ferner die Spanner der Drahtgeflechte für Rabitzwände, die einen höheren Tarif verlangen. Die

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 143, Wien, 26.06.1900, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost143_1900/9>, abgerufen am 28.04.2024.