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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Anmerkungen.


1) Bin die Wila nicht, die Wolken sammlet.
Die Wila, eine gespenstige Bergfrau, scheint aus
der altslavischen Mythologie den Christlich-Gläubigen über-
blieben zu seyn. Sie ist jung und schön, mit langem, flie-
gendem Haar, und luftig-weißem Gewande. Die Sage
schreibt ihr den Charakter unsrer Elementargeister zu: seelen-
los, aber bösartig und rachsüchtig nur gegen die, welche sie
einmal beleidigt haben, stets jedoch hartnäckig und willkühr-
lich. Aus vorliegendem Gedichte erfahren wir, daß ihr der
Volksglaube die Macht zuschreibt, Wolken zu sammeln.
Sonst sehen wir sie als Aerztin, auch als Prophetin auftre-
ten; jederzeit aber zudringlich sich in menschliche Angelegen-
heiten mischend, bald neugierig theilnehmend, bald lieblos
und schadenfroh. Ihre Schönheit, und ihre Schnel-
ligkeit
bieten am oftesten Stoff zu, von ihr entlehnten,
Bildern. "Schön wie des Waldgebirges Wila" kommt
oft vor. Ein ausgezeichnet schnelles Roß ist "ein Wilen-
roß." -- Die Fantasie des Serben bevölkert mit diesen luf-
tigen Wesen Felsgestade, Berge und Wälder. Er sieht sie
versammelt ihr Mahl halten, und ihre Ringeltänze auf-
führen.


Anmerkungen.


1) Bin die Wila nicht, die Wolken sammlet.
Die Wila, eine gespenstige Bergfrau, scheint aus
der altslavischen Mythologie den Christlich-Gläubigen über-
blieben zu seyn. Sie ist jung und schön, mit langem, flie-
gendem Haar, und luftig-weißem Gewande. Die Sage
schreibt ihr den Charakter unsrer Elementargeister zu: seelen-
los, aber bösartig und rachsüchtig nur gegen die, welche sie
einmal beleidigt haben, stets jedoch hartnäckig und willkühr-
lich. Aus vorliegendem Gedichte erfahren wir, daß ihr der
Volksglaube die Macht zuschreibt, Wolken zu sammeln.
Sonst sehen wir sie als Aerztin, auch als Prophetin auftre-
ten; jederzeit aber zudringlich sich in menschliche Angelegen-
heiten mischend, bald neugierig theilnehmend, bald lieblos
und schadenfroh. Ihre Schönheit, und ihre Schnel-
ligkeit
bieten am oftesten Stoff zu, von ihr entlehnten,
Bildern. „Schön wie des Waldgebirges Wila“ kommt
oft vor. Ein ausgezeichnet schnelles Roß ist „ein Wilen-
roß.“ — Die Fantasie des Serben bevölkert mit diesen luf-
tigen Wesen Felsgestade, Berge und Wälder. Er sieht sie
versammelt ihr Mahl halten, und ihre Ringeltänze auf-
führen.
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[[271]/0337] Anmerkungen. ¹⁾ Bin die Wila nicht, die Wolken sammlet. Die Wila, eine gespenstige Bergfrau, scheint aus der altslavischen Mythologie den Christlich-Gläubigen über- blieben zu seyn. Sie ist jung und schön, mit langem, flie- gendem Haar, und luftig-weißem Gewande. Die Sage schreibt ihr den Charakter unsrer Elementargeister zu: seelen- los, aber bösartig und rachsüchtig nur gegen die, welche sie einmal beleidigt haben, stets jedoch hartnäckig und willkühr- lich. Aus vorliegendem Gedichte erfahren wir, daß ihr der Volksglaube die Macht zuschreibt, Wolken zu sammeln. Sonst sehen wir sie als Aerztin, auch als Prophetin auftre- ten; jederzeit aber zudringlich sich in menschliche Angelegen- heiten mischend, bald neugierig theilnehmend, bald lieblos und schadenfroh. Ihre Schönheit, und ihre Schnel- ligkeit bieten am oftesten Stoff zu, von ihr entlehnten, Bildern. „Schön wie des Waldgebirges Wila“ kommt oft vor. Ein ausgezeichnet schnelles Roß ist „ein Wilen- roß.“ — Die Fantasie des Serben bevölkert mit diesen luf- tigen Wesen Felsgestade, Berge und Wälder. Er sieht sie versammelt ihr Mahl halten, und ihre Ringeltänze auf- führen.

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. [271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/337>, abgerufen am 12.05.2024.