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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

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Jnsofern jedoch die männliche Jugend zum Turnen an-
gewiesen und angehalten wird, erscheint diese Lehre und
Zucht allerdings als ein Mittel zum Zwecke -- als
ein Erziehungsmittel. Hiebei möge man aber dreierlei
nicht aus dem Auge verlieren. Erstens: Wenn mit
den Turnübungen der Jugend ein Erziehungszweck ver-
folgt wird, so ist dies eben kein anderer als: den fer-
tigen Turner zu bilden, d. h. Gemüth und Geberde
der Männlichkeit im Zöglinge zur Reife zu bringen,
die ihm angeborne Kraft, die, unerzogen sich in einem
ungeschickten, rohen Benehmen, in Gewaltthat, Rauf-
und Zerstörungssucht äußert, einem organischen Gesetze
zu unterwerfen und dadurch eben wahrhaft frei zu ma-
chen. Zweitens: Der Turnplatz erziehe seine Zöglinge
fürs Leben. Der erwachsene, erzogene Turner soll nicht
aufhören zu turnen, sondern erst anfangen sich in der
Volks-Turngemeinde selbstständig zu geberden; so wie
die Schule ihren Schüler keinesweges zu dem Zwecke
mündig macht, daß er als Mann schweige. Es ist
aber auch wiederum das öffentliche Leben, welches den
Turner erzieht, und die Turnübungen der Jugend wer-
den immer kümmerlich und bedeutungsleer bleiben, wenn
die Alten nicht turnen, wenn das Turnen nicht allge-
meine Volkssitte ist. Drittens: Es ist ganz in der
Ordnung wenn in einer Erziehungsanstalt für die männ-
liche Jugend der Turnplatz neben der Schule, die gym-
nastische Uebung neben der musischen, die Pflege des
Werks und der Geberde neben der des Wortes und der
Sprache steht. Ordnet man aber den Turnplatz der
Schule unter, so ergiebt sich ein Mißverhältniß, durch
welches das Gedeihen beider Anstalten gefährdet wird

Jch schließe diesen Versuch, das Verhältniß der
Vorstellung von einer Turnsitte zu anderen Auffassungs-
weisen bemerklich zu machen, mit dem Wunsche, daß
die Bedeutung des Turnwesens von neuem vielseitig er-
örtert werden möchte; denn wenn es auch zur Einfüh-
rung allgemeiner Turnübungen zunächst hauptsächlich

Jnſofern jedoch die männliche Jugend zum Turnen an-
gewieſen und angehalten wird, erſcheint dieſe Lehre und
Zucht allerdings als ein Mittel zum Zwecke — als
ein Erziehungsmittel. Hiebei möge man aber dreierlei
nicht aus dem Auge verlieren. Erſtens: Wenn mit
den Turnübungen der Jugend ein Erziehungszweck ver-
folgt wird, ſo iſt dies eben kein anderer als: den fer-
tigen Turner zu bilden, d. h. Gemüth und Geberde
der Männlichkeit im Zöglinge zur Reife zu bringen,
die ihm angeborne Kraft, die, unerzogen ſich in einem
ungeſchickten, rohen Benehmen, in Gewaltthat, Rauf-
und Zerſtörungsſucht äußert, einem organiſchen Geſetze
zu unterwerfen und dadurch eben wahrhaft frei zu ma-
chen. Zweitens: Der Turnplatz erziehe ſeine Zöglinge
fürs Leben. Der erwachſene, erzogene Turner ſoll nicht
aufhören zu turnen, ſondern erſt anfangen ſich in der
Volks-Turngemeinde ſelbſtſtändig zu geberden; ſo wie
die Schule ihren Schüler keinesweges zu dem Zwecke
mündig macht, daß er als Mann ſchweige. Es iſt
aber auch wiederum das öffentliche Leben, welches den
Turner erzieht, und die Turnübungen der Jugend wer-
den immer kümmerlich und bedeutungsleer bleiben, wenn
die Alten nicht turnen, wenn das Turnen nicht allge-
meine Volksſitte iſt. Drittens: Es iſt ganz in der
Ordnung wenn in einer Erziehungsanſtalt für die männ-
liche Jugend der Turnplatz neben der Schule, die gym-
naſtiſche Uebung neben der muſiſchen, die Pflege des
Werks und der Geberde neben der des Wortes und der
Sprache ſteht. Ordnet man aber den Turnplatz der
Schule unter, ſo ergiebt ſich ein Mißverhältniß, durch
welches das Gedeihen beider Anſtalten gefährdet wird

Jch ſchließe dieſen Verſuch, das Verhältniß der
Vorſtellung von einer Turnſitte zu anderen Auffaſſungs-
weiſen bemerklich zu machen, mit dem Wunſche, daß
die Bedeutung des Turnweſens von neuem vielſeitig er-
örtert werden möchte; denn wenn es auch zur Einfüh-
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[68/0072] Jnſofern jedoch die männliche Jugend zum Turnen an- gewieſen und angehalten wird, erſcheint dieſe Lehre und Zucht allerdings als ein Mittel zum Zwecke — als ein Erziehungsmittel. Hiebei möge man aber dreierlei nicht aus dem Auge verlieren. Erſtens: Wenn mit den Turnübungen der Jugend ein Erziehungszweck ver- folgt wird, ſo iſt dies eben kein anderer als: den fer- tigen Turner zu bilden, d. h. Gemüth und Geberde der Männlichkeit im Zöglinge zur Reife zu bringen, die ihm angeborne Kraft, die, unerzogen ſich in einem ungeſchickten, rohen Benehmen, in Gewaltthat, Rauf- und Zerſtörungsſucht äußert, einem organiſchen Geſetze zu unterwerfen und dadurch eben wahrhaft frei zu ma- chen. Zweitens: Der Turnplatz erziehe ſeine Zöglinge fürs Leben. Der erwachſene, erzogene Turner ſoll nicht aufhören zu turnen, ſondern erſt anfangen ſich in der Volks-Turngemeinde ſelbſtſtändig zu geberden; ſo wie die Schule ihren Schüler keinesweges zu dem Zwecke mündig macht, daß er als Mann ſchweige. Es iſt aber auch wiederum das öffentliche Leben, welches den Turner erzieht, und die Turnübungen der Jugend wer- den immer kümmerlich und bedeutungsleer bleiben, wenn die Alten nicht turnen, wenn das Turnen nicht allge- meine Volksſitte iſt. Drittens: Es iſt ganz in der Ordnung wenn in einer Erziehungsanſtalt für die männ- liche Jugend der Turnplatz neben der Schule, die gym- naſtiſche Uebung neben der muſiſchen, die Pflege des Werks und der Geberde neben der des Wortes und der Sprache ſteht. Ordnet man aber den Turnplatz der Schule unter, ſo ergiebt ſich ein Mißverhältniß, durch welches das Gedeihen beider Anſtalten gefährdet wird Jch ſchließe dieſen Verſuch, das Verhältniß der Vorſtellung von einer Turnſitte zu anderen Auffaſſungs- weiſen bemerklich zu machen, mit dem Wunſche, daß die Bedeutung des Turnweſens von neuem vielſeitig er- örtert werden möchte; denn wenn es auch zur Einfüh- rung allgemeiner Turnübungen zunächſt hauptſächlich

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/72>, abgerufen am 27.04.2024.