noch Aequilibristen werden, auch nicht die Zartheit der Empfindung vertauschen gegen keckes, kühnes Wesen, aber wohl könnte es Noth thun, der künftigen Hausfrau, Gattin und Mutter Muth, Geistesgegenwart und Ent- schlossenheit anzuerziehen. Jst nicht in den verschiedenen Wechselfällen eines bewegten Lebens der Frau geistige Kraft eben so nöthig wie dem Manne? sind nicht den Mädchen und Frauen Prüfungen und Leiden in eben dem Maße vorbehalten wie dem Manne, bedürfen sie nicht eben so sehr der Anfrischung, Erheiterung und Be- lebung, eines hellen, starken, heiteren Geistes, eines ge- sunden Körpers, und aller geistigen Hülfsmittel wie der Mann? (Miß Wright.)
Durch zweckmäßig geleitete Turnübungen bilden sich aber gerade Wille und Thatkraft, Entschlossenheit und Sicherheit, Muth und Gewandtheit (Eigenschaften des Geistes und des Körpers) überhaupt der gesunde Geist im gesunden Körper aus; durch Turnen wird das Leben reicher, die Lebenserscheinungen vermehrt und verbessert, das Turnen hat einen unverkennbaren Einfluß auf das Nervensystem, und somit auf alle Funktionen des Gei- stes. Nicht allein alle Eindrücke, die durch äußere Sinne zum Gehirn gelangen, sondern auch die Thätigkeiten des inneren Sinnes werden geschärft und verstärkt.
Wer in späteren Jahren geturnt hat, wird die Er- fahrung gemacht haben, daß zur Erhaltung und Her- stellung der Klarheit seiner Jdeen, der Reinheit seiner Gefühle, der Heiterkeit und des Frohsinns, eine tüchtige Turnbewegung genügt; daß das Turnen durch erhöhtes Lebens-Gefühl mit der Gegenwart aussöhnt, daß jene Unzufriedenheit und Blasirtheit, jener Weltschmerz, jene Sehnsucht nach der Ferne, nach Unerreichbarem, jene Krankheit unserer Zeit, die allen frischen Lebensgenuß stört und verdirbt, durch Turnen am sichersten und schnellsten gebessert und geheilt wird, und dafür ein freies offenes Wesen an die Stelle tritt. Jeder ältere Turner kennt den wohlthätigen Einfluß auf Digestion,
noch Aequilibriſten werden, auch nicht die Zartheit der Empfindung vertauſchen gegen keckes, kühnes Weſen, aber wohl könnte es Noth thun, der künftigen Hausfrau, Gattin und Mutter Muth, Geiſtesgegenwart und Ent- ſchloſſenheit anzuerziehen. Jſt nicht in den verſchiedenen Wechſelfällen eines bewegten Lebens der Frau geiſtige Kraft eben ſo nöthig wie dem Manne? ſind nicht den Mädchen und Frauen Prüfungen und Leiden in eben dem Maße vorbehalten wie dem Manne, bedürfen ſie nicht eben ſo ſehr der Anfriſchung, Erheiterung und Be- lebung, eines hellen, ſtarken, heiteren Geiſtes, eines ge- ſunden Körpers, und aller geiſtigen Hülfsmittel wie der Mann? (Miß Wright.)
Durch zweckmäßig geleitete Turnübungen bilden ſich aber gerade Wille und Thatkraft, Entſchloſſenheit und Sicherheit, Muth und Gewandtheit (Eigenſchaften des Geiſtes und des Körpers) überhaupt der geſunde Geiſt im geſunden Körper aus; durch Turnen wird das Leben reicher, die Lebenserſcheinungen vermehrt und verbeſſert, das Turnen hat einen unverkennbaren Einfluß auf das Nervenſyſtem, und ſomit auf alle Funktionen des Gei- ſtes. Nicht allein alle Eindrücke, die durch äußere Sinne zum Gehirn gelangen, ſondern auch die Thätigkeiten des inneren Sinnes werden geſchärft und verſtärkt.
Wer in ſpäteren Jahren geturnt hat, wird die Er- fahrung gemacht haben, daß zur Erhaltung und Her- ſtellung der Klarheit ſeiner Jdeen, der Reinheit ſeiner Gefühle, der Heiterkeit und des Frohſinns, eine tüchtige Turnbewegung genügt; daß das Turnen durch erhöhtes Lebens-Gefühl mit der Gegenwart ausſöhnt, daß jene Unzufriedenheit und Blaſirtheit, jener Weltſchmerz, jene Sehnſucht nach der Ferne, nach Unerreichbarem, jene Krankheit unſerer Zeit, die allen friſchen Lebensgenuß ſtört und verdirbt, durch Turnen am ſicherſten und ſchnellſten gebeſſert und geheilt wird, und dafür ein freies offenes Weſen an die Stelle tritt. Jeder ältere Turner kennt den wohlthätigen Einfluß auf Digeſtion,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0107"n="103"/>
noch Aequilibriſten werden, auch nicht die Zartheit der<lb/>
Empfindung vertauſchen gegen keckes, kühnes Weſen, aber<lb/>
wohl könnte es Noth thun, der künftigen Hausfrau,<lb/>
Gattin und Mutter Muth, Geiſtesgegenwart und Ent-<lb/>ſchloſſenheit anzuerziehen. Jſt nicht in den verſchiedenen<lb/>
Wechſelfällen eines bewegten Lebens der Frau geiſtige<lb/>
Kraft eben ſo nöthig wie dem Manne? ſind nicht den<lb/>
Mädchen und Frauen Prüfungen und Leiden in eben<lb/>
dem Maße vorbehalten wie dem Manne, bedürfen ſie<lb/>
nicht eben ſo ſehr der Anfriſchung, Erheiterung und Be-<lb/>
lebung, eines hellen, ſtarken, heiteren Geiſtes, eines ge-<lb/>ſunden Körpers, und aller geiſtigen Hülfsmittel wie der<lb/>
Mann? (Miß Wright.)</p><lb/><p>Durch zweckmäßig geleitete Turnübungen bilden ſich<lb/>
aber gerade Wille und Thatkraft, Entſchloſſenheit und<lb/>
Sicherheit, Muth und Gewandtheit (Eigenſchaften des<lb/>
Geiſtes und des Körpers) überhaupt der geſunde Geiſt<lb/>
im geſunden Körper aus; durch Turnen wird das Leben<lb/>
reicher, die Lebenserſcheinungen vermehrt und verbeſſert,<lb/>
das Turnen hat einen unverkennbaren Einfluß auf das<lb/>
Nervenſyſtem, und ſomit auf alle Funktionen des Gei-<lb/>ſtes. Nicht allein alle Eindrücke, die durch äußere<lb/>
Sinne zum Gehirn gelangen, ſondern auch die Thätigkeiten<lb/>
des inneren Sinnes werden geſchärft und verſtärkt.</p><lb/><p>Wer in ſpäteren Jahren geturnt hat, wird die Er-<lb/>
fahrung gemacht haben, daß zur Erhaltung und Her-<lb/>ſtellung der Klarheit ſeiner Jdeen, der Reinheit ſeiner<lb/>
Gefühle, der Heiterkeit und des Frohſinns, eine tüchtige<lb/>
Turnbewegung genügt; daß das Turnen durch erhöhtes<lb/>
Lebens-Gefühl mit der Gegenwart ausſöhnt, daß jene<lb/>
Unzufriedenheit und Blaſirtheit, jener Weltſchmerz, jene<lb/>
Sehnſucht nach der Ferne, nach Unerreichbarem, jene<lb/>
Krankheit unſerer Zeit, die allen friſchen Lebensgenuß<lb/>ſtört und verdirbt, durch Turnen am ſicherſten und<lb/>ſchnellſten gebeſſert und geheilt wird, und dafür ein<lb/>
freies offenes Weſen an die Stelle tritt. Jeder ältere<lb/>
Turner kennt den wohlthätigen Einfluß auf Digeſtion,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[103/0107]
noch Aequilibriſten werden, auch nicht die Zartheit der
Empfindung vertauſchen gegen keckes, kühnes Weſen, aber
wohl könnte es Noth thun, der künftigen Hausfrau,
Gattin und Mutter Muth, Geiſtesgegenwart und Ent-
ſchloſſenheit anzuerziehen. Jſt nicht in den verſchiedenen
Wechſelfällen eines bewegten Lebens der Frau geiſtige
Kraft eben ſo nöthig wie dem Manne? ſind nicht den
Mädchen und Frauen Prüfungen und Leiden in eben
dem Maße vorbehalten wie dem Manne, bedürfen ſie
nicht eben ſo ſehr der Anfriſchung, Erheiterung und Be-
lebung, eines hellen, ſtarken, heiteren Geiſtes, eines ge-
ſunden Körpers, und aller geiſtigen Hülfsmittel wie der
Mann? (Miß Wright.)
Durch zweckmäßig geleitete Turnübungen bilden ſich
aber gerade Wille und Thatkraft, Entſchloſſenheit und
Sicherheit, Muth und Gewandtheit (Eigenſchaften des
Geiſtes und des Körpers) überhaupt der geſunde Geiſt
im geſunden Körper aus; durch Turnen wird das Leben
reicher, die Lebenserſcheinungen vermehrt und verbeſſert,
das Turnen hat einen unverkennbaren Einfluß auf das
Nervenſyſtem, und ſomit auf alle Funktionen des Gei-
ſtes. Nicht allein alle Eindrücke, die durch äußere
Sinne zum Gehirn gelangen, ſondern auch die Thätigkeiten
des inneren Sinnes werden geſchärft und verſtärkt.
Wer in ſpäteren Jahren geturnt hat, wird die Er-
fahrung gemacht haben, daß zur Erhaltung und Her-
ſtellung der Klarheit ſeiner Jdeen, der Reinheit ſeiner
Gefühle, der Heiterkeit und des Frohſinns, eine tüchtige
Turnbewegung genügt; daß das Turnen durch erhöhtes
Lebens-Gefühl mit der Gegenwart ausſöhnt, daß jene
Unzufriedenheit und Blaſirtheit, jener Weltſchmerz, jene
Sehnſucht nach der Ferne, nach Unerreichbarem, jene
Krankheit unſerer Zeit, die allen friſchen Lebensgenuß
ſtört und verdirbt, durch Turnen am ſicherſten und
ſchnellſten gebeſſert und geheilt wird, und dafür ein
freies offenes Weſen an die Stelle tritt. Jeder ältere
Turner kennt den wohlthätigen Einfluß auf Digeſtion,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/107>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.