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Wiener Zeitung. Nr. 278. [Wien], 21. November 1850.

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[Beginn Spaltensatz] wegen des Ablebens der Königin ohne Thronrede. Jede
Kammer trat daher zur festgesetzten Stunde in ihrem Local
zusammen, um sofort ihre Arbeiten zu beginnen. Der
Senat hat eine Commission ernannt, welche Sr. Maje-
stät dem Könige eine Condolenz=Adresse überreichen soll.
Jn der Deputirtenkammer wurden die Commissionen zur
Prüfung der Vollmachten gewählt und auf ihren Antrag
sämmtliche Wahlen, mit Ausnahme einer einzigen, über
welche die Kammer entscheiden wird, für gültig erklärt.
-- Zur Widerlegung mannigfacher Gerüchte erklärt die
"Jndependance" aufs bestimmteste, daß keine Unterhand-
lungen zwischen der Regierung und dem päpstl. Nuncius
wegen Errichtung eines Belgischen Truppen=Corps für
den Dienst des Papstes Statt gefunden haben.

-- Jn der heutigen Senatssitzung ward die Beileids-
Adresse an den König verlesen und einmüthig genehmigt,
worauf die Ernennung der Commissionen folgte, welche
die Gesetzentwürfe, die dem Senate vorgelegt werden,
zu prüfen und darüber zu berichten haben. -- Die De-
putirtenkammer hat heute ihr Bureau gebildet und Herrn
Verhaegen abermals zum Präsidenten gewählt. Auch die
früheren Vice=Präsidenten, Secretäre und Quästoren
wurden wieder gewählt. Die Kammer ernannte sodann
eine Commission, welche eine Beileids=Adresse an den
König entwerfen soll, bei deren Ueberreichung sämmtliche
Mitglieder sich der Commission anschließen werden.

-- Nach Belgischem Gesetze mußte für den Herzog von
Brabant, den Grafen von Flandern und die Prinzessin
Charlotte ein Gegenvormund ernannt werden. Es trat
deshalb gestern ein Familienrath zusammen, der einstim-
mig Se. k. Hoheit den Prinzen Ludwig Raphael von
Orleans, Herzog von Nemours, zum Gegenvormunde
der k. Kinder ernannte.

Rußland.

St. Petersburg, 25. Oct. ( 6. Nov. ) . Se. Ma-
jestät der Kaiser hat nachstehenden Urtheilsspruch des
Kriegsgerichts zu bestätigen geruht:

Der frühere Chef des Militär=Bezirks von Dsharo-
Belokani und der ganzen Lesginschen Cordonlinie, Armee-
General=Lieutenant Schwarz I., wird wegen Mißbrauchs
seiner Amtsgewalt und grausamer Behandlung der Sol-
daten, vom Dienste ausgeschlossen, mit dem Verbote
später wieder angestellt zu werden; der stellvertretende
Commandant der Festung Nowosäkataly, Major vom
7ten Grusischen Linien=Bataillon Petschkowski II. und
der frühere Platz=Major der genannten Festung, Armee-
Major Gribewski, werden, wegen grausamer Behand-
lung der Soldaten, degradirt, des Adels und ihrer Or-
den für verlustig erklärt und zu zehnjähriger Festungs-
strafe verurtheilt. Der frühere Präses des Kriegsgerichts
in der Festung Nowosakataly, Armee=Oberstlieutenant
Aßejew I., wird vom Dienste ausgeschlossen und zu zwei-
monatlicher Haft in den Kasematten einer Festung ver-
urtheilt, weil er bei dem kriegsgerichtlichen Verfahren
die bei der Einleitung der Untersuchung in dieser nämli-
chen Sache begangenen Grausamkeiten absichtlich ver-
heimlicht hat.

-- Durch den Seewind wurde vorgestern das Newa-
eis, das sich vor acht Tagen oberhalb des Newski=Klo-
sters festgesetzt hatte, theilweise in Bewegung gebracht,
so daß die Jsaaksbrücke, die am Sonntage aufgestellt
war, wieder abgelassen werden mußte.

Dänemark.

Kopenhagen, 14. November. Die "Berling'sche
Zeitung" theilt die Antwort der Statthalterschaft auf
die Waffenstillstandsvorschläge des Preußischen Generals
Hahn mit und bezeichnet sie als ein Actenstück politischen
Wahnwitzes, aufrührerischer Hartnäckigkeit und Unver-
schämtheit und ohnmächtigen Trotzes gegen den Willen der
Großmächte und Dänemarks Recht.

-- Die erste Behandlung des Einkommensteuergesetzes
wurde in der vorgestrigen und gestrigen Sitzung des
Volksthings noch nicht beendigt. Die Verhandlungen
werden heute fortgesetzt.

-- Vier gefangene Schleswig=Holsteiner, welche von
den Schiffen durch Schwimmen entkommen sind, wur-
den bei Vordingburg wieder ergriffen.

-- Die "Berling'sche Zeitung" theilt eine Uebersicht
über den Status der hiesigen Nationalbank mit, dem wir
Folgendes entnehmen: Nach den veröffentlichten Rech-
nungsbelegen betragen die Actien der Bank 41 Mill.
151.444 Rbthlr., die Passiva dagegen 25.992.232 Rbthlr.
Demnach hatte die Bank am Schlusse des Bankjahres
( den 31. Juli 1850 ) ein Vermögen von 15.159.212 Rbthlr.,
wovon das Capital der Actionäre 13.461.961 Rbthlr.
ausmachte, und die übrigen 1.697.251 Rbthlr. Ueber-
schuß der Bank waren. Der Gewinn der Bank im vori-
gen Jahre machte, nach Abzug der Unkosten 980.000 Rbthlr.
aus, worunter 40.000 Rbthlr., welche die Bank in Pro-
vision für Dänisch=Englische 5percent. Anleihe im Jahre
[Spaltenumbruch] 1849 empfing. -- Der Gewinn, ausgenommen diese
extra ordinäre Einnahme, war also noch 940.000 Rbthlr.,
oder 7 Thaler pr. Actie. -- Seit dem bedeutenden Um-
satze der Bank auf London hat sie bedeutend gewonnen,
und zwar im vorhergehenden Jahre allein dadurch
56.327 Rbthlr.; dagegen hat die Bank durch Umsätze
im Hamburger Banco 11.800 Rbthlr. verloren. -- Die
Unkosten bei Ausmünzung von Silber und bei Einkäufen
von gemünztem Silber in Hamburg betrugen nicht we-
niger als 37.000 Rbthlr.; die Emittirung von Zetteln
( Bankscheinen ) kostete 27.511 Rbthlr. Für eingeschmolze-
nes Kupfergeld, welches eingelöst worden, befinden sich
auf dem Ueberschuß=Conto 10.766 Rbthlr. -- Die Ac-
tiva der Bank bestehen in: 1. ein Rest älterer 3 [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]pctger.
königlicher Obligationen zum Betrage von 5.954.000
Rbthlr.; 2. in Anleihen gegen empfangenes Pfand
9.620.000 Rbthlr.; 3. in Obligationen gegen Pfand in
festem Eigenthum 3.356.000 Rbthlr.; 4. in discontirten
Wechseln 6.300.000 Rbthlr.; 5. bei dem Bank=Comptoir in
Aarhuus 3.400.000 Rbthlr.; 6. in Silberbarren 3.000.000
Rbthlr.; 7. in Kassenbeständen 6.372.000 Rbthlr, und
außerdem noch in Guthaben bei Correspondenten in Lon-
don 1.700.000 Rbthlr. u. s. w. -- Die Passiva beste-
hen hauptsächlich in 20 Millionen Bankscheinen, circa
für2 1 / 2 Millionen nicht kündbare Obligationen; für
circa 3 / 4 Millionen Rbthlr. gemachter Anleihen und
Schulden an das Finanz=Ministerium circa 2 1 / 4 Mil-
lionen. -- Jm Laufe des Jahres hat die Bank 247.000
Rbthlr. auf protestirte Wechsel abbezahlt. -- Bei dem
Abschlusse des Jahres machten die Cassendestände der
Bank 2.655.000 Rbthlr. mehr aus, wie im vorhergehen-
den Jahre, und der Bestand der Bank in barer Silber-
valuta betrug 14 Millionen Rbthlr.

-- Berichte aus Reval vom 1. November melden,
daß das Russische Regierungs=Dampfschiff "Peterhoff"
an der Jnsel Oesel gestrandet ist, doch hoffte man, es
mit Hilfe eines oder zweier Dampfschiffe, die durch einen
nach Petersburg gesandten Courier requirirt werden soll-
ten, wieder abzubringen, da es nur wenig leck.

Schweden und Norwegen.

Dem Preußischen Minister Brassier de St. Simon
sind eine Menge von ihm eingeführter Waaren beim Zoll-
hause mit Beschlag belegt.

-- Die Stadt Upsala hat beschlossen, sich nicht von
der Landseite abzusperren und nur bei Flötsund Wachen
gegen die Cholera aufzustellen.

Christiania, 8. November. Nachdem die Stor-
thingwahlen geschlossen, zeigt sich, daß in Folge der de-
mokratischen Agitation die juristischen Beamten, die bei
dem Mangel größerer Städte und des Uebergewichts der
weitvertheilten, theils sehr isolirten Landbevölkerung vor-
zugsweise die Jntelligenz, Bildung und Verwaltungs-
kunde repräsentiren, von 23 Mitgliedern, welche im letz-
ten Storthing saßen, auf 10 gesunken sind; die Zahl der
Kaufleute, 13 bis 14, ist sich gleich geblieben, ebenso die
der Hofbesitzer, 1848: 29, 1850: 31. Von Geistlichen
zählt der frühere Storthing 16, der jetzige 12. Dagegen
hat der neue Storthing zum ersten Male 10 Handwer-
ker. Es sind in 106 Wahlen im Ganzen nur 65 Mitglie-
der des alten Storthing wieder gewählt.

-- Die Zahl der Cholerafälle in Christiania beträgt
im Ganzen seit mehr als einem Monat ( 4. October bis
7. November ) nur 102, davon nicht ein Viertel ( 25 ) To-
desfälle. Gestern sind aus Stadt und Vorstädten nur 8
zugekommen.     ( Börsenhalle. )



Oeffentliche Gerichts=Verhandlungen.

Vor dem Bezirks=Collegialgerichte kam gestern ( den
20sten ) eine schon einmal anberaumte und vertagte Ver-
handlung wegen Wucher vor. Das Publicum hatte sich
sehr zahlreich eingefunden, und folgte derselben, während
ihrer ganzen 5stündigen Dauer mit ungetheilter Aufmerk-
samkeit.

Nach der Verlesung des Verweisungs=Erkenntnisses
wurden die drei Angeklagten, so wie die Zeugen vernom-
men, und es ergab sich aus deren Aussagen folgender
Thatbestand:

Joseph Z., Jnhaber einer Erziehungsanstalt, bedurfte
zur Unternehmung eines Geschäftes Geld, er wendete sich
deshalb an seinen Freund H., und bat ihn, bis auf den
24. April d. J. ihm 600 fl. C. M. zu borgen, welche
er in einem halben Jahre mit den landesüblichen Zinsen
zurückerstatten wolle. Dieser, der kein bares Geld hatte,
sandte ihm den Wechselsensal B., welcher dem Z. ver-
sprach, ihm gegen Ausstellung eines Wechsels diese Sum-
me von dem Privatier Johann P. zu schaffen. Z. ging
darauf ein, unterschrieb einen auf 600 fl. C. M. lauten-
den Wechsel, so wie eine Erklärung, nach welcher diese
Summe auf eine ihm gehörige Realität intabulirt wer-
den konnte, und übergab beide Documente dem B., wel-
[Spaltenumbruch] cher sie an P. überbrachte, worauf ihm dieser 511 fl.
C. M. auszahlte, nachdem er den Wechsel hatte intabu-
liren lassen, wofür er etwa 8 fl. C. M. bezahlt hatte.
Auch hatte P. den Z. befragen lassen, ob er das Accept
als echt anerkenne, welches dieser bejahte.

Damit aber der ganze Handel das Ansehen eines Kauf-
geschäftes gewinne, mußte H. sich auf dem Wechsel als
Aussteller und Girantunterschreiben, wofür ihm B. 30 fl.
zahlte, für seine eigene dabei gehabte Mühe behielt er
sich weitere 40 fl. und brachte den Rest von 441 fl. dem Z.,
welcher jedoch die Annahme des Geldes verweigerte, da
der Termin bereits verstrichen und ihm indessen Geld
eingegangen war. B. ging darauf mit dem Gelde fort
und vergebens wartete Z. auf die Rückgabe seines Accep-
tes. Da diese nicht erfolgte, machte er beim hiesigen
Magistrate die Anzeige, welches die Sache an das Lan-
desgericht zur weitern Untersuchung beförderte.

Schon am Anfange derselben gab H. die 30 fl. zurück,
P. verzichtete auf jeden weitern Ersatz und auch B. ver-
sprach die Rückgabe der 40 fl.

Der Herr Staatsanwalt Dr. List erachtet in seiner
Ausführung, daß der vorliegende Fall als Wucher am
Capitale zu betrachten sei, da das Geld als Darlehen
aufgenommen wurde. Der vorgeschützte Kauf des Wech-
sels sei augenscheinlich nur ein Scheingeschäft, um die
gesetzlichen Folgen zu vermeiden. Das Geld könne nicht
als Waare betrachtet und verkauft werden. Er klagt P.
des Vergehens des Wuchers B. und H. der Mitschuld an dem-
selben an. Das Gesetz bestimme nun, daß derjenige, der
einen solchen Wucher begangen, mit dem vierten Theile der
ganzen geliehenen Summe bestraft werden solle, die Mit-
schuldigen sind mit dem vierfachen Betrage des ihnen zugefal-
lenen Gewinnes zu bestrafen, es würden daher auf P. 150 fl.
C. M., auf B. 160 fl. C. M. und auf H. 120 fl.
C. M. entfallen. Er glaube jedoch, daß bei dem Wu-
cher auch Erschwerungs= und Milderungsumstände be-
rücksichtiget werden sollen. Letztere seien in dem vorlie-
genden Falle vorhanden, die Angeklagten haben bis-
her einen tadellosen Lebenswandel geführt und sind
bei dem ganzen Vorgange der Ueberzeugung gewe-
sen, daß sie keine strafbare Handlung begehen;
wenn auch Unkenntniß der Gesetze nicht entschuldige,
so müsse sie doch in dem vorliegenden Falle be-
rücksichtigt werden, er halte daher die Anwendung des
§. 48 des St. G. B. II. für statthaft und trägt auf die
Bestrafung des P. mit 100 fl., des B. mit 80 fl. und
des H. mit 40 fl. an.

Der Vertheidiger der Angeklagten, Herr Dr. Finger,
verlangt in Berücksichtigung des von dem Staatsanwalte
selbst erwähnten Umstandes, daß die Angeklagten die all-
gemein verbreitete Meinung theilten, daß ein solches Ver-
fahren nicht strafbar sei, die Lossprechung derselben oder
wenigstens im Falle der Verurtheilung eine mildere Strafe.

Das Gericht schließt sich jedoch in seinem Urtheile dem
Antrage des Staatsanwaltes an.



Am 18ten fand in Gratz die erste Schwurgerichts-
sitzung Statt. Die Verhandlung, die wir ausführlich
mittheilen werden, betraf die des Kindesmordes ange-
klagte ledige 20jährige Magd, Rosalia Gartner.

Am 11ten ( an welchem Tage zu Cilli die erste Schwur-
gerichtssitzung Statt fand ) wurden auch zu Neutit-
schein
in Mähren die ersten Oesterreichischen Assisen
eröffnet.

Der Herr Landesgerichts=Präsident v. Fleschenberg
eröffnete die Sitzung mit einer Rede, in der das große
Werk der neuen Strafgesetzordnung und besonders des
Geschwornengerichts herausgehoben und dargestellt wurde,
welche Riesenfortschritte unser theures Vaterland auf dem
betretenen Wege bereits gethan habe. Auch der Staats-
anwalt, Hr. Dr. Beck, sprach sich in gleichem Sinne
aus, und deutete auf die Wichtigkeit der Staatsanwalt-
schaft hin, als die Achse, um die sich das neue Gerichts-
verfahren bewegt.

Hierauf wurde nach den vorgeschriebenen Normen die
Beeidigung der Geschwornen vorgenommen, und zur er-
sten Verhandlung, jedoch bei geschlossenen Thüren geschrit-
ten, da es sich um das Verbrechen des stuprum violentum
handelte.

Der Ausspruch der Geschwornen lautete nach kurzer
Berathung mit Stimmeneinhelligkeit auf "Schuldig."

Der Gerichtshof minderte den auf 5jährigen schweren
Kerker lautenden Antrag der Staatsanwaltschaft aus
Rücksicht für die ganz vernachlässigte Erziehung und son-
stige Unbescholtenheit des Angeklagten auf zweijährigen
schweren Kerker.

Nachdem hierauf sowohl von dem Herrn Präsidenten,
als auch von dem Hrn. Staatsanwalte den Geschwor-
nen für ihre Ausdauer und ihre Haltung lobende Aner-
kennung gezollt worden war, wurde die Sitzung zur
Behandlung eines weitern Falles ( Kindesmord ) vertagt.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur Dr. Leopold Schweitzer. -- Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

[Beginn Spaltensatz] wegen des Ablebens der Königin ohne Thronrede. Jede
Kammer trat daher zur festgesetzten Stunde in ihrem Local
zusammen, um sofort ihre Arbeiten zu beginnen. Der
Senat hat eine Commission ernannt, welche Sr. Maje-
stät dem Könige eine Condolenz=Adresse überreichen soll.
Jn der Deputirtenkammer wurden die Commissionen zur
Prüfung der Vollmachten gewählt und auf ihren Antrag
sämmtliche Wahlen, mit Ausnahme einer einzigen, über
welche die Kammer entscheiden wird, für gültig erklärt.
— Zur Widerlegung mannigfacher Gerüchte erklärt die
„Jndependance“ aufs bestimmteste, daß keine Unterhand-
lungen zwischen der Regierung und dem päpstl. Nuncius
wegen Errichtung eines Belgischen Truppen=Corps für
den Dienst des Papstes Statt gefunden haben.

— Jn der heutigen Senatssitzung ward die Beileids-
Adresse an den König verlesen und einmüthig genehmigt,
worauf die Ernennung der Commissionen folgte, welche
die Gesetzentwürfe, die dem Senate vorgelegt werden,
zu prüfen und darüber zu berichten haben. — Die De-
putirtenkammer hat heute ihr Bureau gebildet und Herrn
Verhaegen abermals zum Präsidenten gewählt. Auch die
früheren Vice=Präsidenten, Secretäre und Quästoren
wurden wieder gewählt. Die Kammer ernannte sodann
eine Commission, welche eine Beileids=Adresse an den
König entwerfen soll, bei deren Ueberreichung sämmtliche
Mitglieder sich der Commission anschließen werden.

— Nach Belgischem Gesetze mußte für den Herzog von
Brabant, den Grafen von Flandern und die Prinzessin
Charlotte ein Gegenvormund ernannt werden. Es trat
deshalb gestern ein Familienrath zusammen, der einstim-
mig Se. k. Hoheit den Prinzen Ludwig Raphael von
Orleans, Herzog von Nemours, zum Gegenvormunde
der k. Kinder ernannte.

Rußland.

St. Petersburg, 25. Oct. ( 6. Nov. ) . Se. Ma-
jestät der Kaiser hat nachstehenden Urtheilsspruch des
Kriegsgerichts zu bestätigen geruht:

Der frühere Chef des Militär=Bezirks von Dsharo-
Belokani und der ganzen Lesginschen Cordonlinie, Armee-
General=Lieutenant Schwarz I., wird wegen Mißbrauchs
seiner Amtsgewalt und grausamer Behandlung der Sol-
daten, vom Dienste ausgeschlossen, mit dem Verbote
später wieder angestellt zu werden; der stellvertretende
Commandant der Festung Nowosäkataly, Major vom
7ten Grusischen Linien=Bataillon Petschkowski II. und
der frühere Platz=Major der genannten Festung, Armee-
Major Gribewski, werden, wegen grausamer Behand-
lung der Soldaten, degradirt, des Adels und ihrer Or-
den für verlustig erklärt und zu zehnjähriger Festungs-
strafe verurtheilt. Der frühere Präses des Kriegsgerichts
in der Festung Nowosakataly, Armee=Oberstlieutenant
Aßejew I., wird vom Dienste ausgeschlossen und zu zwei-
monatlicher Haft in den Kasematten einer Festung ver-
urtheilt, weil er bei dem kriegsgerichtlichen Verfahren
die bei der Einleitung der Untersuchung in dieser nämli-
chen Sache begangenen Grausamkeiten absichtlich ver-
heimlicht hat.

— Durch den Seewind wurde vorgestern das Newa-
eis, das sich vor acht Tagen oberhalb des Newski=Klo-
sters festgesetzt hatte, theilweise in Bewegung gebracht,
so daß die Jsaaksbrücke, die am Sonntage aufgestellt
war, wieder abgelassen werden mußte.

Dänemark.

Kopenhagen, 14. November. Die „Berling'sche
Zeitung“ theilt die Antwort der Statthalterschaft auf
die Waffenstillstandsvorschläge des Preußischen Generals
Hahn mit und bezeichnet sie als ein Actenstück politischen
Wahnwitzes, aufrührerischer Hartnäckigkeit und Unver-
schämtheit und ohnmächtigen Trotzes gegen den Willen der
Großmächte und Dänemarks Recht.

— Die erste Behandlung des Einkommensteuergesetzes
wurde in der vorgestrigen und gestrigen Sitzung des
Volksthings noch nicht beendigt. Die Verhandlungen
werden heute fortgesetzt.

— Vier gefangene Schleswig=Holsteiner, welche von
den Schiffen durch Schwimmen entkommen sind, wur-
den bei Vordingburg wieder ergriffen.

— Die „Berling'sche Zeitung“ theilt eine Uebersicht
über den Status der hiesigen Nationalbank mit, dem wir
Folgendes entnehmen: Nach den veröffentlichten Rech-
nungsbelegen betragen die Actien der Bank 41 Mill.
151.444 Rbthlr., die Passiva dagegen 25.992.232 Rbthlr.
Demnach hatte die Bank am Schlusse des Bankjahres
( den 31. Juli 1850 ) ein Vermögen von 15.159.212 Rbthlr.,
wovon das Capital der Actionäre 13.461.961 Rbthlr.
ausmachte, und die übrigen 1.697.251 Rbthlr. Ueber-
schuß der Bank waren. Der Gewinn der Bank im vori-
gen Jahre machte, nach Abzug der Unkosten 980.000 Rbthlr.
aus, worunter 40.000 Rbthlr., welche die Bank in Pro-
vision für Dänisch=Englische 5percent. Anleihe im Jahre
[Spaltenumbruch] 1849 empfing. — Der Gewinn, ausgenommen diese
extra ordinäre Einnahme, war also noch 940.000 Rbthlr.,
oder 7 Thaler pr. Actie. — Seit dem bedeutenden Um-
satze der Bank auf London hat sie bedeutend gewonnen,
und zwar im vorhergehenden Jahre allein dadurch
56.327 Rbthlr.; dagegen hat die Bank durch Umsätze
im Hamburger Banco 11.800 Rbthlr. verloren. — Die
Unkosten bei Ausmünzung von Silber und bei Einkäufen
von gemünztem Silber in Hamburg betrugen nicht we-
niger als 37.000 Rbthlr.; die Emittirung von Zetteln
( Bankscheinen ) kostete 27.511 Rbthlr. Für eingeschmolze-
nes Kupfergeld, welches eingelöst worden, befinden sich
auf dem Ueberschuß=Conto 10.766 Rbthlr. — Die Ac-
tiva der Bank bestehen in: 1. ein Rest älterer 3 [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]pctger.
königlicher Obligationen zum Betrage von 5.954.000
Rbthlr.; 2. in Anleihen gegen empfangenes Pfand
9.620.000 Rbthlr.; 3. in Obligationen gegen Pfand in
festem Eigenthum 3.356.000 Rbthlr.; 4. in discontirten
Wechseln 6.300.000 Rbthlr.; 5. bei dem Bank=Comptoir in
Aarhuus 3.400.000 Rbthlr.; 6. in Silberbarren 3.000.000
Rbthlr.; 7. in Kassenbeständen 6.372.000 Rbthlr, und
außerdem noch in Guthaben bei Correspondenten in Lon-
don 1.700.000 Rbthlr. u. s. w. — Die Passiva beste-
hen hauptsächlich in 20 Millionen Bankscheinen, circa
für2 1 / 2 Millionen nicht kündbare Obligationen; für
circa 3 / 4 Millionen Rbthlr. gemachter Anleihen und
Schulden an das Finanz=Ministerium circa 2 1 / 4 Mil-
lionen. — Jm Laufe des Jahres hat die Bank 247.000
Rbthlr. auf protestirte Wechsel abbezahlt. — Bei dem
Abschlusse des Jahres machten die Cassendestände der
Bank 2.655.000 Rbthlr. mehr aus, wie im vorhergehen-
den Jahre, und der Bestand der Bank in barer Silber-
valuta betrug 14 Millionen Rbthlr.

— Berichte aus Reval vom 1. November melden,
daß das Russische Regierungs=Dampfschiff „Peterhoff“
an der Jnsel Oesel gestrandet ist, doch hoffte man, es
mit Hilfe eines oder zweier Dampfschiffe, die durch einen
nach Petersburg gesandten Courier requirirt werden soll-
ten, wieder abzubringen, da es nur wenig leck.

Schweden und Norwegen.

Dem Preußischen Minister Brassier de St. Simon
sind eine Menge von ihm eingeführter Waaren beim Zoll-
hause mit Beschlag belegt.

— Die Stadt Upsala hat beschlossen, sich nicht von
der Landseite abzusperren und nur bei Flötsund Wachen
gegen die Cholera aufzustellen.

Christiania, 8. November. Nachdem die Stor-
thingwahlen geschlossen, zeigt sich, daß in Folge der de-
mokratischen Agitation die juristischen Beamten, die bei
dem Mangel größerer Städte und des Uebergewichts der
weitvertheilten, theils sehr isolirten Landbevölkerung vor-
zugsweise die Jntelligenz, Bildung und Verwaltungs-
kunde repräsentiren, von 23 Mitgliedern, welche im letz-
ten Storthing saßen, auf 10 gesunken sind; die Zahl der
Kaufleute, 13 bis 14, ist sich gleich geblieben, ebenso die
der Hofbesitzer, 1848: 29, 1850: 31. Von Geistlichen
zählt der frühere Storthing 16, der jetzige 12. Dagegen
hat der neue Storthing zum ersten Male 10 Handwer-
ker. Es sind in 106 Wahlen im Ganzen nur 65 Mitglie-
der des alten Storthing wieder gewählt.

— Die Zahl der Cholerafälle in Christiania beträgt
im Ganzen seit mehr als einem Monat ( 4. October bis
7. November ) nur 102, davon nicht ein Viertel ( 25 ) To-
desfälle. Gestern sind aus Stadt und Vorstädten nur 8
zugekommen.     ( Börsenhalle. )



Oeffentliche Gerichts=Verhandlungen.

Vor dem Bezirks=Collegialgerichte kam gestern ( den
20sten ) eine schon einmal anberaumte und vertagte Ver-
handlung wegen Wucher vor. Das Publicum hatte sich
sehr zahlreich eingefunden, und folgte derselben, während
ihrer ganzen 5stündigen Dauer mit ungetheilter Aufmerk-
samkeit.

Nach der Verlesung des Verweisungs=Erkenntnisses
wurden die drei Angeklagten, so wie die Zeugen vernom-
men, und es ergab sich aus deren Aussagen folgender
Thatbestand:

Joseph Z., Jnhaber einer Erziehungsanstalt, bedurfte
zur Unternehmung eines Geschäftes Geld, er wendete sich
deshalb an seinen Freund H., und bat ihn, bis auf den
24. April d. J. ihm 600 fl. C. M. zu borgen, welche
er in einem halben Jahre mit den landesüblichen Zinsen
zurückerstatten wolle. Dieser, der kein bares Geld hatte,
sandte ihm den Wechselsensal B., welcher dem Z. ver-
sprach, ihm gegen Ausstellung eines Wechsels diese Sum-
me von dem Privatier Johann P. zu schaffen. Z. ging
darauf ein, unterschrieb einen auf 600 fl. C. M. lauten-
den Wechsel, so wie eine Erklärung, nach welcher diese
Summe auf eine ihm gehörige Realität intabulirt wer-
den konnte, und übergab beide Documente dem B., wel-
[Spaltenumbruch] cher sie an P. überbrachte, worauf ihm dieser 511 fl.
C. M. auszahlte, nachdem er den Wechsel hatte intabu-
liren lassen, wofür er etwa 8 fl. C. M. bezahlt hatte.
Auch hatte P. den Z. befragen lassen, ob er das Accept
als echt anerkenne, welches dieser bejahte.

Damit aber der ganze Handel das Ansehen eines Kauf-
geschäftes gewinne, mußte H. sich auf dem Wechsel als
Aussteller und Girantunterschreiben, wofür ihm B. 30 fl.
zahlte, für seine eigene dabei gehabte Mühe behielt er
sich weitere 40 fl. und brachte den Rest von 441 fl. dem Z.,
welcher jedoch die Annahme des Geldes verweigerte, da
der Termin bereits verstrichen und ihm indessen Geld
eingegangen war. B. ging darauf mit dem Gelde fort
und vergebens wartete Z. auf die Rückgabe seines Accep-
tes. Da diese nicht erfolgte, machte er beim hiesigen
Magistrate die Anzeige, welches die Sache an das Lan-
desgericht zur weitern Untersuchung beförderte.

Schon am Anfange derselben gab H. die 30 fl. zurück,
P. verzichtete auf jeden weitern Ersatz und auch B. ver-
sprach die Rückgabe der 40 fl.

Der Herr Staatsanwalt Dr. List erachtet in seiner
Ausführung, daß der vorliegende Fall als Wucher am
Capitale zu betrachten sei, da das Geld als Darlehen
aufgenommen wurde. Der vorgeschützte Kauf des Wech-
sels sei augenscheinlich nur ein Scheingeschäft, um die
gesetzlichen Folgen zu vermeiden. Das Geld könne nicht
als Waare betrachtet und verkauft werden. Er klagt P.
des Vergehens des Wuchers B. und H. der Mitschuld an dem-
selben an. Das Gesetz bestimme nun, daß derjenige, der
einen solchen Wucher begangen, mit dem vierten Theile der
ganzen geliehenen Summe bestraft werden solle, die Mit-
schuldigen sind mit dem vierfachen Betrage des ihnen zugefal-
lenen Gewinnes zu bestrafen, es würden daher auf P. 150 fl.
C. M., auf B. 160 fl. C. M. und auf H. 120 fl.
C. M. entfallen. Er glaube jedoch, daß bei dem Wu-
cher auch Erschwerungs= und Milderungsumstände be-
rücksichtiget werden sollen. Letztere seien in dem vorlie-
genden Falle vorhanden, die Angeklagten haben bis-
her einen tadellosen Lebenswandel geführt und sind
bei dem ganzen Vorgange der Ueberzeugung gewe-
sen, daß sie keine strafbare Handlung begehen;
wenn auch Unkenntniß der Gesetze nicht entschuldige,
so müsse sie doch in dem vorliegenden Falle be-
rücksichtigt werden, er halte daher die Anwendung des
§. 48 des St. G. B. II. für statthaft und trägt auf die
Bestrafung des P. mit 100 fl., des B. mit 80 fl. und
des H. mit 40 fl. an.

Der Vertheidiger der Angeklagten, Herr Dr. Finger,
verlangt in Berücksichtigung des von dem Staatsanwalte
selbst erwähnten Umstandes, daß die Angeklagten die all-
gemein verbreitete Meinung theilten, daß ein solches Ver-
fahren nicht strafbar sei, die Lossprechung derselben oder
wenigstens im Falle der Verurtheilung eine mildere Strafe.

Das Gericht schließt sich jedoch in seinem Urtheile dem
Antrage des Staatsanwaltes an.



Am 18ten fand in Gratz die erste Schwurgerichts-
sitzung Statt. Die Verhandlung, die wir ausführlich
mittheilen werden, betraf die des Kindesmordes ange-
klagte ledige 20jährige Magd, Rosalia Gartner.

Am 11ten ( an welchem Tage zu Cilli die erste Schwur-
gerichtssitzung Statt fand ) wurden auch zu Neutit-
schein
in Mähren die ersten Oesterreichischen Assisen
eröffnet.

Der Herr Landesgerichts=Präsident v. Fleschenberg
eröffnete die Sitzung mit einer Rede, in der das große
Werk der neuen Strafgesetzordnung und besonders des
Geschwornengerichts herausgehoben und dargestellt wurde,
welche Riesenfortschritte unser theures Vaterland auf dem
betretenen Wege bereits gethan habe. Auch der Staats-
anwalt, Hr. Dr. Beck, sprach sich in gleichem Sinne
aus, und deutete auf die Wichtigkeit der Staatsanwalt-
schaft hin, als die Achse, um die sich das neue Gerichts-
verfahren bewegt.

Hierauf wurde nach den vorgeschriebenen Normen die
Beeidigung der Geschwornen vorgenommen, und zur er-
sten Verhandlung, jedoch bei geschlossenen Thüren geschrit-
ten, da es sich um das Verbrechen des stuprum violentum
handelte.

Der Ausspruch der Geschwornen lautete nach kurzer
Berathung mit Stimmeneinhelligkeit auf „Schuldig.“

Der Gerichtshof minderte den auf 5jährigen schweren
Kerker lautenden Antrag der Staatsanwaltschaft aus
Rücksicht für die ganz vernachlässigte Erziehung und son-
stige Unbescholtenheit des Angeklagten auf zweijährigen
schweren Kerker.

Nachdem hierauf sowohl von dem Herrn Präsidenten,
als auch von dem Hrn. Staatsanwalte den Geschwor-
nen für ihre Ausdauer und ihre Haltung lobende Aner-
kennung gezollt worden war, wurde die Sitzung zur
Behandlung eines weitern Falles ( Kindesmord ) vertagt.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur Dr. Leopold Schweitzer. — Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

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[3522/0006] 3522 wegen des Ablebens der Königin ohne Thronrede. Jede Kammer trat daher zur festgesetzten Stunde in ihrem Local zusammen, um sofort ihre Arbeiten zu beginnen. Der Senat hat eine Commission ernannt, welche Sr. Maje- stät dem Könige eine Condolenz=Adresse überreichen soll. Jn der Deputirtenkammer wurden die Commissionen zur Prüfung der Vollmachten gewählt und auf ihren Antrag sämmtliche Wahlen, mit Ausnahme einer einzigen, über welche die Kammer entscheiden wird, für gültig erklärt. — Zur Widerlegung mannigfacher Gerüchte erklärt die „Jndependance“ aufs bestimmteste, daß keine Unterhand- lungen zwischen der Regierung und dem päpstl. 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Der frühere Präses des Kriegsgerichts in der Festung Nowosakataly, Armee=Oberstlieutenant Aßejew I., wird vom Dienste ausgeschlossen und zu zwei- monatlicher Haft in den Kasematten einer Festung ver- urtheilt, weil er bei dem kriegsgerichtlichen Verfahren die bei der Einleitung der Untersuchung in dieser nämli- chen Sache begangenen Grausamkeiten absichtlich ver- heimlicht hat. — Durch den Seewind wurde vorgestern das Newa- eis, das sich vor acht Tagen oberhalb des Newski=Klo- sters festgesetzt hatte, theilweise in Bewegung gebracht, so daß die Jsaaksbrücke, die am Sonntage aufgestellt war, wieder abgelassen werden mußte. Dänemark. Kopenhagen, 14. November. Die „Berling'sche Zeitung“ theilt die Antwort der Statthalterschaft auf die Waffenstillstandsvorschläge des Preußischen Generals Hahn mit und bezeichnet sie als ein Actenstück politischen Wahnwitzes, aufrührerischer Hartnäckigkeit und Unver- schämtheit und ohnmächtigen Trotzes gegen den Willen der Großmächte und Dänemarks Recht. — Die erste Behandlung des Einkommensteuergesetzes wurde in der vorgestrigen und gestrigen Sitzung des Volksthings noch nicht beendigt. Die Verhandlungen werden heute fortgesetzt. — Vier gefangene Schleswig=Holsteiner, welche von den Schiffen durch Schwimmen entkommen sind, wur- den bei Vordingburg wieder ergriffen. — Die „Berling'sche Zeitung“ theilt eine Uebersicht über den Status der hiesigen Nationalbank mit, dem wir Folgendes entnehmen: Nach den veröffentlichten Rech- nungsbelegen betragen die Actien der Bank 41 Mill. 151.444 Rbthlr., die Passiva dagegen 25.992.232 Rbthlr. Demnach hatte die Bank am Schlusse des Bankjahres ( den 31. Juli 1850 ) ein Vermögen von 15.159.212 Rbthlr., wovon das Capital der Actionäre 13.461.961 Rbthlr. ausmachte, und die übrigen 1.697.251 Rbthlr. Ueber- schuß der Bank waren. Der Gewinn der Bank im vori- gen Jahre machte, nach Abzug der Unkosten 980.000 Rbthlr. aus, worunter 40.000 Rbthlr., welche die Bank in Pro- vision für Dänisch=Englische 5percent. Anleihe im Jahre 1849 empfing. — Der Gewinn, ausgenommen diese extra ordinäre Einnahme, war also noch 940.000 Rbthlr., oder 7 Thaler pr. Actie. — Seit dem bedeutenden Um- satze der Bank auf London hat sie bedeutend gewonnen, und zwar im vorhergehenden Jahre allein dadurch 56.327 Rbthlr.; dagegen hat die Bank durch Umsätze im Hamburger Banco 11.800 Rbthlr. verloren. — Die Unkosten bei Ausmünzung von Silber und bei Einkäufen von gemünztem Silber in Hamburg betrugen nicht we- niger als 37.000 Rbthlr.; die Emittirung von Zetteln ( Bankscheinen ) kostete 27.511 Rbthlr. Für eingeschmolze- nes Kupfergeld, welches eingelöst worden, befinden sich auf dem Ueberschuß=Conto 10.766 Rbthlr. — Die Ac- tiva der Bank bestehen in: 1. ein Rest älterer 3 ______pctger. königlicher Obligationen zum Betrage von 5.954.000 Rbthlr.; 2. in Anleihen gegen empfangenes Pfand 9.620.000 Rbthlr.; 3. in Obligationen gegen Pfand in festem Eigenthum 3.356.000 Rbthlr.; 4. in discontirten Wechseln 6.300.000 Rbthlr.; 5. bei dem Bank=Comptoir in Aarhuus 3.400.000 Rbthlr.; 6. in Silberbarren 3.000.000 Rbthlr.; 7. in Kassenbeständen 6.372.000 Rbthlr, und außerdem noch in Guthaben bei Correspondenten in Lon- don 1.700.000 Rbthlr. u. s. w. — Die Passiva beste- hen hauptsächlich in 20 Millionen Bankscheinen, circa für2 1 / 2 Millionen nicht kündbare Obligationen; für circa 3 / 4 Millionen Rbthlr. gemachter Anleihen und Schulden an das Finanz=Ministerium circa 2 1 / 4 Mil- lionen. — Jm Laufe des Jahres hat die Bank 247.000 Rbthlr. auf protestirte Wechsel abbezahlt. — Bei dem Abschlusse des Jahres machten die Cassendestände der Bank 2.655.000 Rbthlr. mehr aus, wie im vorhergehen- den Jahre, und der Bestand der Bank in barer Silber- valuta betrug 14 Millionen Rbthlr. — Berichte aus Reval vom 1. November melden, daß das Russische Regierungs=Dampfschiff „Peterhoff“ an der Jnsel Oesel gestrandet ist, doch hoffte man, es mit Hilfe eines oder zweier Dampfschiffe, die durch einen nach Petersburg gesandten Courier requirirt werden soll- ten, wieder abzubringen, da es nur wenig leck. Schweden und Norwegen. Dem Preußischen Minister Brassier de St. Simon sind eine Menge von ihm eingeführter Waaren beim Zoll- hause mit Beschlag belegt. — Die Stadt Upsala hat beschlossen, sich nicht von der Landseite abzusperren und nur bei Flötsund Wachen gegen die Cholera aufzustellen. Christiania, 8. November. Nachdem die Stor- thingwahlen geschlossen, zeigt sich, daß in Folge der de- mokratischen Agitation die juristischen Beamten, die bei dem Mangel größerer Städte und des Uebergewichts der weitvertheilten, theils sehr isolirten Landbevölkerung vor- zugsweise die Jntelligenz, Bildung und Verwaltungs- kunde repräsentiren, von 23 Mitgliedern, welche im letz- ten Storthing saßen, auf 10 gesunken sind; die Zahl der Kaufleute, 13 bis 14, ist sich gleich geblieben, ebenso die der Hofbesitzer, 1848: 29, 1850: 31. Von Geistlichen zählt der frühere Storthing 16, der jetzige 12. Dagegen hat der neue Storthing zum ersten Male 10 Handwer- ker. Es sind in 106 Wahlen im Ganzen nur 65 Mitglie- der des alten Storthing wieder gewählt. — Die Zahl der Cholerafälle in Christiania beträgt im Ganzen seit mehr als einem Monat ( 4. October bis 7. November ) nur 102, davon nicht ein Viertel ( 25 ) To- desfälle. Gestern sind aus Stadt und Vorstädten nur 8 zugekommen. ( Börsenhalle. ) Oeffentliche Gerichts=Verhandlungen. Vor dem Bezirks=Collegialgerichte kam gestern ( den 20sten ) eine schon einmal anberaumte und vertagte Ver- handlung wegen Wucher vor. Das Publicum hatte sich sehr zahlreich eingefunden, und folgte derselben, während ihrer ganzen 5stündigen Dauer mit ungetheilter Aufmerk- samkeit. Nach der Verlesung des Verweisungs=Erkenntnisses wurden die drei Angeklagten, so wie die Zeugen vernom- men, und es ergab sich aus deren Aussagen folgender Thatbestand: Joseph Z., Jnhaber einer Erziehungsanstalt, bedurfte zur Unternehmung eines Geschäftes Geld, er wendete sich deshalb an seinen Freund H., und bat ihn, bis auf den 24. April d. J. ihm 600 fl. C. M. zu borgen, welche er in einem halben Jahre mit den landesüblichen Zinsen zurückerstatten wolle. Dieser, der kein bares Geld hatte, sandte ihm den Wechselsensal B., welcher dem Z. ver- sprach, ihm gegen Ausstellung eines Wechsels diese Sum- me von dem Privatier Johann P. zu schaffen. Z. ging darauf ein, unterschrieb einen auf 600 fl. C. M. lauten- den Wechsel, so wie eine Erklärung, nach welcher diese Summe auf eine ihm gehörige Realität intabulirt wer- den konnte, und übergab beide Documente dem B., wel- cher sie an P. überbrachte, worauf ihm dieser 511 fl. C. M. auszahlte, nachdem er den Wechsel hatte intabu- liren lassen, wofür er etwa 8 fl. C. M. bezahlt hatte. Auch hatte P. den Z. befragen lassen, ob er das Accept als echt anerkenne, welches dieser bejahte. Damit aber der ganze Handel das Ansehen eines Kauf- geschäftes gewinne, mußte H. sich auf dem Wechsel als Aussteller und Girantunterschreiben, wofür ihm B. 30 fl. zahlte, für seine eigene dabei gehabte Mühe behielt er sich weitere 40 fl. und brachte den Rest von 441 fl. dem Z., welcher jedoch die Annahme des Geldes verweigerte, da der Termin bereits verstrichen und ihm indessen Geld eingegangen war. B. ging darauf mit dem Gelde fort und vergebens wartete Z. auf die Rückgabe seines Accep- tes. Da diese nicht erfolgte, machte er beim hiesigen Magistrate die Anzeige, welches die Sache an das Lan- desgericht zur weitern Untersuchung beförderte. Schon am Anfange derselben gab H. die 30 fl. zurück, P. verzichtete auf jeden weitern Ersatz und auch B. ver- sprach die Rückgabe der 40 fl. Der Herr Staatsanwalt Dr. List erachtet in seiner Ausführung, daß der vorliegende Fall als Wucher am Capitale zu betrachten sei, da das Geld als Darlehen aufgenommen wurde. Der vorgeschützte Kauf des Wech- sels sei augenscheinlich nur ein Scheingeschäft, um die gesetzlichen Folgen zu vermeiden. Das Geld könne nicht als Waare betrachtet und verkauft werden. Er klagt P. des Vergehens des Wuchers B. und H. der Mitschuld an dem- selben an. Das Gesetz bestimme nun, daß derjenige, der einen solchen Wucher begangen, mit dem vierten Theile der ganzen geliehenen Summe bestraft werden solle, die Mit- schuldigen sind mit dem vierfachen Betrage des ihnen zugefal- lenen Gewinnes zu bestrafen, es würden daher auf P. 150 fl. C. M., auf B. 160 fl. C. M. und auf H. 120 fl. C. M. entfallen. Er glaube jedoch, daß bei dem Wu- cher auch Erschwerungs= und Milderungsumstände be- rücksichtiget werden sollen. Letztere seien in dem vorlie- genden Falle vorhanden, die Angeklagten haben bis- her einen tadellosen Lebenswandel geführt und sind bei dem ganzen Vorgange der Ueberzeugung gewe- sen, daß sie keine strafbare Handlung begehen; wenn auch Unkenntniß der Gesetze nicht entschuldige, so müsse sie doch in dem vorliegenden Falle be- rücksichtigt werden, er halte daher die Anwendung des §. 48 des St. G. B. II. für statthaft und trägt auf die Bestrafung des P. mit 100 fl., des B. mit 80 fl. und des H. mit 40 fl. an. Der Vertheidiger der Angeklagten, Herr Dr. Finger, verlangt in Berücksichtigung des von dem Staatsanwalte selbst erwähnten Umstandes, daß die Angeklagten die all- gemein verbreitete Meinung theilten, daß ein solches Ver- fahren nicht strafbar sei, die Lossprechung derselben oder wenigstens im Falle der Verurtheilung eine mildere Strafe. Das Gericht schließt sich jedoch in seinem Urtheile dem Antrage des Staatsanwaltes an. Am 18ten fand in Gratz die erste Schwurgerichts- sitzung Statt. Die Verhandlung, die wir ausführlich mittheilen werden, betraf die des Kindesmordes ange- klagte ledige 20jährige Magd, Rosalia Gartner. Am 11ten ( an welchem Tage zu Cilli die erste Schwur- gerichtssitzung Statt fand ) wurden auch zu Neutit- schein in Mähren die ersten Oesterreichischen Assisen eröffnet. Der Herr Landesgerichts=Präsident v. Fleschenberg eröffnete die Sitzung mit einer Rede, in der das große Werk der neuen Strafgesetzordnung und besonders des Geschwornengerichts herausgehoben und dargestellt wurde, welche Riesenfortschritte unser theures Vaterland auf dem betretenen Wege bereits gethan habe. Auch der Staats- anwalt, Hr. Dr. Beck, sprach sich in gleichem Sinne aus, und deutete auf die Wichtigkeit der Staatsanwalt- schaft hin, als die Achse, um die sich das neue Gerichts- verfahren bewegt. Hierauf wurde nach den vorgeschriebenen Normen die Beeidigung der Geschwornen vorgenommen, und zur er- sten Verhandlung, jedoch bei geschlossenen Thüren geschrit- ten, da es sich um das Verbrechen des stuprum violentum handelte. Der Ausspruch der Geschwornen lautete nach kurzer Berathung mit Stimmeneinhelligkeit auf „Schuldig.“ Der Gerichtshof minderte den auf 5jährigen schweren Kerker lautenden Antrag der Staatsanwaltschaft aus Rücksicht für die ganz vernachlässigte Erziehung und son- stige Unbescholtenheit des Angeklagten auf zweijährigen schweren Kerker. Nachdem hierauf sowohl von dem Herrn Präsidenten, als auch von dem Hrn. Staatsanwalte den Geschwor- nen für ihre Ausdauer und ihre Haltung lobende Aner- kennung gezollt worden war, wurde die Sitzung zur Behandlung eines weitern Falles ( Kindesmord ) vertagt. Verantwortlicher Redacteur Dr. Leopold Schweitzer. — Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Wiener Zeitung. Nr. 278. [Wien], 21. November 1850, S. 3522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_wiener278_1850/6>, abgerufen am 09.10.2024.