Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.5) Ein junges Mädchen hatte sich bis in ihr funfzehntes Jahr mit diesem Laster abgegeben, ohne eben, wie es bei Mädchen sehr oft der Fall ist, in eine wirkliche Krankheit zu fallen. Um diese Zeit aber fieng sie an, Krämpfe zu bekommen und sich übel zu befinden, welches man leicht andern Ursachen zuschrieb. Sie ward bald verheirathet und einige Aerzte versicherten, ihre Zufälle würden nun bald von selbst aufhören. Es ward aber immer ärger mit ihr. Sie bekam entweder heftige Zückungen, oder lag in einem betäubenden Schwindel. Man ließ einen Arzt kommen, der ein Vergehen argwöhnte, worüber ihr eigenes Geständniß ihm Gewißheit verschafte. Er that alles mögliche, aber sie war nicht zu retten. Sie litte unbeschreiblich viel, und ihr Tod sowol als die schreckliche Veranlaßung dazu war ein nagender Kummer für ihre gute Familie. Noch kenne ich zwei Wollüstlinge und fünf eigentliche Selbstschwächer. Jhre Lage ist nicht so schrecklich, aber sie leiden alle und vielleicht für sich weit mehr, als je ein anderer sich vorstellet. Sie sind alle zum frohen gesellschaftlichen Leben unfähig und ihr Vergehen ist mit starken Zügen in jeder Miene und Bewegung ausgedrückt. 5) Ein junges Mädchen hatte sich bis in ihr funfzehntes Jahr mit diesem Laster abgegeben, ohne eben, wie es bei Mädchen sehr oft der Fall ist, in eine wirkliche Krankheit zu fallen. Um diese Zeit aber fieng sie an, Krämpfe zu bekommen und sich übel zu befinden, welches man leicht andern Ursachen zuschrieb. Sie ward bald verheirathet und einige Aerzte versicherten, ihre Zufälle würden nun bald von selbst aufhören. Es ward aber immer ärger mit ihr. Sie bekam entweder heftige Zückungen, oder lag in einem betäubenden Schwindel. Man ließ einen Arzt kommen, der ein Vergehen argwöhnte, worüber ihr eigenes Geständniß ihm Gewißheit verschafte. Er that alles mögliche, aber sie war nicht zu retten. Sie litte unbeschreiblich viel, und ihr Tod sowol als die schreckliche Veranlaßung dazu war ein nagender Kummer für ihre gute Familie. Noch kenne ich zwei Wollüstlinge und fünf eigentliche Selbstschwächer. Jhre Lage ist nicht so schrecklich, aber sie leiden alle und vielleicht für sich weit mehr, als je ein anderer sich vorstellet. Sie sind alle zum frohen gesellschaftlichen Leben unfähig und ihr Vergehen ist mit starken Zügen in jeder Miene und Bewegung ausgedrückt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0034" n="35"/> <p> 5) Ein junges Mädchen hatte sich bis in ihr funfzehntes Jahr mit diesem Laster abgegeben, ohne eben, wie es bei Mädchen sehr oft der Fall ist, in eine wirkliche Krankheit zu fallen. Um diese Zeit aber fieng sie an, Krämpfe zu bekommen und sich übel zu befinden, welches man leicht andern Ursachen zuschrieb. Sie ward bald verheirathet und einige Aerzte versicherten, ihre Zufälle würden nun bald von selbst aufhören. Es ward aber immer ärger mit ihr. Sie bekam entweder heftige Zückungen, oder lag in einem betäubenden Schwindel. Man ließ einen Arzt kommen, der ein Vergehen argwöhnte, worüber ihr eigenes Geständniß ihm Gewißheit verschafte. Er that alles mögliche, aber sie war nicht zu retten. Sie litte unbeschreiblich viel, und ihr Tod sowol als die schreckliche Veranlaßung dazu war ein nagender Kummer für ihre gute Familie.</p> <p>Noch kenne ich zwei Wollüstlinge und fünf eigentliche Selbstschwächer. Jhre Lage ist nicht so schrecklich, aber sie leiden alle und vielleicht für sich weit mehr, als je ein anderer sich vorstellet. Sie sind alle zum frohen gesellschaftlichen Leben unfähig und ihr Vergehen ist mit starken Zügen in jeder Miene und Bewegung ausgedrückt.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0034]
5) Ein junges Mädchen hatte sich bis in ihr funfzehntes Jahr mit diesem Laster abgegeben, ohne eben, wie es bei Mädchen sehr oft der Fall ist, in eine wirkliche Krankheit zu fallen. Um diese Zeit aber fieng sie an, Krämpfe zu bekommen und sich übel zu befinden, welches man leicht andern Ursachen zuschrieb. Sie ward bald verheirathet und einige Aerzte versicherten, ihre Zufälle würden nun bald von selbst aufhören. Es ward aber immer ärger mit ihr. Sie bekam entweder heftige Zückungen, oder lag in einem betäubenden Schwindel. Man ließ einen Arzt kommen, der ein Vergehen argwöhnte, worüber ihr eigenes Geständniß ihm Gewißheit verschafte. Er that alles mögliche, aber sie war nicht zu retten. Sie litte unbeschreiblich viel, und ihr Tod sowol als die schreckliche Veranlaßung dazu war ein nagender Kummer für ihre gute Familie.
Noch kenne ich zwei Wollüstlinge und fünf eigentliche Selbstschwächer. Jhre Lage ist nicht so schrecklich, aber sie leiden alle und vielleicht für sich weit mehr, als je ein anderer sich vorstellet. Sie sind alle zum frohen gesellschaftlichen Leben unfähig und ihr Vergehen ist mit starken Zügen in jeder Miene und Bewegung ausgedrückt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/34 |
Zitationshilfe: | Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/34>, abgerufen am 27.07.2024. |